Protocol of the Session on July 18, 2014

Vielen Dank. Es ist das letzte Mal, dass ich - hier in dieser Legislaturperiode zumindest - darauf antworten kann. Deshalb möchte ich es auf jeden Fall noch einmal versuchen. Erstens bin ich erstaunt über den letzten Wortbeitrag, dass gerade Sie von

der FDP jetzt anfangen und nicht mehr über die freie Marktwirtschaft philosophieren, sondern versuchen, irgendwo etwas zu lenken, gelenkte Marktwirtschaft zu machen.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Es geht nur um faire Bedingungen.)

Es geht um einen freien Wettbewerb und der freie Wettbewerb findet auf verschiedenen Ebenen statt. Auf der Ebene, dass ich Fachkräfte in mein Unternehmen bekomme, damit ich gute Arbeit leisten kann. Dann muss ich anständige Löhne zahlen. Er ist aber genauso, dass ich mich dem freien Wettbewerb stellen muss, wenn es um Aufträge geht. Mir geht es aber um eine ganz andere Sache. Deshalb versuche ich es noch einmal. Es ist die letzte Chance in dieser Legislaturperiode.

Wenn Sie anfangen, darüber zu sprechen und uns zu kritisieren, dass wir immer irgendwie zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas falsch gemacht haben, Herr Kemmerich, dann muss ich sagen, Sie sind vollkommen aus der Zeit.

(Beifall DIE LINKE)

Erstens: Wir mussten große Unternehmen ansiedeln, damit wir erst einmal Arbeitsplätze schaffen in manchen Regionen hier in Thüringen, wo wir über 25 Prozent Arbeitslosigkeit haben. Ich sage, das ist uns gelungen. 8,5 Prozent - Augenhöhe mit Hamburg, Nordrhein-Westfalen weit hinter uns gelassen, alle anderen ostdeutschen Länder, Bremen, Bremerhaven sowieso. Wir greifen jetzt die nächsten Südländer an, wo wir demnächst in der Arbeitslosenstatistik wahrscheinlich auf Augenhöhe sind.

Zweitens: Jetzt sind wir dabei, die Unternehmen, die da sind, zu stabilisieren. Das ist die neue Ausrichtung der Wirtschaftspolitik. Wenn wir das nicht gemacht hätten, wenn wir früher unsere Wirtschaftspolitik so ausgerichtet hätten, wie wir sie jetzt für 2014 und die folgenden Jahre machen, wären wir nie so erfolgreich gewesen. Das Gleiche mit der Arbeitslosigkeitsbekämpfung: Wir hatten damals bei Schröder offiziell 5 Millionen Arbeitslose, wahrscheinlich 6 Millionen, wenn man die Statistik bereinigt.

(Unruhe FDP)

Fast 6 Millionen Arbeitslose unter Schröder. Da brauchten wir andere Antworten als heute, wenn wir Fachkräftemangel haben. Das ist doch ganz logisch. Heute sieht die Arbeitsmarktpolitik anders aus als Mitte und Ende der 90er-Jahre.

Dann fordern Sie - hören Sie doch einmal zu, ich habe sonst keine Möglichkeit mehr, Ihnen das zu sagen, wir treffen uns nicht so häufig - Transparenz bei Entlohnung. Herr Kemmerich, dann rufen Sie zur Tarifbindung auf. Der Tariflohn ist transparent.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Abg. Bergner)

Das ist der transparenteste Lohn, den es gibt und da kann keiner einem anderen irgendwie ausbüchsen. Das ist es doch, dass wir mehr Tariflohn brauchen. Dann noch einmal, Herr Kemmerich, das sage ich Ihnen einmal persönlich, wenn ich über ein Geschäftsmodell nachdenke, das nur funktioniert, wenn ich 3,50 €, 4,00 € zahle, dann finde ich, ist das unmoralisch, auch wenn es nicht offiziell sittenwidrig ist. Das ist meine Meinung.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Und wenn ich von Sittenwidrigkeit rede, meine ich auch diese unmoralischen Sachen.

