Und Sie wollen ja nun nicht sagen, dass in Bayern die Welt völlig anders ist. Noch gehört Bayern zum Geltungsbereich des Grundgesetzes und ich kenne viele Menschen aus Bayern und die unterscheiden sich, auch gerade was Demokratiefragen betrifft, im Umgang mit Demokratie nicht im Wesentlichen von uns hier in Thüringen. Insofern ist das, was hier Mehr Demokratie fordert, nichts vollkommen Neues, sondern schon etwas Erprobtes.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann sich streiten, ob das stimmt, was Herr Fiedler sagt, dass die Mehrzahl von Bürgerinnen und Bürgern zufrieden ist und das deshalb zu einer relativ geringen Anzahl von Anträgen auf Bürgerbegehren und Bürgerentscheide führt. Da stochern wir hier im Nebel. Das können wir nicht sagen. Das wissen wir nicht. Unsere Erfahrungen sind nur, dass es an vielen Stellen das Bedürfnis gibt, dass Bürgerinnen und Bürger sehr frühzeitig in Entscheidungen einbezogen werden wollen und manchmal Entscheidungen, die getroffen sind, anders sehen. Für die wollen wir die Möglichkeiten erweitern. Es ist ein Angebot und auch dort zeigen die Erfahrungen in Bayern, dass damit kein Missbrauch betrieben wird. Die Befürchtungen, die oftmals hier formuliert werden, dass damit die Autorität von Bürgermeistern, Landräten, Gemeindenräten und Kreistagen untergraben wird, haben sich nicht bestätigt. Im Gegenteil, ich darf daran erinnern, sogar Herr Beckstein hat zu einer Festveranstaltung, da ging es um zehn Jahre Mehr Demokratie in Bayern und die bayerische Regelung ist dort schon 1995 eingeführt wor
den, was Bürgerbegehren und Bürgerentscheide betrifft, diese als Zugewinn bezeichnet. Ich glaube, er war da Herr seiner Reden und hat sich da nicht ins Bockshorn jagen lassen. Auch da sollten Sie bei Ihren Freunden von der CSU mal nachfragen und in den Erfahrungsaustausch treten. Es gibt sehr viele Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in Bayern, die das als Ergänzung Ihres repräsentativen Mandats sehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade die Direktwahl der Bürgermeister und Landräte bedingt einen breiten Katalog von Möglichkeiten der direkten Demokratie, weil sie ergänzt werden muss. Weil wir durch diese Direktwahl eine sehr starke Stellung der Verwaltungsspitze haben. Das führt zu Konflikten innerhalb des Gemeinderates mit der Verwaltungsspitze und natürlich gibt es auch dort aus der Bürgerschaft heraus immer wieder Hinweise, dass man ein anderes Verfahren will, ein Dialogverfahren. Direkte Demokratie eröffnet ein solches Dialogverfahren, auch mit der Verwaltung, mit der Verwaltungsspitze über Sachfragen zu diskutieren. Wir haben in Thüringen einiges erreicht, nicht, weil eine Mehrheit hier im Landtag das Einsehen hatte, sondern Mehr Demokratie, ein Bündnis aus mehr als 20 Parteien und Organisationen, hat das auf den Weg gebracht. Die haben viel erreicht. Wir haben den letzten Platz verlassen, sind ins gute Mittelfeld gerückt, auch wenn Herr Adams schon richtigerweise auf noch bestehende Defizite verwiesen hat. Was die Quoren betrifft usw., sind wir nicht mehr ganz Schlusslicht, aber es ist auch noch Luft nach oben und auch wir sagen, wir müssen einiges ändern. Der Einwohnerantrag wurde eingeführt, ist relativ wirkungslos, wenn man ehrlich ist. Er wird auch kaum genutzt, denn er geht nur zum eigenen Wirkungskreis, das will ich nicht weiter erläutern, dafür ist die Zeit nicht da. Die Quoren haben wir gesenkt. Der Negativkatalog wurde entschärft, aber das eigentlich Wesentliche, nämlich der sogenannte Abgabenvorbehalt, ist noch enthalten und der muss gekippt werden, zumal sowieso geregelt ist, dass, wenn Bürgerinnen und Bürger etwas zu Abgaben entscheiden wollen, sie einen Kostendeckungsvorschlag machen müssen. Das ist auch vernünftig. Aber im Grunde genommen zu untersagen - nur über die Höhe der Abgaben eine Entscheidung herbeizuführen, aber nicht, ob eine Abgabe erhoben wird, das halten wir für nicht mehr zeitgemäß.
Wir halten die 6-Wochen-Sperrfrist um den Kommunalwahltermin für völlig überholt. Es wäre eine Aufwertung der Kommunalwahl, wenn dort auch eine inhaltliche Frage zur Abstimmung gestellt werden könnte. Das würde sich sicherlich auch positiv auf die Wahlbeteiligung auswirken.
