sentlichen Antworten auf die Ausgangsfrage: Wie leben wir, wie wollen wir leben? Wir Sozialdemokraten sehen uns hier in der Pflicht. Wir freuen uns über die positiv eingeschätzte wirtschaftliche Lage, über die relativ große Zufriedenheit der Thüringer, aber wir wollen uns auch nicht zu schnell mit dem Erreichten zufriedengeben. Das zieht sich durch viele Politikbereiche. Die Erkenntnisse des Thüringen-Monitors passen dabei hervorragend zu dem, was wir als SPD-Fraktion seit Jahren vertreten. Wir müssen soziale Teilhabe und Aufstieg durch Bildung ermöglichen und fördern. Das gehört traditionell zur sozialdemokratischen Programmatik und Politik und das ist auch eine Antwort auf die Fragen, wie wir Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenwirken können. Wir wollen, dass ein gutes und erfülltes Leben nicht von der sozialen Herkunft oder vom Geldbeutel abhängt. Dafür machen wir Politik. Jeder Mensch soll die Möglichkeit erhalten, sich durch eigene Anstrengungen und Fähigkeiten seine Position in der Gesellschaft zu erarbeiten. Das Bildungssystem muss diesen Prozess fördern. Ungleiche Startchancen lassen sich im späteren Leben nur noch schwer ausgleichen. Deshalb müssen wir in frühem Alter mit der Unterstützung beim Erwerb individueller Bildungskompetenzen beginnen. Für den schulischen Bereich heißt das konkret: Die Thüringer SPD steht traditionell für ein Schulsystem, das jedem Kind die Chance auf bestmögliche Bildungsteilhabe eröffnet. Jedes Kind, gleich welcher sozialen, ethnischen und kulturellen Herkunft, ob mit Handicap oder ohne, soll seine individuellen Bildungspotenziale voll ausschöpfen können. In Regierungsverantwortung haben wir seit 2009 wichtige Schritte eingeleitet, um dieses Ziel verwirklichen zu können. Durch einen erheblich verbreiterten Einstellungskorridor für pädagogisches Personal vermindern wir den Unterrichtsausfall und schaffen die nötigen personellen Rahmenbedingungen für die von uns angestoßene Weiterentwicklung des Thüringer Schulwesens. Darüber hinaus bieten wir so dem Thüringer Lehrernachwuchs eine deutlich bessere Perspektive für den Schuldienst in Thüringen.
Seit der Novellierung des Thüringer Schulgesetzes steht die individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler im Fokus allen schulischen Handelns. Schule und Unterricht werden konsequent vom Kind und von dessen Bedürfnissen aus gedacht, realisiert und weiterentwickelt. Mit der Einführung der Thüringer Gemeinschaftsschule als neuer gleichberechtigter Schulart ist nun auch in Thüringen längeres gemeinsames Lernen bis mindestens Klasse 8, bei Bedarf vor Ort auch darüber hinaus möglich. Über 30 Gemeinschaftsschulen existieren bereits in Thüringen, in den nächsten Jahren werden noch weit mehr dazukommen. Durch den Ausbau des gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Handicap machen wir Ernst mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im
Freistaat. In Thüringen ist der Anteil von Kindern mit Förderbedarf, die separat unterrichtet werden, seit 2009 schrittweise zurückgegangen. Mit unserem seit 2013 greifenden Landesprogramm für Schulsozialarbeit wird die Zahl der an Thüringer Schulen tätigen Sozialarbeiter verdoppelt. Damit ist die von Schulpraktikern und Jugendarbeit seit Jahren erhobene berechtigte Forderung, die Schulsozialarbeit im Freistaat flächendeckend zu verankern, dank der SPD Realität geworden. Für den weiteren Ausbau schulischer Ganztagsangebote stellen wir seit dem Schuljahr 2013/2014 deutlich mehr Pädagogen als bisher zur Verfügung. Wir haben die Zahl der Schulpsychologen verdoppelt und damit die Beratung von Lehrkräften und die Begleitung von Schülern in schwierigen Situationen besser abgesichert. Wir haben die individuelle Abschlussphase landesweit für alle Regel-, Gemeinschafts- und Gesamtschulen geöffnet. Durch individuelle Förderung und einen erhöhten Praxisbezug können so Schüler mit besonderen Schwierigkeiten noch besser auf einen erfolgreichen Schulabschluss vorbereitet werden. Unser Ziel ist es, dass künftig kein Jugendlicher die Schule ohne Abschluss verlässt.
