Wir sagen klar, wir sind für die Abschaffung des Erziehungsgeldes. In Ihrer Mündlichen Anfrage ist beantwortet, 20 Mio. € geben wir für eine Leistung aus, die eigentlich überflüssig ist, die wir in andere familienpolitische Leistungen stecken können. Sie
finanzieren hier etwas sogar doppelt, was auf Bundesebene noch einmal gefördert wird, und deswegen sind wir in einem Punkt mit dem Gesetzentwurf nicht einverstanden. Wir wollen diese Millionen nicht in die Schuldentilgung, sondern wir sagen klar, wir wollen sie in andere, bessere familienpolitische Leistungen,
zum Beispiel den Ausbau von Eltern-Kind-Zentren, ich wiederhole mich da auch, stecken. Wir sagen auch in dem Zusammenhang - jetzt schweife ich wie meine Kollegin Siegesmund durchaus mal ab -, ich kann mir vorstellen, dass nun irgendwann endlich mal die familienpolitischen Leistungen der Stiftung FamilienSinn wieder unter die Obhut des Sozialministeriums zurückgeführt werden, dass auch dieses Hohe Haus wieder einmal über die Ausrichtung dieser Leistungen entscheiden kann. Kurzum, wir stimmen dem Gesetzentwurf zu, weil er das richtige Signal setzt. Landeserziehungsgeld ist überholt und veraltet und ist nicht zielführend in der Familienpolitik.
Vielen herzlichen Dank, Frau Jung. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Doch: Es gibt eine Wortmeldung aus der SPD-Fraktion von Frau Birgit Pelke. Und: Es gibt einen Geschäftsordnungsantrag. Einen kleinen Moment bitte, Frau Pelke, Sie haben noch nicht begonnen mit Ihrer Rede.
Danke, Frau Präsidentin. Ich sehe leider kein Regierungsmitglied mehr im Saal. Ich wäre dankbar, wenn wir die Landesregierung herbeirufen können.
Gut, dann stimmen wir darüber ab. Wer diesem Geschäftsordnungsantrag - oh, jetzt kommt Herr Minister Carius just in den Saal. Der Antrag hat sich damit erledigt, zumindest für den jetzigen Zeitpunkt, und es hat das Wort die Abgeordnete Birgit Pelke für die SPD-Fraktion.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Ich will auch niemanden am heutigen Tage überstrapazieren. Ich will auch niemanden mehr überraschen mit meinem Redebeitrag. Ich glaube, ich habe alles zu diesem Thema für meine Fraktion gesagt, stimme den Vorrednerinnen zu, sowohl von der Fraktion DIE LINKE, den Bündnisgrünen und natürlich auch der FDP, ganz klar. Ich habe auch immer erläutert, aus welchen Gründen wir im Moment zu dieser Ent
scheidung nicht kommen können, was die Abschaffung des Erziehungsgeldes angeht, weil der Koalitionspartner dieses mit uns nicht tun möchte. Wir warten jetzt ab, wie sich die Dinge weiterentwickeln, aber ansonsten bleiben wir inhaltlich genau an dem Punkt, dass wir sagen, dass dieses Geld einfach für andere Dinge sehr viel besser eingesetzt werden könnte und damit ich mich nicht wie ein Papagei wiederhole, will ich es dabei belassen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen herzlichen Dank, Frau Pelke. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vonseiten der Abgeordneten vor, auch vonseiten der Landesregierung gibt es keinen Wunsch, zu sprechen. Damit kommen wir jetzt direkt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/7062 in zweiter Beratung. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus den Fraktionen CDU und SPD. Gibt es Enthaltungen? Es gibt keine Enthaltungen. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
a) Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/7327 ERSTE BERATUNG
b) Gesetz zur Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz und Neufassung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/7328 ERSTE BERATUNG
Ich frage: Wünscht die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort zur Begründung? Das ist der Fall. Damit hat der Abgeordnete Dirk Adams das Wort für die Einbringung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic, Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubasik, Halit Yozgat und Michéle Kiesewetter, die Opfer des NSU, denen sind wir es schuldig, dass es nicht bleibt, wie es ist. Dabei ist eines ganz klar, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass der Rassismus in der Mitte unserer Gesellschaft niemals durch irgendein staatliches Organ, niemals durch irgendein staatliches Handeln, sondern immer nur aus der Mitte der Gesellschaft heraus bekämpft werden kann. Dennoch muss der Staat seinen Beitrag leisten.
