Freistellungsgesetz auf den Weg gebracht wurde, dass wir seit 23 Jahren nach gemeinsamen Wegen suchen, um hier eine Regelung zu treffen und das bis jetzt ohne Erfolg. Dass in großen Koalitionen manches niemals gelingt, konnten wir uns schon 1994 anschauen. Auch der Koalitionsvertrag von 1994 zwischen SPD und CDU hat die Einführung eines Bildungsfreistellungsgesetzes vorgesehen. Auch das wurde leider nie umgesetzt - eine traurige, aber vielleicht auch nicht zufällige Analogie zur jetzigen Situation, meine sehr geehrten Damen und Herren. Bereits damals hat sich beispielhaft gezeigt, dass die SPD es zwar ab und an schafft, politische Vorhaben in Koalitionsverträgen zu verankern, die politische Kraft oder das notwendige Rückgrat, wenn ich es so nennen darf, zur tatsächlichen Umsetzung fehlt ihr jedoch. Da helfen auch so markige Feigenblattsprüche nicht wirklich weiter, lieber Kollege Döring.
Wie ist denn nun die aktuelle Situation? Thüringen gehört, das haben Sie hier schon mehrfach ausgeführt bekommen, zu den vier Bundesländern in Deutschland, die noch keine gesetzliche Regelung für eine bezahlte Auszeit zur Weiterbildung gefunden haben. Ja, für uns Grüne war es in der Tat so, dass wir einen umfassenden Bildungsbegriff zur Grundlage unseres Gesetzes gemacht haben, ganz bewusst. Uns geht es auch um politische, um kulturelle, um individuelle Weiterbildung. Es ist im Übrigen in der Debatte von 1992 - ich werde am Ende meiner Rede noch daraus zitieren -, die hier vor 22 Jahren im Thüringer Landtag stattgefunden hat, auch sehr deutlich geworden, dass die politische Kultur und der Bildungsstand sehr wohl etwas miteinander zu tun haben und man sich schon damals eigentlich - zumindest in einigen Fraktionen - einig
war, dass Bildung auch in Form eines Bildungsfreistellungsgesetzes zu einer verbesserten politischen Kultur beitragen könnte. Ich glaube, die hat Thüringen auch heute noch nötig. Deswegen streiten wir auch heute noch dafür.
Auf jeden Fall haben wir einen eigenen Entwurf für ein Bildungsfreistellungsgesetz erarbeitet und ihn im November 2011 eingereicht, das ist mittlerweile zweieinhalb Jahre her. Herr Matschie hat in der Landtagssitzung im November 2011 angekündigt das war die erste Ankündigung -, dass ein Gesetzentwurf der Landesregierung in Kürze fertig sei. Auf Demonstrationen ist es ja so, dass nach drei Ankündigungen in der Regel tatsächlich etwas passiert.
Entschuldigung, aber dieser Vergleich fiel mir gerade ein. Hier ist auch nach vier oder fünf Ankündigungen bis heute nichts passiert, meine sehr geehrten Damen und Herren, was gewiss nicht für die Verlässlichkeit dieser Landesregierung spricht.
Wir haben uns dann im Glauben an das Gute immer wieder bereit erklärt - da sind wir in der Tat ein Stück weit im Bildungsausschuss vorgeführt worden -, im Sinne der Sache unseren Gesetzentwurf in der Beratung so lange zurückzustellen, bis der Monat für Monat angekündigte Entwurf der Regierung hinzukommt. Eine gemeinsame Beratung hat es nie gegeben, weil das Gesetz bis heute nicht vorliegt.
Es sind inzwischen 30 Monate seit der ersten Ankündigung vergangen, das ist ein wahres Armutszeugnis, meine sehr geehrten Damen und Herren. Woran das liegt, ist auch ganz einfach zu erklären: Es liegt einzig und allein daran, dass diese schwarz-rote Koalition politisch handlungsunfähig ist. Sie kann sich nicht einmal auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf einigen, der in anderen Ländern, in 12 Ländern wohlgemerkt, längst geübte Praxis ist. Weil vorhin übrigens der Einwurf kam, dass wir es uns tatsächlich herausgenommen haben, in unserem Vorschlag auch die Erwerbslosen mit zu bedenken, weil wir meinen, auch sie sollten einen Anspruch auf Weiterbildung haben, kann ich Sie beruhigen. In Sachsen-Anhalt ist dies beispielsweise erfolgreich Praxis.