Meine Damen und Herren, Chancen bieten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sichern, niemanden zurücklassen, das ist auch unser Credo bei der Kindergartenbetreuung. Mit der Kita-Reform haben wir Thüringer deutschlandweit die beste Kinderbetreuung. Das ist auch ein Standortfaktor. 2.400 neue Kindergärtnerinnen und auch ein paar Kindergärtner sorgen seitdem für bessere und individuellere Betreuung der Kinder. Eltern haben ab dem ersten Geburtstag ihres Kindes einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz und sie haben für ihre Kinder Anspruch auf zehn Stunden Betreuungszeit in einem Kindergarten. Ja, so wollen wir leben! Die Bildungseinrichtung Kindergarten ist und bleibt ein zentraler Baustein für eine gerechte Gesellschaft und für Chancengleichheit für die Kinder wie für die Mütter und Väter.
Frau Ministerpräsidentin, hier teile ich die vorhin von Ihnen geäußerte Einschätzung nicht. Es geht bei Kitas nicht um eine Verantwortungsabgabe an öffentliche Institutionen. Damit beleidigen Sie durchaus verantwortungsbewusste Eltern, die ihren Kindern die Bildungsinstitution Kindergarten bewusst nicht vorenthalten wollen. Dass sich nur noch 43 Prozent der Eltern eine weitere Verbesserung der Tagesbetreuung von Kindern wünschen, hat seine Ursachen nicht in der Geringschätzung der Kinderbetreuung, sondern im Erfolg der Kita-Reform. Nach weiterer Verbesserung wird weniger gefragt, weil wir die Kinderbetreuung in Thüringen in
dieser Legislaturperiode so gut ausgebaut haben. Nein, die überwiegende Zahl der Eltern weiß das gute Kita-Angebot in Thüringen zu schätzen. Natürlich brauchen wir mehr Geld für familienpolitische Leistungen und für die Finanzierung von Betreuungsinfrastrukturen. Ich kann deshalb nur unterstützen, was Sozialministerin Heike Taubert dieser Tage gefordert hat: Schaffen wir endlich das Thüringer Erziehungsgeld ab!
Eine Doppelförderung durch Bundes- und Landeserziehungsgeld ist in keiner Weise gerechtfertigt. Darüber werden wir mit dem Koalitionspartner reden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend feststellen: Wie leben wir, wie wollen wir leben? Der Thüringen-Monitor hat uns wieder einmal den Spiegel vorgehalten. Er zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass es aber noch viele Unzulänglichkeiten gibt. Wir, damit meine ich die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD, haben also noch genug zu tun, packen wir es an! Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Frau Ministerpräsidentin, es war bislang ein sehr spannender Vormittag und ich will als Erstes sehr, sehr herzlich dem Institut für Soziologie und den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen in Jena um Prof. Best für den ThüringenMonitor und für ihre neuerliche Erhebung danken, die uns im politischen Raum weiterhelfen sollte. Sie wissen aber auch: Wissenschaft ersetzt keine Politik. Die Interpretationen heute Morgen, die schwanken ein bisschen zwischen vorweihnachtlichem Zuckerguss über der Situation in Thüringen und
- weißer Zuckerguss, auch gerne das - auf der anderen Seite Münchhausenagitation. Ich schaue da insbesondere in die Reihen der CDU-Fraktion und meine insbesondere Herrn Mohring, denn Herr Mohring hat nichts verstanden.
Beim 12. Thüringen-Monitor tatsächlich davon auszugehen, sich hier hinstellen zu können, nachdem ein Untersuchungsausschuss seit vielen, vielen Monaten versucht, den NSU-Terrorismus aufzuarbeiten, zu sagen, Thüringen habe nicht die Verantwortung und die Polizei in Thüringen habe alles richtig gemacht, halte ich für einen empörenden Vorgang.
Das zeigt mir wieder, dass diese Situation, die Ende der 90er-Jahre in Thüringen vorherrschte, nämlich im Zweifel Schweigen, Wegschauen, Weglügen, dass das immer noch nicht durchgedrungen ist zu Menschen wie Herrn Mohring und anderen, dass dies im Endeffekt der Nährboden für rechtsextremistische Einstellungen war und dass man da heute umso mehr aufpassen muss.
