Protocol of the Session on June 26, 2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Plenarsitzung. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Bilder machen wir später. Ich begrüße die Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Für die Plenarsitzung hat als Schriftführerin neben mir Platz genommen Frau Abgeordnete Lukasch. Die Redeliste führt Frau Abgeordnete Mühlbauer.

Es haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Abgeordneter Bergemann, Herr Abgeordneter Fiedler, Herr Abgeordneter Gentzel, Herr Abgeordneter Günther, Herr Abgeordneter Metz, Herr Abgeordneter Dr. Voigt zeitweise, Herr Minister Dr. Poppenhäger, Herr Minister Matschie zeitweise und Herr Minister Dr. Voß zeitweise.

Ich darf der Staatssekretärin Hildigund Neubert ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren, alles Gute, Glück, Gesundheit und Gottes Segen.

(Beifall im Hause)

Gestatten Sie mir noch wenige allgemeine Hinweise: Der Förderverein Spiel- und Freizeitplätze der Generationen in Erfurt e.V. präsentiert sich heute im Foyer vor dem Landtagsrestaurant, die Mitglieder des Vereins werden Sie über die Arbeit des Vereins und dessen laufende Projekte informieren.

Aufgrund der Eilbedürftigkeit habe ich für Frau Johanna Hemkentokrax von MDR Info eine Sondergenehmigung für Bild- und Tonaufnahmen für die heutige Plenarsitzung gemäß der Regelung für dringende Fälle nach § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung erteilt.

Noch ein Hinweis zur Tagesordnung: Zu dem neuen TOP 8 a, Thüringer Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Errichtung und den Betrieb einer gemeinsamen Justizvollzugsanstalt in Zwickau wird ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/7930 und ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP in Drucksache 5/7931 verteilt. Gibt es noch weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 1

Regierungserklärung des Ministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur zum Thema „Hochschulstrategie Thüringen 2020“ Unterrichtung durch die Landesregierung - Drucksache 5/7867

Ich erteile Herrn Minister Matschie das Wort zu seiner Regierungserklärung.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste auf der Tribüne! Wir in Thüringen wissen, was Hochschulen für unser Land leisten. Wir wissen, was wir unseren Universitäten und Fachhochschulen verdanken. Vieles von dem, was Thüringen heute so lebenswert macht, ist nicht ohne lebendige Wissenschaft, Forschung und Lehre zu denken, wie sie an unseren Hochschulen zu Hause ist.

Werfen wir nur mal einen Blick auf die wirtschaftliche Lage: Thüringen ist heute ein gefragter Partner, wenn es um Spitzentechnologie geht. 33 Weltmarktführer und 60 europaweite Spitzenreiter haben bei uns in Thüringen ihren Sitz. Das ist auch ein Verdienst unserer Hochschulen in Thüringen. Unternehmen, die dauerhaft Erfolg haben wollen, brauchen wissenschaftliche Impulse. Die bekommen sie durch die Zusammenarbeit mit Hochschulen. Das ist keine neue Erkenntnis, das wusste schon Ernst Abbe, als er vor 125 Jahren die CarlZeiss-Stiftung gegründet hat. Vor wenigen Wochen, Frau Ministerpräsidentin, haben wir gemeinsam an dieses Ereignis erinnert. Bis heute ist die enge Verzahnung von Wirtschaft, Hochschule und angewandter Forschung ein Erfolgsrezept aus Thüringen. Hochschulen sind ein Garant für den Wohlstand unseres Landes und nicht nur in Jena.

Wenn wir in diesem Jahr an 25 Jahre Mauerfall erinnern, dann denken wir auch an die Rolle von Studierenden, von Hochschullehrern. Wichtige Impulse für die Demonstrationen oder öffentliche Debatten kamen auch aus unseren Hochschulen. Wer studiert, wer forscht, wer lehrt, der entwickelt einen kritischen Blick auf die Welt, in der er lebt. Wir brauchen diesen kritischen Blick, wir brauchen dieses Korrektiv. Hochschulen tragen dazu bei, dass wir uns nicht ausruhen, dass wir die Grundlagen unseres Zusammenlebens immer wieder überprüfen, neu diskutieren und weiterentwickeln.