Es ist also gar nicht so utopisch, es ist auch nicht irgendwo herbeigezogen, sondern, ich glaube, das hat ganz viel mit der Anerkennung von Lebensrealitäten in unserem Land zu tun. Wenn wir auf der einen Seite Flexibilisierung und permanentes lebenslanges Lernen vor allem fordern, dann müssen wir auch allen die Chance dazu geben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Was jedenfalls deutlich wurde, ist, dass selbst so ein überschaubares Reformvorhaben wie ein Bildungsfreistellungsgesetz, vonseiten der CDU bis heute infrage gestellt wird und dass - das ist viel schlimmer, finde ich - dies dazu führt, dass, obgleich wir einen SPD-Bildungsminister haben, die Koalition sich der CDU unterwirft. Man könnte es auch so sagen, dass CDU und SPD in Sachen Bildungspolitik einfach nicht zusammenpassen, aber vielleicht adle ich da sogar die SPD zu sehr. Ich weiß nicht, ich jedenfalls kann das Rückgrat schlichtweg nicht erkennen - das muss ich ganz deutlich sagen -, tatsächlich einmal für eine Sache zu streiten, die Ihnen von der SPD auch so am Herzen liegt, wie Sie es dargestellt haben. Bei HansJürgen Döring weiß ich, dass er seit 22 Jahren nachlesbar - in diesem Parlament für dieses Ziel gestritten hat. Ich bin auf Ihr Abstimmverhalten übrigens sehr gespannt. Wir werden namentliche Abstimmung zu unserem Gesetzentwurf beantragen.
Die Leidtragenden dieser Scheinehe, wenn ich es so nennen darf, aus CDU und SPD sind einmal mehr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Freistaat, die bis heute keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung zu Weiterbildungszwecken haben.
Was sind noch einmal die wichtigsten Eckpunkte zu unserem Gesetzentwurf? Bildungsfreistellung für was? Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs steht der Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit zur Teilnahme an anerkannten Weiterbildungsveranstaltungen - nur um auch mit einigen Vorurteilen aufzuräumen. Es sind vorhin einige Punkte benannt worden, die immer gern aufs Tapet gehoben werden, wenn man sich lächerlich machen will über solche Bildungsangebote. Das schließt sowohl die allgemeine politische, kulturelle und berufsweltbezogene Weiterbildung ein, aber auch die Schulung für die Wahrnehmung des Ehrenamts. Ich glaube, genau an der Stelle haben wir gezeigt, dass wir im Gegensatz zu anderen sehr lernfähig sind. Susanne Hennig hat vorhin die 13 Stellungnahmen erwähnt, die wir bekommen haben. Wir haben sie nicht nur genau gelesen und ausgewertet, sondern wir haben daraus auch einen Änderungsantrag gemacht und zu unserem Gesetz selbst Änderungen vorgenommen, weil auch wir sagen, sicherlich gab es da noch einiges zu verbessern, zu verändern.
Wie gesagt, unser Angebot galt immer und gilt auch heute noch, dass, wenn Sie es ernst meinen, dass wir Änderungen aufgreifen, damit wir zu einem gemeinsam getragenen Gesetz kommen.
Wer hat Anspruch? Möglichst viele Menschen, so unsere Idee, unsere Intention, also alle Arbeiterinnen, Arbeiter, Angestellte, Auszubildende, auch Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen,
Menschen, die in Werkstätten für Behinderte tätig sind, arbeitslose Personen, all diese sollten einen umfassenden Anspruch haben. Ab wann soll der Anspruch gelten? Der Anspruch entsteht nach dem sechsmonatigen Bestehen des Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnisses. Die Dauer der Bildungsfreistellung - so haben wir uns entschieden, so ist es auch in vielen anderen Ländern geregelt - beläuft sich auf insgesamt zehn Arbeitstage in zwei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren. Für die gesamte Zeit, in der der Beschäftigte zur Teilnahme an anerkannten Bildungsveranstaltungen freigestellt ist, ist natürlich das Arbeitsentgelt ohne Minderung fortzuzahlen.
Die große, spannende Frage, ob Arbeitergeber/Arbeitgeberinnen die Bildungsfreistellung ablehnen können: Ja, natürlich ist das möglich, wenn es dafür beispielsweise betriebliche Gründe gibt oder die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer so frühzeitig wie möglich mitzuteilen, ob der beantragte Bildungsurlaub gewährt wird oder nicht.
