Protocol of the Session on July 17, 2014

Den Zukunftskompass für eine lebenswerte Heimat und ein gutes Miteinander in allen Regionen des

Freistaats bildet dabei das in diesem Jahr beschlossene Landesentwicklungsprogramm 2025. Thüringen wird in den gewachsenen Strukturen neu gedacht, Stadt und Land als regionale Einheit behandelt. Das Landesentwicklungsprogramm legt also nicht allein die Grundlagen für die Umsetzung der Energiewende in Thüringen; es zeigt vor allem eine nachhaltige Zukunftsperspektive für den Freistaat auf und stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit.

Dabei lassen wir ausdrücklich Raum für freiwillige Neugliederungen der Gemeinden. Seit 2009 wurden fünf Gesetzentwürfe zu freiwilligen Neugliederungen kreisangehöriger Gemeinden und fünf Rechtsverordnungen zur Änderung von Kreisgrenzen bzw. zur Änderung von Verwaltungsgemeinschaften erarbeitet. Die Landesregierung hat dem Landtag 54 Neugliederungsmaßnahmen vorgelegt. An den Neugliederungen waren 298 Städte und Gemeinden beteiligt, die wir zwischen 2009 und 2011 mit insgesamt 15 Mio. € gefördert haben. Wir reden hier, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, nicht von einer Kleinigkeit: Fast 600.000 Einwohner Thüringens waren von den Neugliederungen direkt oder indirekt betroffen. Das ist ein Viertel der Bevölkerung. Wir haben die größte Gemeindegebietsreform in dieser Legislaturperiode gemacht. Aber wir haben sie nicht mit einem großen Radau, mit großen Demonstrationen gemacht, sondern wir haben sie mit den Menschen gemacht - von daher relativ geräuschlos.

(Beifall CDU)

Zugleich haben wir mit der Novelle des Thüringer Kommunalabgabengesetzes zu den Straßenausbaubeiträgen einen großen Konflikt befriedet, der in Thüringen seit Jahren schwelte. Mit der Reform des Kommunalen Finanzausgleichs im Jahr 2013 haben wir darüber hinaus die enge finanzielle Partnerschaft zwischen Land und Kommunen festgeschrieben. Das Ergebnis ist eine faire Verteilung der Mittel und Verlässlichkeit für beide Seiten. Ein wesentlicher Grund ist: Steuereinnahmen und zusätzliche Bundesmittel verbleiben weitgehend bei den Kommunen. Ein Garantiefonds erleichtert den Übergang in das neue System. Auch hier haben wir hart gerungen, aber wir haben Lösungen gefunden für unsere Kommunen, für unsere Landkreise und für uns als Land, denn wir sind hier in einer gemeinsamen Partnerschaft.

(Beifall CDU)

Das alles spricht für Stabilität und Solidität. Allerdings haben wir auch Problemfälle, auch das möchte ich nicht verschweigen. Einige Kommunen haben erhebliche finanzielle Lasten aus der Vergangenheit zu tragen. Deshalb hat die Landesregierung auch in enger Abstimmung mit den Landtagsfraktionen der Koalition von CDU und SPD - ein weiteres starkes Programm aufgelegt mit 136 Mio. € zu Beginn dieses Jahres, das den betroffenen Kommu

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

nen den Weg ebenfalls erleichtert. Auch das ist ein Ausdruck gelebter Partnerschaft.

(Beifall CDU)

Dass wir uns um ganz gravierende Einzelfälle sowohl auf der Landkreisebene als auch auf der kommunalen Ebene ganz spezifisch kümmern, das ist nicht verborgen geblieben, auch das ist notwendig. Es braucht im Einzelfall Konsolidierungskonzepte, Haushaltskonsolidierungskonzepte, langfristige Wege. Auch dafür stehen wir und da nehmen wir Verantwortung wahr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wie wichtig diese Partnerschaft zwischen Land und Kommunen ist, zeigt sich beispielhaft auf dem weiten Feld der Thüringer Kulturlandschaft. Die Kultur ist in Thüringen so gegenwärtig wie in kaum einem anderen Land der Bundesrepublik. Ja, Thüringen ist Kulturland in der Mitte Deutschlands.

