Das ist aus dem offenen Brief, der mit dem Namen Juli Zeh verbunden ist, die ihn am 20.09. an die Bundeskanzlerin geschickt hat und dann kann man auch nicht sagen, dass in der Zwischenzeit nichts passiert ist. Aber ich gebe Ihnen trotzdem recht, Herr Fiedler, es ist viel zu wenig passiert. Dieses Thema ist dermaßen abstrakt, das hat auch mit Wahlkampf tatsächlich nichts zu tun. Wir haben damit jedenfalls keinen Schwerpunktwahlkampf gemacht, das wäre auch nicht angemessen gewesen.
Es ist ein Skandal, das muss man nicht skandalisieren, Herr Fiedler, das ist ja nun wirklich keine Frage.
Egal, wie man das einschätzt, wie man mit Anträgen umgeht, aber das, was da passiert ist, ist definitiv ein Skandal. Dass das so gesehen wird, vielleicht nur mal so als Bemerkung, am 3. September hat der Bundestag eine Debatte über die NSA-Affäre abgelehnt, hat gesagt, es gebe keinen Beleg für die erhobenen Vorwürfe. Ich will nur mal ganz kurz an die einmaligen Vorgänge im Sommer bei der Jagd der Supermacht USA auf den Verräter erinnern, der ja so scheinbar gar nichts gemacht haben soll. Dabei haben die USA schwerste diplomatische Verwicklungen in Kauf genommen, sich vor der Welt lächerlich gemacht und das alles nur, weil sie jemanden in die Hand bekommen wollten, der einfach Lügen verbreitet? Das ist natürlich möglicherweise Ihre Sicht der Dinge, meine hat eine andere Vermutung dahinter. Oder war dieser Aufwand, den die USA da betrieben haben, weniger groß als der Nachweis darüber, dass die Anschuldigungen selbstverständlich falsch sind, das ist nämlich nie geführt worden dieser Versuch, das auch nur ansatzweise zu behaupten. Oder hätten die USA das nicht auch einfach behaupten können, wenn sie nicht die Gefahr hätten, dass die Millionen Datensätze nicht doch die Wahrheit enthalten? Diese Fragen, Herr Fiedler, wollen wir gestellt haben. Dazu muss man manchmal auch Selbstverständlichkeiten wie die Frage, wer Grundrechte gewährleistet, in den Raum stellen.
Seit wir den Antrag Ende Juli gestellt haben, sind so Sachen passiert, wie - ich zitiere jetzt sehr unvollständig aus Überschriften von Zeitschriften, Zeitungen „Neue Snowden-Enthüllungen: NSA knackt systematisch Verschlüsselung im Internet“ am 06.09., „NSA-Spionage: EU-Kommission droht
der USA mit Ende des SWIFT-Abkommens“. So viel zu dem Thema, wir machen hier etwas, was mit Wirtschaft zu tun hat, zum Beispiel Freihandelsabkommen. Die EU-Kommission selbst versuchte, wegen der Datenproblematik Druck auf die USA aufzubauen, das war am 13. September, schon fünf Wochen her. „Überwachung - NSA späht internationalen Zahlungsverkehr aus“, Frau Marx hat schon darauf hingewiesen. Am 13.09. hat die Bundesregierung auf den Fragenkatalog der Grünen-Bundestagsfraktion geantwortet, ich zitiere wieder: „Ob und inwieweit die von Herrn Snowden vorgetragenen Überwachungsvorgänge tatsächlich belegt sind, ist derzeit offen.“ Man ging davon aus, das war nämlich auch Wahlkampf, möglichst so zu tun, als wenn da gar nichts vorgefallen ist. Aber komischerweise geht es dann immer weiter. Am 14.09. titelt die „Süddeutsche Zeitung“: „Der Verfassungsschutz beliefert die NSA“. Und nun ist natürlich die charmante Frage, was kann ein Inlandsgeheimdienst eigentlich an die NSA liefern, wenn nicht Daten aus dem Inland? Das meinte Frau Marx mit dem Daten-Ringelreihen.
