Protocol of the Session on January 24, 2014

Ich schließe die Tagesordnungspunkte 5 a und b und rufe auf den Tagesordnungspunkt 13

Beginn des Ausbildungsjahres 2013/2014 und Handlungsbedarf für die Ausbildungs- und Fachkräftepolitik der Landesregierung Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/6882 dazu: Alternativantrag der Fraktion der FDP - Drucksache 5/6928

Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung ihres Antrags? Ich sehe, das wird verneint. Wünscht die FDP-Fraktion das Wort zur Begründung des Alternativantrags? Auch nein. Dann rufe ich Herrn Minister Höhn auf, der für die Landesregierung den Sofortbericht zu Nummer I des Antrags gibt.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, da die Entwicklung auf dem Ausbildungsstellenmarkt auch weiterhin trotz der inzwischen eingetretenen quantitativen Entspannung ein wichtiges Thema für unsere jungen Menschen, aber auch für das Thema Fachkräftesicherung im Allgemeinen ist, will ich gern zu den Punkten dieses Antrags berichten. Wie ist der Stand und wie ist die Entwicklung insgesamt? Aufgrund der schon vielfach zitierten demografischen Entwicklung hat sich die Zahl der Bewerber in den vergangenen Jahren mehr als halbiert. Zum Vergleich: In den 90er-Jahren waren es noch über 30.000 Bewerber, 2009 verzeichneten

wir noch rund 19.000 Bewerber und 2013 waren es nur noch 11.340 Bewerber für Ausbildungsstellen in Thüringen. Mit dem Stichtag 30. September 2013, das ist der statistische Abschlusstermin, galten 319 Bewerber als noch unversorgt, davon 107 aktuelle Schulabgänger und 204 sogenannte Altnachfrager, also Jugendliche, die die Schule schon in früheren Jahren verlassen haben. Mit einem Anteil von 2,8 Prozent nicht vermittelter Bewerber an den insgesamt gemeldeten Bewerbern war die Situation in Thüringen deutlich günstiger als im Durchschnitt der neuen Länder, nämlich bei 5 Prozent. Von den 319 unversorgten Bewerbern waren Ende Dezember 2013 noch 177 Bewerber unversorgt, 91 konnten im Rahmen der Nachvermittlung unter anderem in Berufsausbildung, Einstiegsqualifizierung und berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen vermittelt werden. Die Anzahl der Stellen insgesamt als auch die der betrieblichen Stellen übersteigt wiederum die Zahl der Bewerber. 100 Bewerbern standen 117 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Zum Vergleich, die Bewerber-Stellen-Relation in früheren Jahren betrug 2008 0,87 und 2012 1,22. Zum 30.09.2013 waren noch 1.225 Ausbildungsplätze unbesetzt. Diese Zahl hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 9,5 Prozent erhöht. Unbesetzt sind insbesondere noch Ausbildungsstellen in den Bereichen Metallbau, Schweißtechnik, Energietechnik, Gastronomie und im Hochbau, also auch Berufe, die sich unter den Top Ten der Wunschberufe befinden. Von den insgesamt 13.289 zur Verfügung gestellten Stellen waren 12.201 betriebliche Ausbildungsstellen, was einem Anteil von 91,8 Prozent an allen gemeldeten Stellen entspricht. Im Vorjahr waren es 91,2 Prozent. Im Durchschnitt der neuen Länder lag das betriebliche Ausbildungsplatzangebot bei 89,4 Prozent, in den alten Ländern bei 94,4 Prozent. Der Anteil der außerbetrieblichen Ausbildungsstellen am Gesamtangebot an Ausbildungsstellen ging von rund 8,8 Prozent im Vorjahr auf 8,2 Prozent zurück. Im Durchschnitt der neuen Länder ist diese Zahl ebenfalls weiter zurückgegangen, von 11,6 auf 10,6 Prozent. Die genannten Zahlen resultieren im Wesentlichen aus der Ausbildungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass Betriebe nicht verpflichtet sind, die angebotenen Ausbildungsplätze den Arbeitsagenturen zu melden. Außerdem gibt es auch keine Pflichtmeldung für die Bewerber. Insofern ist dies eine Geschäftsstatistik der Bundesanstalt auf Basis freiwilliger Meldungen, wobei Bewerber um Stellen aber größtenteils gemeldet sind.