(Beifall CDU, SPD)

Gerade die Kommunen als Träger von Orchestern, Theatern und Museen stehen vor der Frage, wie sie dieses in Thüringen so reiche Erbe angemessen pflegen und bewahren können. Das Land sieht sich in der Verantwortung, hier stützend zur Seite zu stehen. Mit dem Leitbild Kultur und dem darauf aufbauenden Kulturkonzept hat die Landesregierung Perspektiven und Entwicklungslinien aufgezeigt. Darüber hinaus haben wir aber vor allem seit 2009 die Kulturausgaben um ca. ein Viertel erhöht.

(Beifall CDU)

Das bedeutet mehr Geld für Literaturförderung, für Musik, Theater und Museen sowie für unsere Gedenkstätten und kulturellen Bauwerke und mehr Besucher aus ganz Deutschland und aller Welt. Ich habe wiederholt gesagt und will es hier gern nochmals unterstreichen: Ich schließe in Thüringen kein Theater

(Beifall CDU, SPD)

und natürlich auch kein Orchester. Diese historisch gewachsene Theater- und Orchesterlandschaft in Thüringen zeichnet sich durch eine außerordentliche Dichte, Vielfalt und Qualität aus. Jedes Theater und jedes Orchester ist ein kultureller Mittelpunkt in der Region. Sie sind längst zu Bildungszentren geworden, sind wichtige künstlerische Aushängeschilder für das Kulturleben in Thüringen. Sie sind Botschafter unseres Landes, auch über die Grenzen Thüringens hinaus, sie gilt es zu erhalten.

(Beifall SPD)

Das war angesichts knapper Haushaltsmittel keine einfache Aufgabe gewesen. Mehrfach haben wir miteinander gerungen - der Kulturminister des Landes, ich als Ministerpräsidentin mit dem Finanzminister -, jeweils Lösungen zu finden. In einem intensiven Dialog gemeinsam mit den Trägern haben wir

dennoch die Finanzierung auf ein sicheres Fundament gesetzt. Bis 2016 steigen die Landeszuschüsse auf insgesamt rund 65 Mio. €. Das sichert die Vielfalt und die Strahlkraft unserer Theater und Orchester, wenngleich es auch noch keine dauerhafte wirkliche Lösung ist. Auch hier gilt es in Zukunft, weitere Aufgaben wahrzunehmen.

Darüber hinaus haben wir auch Medien wie Film und Fernsehen in Thüringen zukunftsfest aufgestellt: Mit dem neuen Thüringer Landesmediengesetz wird der Bürgerrundfunk gestärkt, mit Initiativen wie „Fernsehen aus Thüringen“ oder der Spring School wird der Freistaat als attraktiver Medienstandort ausgebaut.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele von uns gehen freilich gern ins Theater oder zu einem Konzert der Thüringer Orchester oder zu einem der vielen Freilichttheater bis hin zu den Domstufen, die wir in diesen Tagen wieder grandios erleben. Andere gehen vielleicht lieber ins Kino oder in ein Museum. Dass wir das aber gefahrlos bei Tag und Nacht tun können, ohne Sorge vor einem Überfall, das verdanken wir vor allen Dingen der Thüringer Polizei, den Polizistinnen und Polizisten, die täglich im Einsatz sind.

(Beifall CDU, SPD)

Sie sorgen dafür, dass der Freistaat Thüringen zu einem der sichersten Länder bundesweit zählt: Die Aufklärungsquote war 2013 mit 64,5 Prozent die höchste aller Bundesländer.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Aller Bun- desländer.)

(Beifall CDU)

In den vergangenen Jahren haben wir mit der Polizeistrukturreform die Weichen gestellt, damit dieses hohe Niveau an Sicherheit auch in Zukunft, auch unter den Herausforderungen von Demografie und von knappen Kassen gewährleistet wird. Auch das war keine Kleinigkeit. Wir wissen, wie viele Jahre an dieser Reform gearbeitet wurde. Wir haben sie hier zu einem guten Ende gebracht.

(Beifall CDU)

Wir haben die Strukturen der Polizei gestrafft, damit mehr Beamte ihre eigentliche Arbeit „draußen“ auf der Straße verrichten können. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, „mehr Blau auf die Straße“ zu bringen, und wir haben dieses Ziel erreicht. Im Rahmen der Polizeistrukturreform sind nun der in Erfurt neu errichteten Landespolizeidirektion sieben Landespolizeiinspektionen zugeordnet. Thüringen ist eines der ersten Flächenländer, in dem von einer zentralen Leitstelle aus alle Polizeieinsätze landesweit koordiniert werden. Dieser Bau, diese Fertigstellung, diese Einrichtung, die dort zur Verfügung steht, ist wirklich beispielgebend. Es lohnt sich, sie anzusehen.