Oder schauen wir uns an, vor welchen demografischen Herausforderungen unser Land heute steht: Geburtenknick und Wegzug haben seit 1990 zu eklatanten Einbrüchen bei den Bevölkerungszahlen in Thüringen geführt. Unsere Hochschulen bilden ein wichtiges Gegengewicht zu dieser Entwicklung. Sie sind zu starken Zuwanderungsmagneten geworden. Aktuell gibt es rund 52.000 Studierende in Thüringen - ein Drittel mehr als noch zur Jahrtausendwende. In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil der Studierenden, die von außerhalb zu uns kommen, um die Hälfte gestiegen. Die Zahl der ausländischen Studierenden wuchs in dieser Zeit um mehr als zwei Drittel. Insgesamt studieren der

zeit rund 31.000 junge Leute in Thüringen, die von außerhalb kommen, aus anderen Bundesländern oder aus anderen Staaten. Rund 31.000 junge Leute, das entspricht einer Stadt in der Größe von Altenburg oder - um auch den Westthüringern ein Beispiel zu geben - zweimal Bad Salzungen. Wir brauchen diese jungen Leute, wir brauchen hoch qualifizierte, kluge Köpfe. Hochschulen bringen uns diese Leute ins Land. Hochschulen bilden Fachkräfte aus, Fachkräfte, die nach dem Studium auch in Thüringen bleiben, wenn ihnen hier interessante berufliche Möglichkeiten geboten werden. Hier liegt ein großes Potenzial für die Thüringer Unternehmen, das noch besser als bisher ausgeschöpft werden kann.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, Hochschulen sichern Innovation und Wohlstand, Hochschulen sorgen für gesellschaftliche Impulse, Hochschulen sind eine wichtige Antwort auf den demografischen Wandel und Hochschulen sind Entwicklungsmotoren für die Zukunft unseres Landes.

Wie können wir die Thüringer Hochschulen langfristig weiterentwickeln und zukunftssicher gestalten? Das haben wir uns in der Landesregierung 2009 gefragt. Viele erinnern sich, an den Hochschulen brodelte es damals und auch wenn Thüringen sich in den Ausgaben für seine Studierenden stark engagiert hat, so sorgte doch die Umsetzung der Bologna-Reform bundesweit für reichlich Unruhe. Im Herbst 2009 traten auch in Thüringen viele Studierende in einen Bildungsstreik. Ich denke, viele von uns haben die Bilder noch im Kopf: Besetzte Hörsäle, Zelte auf dem Campus in Erfurt, ein großer Protestzug auch hier vor dem Landtag.

Die tagesaktuelle Situation an den Hochschulen war aber nur die eine Seite. Die andere Seite war die Langfristperspektive unserer Hochschulen, nämlich der Umgang mit dem Rückgang der EUFörderung, mit schrumpfenden Länderhaushalten und dem Generationenwechsel bei den Professoren. Zu Beginn der Legislatur war auch klar, dass wir vor neuen, großen Veränderungen im Hochschulbereich stehen. Schon ein Blick auf die längerfristige Entwicklung der Studierendenzahlen machte deutlich: Die Phase der Expansion nähert sich ihrem Ende. Bewahren, was wichtig für uns ist, und besser machen, was wir gut können, das wurde zur neuen, zentralen Aufgabe der Thüringer Hochschulpolitik. Unsere Hochschulen müssen sich weiter profilieren, wenn sie im Wettbewerb bestehen wollen.

Was können wir tun, um diesen Wandel zu gestalten? Wie nutzen wir diese Profilierung für einen neuen Aufbruch in der Hochschulpolitik? Das, werte Kolleginnen und Kollegen, war die Ausgangslage vor rund fünf Jahren. Der Landesregierung war klar, dass schnell etwas geschehen musste. Die Hochschulen sollten wieder zur Ruhe kommen, die

Hochschulen sollten wieder ihren eigentlichen Aufgaben nachkommen können. Das hatte oberste Priorität. Mir war auch klar, dass eine erfolgreiche Hochschulentwicklung nur gemeinsam und eben nicht gegen die Hochschulen geschehen kann. Hochschulen wissen selbst am besten, wo ihre Stärken liegen und was sie leisten können, um ihr Profil zu schärfen.