Inzwischen liegen auch die Ergebnisse der jährlich zum 30. September durchgeführten Erhebungen des Bundesinstituts für Berufsbildung zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen vor. Danach wurden in Thüringen im Berufsberatungsjahr 2012/13 10.221 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, was einen Rückgang von 8 Prozent ge

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

genüber dem Vorjahr bedeutet. Diese Differenzierung nach Zuständigkeitsbereichen zeigt, dass bis auf den Ausbildungsbereich öffentlicher Dienst, der einen Anstieg verzeichnen kann, in allen anderen Ausbildungsbereichen Rückgänge bei den abgeschlossenen Neuverträgen zu verzeichnen sind. Die Ursache dafür ist zum einen die negative demografische Entwicklung und die damit verbundene, leider anhaltend sinkende Zahl junger Menschen, die sich für eine Berufsausbildung interessieren. Demgegenüber steht das hohe Angebot an Ausbildungsstellen der Unternehmen, das die Zahl der Bewerber um eine Ausbildungsstelle wie in den Vorjahren übersteigt. Und nicht alle dieser Ausbildungsstellen können besetzt werden. Es zeigt sich aber auch, dass durchaus auch sogenannte Passungsprobleme zwischen dem Angebot der Unternehmen und den Ausbildungswünschen der Jugendlichen weiter zugenommen haben. Die Unternehmen haben somit immer größere Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen. Es muss uns daher zukünftig gelingen, das Image der dualen Berufsausbildung weiter zu verbessern - dieses Image ist gut, aber es gibt nichts, was es nicht noch zu verbessern gäbe - und die Jugendlichen verstärkt für diese duale Berufsausbildung zu interessieren.

Zu der relativ großen Zahl von gelösten Ausbildungsverträgen lassen Sie mich Folgendes ausführen: Zunächst, die Lösungsquote bedeutet nicht automatisch Abbruchquote. Viele Jugendliche wechseln den Ausbildungsberuf und sie gehen bei einer Lösung des Vertrags nicht per se dem dualen Ausbildungssystem verloren. Die Ursachen für die Auflösung von Ausbildungsverträgen sind sehr vielschichtig und liegen sowohl aufseiten der jungen Menschen als auch der Betriebe. Es liegt manchmal an den falschen Vorstellungen vom Beruf - da kann ich nur empfehlen, die Berufsorientierung auch an unseren Schulen weiter zu verbessern; ich erinnere an das schon hier in diesem Haus diskutierte Programm „BERUFSSTART plus“ -, aber auch an individuellen Problemen zwischen Auszubildenden und Ausbilder oder Betrieb. Die gibt es auch schon, solange es Ausbildung gibt.

Manchmal liegt es bei frühzeitigen Lösungen aber auch daran, dass man noch ein besseres Angebot gefunden hat oder doch ein Studium aufnimmt. In Thüringen haben sich die Wirtschafts- und Sozialpartner schon seit längerer Zeit mit der sogenannten Lösungsquote intensiv befasst. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie hatte im Zusammenhang mit der Erstellung des Berufsbildungsberichts das Institut SÖSTRA in Berlin beauftragt, den Ursachen hierfür auf den Grund zu gehen. Der Landesausschuss für Berufsausbildung hatte sowohl 2012 als auch 2013 Experten des iap Nürnberg zu Gast, die zurzeit eine neue Studie dazu erstellen. Die Ursachenanalyse wird eigentlich

vor allem auf Studien, insbesondere aber auf durchgeführte Befragungen gestützt.

Nach der Auswertung durch die BA liegt die Lösungsquote in Thüringen bei 29,6 Prozent, im Durchschnitt der neuen Bundesländer bei 30,7 Prozent und - einzelne Beispiele in unserer Nachbarschaft - beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin bei über 33 Prozent. In den alten Bundesländern zum Vergleich liegt diese Quote bei 23,2 Prozent. Beispielhaft einige Ausbildungsberufe: Die meisten Verträge werden gelöst bei Berufskraftfahrern, bei Frisören, Köchen, Restaurantfachleuten und Hotelfachleuten.