Es hat niemals dazu auch nur den Ansatz eines Dementis gegeben, niemals. Noch nicht mal die Behauptung eines Dementis, Herr Fiedler. Der nächste vom 20.09. heißt dann „Spähangriff auf Belgacom - britischer Geheimdienst hackte belgische Telefongesellschaft“. Wir erinnern uns, das war die Gesellschaft, über die auch die Europäische Union und ihre Abgeordneten ihren Telefonverkehr führen. Das hat auch nur für zwei Tage gereicht, und Sie können nicht behaupten, dass wir das in Deutschland zu unserem Wahlkampf benutzt hätten, diese Schlagzeilen, die dort gekommen sind. Die nächste war dann „NSA-Manipulation: Die Sicherheitsfirma RSA warnt vor der eigenen Software“, die nämlich nicht sicher ist, weil sie durch die NSA gehackt wurde. Und das letzte ist dann die Telekom, die E-Mails an die USA und Großbritannien nicht mehr weiterleiten will, sondern es direkt versucht, das hat Frau Marx schon geschildert. Das eigentlich Interessante ist, dass entgegen Ihrer Hoffnung, dass hier alles ganz harmlos bleibt, mittlerweile in Zeitschriften, die wir alle miteinander so freundlich kostenlos ins Haus bekommen, so etwas drin steht wie „Der Sputnik-Schock der Europäer“ und da wird darauf hingewiesen, wie geschäftsfördernd es doch sein könnte, dass die Amerikaner so unsicher im Datenverkehr sind, dass man jetzt mit Verschlüsselungssoftware und Datenservern in Deutschland und in Europa endlich mal Geld verdienen könnte. So dumm ist die Wirtschaft, zu glauben, dass das ein Geschäft verspricht, was wir hier nur behaupten. Erlauben Sie bitte, dass wir das möglicherweise etwas anders sehen, Herr Fiedler.
Ja, das müssen wir abwarten, Herr Fiedler. Da ist das Thema Vorsorge; ich habe einen der letzten Redebeiträge hier vorn gehalten zum Thema Vorsorge für die Bevölkerung. Unser Bundespräsident ist andere Meinung als Sie.
Das kann auch sein. Und dann haben Sie nicht recht gehabt, Herr Fiedler, das kann auch sein. Nur dass die Bürger darunter leiden, wenn Sie abwarten und nichts tun, anstatt Vorsorge zu treffen
und sich zu fragen, warum Sie und wie Sie eigentlich Bürgern helfen können dabei, im 20. Jahr der Verfassung dafür zu sorgen, dass diese Verfassung ernst genommen wird. Denn das wäre fast schon mein Abschluss-Satz gewesen. Das Schlechteste, was einer Verfassung nämlich passieren kann, ist es, wenn festgestellt werden muss, dass sie die Rechte der Bürgerinnen und Bürger tatsächlich nicht schützten kann, dass das nicht nur eine Vermutung ist. Und in unserer Verfassung, und das haben wir nicht umsonst in die Begründung geschrieben, steht eben drin
selbst das weiß ich: „Jeder hat Anspruch auf Schutz seiner personenbezogenen Daten.“ Das garantiert die Verfassung von Thüringen. „Er ist berechtigt, über die Preisgabe und Verwendung solcher Daten selbst zu bestimmen.“ Das garantiert Artikel 6 Abs. 2. Dann wird auch noch garantiert, dass das Briefgeheimnis, das Post- und Fernmeldegeheimnis sowie das Kommunikationsgeheimnis unverletzlich sind - in Artikel 7. Wenn alles das in einer Verfassung steht, aber Sie sich hinstellen und sagen: „Wir wissen gar nicht, ob da irgend etwas passiert ist, aber falls etwas passieren sollte, haben Sie keine Möglichkeiten, etwas zu tun.“, dann ist das Schlimmste passiert, was einer Verfassung passieren kann, sie hält ihre eigenen Werte nicht ein.
Ich habe versucht, Ihnen nachzuweisen, dass Sie weit über die Frage hinaus und ob hier irgendwelche anlasslosen Vermutungen diskutiert werden hier werden Fakten diskutiert, die jemand, der da mit betroffen ist, nur nicht wagt zu widerlegen. Das ist unsere Haltung dazu. Ich freue mich jedenfalls, vielen Dank dafür, Herr Fiedler, darauf, dass Sie die Verständigung haben, das im Ausschuss zu diskutieren.