Mir war es deshalb wichtig, dass wir ein Gespräch, eine Diskussion auf Augenhöhe mit den Hochschulen führen. Das war die Idee hinter dem Thüringer Hochschuldialog. Der Startschuss dazu war der 1. Thüringer Hochschulgipfel im Februar 2010. Aus diesem Hochschulgipfel sind dann dauerhafte Dialogforen hervorgegangen. Das Dialogforum „Bologna-Reform“ hat zum Beispiel Empfehlungen erarbeitet, wie diese Reform studierendengerechter gestaltet werden kann, wie Studienbedingungen verbessert werden. Das Dialogforum „Hochschulkarrieren“ hat Verbesserungen im Bereich der Karriereperspektiven angeregt. Wir haben diese Impulse aufgenommen und vor Kurzem in die Novellierung des Hochschulgesetzes einfließen lassen. Im Dialogforum „Hochschulentwicklungsplanung“ haben wir in Arbeitsgruppen die Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen diskutiert. Im Bereich Gesamtstudienangebot in Thüringen, im Bereich Verwaltung und im Bereich Hochschulbibliotheken liegen Ergebnisse vor, deren Umsetzung mit der „Hochschulstrategie 2020“ jetzt ansteht. Die Dialogforen haben sehr gute Arbeit geleistet und ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei allen Beteiligten bedanken, die sich eingebracht haben in diesem Prozess, den Vertretern der Hochschulen, den Studierenden, den Interessenvertretern der Hochschulbeschäftigten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Hochschulentwicklung als Dialogprozess, das war eine wichtige Grundsatzentscheidung. Die andere wichtige Grundsatzentscheidung war für mich, dass die Hochschulen eine klare finanzielle Perspektive erhalten. Deshalb bestand zu Beginn der Legislaturperiode der nächste Schritt darin, dass wir finanzielle Planungssicherheit für die Hochschulen schaffen. 2011 haben wir zusammen mit den Hochschulen in einer neuen Rahmenvereinbarung die Finanzierung bis 2015 festgelegt. 1,56 Mrd. € fließen nach dieser Finanzierung an die Hochschulen. Das ist im Vergleich zur vorangegangenen Förderperiode ein Plus von 121 Mio. €. Hinzugekommen sind zusätzliche Mittel aus dem Hochschulpakt, weitere 120 Mio. €. Allen Partnern war aber bei der Vertragsunterzeichnung der Rahmenvereinbarung III klar, dass die Steigerungen trotzdem nicht ausreichen würden, um alle Kostensteigerungen in der bestehenden Struktur der Thüringer Hochschulen vollständig auszufinanzieren. Allen Partnern war klar, dass wir Strukturveränderungen benötigen, die die Hochschulen wettbewerbsfähig halten und die

(Minister Matschie)

das Land künftig verlässlich finanzieren kann. Die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Ich hatte das schon angerissen. Nach gut 20 Jahren Expansion unserer Hochschulen, Steigerungen von Studierendenzahlen und dem Ausbau auf ganzer Linie geht es künftig um die inhaltliche Profilierung unserer Hochschulen und eine Stabilisierung der Studierendenzahlen. Die Hochschullandschaft zukunftsfest zu gestalten, braucht einen kritischen Blick darauf, was sich Hochschulen langfristig leisten können und leisten wollen. Allen Partnern war klar, dass das auch Konsequenzen für die Personalplanung haben würde.