Abgefragt wurde bei den Kammern ebenfalls die Anzahl der konkreten Löschungen von Ausbildungsverträgen. Die Kammern müssen alle Ausbildungsverträge prüfen und eintragen, damit sie überhaupt rechtswirksam werden. Bei Löschungen von bereits eingereichten Verträgen vor Ausbildungsbeginn ist insgesamt ein Zuwachs von 11,7 Prozent zu verzeichnen, während die Löschungen in der Probezeit um 5,1 Prozent anstiegen.

Die Kammern haben mit der Einführung der sogenannten AusbildungsCard in diesem Jahr eine Initiative gestartet, um dieser Tatsache zu begegnen, dass Jugendliche manchmal mehrere Ausbildungsverträge unterschreiben und dann natürlich nur einen davon einhalten können. Es wird dabei der Grundgedanke verfolgt, unter noch stärkerer Einbeziehung des Berufswahlpasses die Berufswahlentscheidung der Jugendlichen auf eine verlässliche Basis zu stellen, denn auch die Unternehmen brauchen diese Verlässlichkeit, dass der Jugendliche diesen Vertrag dann auch tatsächlich antritt. Da diese AusbildungsCard noch relativ neu ist, gibt es noch keine belastbaren Aussagen zum Effekt. Ich will aber trotzdem an dieser Stelle erwähnen, dass unser Ministerium keinesfalls der Auffassung ist, dass den jungen Leuten hier generell Unzuverlässigkeit unterstellt werden kann.

Wir gehen davon aus, dass in der Regel letztlich junge Leute einen Vertrag unterschreiben und die Ausbildung auch antreten. Den Effekten, die ich vorher beschrieben habe, mit verschiedenen Initiativen zu begegnen, halten wir für richtig. Die Nutzung der AusbildungsCard ist allerdings freiwillig. Dazu werden wir keine Vorgabe erlassen.

Die Ausbildungssituation in den Regionen ist sehr unterschiedlich, meine Damen und Herren. Es gab deutliche Bewerberrückgänge zum Beispiel in Schmalkalden-Meiningen mit minus 21,3 Prozent und in Gera mit minus 14,8 Prozent. In einigen Landkreisen und kreisfreien Städten sind die Bewerberzahlen doch wieder angestiegen - zum Beispiel in Greiz mit immerhin 24,1 Prozent und auch im Unstrut-Hainich-Kreis mit 11,5 Prozent. Auch die Zahl der gemeldeten Berufsausbildungsstellen hat

(Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie Höhn)

in den Landkreisen und kreisfreien Städten zum Teil abgenommen. Lediglich in Weimar, Nordhausen, Hildburghausen und Schmalkalden-Meiningen stieg die Zahl der Stellen an. Die Zahl der unbesetzten Stellen hat teilweise beträchtlich zugenommen; es wurden aber auch Rückgänge verzeichnet, zum Beispiel in Gera mit minus knapp 63 Prozent und im Saale-Holzland-Kreis mit 37 Prozent. Bis auf die Landkreise Nordhausen, UnstrutHainich, Sömmerda, Weimarer Land, Saalfeld-Rudolstadt und Greiz ist in allen anderen Landkreisen und kreisfreien Städten ein Stellenüberhang zu verzeichnen. Hier muss man allerdings berücksichtigen, dass auch aufgrund der deutlich reduzierten Bewerberzahlen und den Schwierigkeiten bei der Besetzung mancher Ausbildungsplätze gleichzeitig auch die Stellenangebote von Betrieben zurückgehen oder die Betriebe zusätzlich andere Wege suchen als nur über die Arbeitsagenturen, um ihre Ausbildungsplätze zu besetzen.