(Unruhe FDP)

Jetzt noch einmal eins, weil Sie über Rente fabuliert haben: Ja, selbstverständlich, wenn wir gute Löhne zahlen, haben wir gute Renten.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Warum kann man nicht …)

Zum Schluss, Herr Kemmerich: Der Kopf ist rund. Wissen Sie, warum? Damit es jedem Menschen gelingt, dass er seine Gedanken immer wieder neu ordnet und in die richtige Richtung führt. Ich wünsche Ihnen das und vielleicht sind Sie dann einmal erfolgreicher. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Doch, es gibt eine weitere Wortmeldung. Sie haben noch 1 Minute 30 Sekunden.

Bei allem guten Willen, Herr Staschewski, wissen Sie, ich habe schon für 1,30 Mark Ost gearbeitet, ich habe auch schon für ein bisschen mehr und noch ein bisschen mehr gearbeitet. Was der ganze Fehler ist, den wir hier machen, das ist das Leistungsprinzip. Wir haben keinen Anreiz mehr, mehr zu arbeiten, denn die 8,50 € kriege ich und sortiere 100 Schrauben und derjenige, der 1.000 Schrauben sortiert, der bekommt auch 8,50 €. Das geht nicht.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: So ein Quatsch.)

Lasst mich doch bitte einmal ausreden. Wir haben in DDR-Zeiten 2,80 Mark für den Kellner bezahlt von Rostock bis nach Oberhof. Derjenige in Oberhof hat 6 Stunden - ohne Namen zu nennen - auf seinem Hintern gesessen und derjenige an der Ostsee ist zwischen 6 und 8 Stunden gelaufen und bekam genau 2,80 Mark. Daran ist die DDR zugrunde gegangen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können nur das ausgeben, was wir erwirtschaften; das müssen sich alle einmal merken. Das geht nämlich so nicht. Das hat die DDR gemacht; immer raus, immer raus. Wenn ich heute sage, 98 Prozent stehen hinter den Mindestlöhnen - liebe Leute. Wenn ich jetzt frage, wollt Ihr alle gesund bleiben, da stehen 100 Prozent hinter mir. Das ist genau dasselbe. Da kann ich doch einfach sagen, wir sagen auch, wir machen mit.

(Unruhe DIE LINKE)

Nein, wir bleiben bei unserer Meinung und wir werden sehen, was es bringt. Ich hoffe es nicht, aber dieser Mindestlohn bringt uns in wirtschaftliche Schwierigkeiten, so wahr wir hier sind.

(Zwischenruf Abg. Lukasch, DIE LINKE: Nie- mals.)

Ich will nicht recht haben, aber es geht nicht, es muss nach Leistung gehen. Wir sind eine Leistungsgesellschaft und keine Gleichmacherei. Das geht nicht.

(Beifall FDP)

Vielen Dank für Ihren Beitrag, Herr Untermann. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu Nummer I des Antrags erfüllt ist oder erhebt sich Widerspruch? Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir direkt zur Abstimmung zu Nummer II des Antrags, und zwar in der Drucksache 5/7429, vorgelegt durch die Fraktion DIE LINKE. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus den Fraktionen SPD, CDU und FDP. Gibt es Stimmenthaltungen? Das sind die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Gemäß der Vereinbarung zu Beginn unserer Plenarsitzung rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 30 auf, denn der muss in dieser Plenarsitzung auf jeden Fall behandelt werden.

Bericht der Landesregierung zum Beschluss des Thüringer Landtags „Erdfallopfer von künftigen Verpflichtungen freistellen“ vom 20. März 2014 Beschluss des Thüringer Landtags - Drucksache 5/7534

Zunächst erteile ich nun Herrn Minister Reinholz für den Bericht der Landesregierung das Wort.