Mit diesen eben genannten Vorgaben haben wir uns daran gemacht, den strategischen Rahmen abzustecken. Gemeinsam mit den Hochschulen haben wir uns über die Entwicklungsziele bis 2015 verständigt: Wo wollen die einzelnen Hochschulen hin? Wo sehen sie ihre Profile bei den Studienangeboten und in der Forschung? Wie gelingt es, die Qualität der Angebote langfristig zu sichern? Wie lässt sich Gleichstellung an den Hochschulen verwirklichen, wie die Zusammenarbeit der Hochschulen verbessern, untereinander und mit der Wirtschaft? Darüber haben wir uns verständigt und das haben wir mit den einzelnen Hochschulen dann in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen weiter untersetzt. Mit der „Hochschulstrategie 2020“ unternehmen wir jetzt den nächsten Schritt. Wir haben die Weiterentwicklung der gesamten Thüringer Hochschullandschaft in den Blick genommen bis zum Jahr 2020 und auch darüber hinaus. Die „Hochschulstrategie 2020“ hat eine klare Botschaft: Das Land steht fest zu seinen Hochschulen. Die „Hochschulstrategie 2020“ ist eine Zukunftsgarantie für die Hochschulen in Thüringen. Sie trifft klare Aussagen zur zukünftigen Finanzierung. Denn auf die Hochschulen kommen in den nächsten Jahren Mehrkosten zu. Das sind vor allem Aufwüchse im Bereich Betriebskosten, aber auch vor allem im Bereich der Tarifsteigerungen. Das betrifft nicht nur Thüringen. Das ist ein Problem, vor dem Hochschulen überall in Deutschland stehen. Mir war es wichtig, dass wir hier in Thüringen rasch zu einer guten Lösung kommen. Die Hochschulen dürfen mit diesen Mehrkosten nicht allein gelassen werden. Wir sind zu einer Lösung gekommen. Land und Bund werden ab 2016 alle wissenschaftsspezifischen Kostensteigerungen übernehmen. Zusätzlich dazu erhalten die Hochschulen ein Strategiebudget. Dafür werden wir die Mittel für die Hochschulen in der kommenden Förderperiode neben den wissenschaftsspezifischen Kostensteigerungen um einen weiteren Prozentpunkt aufstocken. Unsere Lösung entspricht der Empfehlung des Wissenschaftsrats für die deutsche Hochschullandschaft. Wir wollen damit die Hochschule als tragende Säule des Wissenschaftssystems stärken und neue Aufbrüche in den Hochschulen ermöglichen. Die Landesrektorenkonferenz, die sich intensiv mit der

„Hochschulstrategie 2020“ beschäftigt und dort eingebracht hat, begrüßt diese Regelung ausdrücklich. Ich will aber auch nicht verhehlen, innerhalb der Landesregierung war diese „Hochschulstrategie 2020“ keine einfache Entscheidung. Mehrausgaben in Zeiten von Haushaltskonsolidierung, das ist ein gewaltiger Kraftakt und dafür braucht es intensive Verhandlungen. Deshalb konnte die Hochschulstrategie auch nicht mehr Ende letzten Jahres vorgelegt werden. Ich wollte dem Landtag keine Strategie ohne Finanzierung vorlegen. Denn es hilft uns nicht, gute Ideen zu entwickeln, wenn wir nicht auch sagen, wie wir sie finanzieren wollen.

(Beifall SPD)

Deshalb haben wir viele Monate verhandelt, aber dann auch Mitte Mai eine Einigung gefunden, die dem Landtag jetzt vorliegt. Diese Landesregierung ist angetreten mit einem klaren Bekenntnis zu Bildung, zu Forschung und Innovation. Eines ist aber auch klar, wenn wir in diesem Bereich Schwerpunkte setzen, brauchen wir nicht nur gute Ideen. Wir müssen auch Geld in die Hand nehmen. Denn was die Hochschulen vom Land brauchen und was sie zu Recht einfordern, ja einfordern müssen, ist Planungssicherheit. Was nicht geht, sind vage oder widersprüchliche Aussagen. Ich will mit der „Hochschulstrategie 2020“ den Hochschulen ein klares Signal geben. Ich will, dass die Thüringer Hochschullandschaft in ihrer Gesamtheit noch leistungsfähiger wird. Und ich will die Vielfalt der Thüringer Hochschullandschaft erhalten.

(Beifall CDU, SPD)

Mit mir gibt es keine Diskussion über Standorte, nicht über die Standorte Weimar oder Erfurt und auch nicht über Schmalkalden oder Nordhausen.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht auch um Qualität.)

Und ich will es auch ganz klar sagen, wir brauchen auch kein Gutachten aus Berlin, um zu wissen, was unsere Hochschulen auch gerade in strukturschwachen Gebieten leisten.