Wir müssen uns, das will ich abschließend formulieren, auch damit beschäftigen, wie wir die finanziellen Risiken von den Initiatoren eines Bürgerbegeh
rens und Bürgerentscheides nehmen. Bürgermeister, die solche Begehren beklagen, können die Kosten aus der Stadt- oder Gemeindekasse bezahlen. Das können die Initiatoren nicht. Danke.
Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rennt bei der SPD-Fraktion offene Türen ein. Das ist nicht verwunderlich, weil wir seit mehr als zwei Legislaturperioden, jetzt auch schon in der dritten Legislaturperiode, gemeinsam mit zwei anderen in diesem Landtag vertretenen Parteien in dem Bündnis für Mehr Demokratie in Thüringen mitarbeiten. Das ist ein wichtiges Bündnis und ich möchte noch einmal auf die vielen Organisationen hinweisen, die nur anonym genannt worden sind, das fängt an im Alphabet mit B, mit dem Bund der Steuerzahler, und geht bis Ver.di. Dazwischen gibt es aber auch noch andere Verbände. Dazu gehören der Mieterbund, der Landesfrauenrat, der Landesjugendring. Dieses Bündnis für Mehr Demokratie leistet eine tolle Arbeit für Thüringen und das muss man an der Stelle hier mal sagen
und sich bedanken. Es sind Ralf-Uwe Beck, aber auch viele Mitglieder und Vorstände, die sich dort seit Jahren in ihrer Freizeit bemühen, unsere Demokratie mit Leben zu erfüllen - und es ist mitnichten so, dass man da der Politik im Allgemeinen und Besonderen das Wasser abgräbt. Im Gegenteil, es wird aus dieser Initiative Quellwasser zufließen und es ist schon Quellwasser zugeflossen und wir werden sozusagen mit ernährt und, Wolfgang Fiedler, es ist einfach eine unterschiedliche Herangehensweise. Man kann sagen, direkte Demokratie gefährdet, untergräbt den Parlamentarismus. Ich sage, sie stützt ihn. Und das bayrische Beispiel
ist wirklich gut. Unserem früheren Innenminister Huber konnte man ein Lächeln abgewinnen, wenn man ihm erzählt hat, ihr macht das in Bayern sehr geschickt. Wenn die Bürger ein Problem haben, dann machen sie ein Bürgerbegehren und dann gewinnen sie es auch noch und hinterher können sie wieder CSU wählen, denn ihr Problem haben sie ja im Weg der direkten Demokratie beiseite geräumt. So funktioniert bayrische Demokratie. Da wird gar nichts untergraben. Im Gegenteil, man kann sagen,
Wenn wir jetzt dieses Beispiel mit dem Ratsbegehren nehmen, weil Kollege Fiedler sein Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht hat: Das Ratsbegehren, das jetzt in einem Forderungskatalog steht, der hier Anlass für diese Aktuelle Stunde ist, gibt es in 10 von 15 Bundesländern, es ist nichts Böses. Da ist es nicht etwa so, dass böse Bürger die Kompetenzen des Rates, des jeweiligen Gemeinderates oder Stadtparlaments beschneiden sollen, sondern es soll eine Möglichkeit geschaffen werden, dass zwei Drittel eines solchen Gremiums, also eine Zweidrittelmehrheit, eine konstitutive Mehrheit, eine große Mehrheit eines solchen Parlaments selbst sagen kann: Wir haben hier eine Frage, da wollen wir die Bürger von uns aus beteiligen, sozusagen proaktiv die Bürgerbeteiligung abfordern. Was ist daran schlimm? Was ist daran schlecht, diese Ermächtigungsgrundlage für ein Parlament zu schaffen, in eigener Verantwortung die Möglichkeit zu geben, mit Zweidrittelmehrheit können wir festlegen, wir fragen mal unsere Bürger, was sie von dem Problem halten? Um mal klarzumachen, dass das Bündnis für Mehr Demokratie nicht gegen den Parlamentarismus,
sondern für den Parlamentarismus sehr gut arbeitet, kann man auch auf das Programm der nächsten Veranstaltung hinweisen. Am 3. März findet das nächste Symposium von Mehr Demokratie e.V. statt - das gibt es alle Jahre wieder mit packenden Themen. Dieses Mal wird es eine Diskussion geben mit dem wunderschönen Titel - jetzt hören Sie bitte alle zu, das ist auch für Herrn Fiedler interessant „Stell Dir vor, es ist Wahl und alle gehen hin“.
Also ein Bürgerbündnis von Leuten außerhalb der Politik, die eine Veranstaltung zu diesem Thema machen. Da liegt es doch auf der Hand, dass die uns nicht schaden wollen, sondern nur nützen können.
