Protocol of the Session on March 21, 2014

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Höhn, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie: Nein, Sie müssen das korrigieren. Sie sind eine Wortverdrehe- rin.)

Sie haben gesagt, Sie haben Qualitätsstandards festgelegt, die Sie mit dem spanischen Botschafter gemeinsam unterschrieben haben. Sie haben von einem Leitfaden gesprochen und von einem anderen Papier, was Sie in Kürze unterzeichnen werden.

Ich kann mir vorstellen, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich schon vorstellen konnte, dass die Antworten nicht sonderlich konkret sein werden und die Landesregierung wurde deshalb im zweiten Teil dieses Antrags in einer Reihe von Punkten zu konkreten Dingen aufgefordert. Dazu haben Sie sich fast gar nicht geäußert, weder dazu, dass sich die Landesregierung dazu bekennen soll, dass für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer …

(Zwischenruf Höhn, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie: Das müssen Sie doch erst mal beschließen.)

Es ist doch wohl geübte Praxis, dass die Landesregierung auch ihre Meinung zu eingebrachten Gesetzentwürfen sagt, wenn sie sie beschlossen haben will oder den Landtag bittet, sie nicht zu beschließen, Herr Höhn, das können Sie doch nicht abstreiten. Da hätte ich schon ein Wort von Ihnen zu diesen konkreten Punkten erwartet, aber Fehlanzeige. Sie haben die berühmte Willkommenskultur beschworen, aber, Herr Minister, Normalität wird die eben nicht durch schöne Worte, sondern nur durch konkrete Taten.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Reden Sie mal zum Antrag.)

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Höhn, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie: Und wo war jetzt die Substanz in Ihrem Auftritt?)

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Berninger. Als Nächste hat jetzt Abgeordnete Regine Kanis für die SPD-Fraktion das Wort.

(Unruhe CDU, SPD)

Jetzt hat Frau Kanis das Wort. Meine Herren, Frau Kanis möchte gern ihren Beitrag halten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe es heute früh schon einmal in meinem ersten Redebeitrag gesagt, die Wahrnehmung des gesprochenen Wortes ist doch sehr unterschiedlich. Ich danke unserem Minister für den Bericht.

(Beifall CDU, SPD)

Ich fand ihn nicht schlecht, ich fand ihn ausführlich, angemessen, umfangreich.

(Heiterkeit DIE LINKE)

(Zwischenruf Höhn, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie: Guter Anfang.)

Sicher sind wir uns alle einig. Wir brauchen in Thüringen Zuwanderung. Wir wollen diese und dazu benötigen wir Offenheit und Toleranz in unserer Gesellschaft. Ich denke auch, diese Offenheit und Toleranz brauchen wir hier im Parlament. Ich sehe den Antrag nicht nur unter wirtschaftspolitischen Aspekten. Da stimme ich Frau Berninger schon ein bisschen zu; ich sage, Zuwanderung ist nicht nur Fachkräftegewinnung, aber natürlich auch. Wir brauchen, um Zuwanderung zu erreichen, eine Willkommenskultur, die im Alltag von allen ganz selbstverständlich gelebt wird. Ich weiß, da sind wir noch auf einem weiten Weg. Um Vielfalt als Chance zu nutzen, müssen Voraussetzungen erfüllt werden. Voraussetzung dafür ist zum Beispiel, dass alle hier lebenden Menschen auch eine Heimat in unserem schönen Freistaat finden. Sie sollen sich hier willkommen fühlen, egal welcher Herkunft sie sind oder welche religiösen oder weltanschaulichen Bindungen sie auch immer haben. Nicht einfach, für jeden durchzusetzen.

Die Zukunft Thüringens sowohl aus sozialer als auch aus ökonomischer oder internationaler Perspektive wird davon abhängen, dass und wie wir die Vielfalt und Offenheit unseres Landes erhalten und gestalten. Deshalb wenden wir uns als SPD ganz klar gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung und momentan zeigen wir das auch wöchentlich in Protestaktio

nen gegen Gruppierungen, die meinen, dass das alles nicht zu Deutschland passt.