Es wäre eigentlich schön, es auch im Verfassungsausschuss zu diskutieren. Aber ich nehme an, dafür bekomme ich Ihre Stimme nicht.
Ich stelle den Antrag trotzdem, Herr Fiedler. Ich möchte die Überweisung auch an den Justiz- und Verfassungsausschuss beantragen. Der Innenausschuss darf ruhig federführend sein. Vielen Dank.
Ich habe jetzt keine Redemeldungen mehr aus den Reihen der Abgeordneten. Für die Landesregierung Herr Innenminister, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die öffentlichen Diskussionen über die Erfassung und Auswertung von Telekommunikationsdaten durch amerikanische und britische Sicherheitsbehörden zeigen, dass es ein großes Interesse und Bewusstsein für die Belange des Datenschutzes bei den Bürgerinnen und Bürgern gibt. Dies ist wichtig, gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung immer weiterer Bereiche des täglichen Lebens. Die Sorgen der Menschen, die sich im Internet bewegen oder einfach nur telefonieren, wer auf ihre Daten Zugriff nehmen kann und wie sie verwendet werden, müssen von allen politisch Handelnden ernst genommen werden. Dies hat nicht zuletzt die Bundesregierung getan, indem sie sich nach dem Offenbarwerden des Umfangs der Datensammlung der amerikanischen Sicherheitsbehörden mit der USRegierung ins Benehmen setzte. Die nachrichtendienstliche Aktivität der USA und anderer Länder betrifft die Bundesrepublik Deutschland in ihren Außen- und Sicherheitsbeziehungen. Kleine Anfragen diverser Bundestagsfraktionen waren daher zutreffend an die Bundesregierung gerichtet. Die Antworten sind in den entsprechenden Drucksachen des
Deutschen Bundestages nachzulesen. Die Bundesregierung hat klargestellt, dass eine flächendeckende Überwachung deutscher und europäischer Bürgerinnen und Bürger durch die Nachrichtendienste der USA nicht stattfindet. Gemäß Drucksache 14/ 560 teilte die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage das Folgende mit, ich zitiere: „Die US-Seite legte zwischenzeitlich dar, dass entgegen der Mediendarstellung“ - jetzt auszugsweise - „nicht massenhaft und anlasslos die Kommunikation über das Internet aufgezeichnet wird, sondern eine gezielte Sammlung der Kommunikation Verdächtiger in den Bereichen Terrorismus, Organisierte Kriminalität, Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit der USA erfolgt.“ Weiter heißt es in der Drucksache, ich zitiere wiederum: „Die Bundesregierung und auch die Betreiber großer deutscher Internetknotenpunkte haben keine Hinweise, dass durch die USA in Deutschland Daten ausgespäht werden.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Nachrichtendienste weltweit vertraulich kooperieren. Die Kooperation der Nachrichtendienste des Bundes mit anderen Nachrichtendiensten findet im Rahmen ihrer gesetzlich umschriebenen Aufgaben und unter Einhaltung der gesetzlich normierten Grenzen statt. Der Austausch von Daten und Hinweisen dient nicht zuletzt der Abwehr von terroristischen Gefahren. Informationen, die in solchen Zusammenhängen von anderen Staaten an die Bundesrepublik Deutschland übermittelt werden, erreichen die Verfassungsschutzbehörden der Bundesländer ausschließlich über die zuständigen Bundesbehörden. Allein die Bundesbehörden in Gestalt des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für den Verfassungsschutz sind zuständig für entsprechende Auslandskontakte zu anderen Nachrichtendiensten. Für die Verfassungsschutzbehörden der Länder ist es im Allgemeinen nicht erkennbar, aus welchen Quellen die von den Bundesbehörden an sie übermittelten Informationen, die einen Bezug zum Ausland haben, herrühren.