Von daher keine Angst vor diesen Vorschlägen. Im Gegenteil, die SPD arbeitet mit in diesem Bündnis, wir tragen diese Forderungen mit. Es sind 21 Dinge, die teilweise sogar ein bisschen mehr formal anzusehen sind. Es ist nichts groß Revolutionäres dabei. Wie gesagt, der Kollege Adams hat schon gesagt, parlamentarische Demokratie und direkte Demokratie gehören zusammen und eine direkte Demokratie, wie sie in diesem Bündnis gefördert wird, untergräbt nicht den Parlamentarismus, sie stützt ihn vielmehr.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Titel der Aktuellen Stunde enthält durchaus wohlfeile Worte. Mehr Demokratie in Bürgerhand, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Thüringen reformieren - das hört sich erst einmal gut an. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass etliche Kollegen hier im Hohen Haus für mehr Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie sind. Um auf das Wort der offenen Türen zu kommen, bei uns rennen diese Gedanken offene Türen ein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen, es stellt sich aber für mich die Frage, wie Sie ein Bürgerbegehren in der Thüringer Kommunalordnung reformieren wollen. Da fehlt mir der konkrete Ansatz, auch wenn Sie Forderungen von Mehr Demokratie hier aufgezählt haben. Deswegen habe ich mal in der Parlamentsdokumentation geschaut, welche Initiativen ich zu diesem Themenkreis finde. Da waren Initiativen von der Fraktion DIE LINKE und von der FDP. Von Ihnen habe ich da keine gefunden. Deswegen vermute ich, dass Sie jetzt in Wahlkampfzeiten die Themen aufgreifen, die Sie bislang vergessen haben.
Meine Damen und Herren, es gibt Schlimmeres und das Thema ist aus unserer Sicht wichtig. Deswegen ist es aber leider in meinen Augen zu oberflächlich in einer Aktuellen Stunde behandelbar. Ich glaube, dafür brauchen wir mehr Zeit.
Dabei gibt es viele Möglichkeiten, die wir diskutieren können und auch sollten, da ich der Auffassung bin, dass wir teilweise noch zu hohe Anforderungen für eine Bürgerbeteiligung durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid haben.
Nach Auffassung der FDP-Fraktion könnte eine Reform, beispielsweise eine Senkung des Unterschriftenquorums beim Bürgerbegehren, mehr zulässige Themen sowie die Senkung des Zustimmungsquorums beim Bürgerentscheid enthalten. Ich will aber auch sagen: Wenn wir in andere Bundesländer schauen - das ist hier schon angeklungen
steht Thüringen bisher gar nicht so schlecht da. Das heißt nicht, dass es nichts gibt, was man noch besser machen könnte.
Wenn Thüringen eine Vorreiterrolle einnehmen würde, was direkte Demokratie angeht, würde es unserem schönen Freistaat sicher nicht schaden.
Mitbestimmung und damit direkte Demokratie kann meines Erachtens nur Hand in Hand mit Bürgernähe gehen. Da gibt es nun, meine Damen und Herren - das kann ich Ihnen nicht ersparen -, einige Fraktionen im Hause wie eben SPD, Linke und auch die Grünen, die die Gebietsreform als Allheilmittel für alle Probleme in Thüringen entdeckt haben.
Soweit ich mich richtig erinnere, will die Fraktion der Grünen Gemeinden ab 10.000 Einwohner und Kreise mit 200.000 Einwohnern. Ich frage mich, wie sich die Fraktionen bei diesen Gebilden vorstellen, wie direkte Demokratie im ländlichen Raum funktionieren soll. Da bin ich auf Ihre Antwort gespannt.
Vorweggenommen: E-Government und schnelles Internet im ländlichen Raum sind kein adäquater Ersatz. Sie können helfen, aber Bürgernähe niemals ersetzen.
Für die FDP-Fraktion ist der Erhalt von Gemeinden und Kreisen kein Selbstzweck, sondern eine wesentliche Voraussetzung,
um die politische Mitbestimmung in unserer demokratischen Gesellschaft lebendig zu erhalten. Es reicht nicht, Reformen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu fordern. Wie sollen die Bürger dies überhaupt wahrnehmen, wenn sie 50 Kilometer oder mehr zum Landratsamt fahren oder auch weite Strecken zum Rathaus zurücklegen müssen,
Meine Damen und Herren, ich meine schon, Sie sollten einmal vor Ort in den ländlichen Raum gehen und dort mit den Leuten sprechen. Ich bin gespannt, wie Sie das den Bürgern erklären werden. Der Grundgedanke einer einfachen Bürgerbeteiligung ist aus unserer Sicht begrüßenswert und hier darf es auch keine Denkverbote geben. Sie haben durchaus diskussionswürdige Punkte aus dem Portfolio von Mehr Demokratie genannt. Allerdings ich komme zum Ende - meine ich, dass eine Aktu