(Beifall CDU, SPD)

Die Landesregierung hält an allen Hochschulstandorten in Thüringen fest, mit gutem Grund. Die Thüringer Hochschulen sind ein gut differenziertes, komplementäres und im Ergebnis vollständiges Gesamtsystem, das mit seinen Angeboten in Lehre und Forschung im Wettbewerb gut bestehen kann. Es ist auch diese Vielfalt, die die Thüringer Hochschullandschaft so attraktiv für Studierende macht. Und es ist die profilierte Ausrichtung, die unsere Hochschulen leistungsstark macht. Wir wollen Hochschulen, die sich gut ergänzen und gut zusammenarbeiten. Wir wollen, dass starke Partner dabei zusammenarbeiten. Partner sind dann stark, wenn jeder weiß, was er gut kann und das auch

(Minister Matschie)

einbringt. Dazu muss man sich aber zuallererst die eigenen Stärken bewusst machen. Wo liegen unsere Schwerpunkte, was ist das Profil, das uns unverwechselbar macht? Was können wir jetzt schon besser als andere? Das haben sich die Hochschulen gefragt. Und die Ergebnisse dieser Debatte liegen jetzt vor. Man kann sie in der „Hochschulstrategie 2020“ nachlesen. Werte Kolleginnen und Kollegen, wer Schwerpunkte setzt, der legt sich fest. Wenn ich in einer Sache wirklich gut werden will, kann ich nicht mit gleicher Kraft zehn andere Felder beackern. Die Entscheidung für etwas ist oft auch die Entscheidung gegen etwas. An vielen Hochschulen war der Profilierungsprozess deshalb begleitet von heftigen Diskussionen. Ich will das ausdrücklich sagen. Ich kann gut verstehen, dass jeder für sein Fach eintritt. Und Wissenschaft lebt ja nicht zuletzt auch von dieser Leidenschaft. Das muss so sein. Und das wissen auch die Gremien, die manchmal schmerzhafte Entscheidungen treffen müssen - die Hochschulleitung, die Senate und die Hochschulräte. Und aus vielen Gesprächen weiß ich, dass sich niemand diese Entscheidungen leicht gemacht hat. Dass unsere Hochschulen sich aber diesem Prozess der Profilbildung so konstruktiv und auch erfolgreich gestellt haben, zeigt, dass die Hochschulautonomie gut funktioniert.

Werte Kolleginnen und Kollegen, 2006 sind mit der damaligen Novelle des Thüringer Hochschulgesetzes die Hochschulen in die Autonomie entlassen worden. Damit war eine neue Form der Hochschulplanung in Thüringen notwendig. Die Instrumente hat das Thüringer Hochschulgesetz benannt - Rahmenvereinbarungen, Ziel- und Leistungsvereinbarungen, Struktur- und Entwicklungspläne der Hochschulen. Der Prozess musste begonnen und gestaltet werden. Ich habe das eben erläutert, seit 2010 führen wir ihn als strategischen Dialogprozess.

Manche haben in den letzten Monaten gefragt, warum die Hochschulstrategie erst jetzt kommt. Das liegt genau in der Logik dieser notwendigen Planungsschritte. Die unmittelbare Aufgabe zu Beginn der Legislaturperiode war die Rahmenvereinbarung III. Sie wurde noch auf der Grundlage der damals bestehenden Planungsziele verhandelt. Es folgten die Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den einzelnen Hochschulen, dann haben die Hochschulen ihre Struktur- und Entwicklungspläne vorgelegt und auf dieser Basis fußt die „Hochschulstrategie 2020“. Damit ist jetzt wieder die Grundlage für die dann folgende Rahmenvereinbarung IV gelegt. Der Prozess der Hochschulentwicklungsplanung geht also jetzt in seine nächste Runde und die strategischen Weichen haben wir mit der „Hochschulstrategie 2020“ gestellt.

Was sind die nächsten Schritte? Das werden die Verhandlungen über die Rahmenvereinbarung IV für die Jahre 2016 bis 2019 und die darauf fußen

den Ziel- und Leistungsvereinbarungen für den gleichen Zeitraum sein.