(Staatssekretär Staschewski)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit Beschluss des Thüringer Landtags vom 20. März 2014 wurde die Landesregierung gebeten, ob und wenn ja, wie von Erdfällen betroffene Grundstücks- und Hauseigentümer davon befreit werden können, erstens die Verkehrssicherungspflicht auf ihrem vom Erdfall betroffenen Grundstück bzw. rund um das Grundstück ausüben zu müssen, zweitens, anfallende Kosten für ihr von einem Erdfall betroffenes Grundstück bzw. Haus zu tragen, sowie drittens, möglicherweise anfallende Abrisskosten für ihr von einem Erdfall betroffenes Haus zu tragen.

Für die Landesregierung möchte ich dazu wie folgt berichten: Erdfälle sind bekannterweise geologische Phänomene, die in unserem Bundesland regelmäßig auftreten. Meist geschehen sie jedoch außerhalb von Wohngebieten, in Wäldern oder auf landwirtschaftlichen Nutzflächen. Dort führen sie nur selten zu dauerhaften Nutzungseinschränkungen. Einschränkungen sind häufig so gering oder nur kurzzeitig wirksam. Meistens können die Erdfälle verfüllt und die Flächen dann wieder wirtschaftlich genutzt werden.

Anders war und ist es bei den beiden spektakulären Erdfallereignissen, die in Tiefenort und in Schmalkalden dazu geführt haben, dass Menschen ihre Häuser zu ihrer eigenen Sicherheit verlassen mussten. Während sich in Schmalkalden abzeichnet, dass eventuell sogar alle betroffenen Bürger ihre Wohngebäude nach baulichen Sanierungsmaßnahmen wieder beziehen können, besteht für die von dem Erdfall in Tiefenort betroffenen Gebäude weiterhin eine dauerhafte baurechtliche Nutzungsuntersagung. Diese Grundeigentümer haben mit der Nutzungsuntersagung natürlich ein wesentliches Grundstücksrecht verloren. Sie dürfen dort nicht mehr wohnen, stehen aber bezüglich ihrer Pflichten als Grundeigentümer grundsätzlich weiterhin in der Verantwortung.

Auf die Suche nach möglichen Erleichterungen für diese von dauerhaften Nutzungsverboten betroffenen Bürger zielt letztendlich auch der Prüfauftrag des Thüringer Landtags ab. Die Verkehrssicherungspflicht für Haus und Grundstück obliegt grundsätzlich dem jeweiligen Eigentümer. Dieser darf jedoch Dritte bei der Erfüllung seiner Pflichten einschalten. Wie weit die Übertragung der Pflichten reicht, hängt natürlich von den Umständen und den getroffenen Absprachen ab. In jedem Fall ist im Rahmen der Vertragsgestaltung konkret zu definieren, welche Teile der Verkehrssicherungspflicht übertragen werden sollen. Bei weitestgehender Übertragung beschränkt sich dann die verbleibende Verkehrssicherungspflicht beim Eigentümer lediglich auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht.

Zeitlich vorstellbar ist, die Übertragung der Pflichten auf die Dauer der Nutzungsuntersagung zu beschränken.

Eine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht des Grundeigentümers könnte an die Gemeinde oder einen privaten Dritten erfolgen. Die ursprünglich durch gemeindliche Satzung an den Grundeigentümer übertragenen Verkehrssicherungspflichten wären dabei ebenfalls zu regeln. Es könnte im Rahmen der Satzungsbefugnis der Gemeinde erwogen werden, eine besondere Regelung in die betreffende Gemeindesatzung aufzunehmen und für die Dauer der Nutzungsuntersagung eine entsprechende eigene Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde zu statuieren.

Im Fall Tiefenort sind die von der Nutzungsuntersagung betroffenen Grundeigentümer wegen der großräumigen Absperrung des Areals durch die Gemeinde derzeit faktisch davon freigestellt, die Verkehrssicherungspflicht ausüben zu müssen. Zur Frage einer möglichen Befreiung der Grundeigentümer von anfallenden laufenden Kosten für ihr von der Nutzungsuntersagung infolge Erdfall betroffenes Haus bzw. Grundstück ist zunächst auf die Möglichkeit der Einheitsbewertung des Grundstücks als Basis für die Grundsteuerfestsetzung sowie auf Billigkeitsmaßnahmen hinzuweisen.