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

(Beifall CDU)

Die Landeseinsatzzentrale hat das polizeiliche Notruf- und Einsatzmanagement für den gesamten Freistaat übernommen. Allein in die technische Ausstattung wurden 7 Mio. € investiert. Rund 80 Bedienstete übernehmen hier die Aufgaben des polizeilichen Notrufund Einsatzmanagements, 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Sie leisten zusammen mit ihren Kollegen in den anderen Dienststellen eine hervorragende Arbeit. Dafür möchte ich ihnen an dieser Stelle einmal herzlich Dankeschön sagen!

(Beifall CDU, SPD)

Auch der Justizvollzug ist in dieser Legislaturperiode modernisiert worden. Das Justizvollzugsgesetzbuch ist neu geschaffen worden und mit der neuen Jugendstrafanstalt Arnstadt ist vor wenigen Tagen die modernste Vollzugseinrichtung Deutschlands für Jugendliche in Betrieb gegangen. Für die geplante gemeinsame Justizvollzugsanstalt mit Sachsen in Zwickau wurde der Staatsvertrag unterschrieben, die Zustimmung durch den Landtag ist erfolgt. Auch das waren umfangreiche Verhandlungen, die zu einem guten, erfolgreichen Ergebnis, zu einer Win-win-Situation für beide Länder gekommen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, eine der großen Herausforderungen für Polizei und für den Verfassungsschutz ist und bleibt der Kampf gegen jede Form des Extremismus. Wir alle müssen wachsam gegenüber Tendenzen sein, die darauf angelegt sind, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung abzuschaffen. Das verstehe ich übrigens unter dem Prinzip der wehrhaften Demokratie. Nicht zuletzt aus diesem Grund erhebt die Friedrich-Schiller-Universität Jena jedes Jahr im Auftrag der Staatskanzlei eine Studie zur politischen Kultur in Thüringen, den Thüringen-Monitor. Es ist eine gute Tradition, dass ich als Ministerpräsidentin dieses Landes wie auch meine Vorgänger im Amt darüber im Landtag eine Regierungserklärung abhalte und die Ergebnisse zur Diskussion im Plenum stelle. Der Thüringen-Monitor bestätigt immer wieder, dass die Demokratie in Thüringen auf einem festen Grund steht. Aber dennoch erkennen die Wissenschaftler immer auch eine Minderheit, die unserer Demokratie und unserem Rechtsstaat grundsätzlich ablehnend gegenübersteht.

In den vergangenen Jahren haben wir diese Debatten insbesondere unter dem Eindruck der schrecklichen Taten des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrundes“ geführt. Die drei mutmaßlichen Täter aus Thüringen haben über Jahre hinweg unerkannt in ganz Deutschland aus fremdenfeindlichen Motiven heraus schreckliche Morde an acht türkischstämmigen und einem griechischen Kleinunternehmer begangen. Auch der Mord an einer Polizistin gehört zu ihren mutmaßlichen Verbre

chen. Die Entdeckung dieser Terrorzelle Ende 2011 bedeutete eine tiefe Zäsur für unser Land, für Thüringen wie für Deutschland. Wir haben uns das Wüten des Rechtsterrorismus in diesem Ausmaß schlicht nicht vorstellen können und wir sind immer noch tief darüber betroffen. In der Folge haben wir intensive Debatten über das Versagen von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz auch in Thüringen geführt. Und wir haben entsprechende Konsequenzen gezogen.

Ich bin auch dankbar, dass wir in dieser letzten Plenarsitzung der Legislaturperiode die gesetzliche Grundlage für die Neuausrichtung des Verfassungsschutzes mit dem gestrigen Tag beschlossen haben. Der Verfassungsschutz wird künftig zu einer selbstständigen Organisationseinheit unter dem Dach des Thüringer Innenministeriums. Die innerbehördliche Kontrolle wird durch ein unabhängiges Controlling gestärkt. Gerade weil der Verfassungsschutz ein unverzichtbares Instrument unserer wehrhaften Demokratie ist, muss er auch in der Lage sein, Radikalisierungstendenzen und Gewaltorientierung frühzeitig zu erkennen. Darüber hinaus haben wir auch bei den Polizei- und Justizbehörden die Arbeitsgrundlagen verändert, Arbeitsabläufe optimiert und die Zusammenarbeit ressortübergreifend verbessert. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit: Wenn es darum geht, Verbrechen, wenn es darum geht, menschenfeindliche Tendenzen und Extremismus zu bekämpfen, müssen Behörden in diesem Freistaat, aber auch bundesweit, zusammenarbeiten.