Ich glaube, zum konkreten Inhalt des Antrags werden wir uns nicht mehr ganz so einig sein, denn im Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht, die Landesregierung soll aufgefordert werden, sich zu gleichen Rechten und Pflichten für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den EU-Mitgliedstaaten zu bekennen. Im Allgemeinen ist das für mich selbstverständlich, im Speziellen ist sicher die eingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürger aus Kroatien gemeint. Wie soll die Landesregierung hier konkret eine Änderung erreichen?

Zum Umgang mit Diskriminierung bin ich bei meiner Einleitung schon eingegangen, dies erfordert das Werben in allen gesellschaftlichen Schichten und die gemeinsame Verantwortung aller Menschen und ist durch die Landesregierung allein leider auch nicht zu erreichen. Hier geht es um die Veränderung von Mentalitäten, also um einen eher langfristigen Prozess, der politisch kaum bewusst zu steuern ist. Der Minister hat das Beispiel gebracht von den Arbeitnehmern und den Menschen und das, denke ich, ist ein gutes Beispiel.

Zu den Verfahren der Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen liegt bereits ein Gesetzentwurf im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur vor und eine Anhörung hat dazu bereits stattgefunden. Dies kann aber nur die für das Land Thüringen zuständige Anerkennung regeln. Ich habe 2012 in der Arbeitsagentur in Jena an einer Informationsveranstaltung teilgenommen, weil ich einfach sehen wollte, was da passiert. Dort wurde in mehreren Arbeitskreisen informiert, wie kann ich Anerkennung, Zugang zu einem Studium, zu Zusatzqualifikationen bekommen. Dort wurde erstmals die Handreichung zur Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen in Thüringen vorgestellt. Inzwischen gibt es eine zweite Fassung. Ich kann nur empfehlen, sich diese Broschüre wirklich mal genauer anzusehen, sie im Land bekannter zu machen als Hilfsmittel für Menschen, die bei uns dauerhaft leben wollen und eine Anerkennung ihrer ausländischen Bildungsabschlüsse erreichen wollen. Es gibt außerdem noch diese aktuelle Situationsbestimmung. Auch die ist vom IQ-Netzwerk und auch das kann ich als Lektüre sehr empfehlen. Wenn ich unterwegs bin, versuche ich immer ein paar in der Tasche zu haben und sage, dort kann man sich erst einmal Informationen dazu holen.

Außerdem bestehen bereits Unterstützungsstrukturen. Dazu zähle ich das IQ-Netzwerk. Der Minister hat es erwähnt, die Broschüren sind von diesem Netzwerk mit erarbeitet. Wir haben am Mittwoch hier im Landtag eine Ausstellungseröffnung erlebt, bei der zehn Menschen vorgestellt wurden, die den beruflichen Alltag in Thüringen gemeistert haben, und der Weg dahin wurde vorgestellt. Ich selbst war

(Abg. Berninger)

im Welcome Center im November 2013 und konnte mich von der Arbeitsweise dort persönlich überzeugen und habe gesehen, dass es dort ganz schön lebhaft zuging. Die 120 Spanier, von denen bin ich dort mindestens zehn begegnet, die sich Unterstützung geholt haben, die Fragen zu ihrem Sprachkurs hatten. Ich konnte mich selbst davon überzeugen, wie intensiv die Unterstützung da gelaufen ist. Das Thüringer Netzwerk Integration durch Qualifizierung - ich habe gerade die Broschüren gezeigt -, welches beim Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft e.V. angesiedelt ist, versucht ebenfalls Unterstützung zu geben für die ausländischen Mitbürger oder Zuwanderer bei der Suche nach Arbeit, aber auch der Anerkennung ihrer Abschlüsse und der Qualifizierung, um Arbeit zu finden.

Die Landesregierung sollte in einem weiteren Punkt aufgefordert werden, die Kooperation mit Hochschulen, Unternehmen, Institutionen im Ausland zu verstärken, um Fachkräfte anzuwerben. Für einige Hochschulen kann ich aus persönlichen Gesprächen die Umsetzung dieser Aufgaben bestätigen. Wie das im Einzelnen oder für die speziellen Berufe durch die Landesregierung umgesetzt werden soll, bleibt aber doch unklar. Der Minister hat zu einigen Initiativen und Anstrengungen berichtet. Unsere Hochschulen verfügen über eine sehr große Anzahl von Kooperationen. Auch das hat sich in mehreren Kleinen Anfragen in letzter Zeit ganz deutlich gezeigt.

