Protocol of the Session on February 26, 2010

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da kann man nur lachen.)

Ja, da können Sie lachen. Auch wir hatten - damals noch als PDS - gemeinsam mit anderen Fraktionen ein Gutachten vorgelegt, das ganz klar gesagt hat: Hartz-IV ist verfassungswidrig. Das ist auch die Grundlage dafür, dass wir sagen, Hartz-IV in dieser jetzigen Art und Weise muss weg. Die große neoliberale Sparaktion namens Hartz IV hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Sie war und ist eine historische Fehlentscheidung. Sie ist gescheitert. Hartz-IV ist eine große Enteignungsaktion gegen Arbeitsuchende beziehungsweise sozial schwache Menschen und schafft massenhaft Ängste bei denen, die Arbeit haben und

(Beifall DIE LINKE)

sie widerspricht, meine Damen und Herren von der FDP, sogar bestimmten neoliberalen Interessen. Denn - auch das ist nachgewiesen - sie hat Binnenkaufkraft in Milliardenhöhe vernichtet.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ihr müsst Euch mal wehren. Ihr seid dran.)

Das bürokratische, unüberschaubare und entwürdigende System von Hartz IV degradiert Menschen, die arbeiten können und wollen, zu Almosenempfängern und stellt sie dann noch bloß. Zynischer, meine Damen und Herren, geht es wirklich nicht mehr. Politik sollte alles unternehmen, um tatsächlich Arbeit zu finanzieren statt Arbeitslosigkeit. Da darf man sich auch nicht mehr vor den permanenten Forderungen nach öffentlich finanzierter Beschäftigung drücken. Das ist und bleibt der beste Weg zur Verhinderung von Armut und sozialer Ausgrenzung, wie es gerade dieses Jahr 2010 in dem europäischen Jahr gefordert wird. Mit Hartz-IV wurde der Weg geebnet - auch das ist nachzuweisen -, Millio

nen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Deutschland zu prekären Arbeitsverhältnissen umzuwandeln. Weil das immer und immer wieder auch bestritten wird, lassen Sie mich nur ein kleines Beispiel dafür nennen, bei dem zu guter Letzt auch Kinderarmut dranhängt. Ich spreche von einem arbeitslosen Vater, der mir konkret gesagt hat, bringen Sie das mal: „Ich habe mehrere prekäre Jobs angeboten bekommen und habe auch welche angenommen, zuletzt den beim Hermes-Versand, da fahre ich Päckchen aus. Pro Päckchen bekomme ich 20 Cent. Wenn ich 100 Päckchen ausgefahren habe über die Dörfer in Südthüringen, dann habe ich 20 € am Tag verdient.“ Wenn ich das auf einen Monat umrechne

(Unruhe im Hause)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Früher konnten Sie besser rechnen.)

als Stundenlohn, dann ist er auf 1,34 € gekommen, um das nur noch einmal zu sagen.

Das Urteil vom 9. Februar mit der Festschreibung des Grundrechts auf Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums bietet

(Unruhe CDU)

vielfältige Anknüpfungspunkte, die nicht nur mit den Hartz-IV-Gesetzen, sondern auch die mit der Renten- und Gesundheitsreform vorgenommenen unsozialen und inhumanen Weichenstellungen zu korrigieren. Das für alle geltende Grundrecht auf Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums legt die Schaffung eines einheitlichen Grundsicherungssystems zu seiner Umsetzung nahe. In einem solchen Modell sind dann die bisherige Sozialhilfe, die Grundsicherung im Alter, die bisherigen Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz, das BAföG und andere Absicherungen des Existenzminimums, wie sie sich zum Beispiel im Steuerrecht als Freibeträge finden, neu zu ordnen. Zugleich muss eine solche einheitliche Grundsicherung abgestimmt werden mit den Strukturen und Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung. Daher ist nach dem Urteil auch eine über Hartz IV hinausgehende Grundsicherungsdebatte entbrannt, die viel breiter ist. Das eröffnet auch den Weg zur Schaffung von existenzsichernden Mindestlöhnen und Mindestrenten, zu denen sich die Politik durchringen muss. Teil dieses Modells ist auch eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung. DIE LINKE arbeitet seit Jahren für eine praktische Umsetzung dieses Modells und wird nun durch dieses Urteil darin bestärkt, weil es den Schwerpunkt zuallererst auch auf Kinder und Jugendliche legt.

Deshalb haben wir uns entschieden, zunächst das Modell der Kindergrundsicherung und die Frage der

Kindergrundrechte heute auch mit diesem Antrag aufzugreifen, um darin exemplarisch Konsequenzen aus dem Urteil und praktische Alternativen zu Hartz IV aufzuzeigen. Dazu wird dann mein Kollege Matze Bärwolff auch noch sprechen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Birgit Pelke von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrte Kollegin Leukefeld, persönlich nehme ich Ihnen das sehr ab, dass Sie immer wieder Hartz IV zum Thema machen, und Sie machen das nicht zum ersten Mal, Sie machen das schon seit vielen Jahren, aber wenn sie meinen, dass Sie da immer noch den Finger in die Wunde legen und die Schuldfrage klären wollen, dass wir die Verantwortung dafür tragen und Hartz IV unter Rot-Grün zusammengestellt wurde, sage ich Ihnen: Ja, wir tragen die Verantwortung. Die Kollegen von FDP und CDU haben dem zugestimmt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jawohl.)