Jetzt kommen wir zur spannenden Frage des finanziellen Ausgleichs, denn das haben wir sehr genau in unserem Gesetzentwurf geregelt. Hier sind wir auch anderer Auffassung als die Linke, weil wir uns die Unternehmerlandschaft in Thüringen schon sehr genau anschauen und wissen, dass wir überwiegend Kleinst- und Kleinunternehmen haben. Hier wollen wir einen finanziellen Ausgleich durch den Freistaat gewährt wissen. Deswegen haben wir auch seit 2011 in allen Haushaltsberatungen jeweils beantragt, im Jahr 2 Mio. € im Haushalt dafür einzustellen. Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sollen nach unseren Vorstellungen für jeden Tag der Bildungsfreistellung 100 Prozent erhalten. Es geht immer um die durchschnittlichen Arbeitsentgelte je Tag. Und Kleinbetriebe von 10 bis 49 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erhalten 50 Prozent. Damit werden wir zum einen der kleinteiligen Wirtschaftsstruktur in Thüringen gerecht. 88 Prozent der Betriebe in Thüringen haben weniger als zehn Mitarbeiterinnen und 9 Prozent der Betriebe weniger als 50 Mitarbeiterinnen. Das ist einer der Kritikpunkte übrigens, die wir am Gesetz haben, welches die Linke aus dem Bildungsministerium gekapert hat, dass die Klein- und Kleinstbetriebe nicht entsprechend, wie wir meinen, tatsächlich auch den Anspruch gewähren können. Damit haben nach unserem Gesetz 97,4 Prozent der Betriebe in Thüringen Anspruch auf Lohnersatz. Gibt es eine Härtefallregelung? Ja, auch die haben wir vorgesehen, dass auf Antrag ein Zuschuss zu den Kosten, die durch die Teilnahme entstehen, gewährt wird.
Nochmals zu dem Entwurf aus dem Hause Matschie. Kreativ fanden und finden wir die Art der Einbringung nicht unbedingt, aber es gibt jetzt zwei Gesetzentwürfe, aus denen heute zumindest die
Abgeordneten der SPD wählen können. Noch einmal zum Änderungsantrag. Wie gesagt, wir haben etliche Punkte aufgegriffen aus der schriftlichen Anhörung. Da ging es um kleinere Fehler, das kann sicherlich passieren bei der Gesetzesformulierung, die wir bereinigt haben, und es ging insbesondere um die Klarstellung, dass wir nicht betriebliche Weiterbildung bei der Bildungsfreistellung berücksichtigt wissen wollen, sondern berufsweltbezogene Weiterbildung. Das war ein Kritikpunkt seitens der Gewerkschaften am Begriff „berufliche Bildung“. Das haben wir selbstverständlich gern aufgenommen und entsprechend geändert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will noch einmal sagen, was wir kritisch sehen am Gesetzentwurf aus dem Hause Matschie. Hier wird die Bildungsfreistellung lediglich auf arbeitsweltbezogene und gesellschaftspolitische Bildung bezogen. Aus unserer Sicht greift das ein wenig zu kurz, auch und gerade, wenn wir uns im innenpolitischen Diskurs befinden, wenn wir über Rechtsextremismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, über Demokratiebildung sprechen, glaube ich, dass hier viele einen hohen Bildungsbedarf haben.
Die arbeitslosen Personen haben keinen Anspruch auf Bildungsfreistellung im Gesetzentwurf, den die Linke eingebracht hat. Auch gibt es, wie bereits ausgeführt, keine Kompensationsregelung für Klein- und Kleinstunternehmen.
Wir wollen mit unserem Bildungsfreistellungsgesetz endlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, die es Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ermöglichen, an allgemeiner, politischer, kultureller und berufsweltbezogener Weiterbildung sowie an Schulungen zur Wahrnehmung des Ehrenamtes teilzunehmen, und sind davon überzeugt, dass davon tatsächlich alle profitieren, dass Fachkräfte, die auf dem aktuellen Wissensstand sind, auch die Unternehmen bereichern. Die Unternehmen profitieren von motivierten und qualifizierten Mitarbeitern. Gesellschaftliche Weiterbildung wiederum liegt im Interesse des Allgemeinwohls und die Förderung von Mitsprache und Mitverantwortung ist in einem demokratischen Staat eine wichtige Grundlage für mehr Demokratie und Transparenz und bürgerschaftliches Engagement.