Darüber gibt es viele Schriften, viele Ausführungen, viele Diskussionen, wie wichtig das für den Staat ist. Peter Badura bringt das im Prinzip in drei Sätzen zum Ausdruck: „Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz verpflichtet die staatliche Gewalt, alle Menschen gegen Angriffe auf die Menschenwürde zu schützen.“ Und weiter hinten: „Menschenwürde ist eine absolute Grenze, sie ist als Fundament aller Grundrechte nicht abwägbar.“ Und noch weiter hinten: „Die Verletzung der Schutzpflicht kann nur festgestellt werden, wenn die von der öffentlichen Gewalt getroffenen Schutzvorkehrungen gänzlich ungeeignet und völlig unzulänglich sind.“ Der funktionierende Staat kann die Menschenwürde schützen. Ist die Menschenwürde verletzt, hat der Staat versagt.
Bezogen auf den NSU ist dieses Ergebnis für den Freistaat Thüringen festzustellen. Und es darf nicht bleiben, wie es ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die schwarz-rote Landesregierung hat es in über einem Jahr nicht vermocht, etwas Ernsthaftes hier vorzulegen. Was vorgelegt wurde, ist keine Reform, kein Reförmchen, sondern nur eine wirkliche Wurstelei. Der Gegenvorschlag der Fraktion DIE LINKE ist radikal
und vermeintlich abschließend. Sie glauben, dass in dem Augenblick, wo Sie das Landesamt für Verfassungsschutz gänzlich auflösen, der Nachrichtendienst nicht mehr da ist, Sie sich um die Fragen des Eingriffs, sich um die Fragen von Vorfeldbeobachtung keine Sorgen mehr machen müssen. Sie verlegen aber die Fragen, die es hierbei zu klären gibt, nur in Ihre Demokratiebehörde, Sie verlegen diese Fragen nur in einen polizeilichen Staatsschutz. Wir Grüne wollen das nicht machen. Und weil auch Sie
am Ende der Debatte, die wir zu Ihrem Antrag gestellt haben, einsehen müssen, dass Sie um bundesrechtliche Regelungen und um andere gesetzliche Regelungen nicht umhinkommen, braucht es einen dritten Vorschlag, einen neuen Vorschlag, den wir hier vorlegen.
Hier ist er und wir freuen uns auf die Debatte zu diesem Antrag. Wir freuen uns auch darauf, dass die alte parlamentarische Weisheit möglicherweise mit Leben erfüllt wird, dass kein Gesetz aus dem Parlament geht, wie es hineingekommen ist. Wir wollen das mit Leben erfüllen. Wir haben keine Zeit zuzuwarten, wie es Frau Marx oft vorgeschlagen hat. Wartet erst den Abschlussbericht ab. Wer weiß, wie ein Gesetz im Thüringer Landtag und nicht nur im Thüringer Landtag entsteht, der weiß, dass wir mindestens 12 Wochen - wenn wir vernünftig rechnen, sogar 16 Wochen - brauchen, um ein Gesetz halbwegs ordentlich zu diskutieren. Diese Zeit werden wir nach dem Abschluss des Untersuchungsausschusses nicht mehr bekommen.