Nach Verwaltungsanweisung im Geschäftsbereich des Thüringer Finanzministers kann ein bisher als bebaut bewertetes Grundstück aufgrund einer behördlichen dauerhaften Nutzungsuntersagung zu einem unbebauten Grundstück umbewertet werden. Allein aus diesem Grund mindern sich in der Regel der Einheitswert und damit natürlich auch die Grundsteuer um ca. 80 bis 90 Prozent. Bei untergeordneter Bedeutung des Grundstücks kann eine Aufhebung des Einheitswertes erfolgen.

In den Fällen, in denen nur eine Herabsetzung des Einheitswertes in Betracht kommt, können die Eigentümer bei Grundstücken, die im Ertragswertverfahren zu bewerten sind, darüber hinaus einen Erlass wegen wesentlicher Ertragsminderung gemäß § 33 Grundsteuergesetz bei der Gemeinde beantragen. Daneben kommt in Abhängigkeit von den konkreten wirtschaftlichen Verhältnissen des Grundstückseigentümers die Möglichkeit in Betracht, bei der Gemeinde einen Erlass der Grundsteuer aus persönlichen Billigkeitsgründen nach § 227 der Abgabenordnung zu beantragen. Weiterhin kommen unter Voraussetzung der §§ 222 und 227 der Abgabenordnung auch eine Stundung oder der Erlass von Wasser- und Abwassergebühren gemäß § 12 Kommunalabgabengesetz in Betracht. Die Entscheidung hierüber liegt bei den zuständigen Aufgabenträgern der Wasserver- und Abwasserentsorgung im Rahmen ihres verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstverwaltungsrechts.

Den in Tiefenort von dauerhafter Nutzungsuntersagung betroffenen Grundeigentümern wurde die Grundsteuer für die betreffenden Grundstücke seit 2010, in einem Fall bereits seit 2008, erlassen. Diese Grundeigentümer sind auch von der Zahlung von Wasser- und Abwassergebühren befreit. In Bezug auf die möglicherweise anfallenden Abrisskosten für die von einer dauerhaften Nutzungsuntersagung infolge Erdfall betroffenen Häusern hat Herr Kollege Carius den Bürgermeister der Gemeinde Tiefenort sowie die betroffenen Grundeigentümer bereits im Jahr 2010 über die Fördermöglichkeiten des Landes informiert. Details sind hier im Rahmen eines Antragsverfahrens der Städtebauförderung zu klären.

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich erwähnen, dass im Gegensatz zur Vorgehensweise in Tiefenort im Fall eines Erdfalls in Schmalkalden keine dauerhaften Nutzungsuntersagungen seitens der zuständigen Bauaufsichtsbehörde ausgesprochen worden sind. Dort werden derzeit unter Berücksichtigung des vom Land installierten Beobachtungs- und Frühwarnsystems für die betroffenen Gebäude bautechnische Maßnahmen entwickelt und umgesetzt, die deren Weiternutzung als Wohnbebauung ermöglichen soll. Namens der Landesregierung bitte ich das Plenum, die vorgenannten und im Einzelnen erläuterten Ergebnisse der Prüfung zur Kenntnis zu nehmen und den gemäß Landtagsbeschluss ergangenen Prüfungsauftrag für abgeschlossen zu erklären. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen herzlichen Dank, Herr Minister. Ich frage nun: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht der Landesregierung? Alle Fraktionen. Auf Verlangen aller Fraktionen eröffne ich damit die Beratung zum Bericht der Landesregierung und weise nochmals darauf hin, dass sich die Redezeit aufgrund einer Vereinbarung im Ältestenrat verdoppelt, wir aber eine übliche einfache Redezeit zur Verfügung haben. Als Erster in der Debatte hat nun Abgeordneter Frank Weber für die SPD-Fraktion das Wort.