(Beifall CDU)

Neben diesen Reformen hat die Landesregierung die Entscheidung getroffen, gemeinsam mit anderen Ländern vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren gegen die NPD anzustrengen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich bin mir aber auch bewusst, Verbote sind das eine, aber noch wichtiger ist, dass unsere Demokratie auch aus der Mitte unserer Gesellschaft heraus gestützt wird. Je mehr die Menschen bereit sind, sich zu engagieren, sei es im örtlichen Gemeinderat, in der Kirche, in Vereinen, im Sport, bei freiwilligen Feuerwehren, umso lebendiger, vielfältiger und auch wehrhafter wird sie sein. In Thüringen haben wir heute nicht zuletzt auch dank der Thüringer Ehrenamtsstiftung eine Kultur des Ehrenamts. Die Menschen fühlen sich für ihre Heimat, für ihren Ort, für ihre Stadt verantwortlich und sie sind bereit, sich auch aktiv einzubringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, deshalb kann ich unter dem Strich eine gute, ja, eine sehr gute Bilanz unter die vergangenen fünf Jahre ziehen. Das Land steht heute so gut da wie noch nie in seiner Geschichte. Den Menschen geht es gut und sie bringen es auch zum Ausdruck. Im

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

letzten Thüringen-Monitor haben 93 Prozent der Befragten angegeben, dass sie mit ihrem Leben insgesamt zufrieden seien und sie gern in Thüringen leben. Fast drei Viertel der Thüringer sagten, dass ihre Zukunft eher gut aussieht. Ich finde, das ist ein guter Ausweis unserer Thüringerinnen und Thüringer zu ihrem Land.

(Beifall CDU, SPD)

Wir sind ein gutes Stück vorangekommen. Das ist ein Erfolg aller Thüringerinnen und Thüringer und dafür gebührt ihnen Dank und Anerkennung.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Auch die Landesregierung hat dazu ihren Beitrag geleistet. Wir haben investiert, in die Wirtschaft, in Bildung und Infrastruktur. Wir haben modernisiert und reformiert, um Thüringen zukunftsfest zu gestalten. Wir haben uns engagiert für Thüringen, ob in Berlin oder Brüssel, ob im Falle großer, einschneidender Ereignisse wie der Wirtschaftskrise oder dem Hochwasser des vergangenen Jahres oder im Alltag in ungezählten Bund-Länder-Gesprächen. Aber klar ist auch, wir sind nicht am Ende des Weges angekommen. Herausforderungen wie der demografische Wandel, die zurückgehenden Finanzmittel aus Berlin und Brüssel oder die Energiewende können nicht in fünf Jahren gelöst werden. Sie reichen weit über die Legislaturperiode hinaus. Manches ist sogar eine Generationenaufgabe. Aus diesem Grund habe ich auch das Leitbild „Thüringen 2020“ vorgegeben. Wir wollen unser Handeln bewusst nicht am nächsten Wahltag ausrichten, sondern an den Zeiträumen, die zur Lösung bzw. zu notwendigen Anpassungen gebraucht werden. Das Jahr 2020 erscheint mir als Zielmarke besonders geeignet, weil bis dahin auch der Solidarpakt II ausgelaufen ist. Dann ist der Aufbau Ost formal abgeschlossen. Einen Solidarpakt III wird es nicht geben, das wissen wir.

Erst in der vergangenen Woche haben sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen. Dort habe ich meinen Vorschlag für einen Deutschlandfonds erneuert und konkretisiert, mit dem die gesamtdeutsche Regionalförderung ab 2020 finanziert werden könnte. Die Arbeit an den Kriterien für eine gesamtdeutsche Strukturförderung beginnt nämlich bereits jetzt. Sie soll in die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einfließen. Die Verhandlungen laufen und wir müssen gut aufpassen, dass diese Reform nicht zulasten der neuen Länder geht. Alles in allem sind für Thüringen bis zu 4 Mrd. € von den derzeitigen Reformüberlegungen betroffen, also 44 Prozent des derzeitigen Haushaltsvolumens, und da gilt es, Verantwortung wahrzunehmen, und zwar frühzeitig, für eine richtige Weichenstellung.