Jetzt kommt das angekündigte Zitat aus der Sitzung der 1. Wahlperiode, 47. Sitzung am 12. März 1992, ich darf meinen geschätzten Kollegen HansJürgen Döring zitieren: „Herr Präsident, meine Damen und Herren, nur wer politisch interessiert ist, wird sich für das Gemeinwohl einsetzen. Dazu bedarf es der politischen Bildung und diese braucht Zeit. Durch die Koalition der Unvernunft von Regierung und Arbeitgebern wird es in Thüringen diese Zeit, nämlich einen Bildungsurlaub, nicht geben, vorerst.“ Ich bedauere das sehr. Sie haben die Chance, heute zu beweisen, dass Sie im Sinne der
Sache entscheiden können. Stimmen Sie für Bildungsfreistellung für die Thüringerinnen und Thüringer. Herzlichen Dank.
Ich habe keine weiteren Wortmeldungen mehr seitens der Fraktionen. Für die Landesregierung Minister Matschie, bitte.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der Bildungspolitik in diesem Parlament Sternstunden erlebt. Ich denke nur an die gemeinsame Verabschiedung des Kita-Gesetzes. Aber wir erleben auch schwierige Debatten und schwierige Stunden. Der heutige Tag ist sicher keine Sternstunde der Bildungspolitik.
Trotzdem, Frau Rothe-Beinlich, möchte ich an dieser Stelle zunächst mal sagen: Wenn Sie hier mit dem grundsätzlichen Angriff kommen, die SPD könne nichts durchsetzen, schauen Sie sich noch mal an, was in dieser Legislaturperiode alles in diesem Haus beschlossen worden ist, nicht nur das KitaGesetz, auch ein neues Schulgesetz und viele andere Initiativen bis hin zum Hochschulgesetz, das wir in diesem Plenum noch diskutieren werden. Die SPD kann hier in der Bildungspolitik sehr selbstbewusst aus den letzten Jahren Bilanz ziehen und muss sich mit den Ergebnissen nicht verstecken.
Trotzdem ist die heutige Debatte eine schwierige, auch für mich als Bildungsminister, ich will das ganz offen sagen. Ich habe vor fast zwei Jahren einen Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung gegeben. Trotzdem steht die Landesregierung heute ohne ein Ergebnis da, das diesem Parlament vorgelegt werden kann, das liegt nicht an der SPD, das will ich noch mal deutlich sagen. Ich habe in vielen Gesprächen und Verhandlungen den Gesetzentwurf immer wieder angepasst.
Weil es vorhin den Zwischenruf aus den Reihen des Koalitionspartners gab, Zustimmung der Wirtschaft - ja, der erste Gesetzentwurf hatte die Zustimmung der Wirtschaft, weil er eine volle Kompensation vorsah. Es waren die geschätzten Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die diese Kompensation nicht wollten und damit dafür gesorgt haben, dass die Wirtschaft dann den Gesetzentwurf auch nicht mehr wollte. Wir haben hier viele Schritte miteinander besprochen, den Gesetzentwurf immer wieder angepasst, aber am Ende - das muss man heute resümieren - fehlte dem Koalitionspartner der Mut, das Herz über die Hürde zu werfen und ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen.
Ich halte ein Bildungsfreistellungsgesetz für Thüringen nach wie vor für nötig und ich bin auch davon überzeugt, es wird kommen, auch wenn es heute nicht beschlossen wird. Warum ist es nötig? Weil es arbeitsweltbezogene und gesellschaftspolitische Bildung möglich macht, und zwar als Anspruch der Beschäftigten. Hier ist auch wieder zitiert worden, die Thüringer Unternehmen machen eine Menge für die berufliche und betriebliche Weiterbildung. Ja, das stimmt, das ist auch gut so. Aber es macht auch einen Unterschied, ob ein Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch darauf hat, sich auch gesellschaftspolitisch weiterzubilden oder ob das Unternehmen entscheidet, welche Weiterbildung dem Beschäftigten angeboten wird. Deshalb ist es ganz klar, dass es hier um zwei unterschiedliche Dinge geht, einmal um Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und auf der anderen Seite um Angebote von Unternehmen.