Hinsichtlich der Pendlersituation der Auszubildenden liegen der Regionaldirektion Sachsen-AnhaltThüringen nur Anhaltspunkte vor, aus denen durchaus Rückschlüsse gezogen werden können. Festhalten kann man, dass immer weniger junge Menschen aus Thüringen für einen Ausbildungsplatz in andere Bundesländer pendeln. So sank die Zahl der auspendelnden Auszubildenden zwischen Juni 2003 und Juni 2012 von damals 9.135 auf 3.724. Das ist mehr als eine Halbierung. Pendeln hat aber auch mit normaler Mobilität im Rahmen gemeinsamer und grenzübergreifender Wirtschaftsräume zu tun. Es pendeln zum Beispiel 835 Auszubildende in das benachbarte Bundesland Bayern. Fast 70 Prozent dieser Pendler wohnen in unmittelbar angrenzenden Thüringer Kreisen. Hessen steht mit 735 und Sachsen mit 705 Auspendlern an zweiter bzw. an dritter Stelle der häufigsten Ziele für Auszubildende. Thüringen wird aber auch für einpendelnde Auszubildende aus anderen Bundesländern attraktiver. Die Zahl der jungen Menschen, die in Thüringen arbeiten, jedoch in einem anderen Bundesland wohnen, stieg von 1.518 im Jahr 2003 auf 2.036 im letzten Jahr. Wir sehen allein an dieser Entwicklung, da gibt es durchaus Reserven, meine Damen und Herren. Die meisten kamen aus Sachsen-Anhalt und Sachsen. Im Ergebnis ist das Pendler-Saldo noch negativ, nähert sich aber weiter an. Die Unternehmen müssen deshalb den Jugendlichen noch mehr positive Anreize geben, in der Heimat zu bleiben. Das hat aber nicht nur mit dem Ausbildungsentgelt zu tun, das spielt schon eine große Rolle, sondern vor allem mit der Eröffnung längerfristiger Perspektiven in den Betrieben. Hier kann ich nur dafür werben, dass die Personalverantwortlichen sich frühzeitig mit den Auszubildenden hinsichtlich der Übernahme nach der Ausbildung verständigen.

Meine Damen und Herren, zur Entwicklung der durchschnittlichen Ausbildungsentgelte seit 2009. Zu folgenden Ergebnissen kommt des Bundesinstitut für Berufsausbildung in der Auswertung der tariflichen Ausbildungsvergütung für das Jahr 2013: In Ostdeutschland stiegen die tariflichen Ausbildungsvergütungen 2013 um 5 Prozent auf durchschnittlich 708 € im Monat, 2012 waren sie ebenfalls um 5 Prozent angehoben worden. Im Osten werden inzwischen 92 Prozent der westlichen Ausbildungsvergütungshöhe erreicht. Für das gesamte Bundesgebiet lag der tarifliche Vergütungsdurchschnitt 2013 bei 761 € pro Monat und damit 4,2 Prozent über dem Vorjahreswert. Ermittelt wurden dabei die durchschnittlichen Vergütungen für 184 Berufe in West- und 152 Berufe in Ostdeutschland. In diesen Berufen werden immerhin 88 Prozent der Auszubildenden ausgebildet. Es gibt jedoch zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen erhebliche Unterschiede in der Vergütungshöhe. Sehr hoch lagen die tariflichen Vergütungsdurchschnitte beispielsweise in den Berufen Mechatroniker/Mechatronikerin - hier zum Vergleich: 938 € in den alten und 921 € im Osten - Medientechnologie/Medientechnologen - insgesamt 905 € im Bundesgebiet - sowie Kauffrau oder Kaufmann für Versicherungen und Finanzen - ebenfalls 935 € -. Aber es gibt natürlich auch die negativen Ausreißer in dieser Statistik. Eher niedrig waren die tariflichen Vergütungsdurchschnitte zum Beispiel in den Berufen Maler/Lackierer - West wie Ost 558 € - bei dem Bäckergewerk 550 €, bei den Floristen gibt es erhebliche Unterschiede auch noch zwischen West und Ost - 571 € West und im Osten, man mag es kaum aussprechen, 312 € - und die schon oft in der Öffentlichkeit zitierten Friseurinnen und Friseure liegen im Osten bei 269 € durchschnittlicher Ausbildungsvergütung.