Ein weiterer Punkt sind die Sprachkurse. Da im Bundesgesetzgebungsverfahren an einer Lösung für dieses Problem gearbeitet wird und auch die Innenministerkonferenz meines Wissens sich gerade die letzten zwei Tage damit beschäftigt haben soll, sollte man diesen Entscheidungsprozess positiv begleiten, aber die Einflussnahme ist auch hier nur indirekt möglich, denn das Gesetzgebungsverfahren liegt beim Bund. Bei den weiteren Punkten habe ich Verständnis für das Anliegen, kann mir nur eine reale Umsetzung nicht wirklich vorstellen. Wie soll die Landesregierung diese Forderungen erfüllen? Die Herstellung eines einheitlichen Wissensstandes durch einen Wissenspool - ein einheitlicher Wissensstand -, ich glaube, das ist nicht wirklich realisierbar.

(Zwischenruf Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Durch Bildung erreicht man einen einheitlichen Wissensstand.)

Allgemein die Einstellung von Ausländern in den Landesdienst zu fördern, liest sich zunächst einmal sehr schön. Es bleibt aber beim näheren Hinsehen auch hier völlig unklar, was man damit konkret gemeint hat. Insgesamt muss ich sagen, dass der Antrag in der Bündelung der verschiedenen Anliegen eher für die Erstellung eines Wahlprogramms geeignet zu sein scheint als für einen ernst gemeinten Plenarantrag. Kein einziger der von Ihnen formulier

ten zehn Forderungspunkte ist für mich fachlich untersetzt und hinreichend konkretisiert. Es bleibt auch nach mehrmaligem Lesen des Antrags unklar, was die Landesregierung konkret an welcher Stelle innerhalb welchen Zeitraums mit welchen Partnern und Instrumenten, aber auch mit welchem Mitteleinsatz leisten soll.

Klar ist für mich dagegen Folgendes: Mit einem solchen Antrag werden wir keine stärkere Zuwanderung erreichen und er führt uns auch nicht wirklich bei unserem gemeinsamen Bemühen weiter, Diskriminierung zu bekämpfen. Deshalb wird von meiner Fraktion der Antrag in dieser Form nicht mitgetragen und unterstützt.

Zwei Sätze noch zum Alternativantrag der FDP. Dieser hat für mich keinen direkten Zusammenhang mit Diskriminierung abbauen oder Zuwanderung ermöglichen. Hier geht es meiner Meinung nach wirklich nur um die wirtschaftlichen Interessen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit hätte als Bundesthema bis 2013 geregelt sein können, ist nicht passiert. Zuwanderung ist für mich viel umfassender als die Befriedigung des Arbeitsmarktes. Ein weltoffenes Land unterstützen wir mit diesem Antrag nicht und auch deswegen werden wir ihn ablehnen.

(Zwischenruf Abg. Hitzing, FDP: Weil Sie ihn wahrscheinlich nicht richtig gelesen haben.)

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Frau Kanis. Als Nächster in der Debatte hat jetzt Abgeordneter Thomas Kemmerich für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist nicht nur eine der vier Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes und nicht nur ein verbrieftes Recht zur Wahrung der beruflichen Chancen und ein elementares Instrument zur Selbstverwirklichung der Bürger im vereinten Europa, sondern meines Erachtens so etwas wie das Kreislaufsystem der europäischen Idee. Sie macht es täglich möglich, dass die Idee von einem gemeinsamen Haus Europa auch gelebt werden kann. Unser Alternativantrag soll daran erinnern, dass unser Freistaat von der europäischen Arbeitnehmerfreizügigkeit profitieren kann.

(Beifall FDP)

Daher auch die Kernaussage schon im Titel: „Perspektiven bieten, Chancen ergreifen und Missbrauch verhindern!“. Ohne Nettozuwanderung aus den Mitgliedsländern der Europäischen Union könnten wir heute und auch in Zukunft weder unserem Fachkräftemangel wirksam begegnen, noch

(Abg. Kanis)

könnten wir unsere wirtschaftliche Entwicklung weiter stärken. Ohne die Arbeitnehmerfreizügigkeit wäre unsere Wirtschafts- und Steuerkraft wesentlich niedriger, als sie zum heutigen Tage ist.