Wegreden, schönreden, das ist genau das, was sich nicht gehört. Zum Thema „Münchhausen“ sage ich eines noch sehr gerne: Herr Geibert hat zwar versprochen, das Landeskriminalamt umzubauen, aber bislang ist nichts passiert. Wenn Herr Mohring meint, die sicherheitspolitische Struktur in Thüringen sei damit verbessert worden, dass man die uns vom Verfassungsgerichtshof aufgebürdete Reform des PAG umsetzt, dann irrt man hier, dann irrt Herr Mohring, dann irrt die CDU. Das hat mit einer neuen zukunftsfähigen Sicherheitsarchitektur in Thüringen nichts zu tun. Ich finde das, meine sehr geehrten Damen und Herren, empörend.
Ich finde es empörend, weil es am Ende die Arbeit derjenigen Abgeordneten, die sich seit Monaten sehr akribisch mit der Aufarbeitung des NSU-Terrors, mit der Frage, welche Verantwortung trägt Thüringen in diesem Bereich, auseinandersetzen, ein Stück weit diskreditiert, indem sie jetzt schon solche voreiligen und unwahren Schlüsse zieht.
Es ist richtig, es ist mehrmals angesprochen worden, das nach wie vor beunruhigendste Ergebnis des Thüringen-Monitors ist die hohe Rate an Rechtsextremismus und antidemokratischen Einstellungsmustern in Thüringen. Das ist völlig richtig. Wenn jeder fünfte Thüringer, jede fünfte Thüringerin meint, dass der Nationalsozialismus seine guten Seiten hatte, dann ist das eine Blamage, eine Katastrophe für unser Land und das darf und muss uns
auch entsetzen. Aber nochmals: Schönreden ist nicht das, was da hilft, sondern es hilft das Wahrnehmen, dass das Ganze im Rahmen von Demokratiebildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist
(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Schlechte Rede ist auch nicht schön). und ja, Herr Primas, da dürfen auch Sie sich empören, denn es betrifft auch Sie. Ich gehe davon aus, dass Sie als aufrechter Demokrat das als Politikauftrag auffassen. In der sozialwissenschaftlichen Diskussion geht es immer wieder darum, drei Aspekte in den Vordergrund zu rücken. Das ist zum einen die Erfahrungswelt jedes Einzelnen, die institutionellen Unterstützungen - da sind wir, da ist die Landesregierung verantwortlich - und es sind normative Vorgaben. Diese drei Dinge müssen wir in den Blick nehmen, will man sich am Ende tatsächlich dem Phänomen Rechtsextremismus und - in Thüringen - auch Rechtsterrorismus stellen. Da vermisse ich eine sehr klare Position der Landesregierung. Ich vermisse, dass Sie sich wirklich dafür einsetzen, wahrzunehmen, was für ein großer Aufgabenberg immer noch vor uns steht. Ich teile Ihre Einschätzung sehr, dass wir insbesondere der Zivilgesellschaft danken, die sich seit vielen Jahren einsetzt. Wir danken denjenigen auch im Namen all jener, die seit vielen Jahren für Bildungs- und Beratungsarbeit unterwegs sind, die sich darum kümmern, auch zivilgesellschaftliche Initiativen zu unterstützen. MOBIT sei genannt, viele andere, großen Dank an sie. Aber Staat kann, und da haben Sie völlig recht, Frau Ministerpräsidentin, nicht an die Stelle der Zivilgesellschaft treten. Was aber auch helfen würde, sind klare Ansagen. Eine klare Ansage ist, dass ein Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit zwar nett klingt, aber - solange es nicht Landesprogramm gegen Rechtsextremismus heißt (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
kein eindeutiges politisches Signal setzt. Das nächste eindeutige politische Signal wäre, dass Sie nachhaltig - das Wort habe ich heute sehr oft gehört - dafür sorgen, dass endlich auch die lokalen Aktionspläne entbürokratisiert werden und diejenigen, die sich da wirklich einbringen wollen, nicht vor Mehraufwand stehen, sondern auf dieser Ebene unterstützt werden.