Wir haben nicht die Zeit zuzuwarten, weil wir die Zeit brauchen, das Gesetz ordentlich zu machen. Wir können nicht bis zum Abschlussbericht warten, wenn wir etwas ändern wollen. Der 5. Thüringer Landtag hat sich vorgenommen aufzuklären, was beim NSU passiert ist. Wir müssen, glaube ich und davon sind wir Grüne fest überzeugt -, auch die Verantwortung übernehmen für das, was wir ändern wollen. Wir können nicht sagen, lassen wir es doch so. Wir können nicht sagen, wir haben zwar eine Idee, aber wir werden das nicht großartig debattieren und eine nächste Landesregierung tut es dann einfach. Wir müssen mit der Debatte beginnen und müssen genug Raum und Zeit finden, diese Debatte auch zu führen. Wir Grüne wollen diese Debatte führen.
Wir haben im Übrigen auch keine Zeit zuzuwarten, weil sich etwas ändern muss, denn jeder Tag, an dem V-Leute gängige Praxis sind, an jedem Tag, an dem der Verfassungsschutz Wohnraumüberwachung durchführen kann, jeder Tag, an dem Bürger nicht nach Beendigung einer Maßnahme informiert werden müssen, ist ein schlechter Tag, ein schlechter Tag für die Demokratie, ein schlechter Tag für den Rechtsstaat, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Unser Gesetz ist ein Schnitt, ein echter personeller Schnitt und ein echter inhaltlicher Schnitt. Er birgt die Chance eines Neuanfangs. Ob dieser Neuanfang gelingt, werden die nächste Landesregierung und die folgenden, aber auch vor allen Dingen die neuen Mitarbeiter nach unseren Vorstellungen mit Leben erfüllen müssen. Sie werden die Verantwortung dafür tragen. Unser Gesetz beinhaltet ein klares Verbot von V-Leuten und Informanten und Gewährspersonen. Es ist nicht, wie einige gern behaupten, um das Gesetz zu kritisieren, ein Verbot auf Probe. Wir normieren, dass der Einsatz von VLeuten, Gewährspersonen und Informanten verboten ist. Wir begleiten diesen Ausstieg wissenschaftlich. Das Einzige, was wir normieren, ist, dass dem Thüringer Landtag ein Bericht vorzulegen ist, wie sich die Nachrichtenlage entwickelt hat. Stellt dieser Bericht fest, dass die Nachrichtenlage sich verschlechtert haben sollte, muss der Landtag handeln. Das steht in dem Gesetz. Es steht aber nicht drin, wie er handeln muss. Er kann abwägen, er kann andere Maßnahmen einsetzen.
Aber was in dem Gesetz auch drinsteht, ist in jedem Fall Folgendes: Ohne einen wissenschaftlichen Beweis der Wirkung von V-Leuten dürft ihr sie nicht wieder einführen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist, glaube ich, der innovative Gehalt dessen.
Nur vernagelte Ideologen können über die Chance, die darin steckt, hinwegsehen. Nur vernagelte Ideologen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt noch viele Punkte in diesem umfangreichen und komplexen Gesetz, viele Debatten, die geführt werden müssen. Wir wollen sie gern mit Ihnen führen, ein erster Auftakt wird die Debatte heute sein. Wir haben gestern mit den Bürgerbündnissen darüber diskutiert, und ich freue mich auf eine breite Debatte dazu. Vielen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Adams. Ich eröffne jetzt die gemeinsame Aussprache. Es liegen Wortmeldungen aus allen Fraktionen vor. Als Erste hat die Abgeordnete Dorothea Marx für die SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, in der Tat, es kann nicht so bleiben, wie es war oder wie es ist. Diese Verantwortung haben wir hier gemeinsam wahrzunehmen im Thüringer Landtag. Soweit stimme ich Ihnen auf jeden Fall zu, sehr geschätzter Herr Kollege Adams. Allerdings
Es ist auch nicht so, dass wir die Abschlussuntersuchungen oder den NSU-Untersuchungsausschuss schon so weit abgeschlossen hätten, dass wir sagen könnten, was nun die beste der Lösungen ist. Eile sehe ich insofern nicht, als alle im Moment sehr vorsichtig mit den Instrumenten umgehen, die zu Recht in die Kritik geraten sind.