Sie können und müssen sich darauf verlassen, dass die an sie von den Bundesbehörden weitergeleiteten Daten rechtmäßig erlangt wurden. Das im Punkt II des Antrags geforderte koordinierte Vorgehen der Verfassungsschutzämter zur Spionageabwehr gibt es bereits, dazu arbeitet das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, das die zentrale Auswertung von Spionagesachverhalten vornimmt, eng zusammen. Zudem wird das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz fortlaufend durch das Bun
deskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz über Erkenntnisse des nationalen Cyber-Abwehrzentrums unterrichtet. Die Landesregierung unterrichtet ihrerseits die Parlamentarische Kontrollkommission nach den Vorgaben des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes über die Tätigkeit des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz auch in diesem Bereich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich halte es unter politischen Aspekten nicht für angezeigt, eine Art Druckszenario gegenüber den Vereinigten Staaten aufzubauen, wie es im dritten Teil des Antrags wohl angestrebt wird. Die Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen den USA und der Europäischen Union haben soeben erst begonnen. Dieses angestrebte Freihandelsabkommen wäre das größte seiner Art und würde beiden Seiten erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringen. Auf europäischer Seite werden die Verhandlungen von der Europäischen Kommission geführt. Der Bundesregierung ist darin vorbehaltlos zuzustimmen, dass im Rahmen dieser Verhandlungen selbstverständlich auch der Datenschutz thematisiert werden muss. Die Verhandlungen bieten aber gerade die Chance, datenschutzrechtliche Aspekte gegenüber den amerikanischen Verhandlungspartnern zur Geltung zu bringen.
Thüringen unterstützt daher die Haltung der Bundesregierung, die Verhandlungen zu nutzen, um gemeinsame Mindeststandards beim Umgang mit personenbezogenen Daten zu setzen. Ein Aussetzen der Verhandlungen würde in Sachen Datenschutz keinerlei Zugewinn bringen. Verfehlt wäre es auch, das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen aufzukündigen. Die hiernach zertifizierten Unternehmen unterwerfen sich einem definierten Datenschutzniveau gerade dort, wo der Geltungsbereich unserer Gesetze endet. Folgerichtig wäre mit der Aufkündigung ein Rückfall auf ein wesentlich niedrigeres Datenschutzniveau verbunden.
Entsprechendes gilt für das Abkommen zur Weitergabe von Fluggastdaten an US-Sicherheitsbehörden. Fluggastdatensätze sind darüber hinaus ein überaus wichtiges Mittel im Anti-Terror-Kampf und bei der Bekämpfung von schwerer Kriminalität. Die mit Flugzeugen ausgeführten Anschläge auf das Word-Trade-Center in New York vom 11. September 2001 stehen uns noch alle als Schreckensbilder vor Augen.
Lassen Sie mich noch ein Wort zur geforderten Gesetzgebungsinitiative auf Bundesebene sagen. Sowohl das Datenschutzgesetz des Bundes als auch das Thüringer Datenschutzgesetz definieren einen hohen Datenschutzstandard, der europaweit vorbildlich ist. Ich kann auch angesichts der bisherigen Verlautbarungen über die Aktivitäten der ausländischen Sicherheitsbehörden in Deutschland, in den
nationalen Datenschutzvorschriften keine Defizite ausmachen. Deren Geltungsbereich ist klar umrissen. Die Sicherung eines möglichst hohen Datenschutzstandards ist deshalb eine Aufgabe, die europaweit verfolgt werden muss. Hierauf sollte und wird sich unsere Unterstützung richten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland ist kein Überwachungsstaat. Dies hat die Bundesregierung eindeutig und klar betont. Dem ist nichts hinzuzufügen. Der Schutz der Privatsphäre des Menschen ist unabdingbarer Bestandteil unserer Verfassungsordnung und steht nicht zur Disposition. Die uneingeschränkte Solidarität, die den USA von den damaligen politischen Entscheidungsträgern der Bundesregierung nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zugesichert wurde, ist selbstverständlich kein Rechtfertigungsgrund für unverhältnismäßige und anlasslose Datensammlungen durch Sicherheitsbehörden. Die Implementierung dieser Verfassungsgrundsätze gerade auch im Kontakt mit anderen Staaten, die ein etwas anderes Vorverständnis zu dieser Thematik haben, ist eine Aufgabe, die aktiv angegangen werden muss und von der Bundesregierung - ich habe bereits darauf hingewiesen - im Zuge der Verhandlungen mit den USA auch so angegangen wird. Ein isolationistisch geprägter politischer Ansatz, wie er in dem vorliegenden Entschließungsantrag teilweise zum Ausdruck kommt, ist zu kurz gedacht und mutet in einer sich mehr und mehr digital vernetzenden Welt auch ein wenig anachronistisch an. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.