Dass es nicht nur darum geht, sich im Beruf weiterzuqualifizieren, sondern dass es auch darum gehen muss, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesellschaftspolitisch weiterqualifizieren können, das ist doch ein ganz wichtiger Punkt. Es geht doch nicht nur darum, Fachwissen zu haben, sondern es geht auch darum, Welt zu verstehen, Dinge nachvollziehen zu können, sich einmischen zu können, sich einbringen zu können nicht zuletzt in die politische Debatte. Das Bundesverfassungsgericht was in Sachen Bildungsfreistellung schon mal angerufen wurde zu der Frage, darf man es denn Unternehmen zumuten, Arbeitnehmer für so etwas freizustellen wie gesellschaftspolitische Bildung hat klipp und klar gesagt, ja, das ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die Unternehmen tragen müssen, und zwar auch ohne dass sie eine Entschädigung dafür bekommen. Wir haben sogar in unserem Gesetzentwurf, letzter Stand, eine Entschädigung für die Wirtschaft vorgesehen, nämlich in dem Umfang, dass man den halben Durchschnittslohn als Entschädigung bekommt. Ich finde, wir gehen damit weiter als viele andere Bundesländer, so dass es eigentlich keinen Grund für die Wirtschaft gibt, hier stur zu bleiben. Da wird ja oft an die Wand gemalt, wenn ein Bildungsfreistellungsgesetz kommt und die jetzt auch noch Bildungsfreistellung gewähren müssen, dann geht doch die Wirtschaft in die Knie. Bringen Sie mir ein einziges Beispiel eines Unternehmens, das an der Bildungsfreistellung kaputtgegangen oder gescheitert ist, ein einziges Beispiel! Ich kenne keines. Denn - das sieht auch unser Gesetzentwurf vor, so ist es in anderen Ländern auch - betriebliche Belange gehen vor. Dringende betriebliche Belange, wenn die anstehen, sind ein Ablehnungsgrund für Bildungsfreistellung. Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten sind von dem Gesetz und seiner Geltung ausgenommen. Dort wird das dringende betriebliche Erfordernis bereits vorausgesetzt, auch das ist Bestandteil meines Gesetzentwurfs und, wie gesagt, die Erstat
tung der Hälfte des in Thüringen im Durchschnitt gezahlten Arbeitsentgelts. Wenn dann so getan wird, als experimentierten wir hier mit der Thüringer Wirtschaft herum, auch darauf ist schon hingewiesen worden, es gibt 12 Bundesländer, die ein Bildungsfreistellungsgesetz haben, zum Teil schon seit vielen Jahren. Die Wirtschaft ist in keinem dieser Bundesländer daran kaputtgegangen. Also gibt es keinen Grund zur Angst, ein solches Bildungsfreistellungsgesetz auf den Weg zu bringen. Trotzdem gibt es heute kein Gesetz, das die Koalition hier mitbeschließen kann.
Liebe Susanne Hennig, der Gesetzentwurf, den die Linke sich als Referentenentwurf rausgezogen hat, ist eben nicht der Gesetzentwurf des Ministers. Mein Gesetzentwurf sieht heute anders aus. Es gibt heute keinen Gesetzentwurf, der zur Abstimmung steht, zu dem die SPD guten Gewissens Ja sagen könnte.
Liebe Frau Hennig, Sie haben das hier mit süßer Stimme vorgetragen. Das hat mich ein bisschen erinnert - Sie kennen das Märchen, da kommt eine Apfelverkäuferin und preist diesen schönen rotbäckigen Apfel an und eine junge Dame kauft den dann und beißt da herzhaft rein und fällt um.
Nun gibt es aber einen wichtigen Unterschied zwischen der SPD und Schneewittchen: Schneewittchen war noch jung, die SPD ist 150 Jahre alt und lässt sich so nicht mehr an der Nase herumführen.
Deshalb werden wir natürlich in diesen Apfel nicht beißen. Das ist ein Punkt, ich kann Ihnen das nur nahelegen: Wenn man sich auf eine Regierung einlässt, eine gemeinsame Koalition, dann funktioniert das nur, wenn man gemeinsame Regeln festlegt. Dann gehört es zur politischen Seriosität einfach dazu, dass man diese gemeinsamen Regeln auch einhält. Das passt mal dem einen und mal dem anderen Koalitionspartner nicht. Aber da ich gehört habe und in den Medien nachgelesen habe, dass Sie demnächst auch Regierungsverantwortung wollen, wäre es gut, über dieses Prinzip nachzudenken. Also, es macht keinen Sinn, mit solchen vergifteten Äpfeln zu kommen,
sondern es gibt Regeln in einer Regierungszusammenarbeit und ich gehöre zu denjenigen, die sich an solche Regeln halten, weil ich weiß, dass sonst Regierungen gar nicht funktionieren können.