Viele Phänomene im Bereich Rechtsextremismus, viele Einstellungen, die durch den Thüringen-Monitor gemessen werden, rühren am Ende immer an der Frage: Wie geht diese Gesellschaft mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung um?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bedrückt mich sehr, dass diese Phänomene keine sind, die an Rändern in irgendeiner Form - das ist eine wichtige Botschaft auch für Herrn Barth - zu finden sind, sondern eben in der Mitte der Gesellschaft, in allen Bereichen der Gesellschaft und deswegen ist es umso wichtiger, dass Politik keine alten Klischees bemüht, oder Ressentiments schürt. Das ist eine große Aufgabe, auch hier in diesem Hohen Haus.
Wir haben immer wieder Angebote gemacht, kleine Bausteine geliefert. Einer unserer ersten Anträge, ich will das kurz rezipieren, war zum Beispiel, dass die Ausländerbeauftragte des Landes Thüringen nicht Ausländerbeauftragte, sondern endlich Integrationsbeauftragte heißt.
Ich weiß nicht, warum es so schwer ist, sich davon zu lösen und endlich darüber nachzudenken, was wichtiger ist - Integration voranzubringen oder am Ende am alten Türschild festzuhalten. Noch immer findet nämlich die Integration von Bleibeberechtigten und Flüchtlingen auch in der Ausbildung und am Arbeitsmarkt in Thüringen nur eingeschränkt statt.
(Zwischenruf Geibert, Innenminister: Sie ha- ben überhaupt keine Ahnung). Noch immer wird vor „vermeintlich ins Land strömenden Wirtschaftsflüchtlingen“ gewarnt, anstatt die Nöte derjenigen, die hier um Asyl bitten, ernst zu nehmen. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt viele Beispiele - ich frage mich nach wie vor, warum es hier an vielen Stellen kein Einlenken gibt, warum sich auch die Thüringer Landesregierung ihrer Verantwortung nicht stellt - an verschiedenen Stellen. Bis dahin, dass in bestimmten Landkreisen nach wie vor Asylsuchende Gutscheine bekommen, um ihr Leben bestreiten zu können. Es kann doch nicht sein, dass wir immer noch diese alten Ressentiments innerhalb der Landesregierung,
innerhalb der Politik in Thüringen haben und sie auf der anderen Seite von Willkommenskultur reden wollen.
Sie haben von einer echten Willkommenskultur geredet, Frau Ministerpräsidentin. Ich wünschte mir, dass wir die nicht vor allen Dingen unter der Überschrift einer Nützlichkeitsdebatte führen und ich wünschte mir, Herr Geibert, dass Sie endlich mal liefern. Sie dürfen bei ganz vielen wichtigen Gremien in Thüringen nicht dabei sein,
aber wichtig ist, dass Vielfalt statt Einfalt eine Überschrift ist, die der Arbeit dieser Landesregierung gut zu Gesicht stünde.
Das täte dem Land Thüringen gut und das würde zeigen, dass Sie sich bewegen wollen. Ein anderes Beispiel für Beständigkeit von Ressentiments und Diskriminierungen lässt sich etwa bei den verfestigten Einstellungsmustern gegenüber Schwulen, Lesben, Transgender und Intersexuellen beobachten. Ich möchte deswegen den Verfassern und Verfasserinnen des Thüringen-Monitors explizit dafür danken, dass sie dieses Thema mit in die Erhebung aufgenommen haben. Wir wissen jetzt, dass immerhin 29 Prozent der Befragten, also beinahe jeder Dritte, in Thüringen homosexuelle Beziehungen als unnatürlich bewertet. Hier muss sich das Land Thüringen endlich der Verantwortung stellen, darüber nachzudenken, welcher gesellschaftspolitischen Prozesse es bedarf. Unsere Große Anfrage zur Situation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und intersexuellen Menschen in Thüringen hat nicht nur Fragen gestellt, sondern auch, denke ich, Wege aufgezeigt und vor allen Dingen gezeigt, dass der Staat, dass das Land Thüringen seinen verfassungsrechtlichen Verantwortlichkeiten nach wie vor nicht gerecht wird.
Der Grundsatz, dass niemand aufgrund seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden darf, findet im Handeln der Landesregierung nach wie vor viel zu wenig Berücksichtigung.