Das Thüringer Tarifregister im Wirtschaftsministerium hält aus den abgeschlossenen und gültigen Tarifverträgen mit Geltungsbereich Bundesgebiet, neue Bundesländer, Mitteldeutschland bzw. Thüringen eine Datenbank vor, in der für ca. 120 verschiedene Ausbildungsberufe die Vergütung zu entnehmen ist. Im Berichtsteil des Antrags wird auch nach den Ausbildungsverbünden und deren zukünftiger Förderung gefragt. Darauf würde ich gerne noch später in einem Sachzusammenhang eingehen.

Ich möchte zum zweiten Teil des Antrags der Fraktion DIE LINKE kommen und zu den Forderungen, die da erhoben werden, einige Dinge ausführen. Zu einer Initiative, die da gefordert wird im Bundesrat für ein Mindestausbildungsentgelt: Ich will es deutlich formulieren, die Tarifautonomie gilt grundsätzlich auch für Ausbildungsvergütungen. Auszubildende haben nach § 17 Berufsbildungsgesetz bereits heute einen gesetzlichen Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Die Ausbildungsverträge müssen zudem auch bei den zuständigen Kam

(Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie Höhn)

mern in ein Verzeichnis eingetragen werden und werden hinsichtlich der Höhe geprüft. In Branchen mit niedrigem Ausbildungsniveau besteht bei Bedürftigkeit in der Regel auch ein Anspruch auf Berufsbildungsbeihilfe. Ich will allerdings betonen, dass ich hier nicht für eine öffentliche Aufstockung von Ausbildungsvergütungen plädieren möchte, um das ganz deutlich zu formulieren. Grundsätzlich gilt für mich der Grundsatz im Berufsbildungsgesetz, dass die Ausbildungsvergütung angemessen zu sein hat. Wenn man händeringend Auszubildende sucht - und die Zahlen am Anfang meiner Ausführungen sind da ein deutlicher Beleg -, dann muss man auch, und das ist, denke ich, eine Erfordernis, die sich fast von selbst versteht, ordentliche Ausbildungsvergütungen zahlen, damit das Unternehmen für potenzielle Auszubildende entsprechend attraktiv ist. Die in der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene vorgesehene Mindestlohnregelung wird sich nach unserer Auffassung insofern nur auf Arbeitsverhältnisse und nicht auf Ausbildungsverhältnisse beziehen können, weil eben hier das Berufsbildungsgesetz gilt und die Tarifpartner nach wie vor gefragt sind.

Eine zentrale Frage in der Weiterentwicklung der dualen Berufsausbildung und deren Stärkung ist, wie es in Zukunft besser gelingt, Jugendliche mit schlechteren Startchancen in die betriebliche Berufsausbildung zu bringen. Unser Augenmerk liegt dabei insbesondere bei den Jugendlichen aus einkommensschwächeren Familien, die zum Beispiel die hohen Fahrt- und Unterkunftskosten für den Berufsschulbesuch nicht bezahlen können und auch nicht vorschießen können. Mit Blick auf unsere kleinteilige Wirtschaft, die auch dadurch geprägt ist, dass die Berufsausbildung eben nicht durch Ausbilder in Lehrwerkstätten erfolgen kann, sind nach meiner Auffassung hier die Unterstützungsangebote weiterzuentwickeln. Hier gibt es bereits Förderangebote des Landes und des Europäischen Sozialfonds. Wir unterstützen zusätzliche Ausbildungsbegleiter bei den Kammern, um jungen Menschen, die noch nicht die Ausbildungsreife haben, durch die Einstiegsqualifizierung bzw. das sogenannte nullte Lehrjahr einen Einstieg in die duale Ausbildung über ein längeres Praktikum zu ermöglichen. Insbesondere für Hauptschüler wurde mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern ein sogenanntes Mentorenprogramm entwickelt, damit die Chancen erhöht werden, eine begonnene Ausbildung erfolgreich zu durchlaufen. Umgesetzt werden sollte dieses Programm durch die seit Mitte der 90er-Jahre geförderten Ausbildungsverbünde. Ich habe versprochen, ich komme darauf zurück. Die bisherigen Ergebnisse sind nach meiner Einschätzung aber eher ernüchternd. Hier gibt es nur bei ganz wenigen Ausbildungsverbünden entsprechende Angebote. In der Regel werden von den Verbünden eher Jugendliche mit normalen Leistungsvoraussetzun

gen und kleine, mittlere Ausbildungsbetriebe betreut.