Sie wollen dennoch jetzt einen Gesetzesvorschlag einbringen und bereits in dieser Legislaturperiode mit Änderungen beginnen. Wir verschließen uns diesem Anliegen nicht dem Grunde nach. Ich möchte gleich vorausschicken, dass wir diesen Antrag überweisen werden, Ihre beiden Anträge an den zuständigen Innenausschuss. Aber dennoch müssen erste inhaltliche Anmerkungen zu Ihrem Gesetzentwurf gestattet sein, die zwangsläufig auch Kritik enthalten müssen. Sie sagen, Sie gehen den Mittelweg, der Mittelweg sieht allerdings auch ein bisschen zickzackmäßig aus. Das beginnt damit, dass Sie den Verfassungsschutz zwar für notwendig erachten, Sie wollen ihm sogar eine neue Wichtigkeit und Bedeutung verschaffen. Gleichzeitig sagen Sie, dass Ihr Entwurf die Perspektive zu einer geheimdienstund nachrichtendienstfreien Gesellschaft eröffne. Am kritischsten, muss ich gleich mal sagen, sehen wir und können wir überhaupt nicht zustimmen Ihrem Anliegen, 100 Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in die Wüste zu schicken und dann von einem Ort, den ich nicht kenne, 100 neue Mitarbeiter hierher zu zaubern, die plötzlich für eine neue Arbeit des Verfassungsschutzes sorgen sollen. Also ich bin nun wirklich die Allerletzte, die unserem Landesamt ein positives Zeugnis ausstellen würde für das, was in der Vergangenheit passiert ist. Aber das Versagen von Behörden und von Tätigen im Bereich der Sicherheitsarchitektur betrifft nicht nur das Landesamt für Verfassungsschutz, sondern es ist wie im richtigen Leben, liebe Kolleginnen und Kollegen: In jeder Behörde gibt es solche und solche und es gibt und gab im Landesamt für Verfassungsschutz auch zu den Zeiten, zu denen seine Ergebnisse nicht gut gewesen sind, immer auch Leute und Personen, die ihre Arbeit ordentlich gemacht haben. Dass wir jetzt mit einem Federstrich 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen sollen, angefangen von den Leitungsfunktionen bis hin zu den Reinigungskräften und den Hausmeistern, ist schlicht uneinsehbar. Sie schütten auf diese Weise erst mal alle Kinder mit dem Bade aus und rühren dann einen neuen Cocktail an, von dem man nicht so leicht erkennen kann, ob er denn wirklich eine gute Mischung ergeben kann. Wie dann mit 100 neuen Leuten, die wir erst backen müssen und von denen ich nicht weiß, wo Sie sie hernehmen wollen, eine Personalentwicklung erfolgen soll und wie insbe
Sie wollen diese 100 neuen Mitarbeiter als Abteilung in das Innenministerium eingliedern, dafür auch die Verfassung ändern, damit klar ist, dass es keine eigenständige Behörde mehr ist. Es heißt dann bei Ihnen, dass der Chef des Verfassungsschutzes ein Abteilungsleiter sein soll. Sie reden dann in Ihrem Gesetzentwurf davon, dass auf der einen Seite eine bessere Verkopplung mit der politischen Spitze erfolgen soll, auf der anderen Seite betonen Sie aber, dass die Unabhängigkeit des bisherigen Landesamtes, dieser Behörde, auch wieder erhalten werden soll, persönliche Verflechtungen zwischen Aufsichtsreferat und Verfassungsschutzbehörde sollen ausgeschlossen werden. Das ist gerade mal sehr fragwürdig, ob das geht. Ich muss jetzt auch mal ehrlicherweise sagen, wir haben auch Fehlleistungen im Bereich der Aufsichtsbehörde im Innenministerium gehabt, das sagt schon der Schäfer-Bericht. Wenn wir ausgerechnet dann in dieses Innenministerium, speziell in Thüringen, den Verfassungsschutz, die Aufgabe des Verfassungsschutzes sozusagen eingliedern wollen, dann mache ich da auch mal ein Fragezeichen dran.