Was erreichen wir damit, werte Kolleginnen und Kollegen, wie soll die Thüringer Hochschullandschaft 2020 aussehen? Mit der Hochschulstrategie wollen wir an allen neun Hochschulen ein gut aufeinander abgestimmtes Studienangebot bereithalten. Mit der Hochschulstrategie wollen wir, dass Universitäten und Fachhochschulen in Forschung und Lehre ohne Vorbehalte zusammenarbeiten können. Dazu gehören gemeinsame Studiengänge und Kooperationsplattformen und dazu gehört es auch, dass man sich gemeinsam um hoffnungsvolle Nachwuchswissenschaftler kümmert. Mit der Hochschulstrategie wollen wir, dass vielversprechende Nachwuchswissenschaftler in Thüringen planbare Karrierewege beschreiten können und deshalb auch in Thüringen bleiben. Mit der Hochschulgesetznovelle haben wir dafür schon eine wichtige Weiche gestellt. Ich will auch, dass die Anzahl der Hochschullehrer, ihr Anteil an den Wissenschaftlern an der Hochschule in den kommenden Jahren Schritt für Schritt erhöht wird. Erheblicher Handlungsbedarf, das will ich auch nicht verschweigen, besteht weiterhin im Bereich des sogenannten wissenschaftlichen Mittelbaus, insbesondere was die Arbeitsbedingungen und die Vertragslaufzeiten betrifft. Hier brauchen wir eine verbindliche Regelung auf Bundesebene und die Große Koalition im Bund hat eine Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auf ihre Agenda gesetzt. Wir haben aber auch in den letzten Jahren mit den Hochschulen einen intensiven Dialog geführt und Empfehlungen zum Thema „Befristungen“, zum Thema „Wissenschaftlicher Mittelbau“ in die Ziel- und Leistungsvereinbarungen aufgenommen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich will einen weiteren wichtigen Punkt benennen: Frauen sind als wissenschaftlich und künstlerisch Beschäftigte im Hochschulbereich immer noch deutlich unterrepräsentiert. Deutschland liegt im europäischen Vergleich auf dem zweitletzten Platz im Ranking der 27 EU-Länder und in Thüringen gibt es hier einen besonderen Nachholbedarf. Bundesweit sind rund 20 Prozent der Professuren mit Frauen besetzt. In Thüringen sind es bislang erst circa 16 Prozent. Mit der Hochschulstrategie haben wir deshalb unsere Erwartungen an die Hochschulen auch noch einmal deutlich gemacht. Die Hochschulen haben sich verpflichtet, kontinuierlich die Gleichstellung an den Hochschulen zu fördern. Das Land wird hier sehr genau darauf achten, dass die Fortschreibung und Umsetzung von Gleichstellungskonzepten auch stattfindet. Wir haben das Thüringer Kompetenznetzwerk Gleichstellung eingerichtet, das die Hochschulen bei der Umsetzung unterstützt. Und dass die Hochschulen hier auf einem guten Weg sind, Frau Ministerpräsidentin, konnten wir gerade jüngst beim Universitätsklinikum sehen, wo die For

(Minister Matschie)

schungsstipendien vergeben wurden. Das waren sechs junge Leute, fünf davon waren Frauen. Ich denke, das war ein klares Signal, dass hier Nachwuchsarbeit auch funktioniert.

Mit der Hochschulstrategie wollen wir eine verstärkte Vernetzung von Hochschulen und beruflicher Praxis erreichen. Dazu gehören die Stärkung der bewährten dualen Studiengänge und die Öffnung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte. Die duale Hochschule Thüringen ist der richtige Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Das Erfolgsmodell Berufsakademie, bei dem Hochschule und Wirtschaft eng zusammenarbeiten, soll auf diese Art und Weise gestärkt werden. Mit der Hochschulstrategie wollen wir, dass Hochschulen im Bereich von Infrastruktur und Service noch besser kooperieren. Rechenzentren, Verwaltungen und Bibliotheken können ihre Kompetenzen bündeln und Synergieeffekte nutzen. Gute Forschung und gute Lehre leben von dem raschen unkomplizierten Zugriff auf Forschungsergebnisse. Wir brauchen eine wissenschaftliche Infrastruktur, die das ermöglicht und sicherstellt.