Meine Damen und Herren, die Eckpunkte für die künftige ESF-Förderung sind in etlichen Beteiligungsrunden abgestimmt und auch im Rahmen der Strukturfondskonferenz Ende September letzten Jahres erörtert worden. Das, da bitte ich um Verständnis, will und kann ich hier nicht im Einzelnen erörtern. Das wäre sicherlich ein eigener Tagesordnungspunkt. Nun gilt es im Zusammenhang mit der Erarbeitung der Förderrichtlinien, die Unterstützungsangebote weiterzuentwickeln. Dazu gehören auch überbetriebliche Ergänzungslehrgänge, die von Bildungsträgern und auch Ausbildungsverbünden durchgeführt und organisiert werden können. Ob allerdings eine explizite Förderung von Geschäftsstellen, von Ausbildungsverbünden und dadurch eine besondere Förderung gegenüber anderen Trägern weiterhin notwendig ist, muss in Anbetracht der Rahmenbedingungen des Ausbildungsstellenmarkts noch entschieden werden. Wir werden die Förderrichtlinien mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern voraussichtlich im ersten Halbjahr 2014 abstimmen.

Meine Damen und Herren, die Fraktion der FDP jetzt kommen Sie dran, Herr Barth - hat einen Alternativantrag zum Antrag der Fraktion DIE LINKE gestellt. Der Antrag befasst sich mit der Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen, dem Übergangssystem an berufsbildenden Schulen, der Berufsschulnetzplanung und mit der Einführung des sogenannten Auszubildendentickets sowie der verstärkten Einbindung der Wirtschaft im Rahmen des dualen Bildungssystems an berufsbildenden Schulen. Lassen Sie mich dazu folgende Ausführungen machen.

Hinsichtlich einer frühzeitigen und umfassenden Berufsorientierung und einer möglichst optimalen Vorbereitung der Schüler verweise ich auf den § 2 des Thüringer Schulgesetzes, der den gemeinsamen Auftrag für die Thüringer Schulen benennt und an dieser Stelle die wesentlichen Ziele der Schule ausweist. Ein Ziel ist die Vorbereitung auf das Berufsleben. Deshalb hat die Berufsorientierung in allen Schulen einen besonderen Stellenwert. Dabei sollte die Schule mit ihren Möglichkeiten in einer sich verändernden Gesellschaft mit vielfältigen Optionen die Balance zwischen objektiven Anforderungen der Arbeitswelt und den individuellen Bestrebungen und Interessen der Jugendlichen finden. Die im Herbst 2013 veröffentlichte Landesstrategie zur praxisnahen Berufsorientierung in Thüringen unterstreicht die Bedeutung der Berufsorientierung nochmals. Viele Partner, die Eltern, die Lehrer, die Berufsberater der Bundesanstalt sowie die Institutionen der Wirtschaft, unterstützen dabei sowohl die Aktivitäten der Schule als auch die der Schülerinnen und Schüler. In den Maßnahmen der Berufsorientierung und in der Berufsberatung werden alle

(Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie Höhn)

beruflichen Chancen im Freistaat berücksichtigt, ohne dass die Wahlfreiheit damit eingeschränkt wird. Die Entwicklung der Berufswahlkompetenz beim Schüler wird im Berufswahlpass, der allen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung steht, dokumentiert. Vertiefend stehen den Schülern Maßnahmen zur Berufsfelderkundung und Berufsfelderprobung zur Verfügung. Betriebspraktika in den oberen abschließenden Klassen bilden in der Regel den Abschluss dieses Prozesses. Darüber hinaus sind alle Schulen zu einer individuellen Förderung verpflichtet.