Meine Damen und Herren, seit dem 1. Januar 2014 genießen nun rumänische und bulgarische Staatsangehörige die volle Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Der wesentliche Teil der Bulgaren und Rumänen, die zu uns kommen, sind ausgebildete Fachkräfte, die im Pflege- und Gesundheitsbereich sowie in weiteren Branchen unverzichtbare Leistungen bringen und erbringen werden. Auf diese Arbeitnehmer werden wir in Zukunft noch stärker angewiesen sein. Denn so fördert die Arbeitnehmerfreizügigkeit die dringend benötigten kreativen Köpfe in unseren heimischen Unternehmen. Ausländische Fachkräfte bringen neues Wissen und Forschergeist in unsere Hochschulen. Als Arbeitnehmer stützen sie unsere Sozialkassen. Doch die bisher geführten Diskussionen über die massenhaften Wanderungsbewegungen aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland, insbesondere nach Thüringen, entbehren jeder Grundlage, wie die sehr ausgewogene Antwort des Thüringer Ministers für Wirtschaft, Arbeit und Technologie in der Plenardebatte im Januar 2014 bestätigt, ich zitiere: „Seit 2011 ist eine Zuwanderung aus den genannten acht Staaten“ Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn „nach Thüringen zu verzeichnen. Es gab 2011 einen positiven Wanderungssaldo von 973 Personen, 2012 von 1.705 Personen aus den genannten acht Staaten. (...) Die Zuzüge nach Thüringen haben sich, wie im Übrigen überall in Deutschland, nach der Einführung der Freizügigkeit erhöht. Sie sind ca. ein Drittel höher als vor Beginn der Arbeitnehmerfreizügigkeit. (...) Die allgemeine Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Mai 2011 hatte auf Thüringen zunächst eher geringe Auswirkungen.“

Meine Damen und Herren, da kommen wir zu dem Kern unseres Antrags. Oftmals, und jeder, wie er es braucht, wird diese Arbeitnehmerfreizügigkeit von den politisch handelnden Personen durchaus missbraucht. Die einen missbrauchen sie, um feststellen zu wollen, dass ausschließlich Missbrauch mit Zuwanderung in die Sozialkassen passiert. Vielleicht haben Sie oder zumindest Ihr Referent den Antrag von uns nicht bis zum Ende oder vollständig gelesen. Wir wollen gar nicht über Missbrauch reden, wir wollen nur klar feststellen, dass es ihn nicht gibt,

(Beifall FDP)

ihn erstens nicht geben kann aufgrund der Gesetze, die in Deutschland und auch in der europäischen Gemeinschaft geschlossen sind, und auch tatsächlich nicht stattfindet, hingegen zu manch seltsamen Debatten, die da geführt werden. Diese Debatten, wenn sie dann ausgetragen werden, zei

gen eben keine Willkommenskultur, sondern zeigen genau das Gegenteil. Deshalb fordern wir hier vom Landtag ein eindeutiges Bekenntnis dazu, dass das nicht stattfinden soll, nicht stattfinden kann und auch nicht stattgefunden hat.

(Beifall FDP)

Das andere ist, dass gerade die Vertreter der Linkspartei zu dem jeweiligen Datum der beginnenden Freizügigkeit vor Strömen von Menschen Panik gemacht haben, die aus diesen Ländern ihre Freizügigkeit nun endlich genutzt haben.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Was haben wir gemacht?)

Wir haben damals in 2011 schon darauf hingewiesen, dass die Freizügigkeit von den Menschen, wo sie vorher vollständig hergestellt war in diesen Ländern, wo sie vorher schon offen willkommen geheißen worden sind, weitaus mehr genutzt worden ist. Die Menschen aus Polen sind oftmals nach England gegangen, sind nach Norwegen gegangen, haben sich auf den Weg gemacht, ihre Freizügigkeit zu genießen. Deshalb haben wir damals immer beklagt, dass Deutschland viel zu spät die vollständige Freizügigkeit eingefordert hat. Was haben wir uns nicht alles anhören müssen. Das musste auch wieder mal herhalten, um den Mindestlohn zu begründen, den wir nun bekommen und dessen Folgen jetzt keine Rolle spielen wird, aber dessen Folgen wir alle noch zu spüren bekommen werden.

(Beifall FDP)