Die Thüringer Landes- und Universitätsbibliothek erfüllt heute schon zentrale Aufgaben. Ich will, dass wir diese Landes- und Universitätsbibliothek weiterentwickeln. Unter ihrem Dach als eigenständige Struktur sollen erstens die Hochschulbibliotheken der Friedrich-Schiller-Universität und der Ernst-Abbe-Fachhochschule, zweitens die Landesbibliothek und drittens Servicezentren für alle landesweit konzentrierbaren Aufgaben zusammengefasst werden. Im Bereich der wissenschaftlichen Informationstechnologie gilt das Gleiche. Ein gemeinsames Angebot steht für Qualität, Leistungsfähigkeit und Verfügbarkeit, die für eine erfolgreiche Forschung notwendig sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in zentralen Punkten stimmen unsere Eckpunkte damit überein, was der Wissenschaftsrat in seinem Zukunftspakt für das Wissenschaftssystem empfiehlt. Thüringen setzt um, was andere noch diskutieren. Thüringen ist Vorreiter für eine Hochschulpolitik der Zukunft. Mit der „Hochschulstrategie 2020“ haben wir unsere Ziele - ich habe das vorhin erwähnt - auch finanziell untersetzt. Ich halte das für eine strategische Notwendigkeit. In vielen anderen Bundesländern sieht die Perspektive der Hochschulen längst nicht so gut aus. Es gibt sogar Bundesländer, die ihre Hochschulbudgets nominell kürzen. Ich will trotz angespannter Haushaltslage bei den Hochschulen eine Wachstumsstrategie. Das brauchen wir, wenn Thüringen sich in den kommenden Jahren gut entwickeln soll.

Hochschulen sind nicht nur wichtige Bildungs- und Forschungsstätten, sie sind auch unmittelbar ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung hat das vor

Kurzem durchgerechnet. Zum Ersten: Hochschulen generieren einen enormen Nachfrageeffekt. Studierende und Hochschullehrer, Mitarbeiter sind nicht nur an der Hochschule; sie kaufen Bücher, sie brauchen Wohnraum und nehmen Dienstleistungen in Anspruch. Die Hochschulen selbst brauchen Bauten und Ausstattung. Ich will als Beispiel noch einmal das Universitätsklinikum Jena nennen, die größte Baumaßnahme des Freistaats Thüringen in dieser Legislaturperiode. Hier investieren wir mehr als 300 Mio. € und errichten eine der modernsten Kliniken der Bundesrepublik. Das Universitätsklinikum ist heute schon der größte Arbeitgeber der Region mit insgesamt rund 4.800 Beschäftigten. Zum Zweiten: Hochschulen erzielen positive Effekte durch den Wissens- und Technologietransfer in die umliegenden Regionen, zum Beispiel durch Kooperation mit Unternehmen oder auch durch Ausgründungen. Und Drittens: Hochschulen tragen auch indirekt zum Wohlstand einer Region bei durch gesellschaftliches, durch politisches und auch durch kulturelles Engagement.

Die Studie zeigt für Thüringen, dass das Bruttoinlandsprodukt durch die Hochschulen um 3,78 Mrd. € steigt. Hochschulen sind damit entscheidende Motoren für die Entwicklung unseres Landes und deswegen erhöhen wir die Ausgaben für unsere Hochschulen um rund 4 Prozent pro Jahr. Eine gute Zukunft entsteht durch die richtige Zielsetzung und die dazu notwendigen Investitionen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich will, dass Hochschulen in Thüringen im bundesweiten Wettbewerb ganz vorn mitspielen können und ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Ziel erreichen, denn wir starten nicht bei null. Das zeigt uns zum Beispiel ein Blick auf die Erfolge bei der Einwerbung von Drittmitteln. In den vergangen zehn Jahren haben die Thüringen Hochschulen ihre Drittmitteleinnahmen weit mehr als verdoppeln können; von rund 67 Mio. € im Jahr 2003 auf über 160 Mio. € im Jahr 2012. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft als größter Drittmittelgeber bescheinigt in ihrem aktuellen Förderatlas zum Beispiel der Friedrich-Schiller-Universität in der Psychologie deutschlandweit den Platz 1, in den Fächern Astrophysik und Optik die Plätze 2 und 3, ebenso der TU Ilmenau im Fach Elektrotechnik den Platz 2 oder der Bauhaus-Universität Weimar im Bereich Bauwesen und Architektur den Platz 5 bei der Einwerbung von Forschungsmitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In Thüringer Hochschulen findet in vielen Bereichen Spitzenforschung statt, ich kann hier nur einige wenige Beispiele nennen.