Zum Übergangssystem: Die schulischen Angebote des Übergangssystems zielen darauf ab, die Voraussetzungen derjenigen Jugendlichen, denen es nicht gelungen ist, eine betriebliche Ausbildung aufzunehmen, zu verbessern und deren Berufsreife zu erhöhen. Diesbezüglich wird im Bereich der berufsbildenden Schulen für diese Schulen entsprechend dem jeweils erreichten Bildungsstand im Rahmen des Berufsvorbereitungsjahres bzw. der nicht berufsqualifizierenden Berufsfachschule die Möglichkeit zum Erwerb eines dem Hauptschulabschluss gleichwertigen Abschlusses bzw. zum Erwerb eines dem Regelschulabschluss gleichwertigen Abschlusses sowie zum Erwerb beruflicher Teilqualifikationen angeboten. Diese schulischen Angebote, die zur Erhöhung der Praxisnähe zum Teil auch in kooperativer Form organisiert sind, richten sich insbesondere an die Jugendlichen, die im Rahmen der Suche nach einem Ausbildungsplatz erfolglos blieben.

Weiterhin wurden in Abstimmung mit der Wirtschaft in den vergangenen Jahren vollzeitschulische Bildungsgänge, die in der Vergangenheit zur Schließung der enormen Angebotslücke vorgehalten wurden, weitestgehend aufgehoben. Damit wird sichergestellt, dass bis auf wenige Ausnahmen keine vollzeitschulischen Bildungsgänge mehr angeboten werden, die originären dualen Ausbildungsberufen entsprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Berufsschulnetzplanung ist grundsätzlich festzuhalten, dass gemäß § 13 Abs. 3 Thüringer Schulgesetz die kommunalen Gebietskörperschaften als Schulträger für die Errichtung, Veränderung und Aufhebung von staatlichen Schulen verantwortlich zeichnen. Das für das Schulwesen zuständige Ministerium ist hierbei verfahrensrechtlich zu beteiligen. Die Festlegung von Einzugsbereichen für die Berufsschulen nehmen ebenfalls die Schulträger im Einvernehmen mit dem für das Schulwesen zuständigen Ministerium sowie nach Anhörung der nach dem Berufsbildungsgesetz zuständigen Stellen vor. Die Einzugsbereiche für Landesfachklassen und andere überregionale Fachklassen legt das für das Schulwesen zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem Schulträger fest. Für das Verfahren der Abstimmung sowie maßgebliche Planungskriterien hat das

Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in enger Kooperation mit den kommunalen Spitzenverbänden und zuständigen Stellen am 30. Juli 2012 eine entsprechende Richtlinie erlassen. Die Festlegungen dieser Richtlinie gelangen erstmalig in Vorbereitung des Schuljahres 2014/ 2015 zur Anwendung.

Nach Anhörung der zuständigen Stellen haben zwischenzeitlich sowohl die Schulträger als auch das TMBWK als zuständiges Ministerium entsprechende Änderungsanträge zum Berufsschulnetz gestellt. Diese Anträge werden zurzeit nach den maßgeblichen Kriterien der oben genannten Richtlinie von den Schulträgern und dem Ministerium geprüft. Die Entscheidungen sind bis zum Schulhalbjahr 2013/2014 zu treffen.

Unter Beachtung der gesetzlichen Vorgabe, dass diejenige Berufsschule örtlich zuständig ist, in deren Einzugsbereich der Ausbildungsstandort liegt, ist es ein maßgeblicher Ansatz der Landesregierung, die Schulstandorte dort vorzuhalten, wo die Mehrzahl der betreffenden Ausbildungsbetriebe sowie im Idealfall auch ein Standort der überbetrieblichen Lehrunterweisung angesiedelt sind. Ziel ist es insbesondere, die Berufsschulnetzplanung daraufhin auszurichten, dass Schulstandorte festgelegt werden, deren Bestand nach aktueller bzw. prognostizierter Schüler- bzw. Auszubildendenzahl mittelfristig gesichert ist. Die Richtlinie sieht vor, dass die Schulnetzpläne für einen Zeitraum von sechs Jahren aufzustellen sind.

Meine Damen und Herren, zur Einführung eines Auszubildendentickets in Anlehnung an die Semestertickets für Studierende, mal abgesehen davon, dass diese Forderung nicht neu ist, gibt es Folgendes zu sagen: Ein Unterausschuss des Landesausschusses für Berufsausbildung hat sich bereits mit der Einführung eines Auszubildendentickets in Anlehnung an die Semestertickets für Studierende befasst. Es wurden umfangreiche Erörterungen durchgeführt, Gespräche mit den Verantwortlichen im Ministerium für Bau, Landesplanung und Verkehr und auch mit Vertretern von Verkehrsunternehmen geführt. Die Information aus diesem Ausschuss: Die Einführung eines Auszubildendentickets in Anlehnung an die Semestertickets für Studierende ist so nicht umsetzbar, da auf kein vorhandenes flächendeckendes System zurückgegriffen werden kann. Die Hochschulen schließen Einzelverträge mit jeweiligen Verkehrsunternehmen. Demzufolge werden auch unterschiedliche Leistungen vereinbart. Die Studenten müssen abstimmen über die Einführung eines Semestertickets. Stimmt die Mehrheit zu, dann zahlen alle Studenten einen Pflichtbeitrag unabhängig von der tatsächlichen individuellen Nutzung. Das kann man nicht einfach auf die Berufsschulen übertragen. Hier müssten zentrale Zuständigkeiten und eine Stelle festgelegt werden, die dann entsprechend für alle Thüringer Auszubilden

(Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie Höhn)

den oder gegebenenfalls in einer Region das umsetzt. Die Kosten eines Auszubildendentickets bzw. der Finanzierungsanteil des Freistaats können so jetzt nicht angegeben oder geschätzt werden, da dieser auch nicht zuletzt davon abhängt, welcher Betrag festgelegt wird, den die Auszubildenden als Pflichtbeitrag zahlen müssten. Im Landesausschuss für Berufsbildung wird gegenwärtig geprüft, inwieweit es möglich ist, das bereits beim Verkehrsverbund Mittelthüringen angebotene Schüler-/Auszubildendenticket auch für Schüler außerhalb dieses Verbundsgebiets zu nutzen. Hierzu werden derzeit die Gespräche geführt.

Meine Damen und Herren, angesichts der Neuordnung des Berufsschulnetzes und demzufolge einer Konzentration auf weniger Schulstandorte, was zu erheblich längeren Schulwegen und auch zur häufigeren Nutzung von Übernachtungsmöglichkeiten am jeweiligen Schulort führen wird, weisen die Vertreter der Wirtschaft und der Arbeitnehmer immer wieder auf fehlende bzw. mangelnde Unterstützungsmöglichkeiten für Berufsschüler hin. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur stellt zwar seit 2010 für die Zuschussgewährung für Fahrt- und Unterkunftskosten Mittel zur Verfügung und hat die entsprechenden Voraussetzungen einer Verwaltungsvorschrift geregelt, die Zielgruppe der Förderung wurde dabei allerdings ausschließlich auf von sozialer Härte betroffene Berufsschüler begrenzt.

Meine Damen und Herren, ich denke, wir sollten dieses Thema weiter im Auge behalten, nach wirksamen Unterstützungsmöglichkeiten suchen, eventuell Erweiterungsmöglichkeiten suchen. Das jedenfalls ist auch mein Ziel. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank für den ausführlichen Sofortbericht. Kann ich jetzt davon ausgehen, da alle Fraktionen Redeanmeldungen abgegeben haben, dass alle Fraktionen die Aussprache zum Sofortbericht wünschen?

(Zuruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh ja.)

(Zuruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Gern.)

(Zuruf Abg. Barth, FDP: Sofort.)

Ja, dann werden wir jetzt die gemeinsame Aussprache zum Sofortbericht auf Wunsch aller Fraktionen beginnen. Gleichzeitig beginnen wir mit der Aussprache zu Nummer II aus dem Antrag der Fraktion DIE LINKE und zum Alternativantrag der FDP-Fraktion.

Ich rufe in dieser Aussprache als Ersten für die FDP-Fraktion den Abgeordneten Kemmerich auf,

weil ich darum gebeten worden bin, das so zu tun, da Herr Abgeordneter Kemmerich einen dringenden Anschlusstermin hat.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Um Spekulationen vorzubeugen, ich muss meine Tochter von der Schule einsammeln und nicht zum Friseur.