Sie nicht. Sie haben aber zu diesem Zeitpunkt, als wir darüber diskutiert haben, dass wir Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenlegen wollen im Interesse der Menschen, und als zu diesem Zeitpunkt unter den damaligen Zahlen der Arbeitslosigkeit etwas getan werden musste, alternativ natürlich nichts auf den Tisch gelegt. Also allein zu sagen, Hartz IV muss weg und alles ist unsozial, was getan werden musste, das, finde ich, ist ein bisschen wenig.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Lauer Wind und nichts dahinter.)

(Beifall SPD)

Wo ich Ihnen zustimme, ist, dass das, was damals erarbeitet worden ist - und es ist jetzt müßig, darüber zu philosophieren, wie viele in der Sozialdemokratie, in den Gewerkschaften, bei den GRÜNEN kein gutes Bauchgefühl hatten bei dem, was damals beschlossen worden ist, aber es ist müßig, man muss einfach dazu stehen, was entschieden worden ist. Selbstverständlich haben wir damals schon gewusst und auch heute, dass Veränderungen einfach vonnöten sind. Das ist so. Deswegen sind wir auch dankbar dafür, dass das Bundesverfassungsgericht - und Sie haben das hier in aller Deutlichkeit erläutert, dem kann ich mich nur anschließen - festgestellt hat, dass mit den Regelsätzen keiner auskömmlich leben kann.

Demzufolge muss dieses geändert werden. Wir haben darüber schon vorhin diskutiert, dass bis zum 31. Dezember der Gesamtzusammenhang, was Regelsätze angeht, für Erwachsene, für Kinder verändert werden muss.

Jetzt stimme ich Ihnen auch an diesem Punkt zu, dass wir vielleicht darüber nachdenken müssen, ob die Frage, eine Leistung des Staates zu nivellieren, auf einen festen Punkt und über viele Jahre, möglicherweise nicht die richtige ist. Auch das wäre zu diskutieren in diesem Zusammenhang.

Ich habe seinerzeit gelesen, dass sich ein Armutsforscher aus Köln nach dem Karlsruher Urteil zur Berechnung der Hartz-IV-Sätze geäußert hat, der auch wie Sie, wie wir alle eine breite gesellschaftliche Diskussion über Armutsgrenze gefordert hat und er sagt deutlich, und dem kann ich mich anschließen: Armut darf nicht auf eine mathematische Größe reduziert werden. Das ist so, darüber müssen wir neu nachdenken. Die gesellschaftliche Ungleichverteilung muss politisch stärker berücksichtigt werden, sozial Benachteiligte dürfen nicht ausgegrenzt und ihre Kinder nicht ausgelacht werden, weil sie nicht dazugehören.

Darum - und das ist eine Schlussfolgerung - sollte das Parlament regelmäßig über die angemessene Höhe der Regelsätze beraten und entscheiden, das heißt eine Anpassung an die Gegebenheiten. Ich hoffe und wünsche, dass in dem Zeitraum bis zum 31. Dezember auf Bundesebene, Frau Ministerin hatte es angesprochen, sich auch Thüringen an dieser Diskussion beteiligt und sich mit einbringt und das ja auch schon in der vergangenen Legislatur getan hat, dass wir auf diesem Wege eine Entscheidung hinkriegen,

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Macht nur so weiter!)

die im Interesse der Betroffenen eine menschlich humane und auch lebensfähige Auskömmlichkeit mit sich bringt. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Ich darf Sie an diesem Punkt unterstützen, weil ich auch noch mal deutlich machen will, dass nicht nur Sie mit dieser Problematik in den Sprechstunden beschäftigt sind, sondern sicherlich die Abgeordneten aller Fraktionen hier in diesem Parlament. Insofern bin ich auch froh, dass im Rahmen dieser Diskussion und dieser Urteilsverkündung vom Bundesverfassungsgericht Dinge mit einbezogen worden sind, wie z.B. die Frage, wer finanziert denn Nachhilfe für Kinder. Das ist ja bislang auch nicht möglich gewesen, in den wenigsten Fällen. Das war immer mal eine Auslegungsfrage. Die eine oder andere ARGE hat es gemacht, Frau Stange weiß das, wir haben das an bestimmten Punkten im ARGE-Beirat auch

mit angesprochen. Das war immer eine schwierige Diskussion. Aber um das an einem Beispiel zu verdeutlichen, wo einem dann wirklich offenkundig wird, dass hier was nicht korrekt läuft, ist, dass bei mir auch eine Mutter von zwei Kindern gewesen ist, die Hartz-IV-Sätze erhält und die gesagt hat, ich kann nur für eines der beiden Kinder Nachhilfe finanzieren. Was das für eine Mutter bedeutet, zu entscheiden zwischen zwei Töchtern, für wen oder für welche mache ich es denn nun, das ist ein Ding der Unmöglichkeit, was wir uns in diesem Staat, in dieser Bundesrepublik nicht leisten sollen, nein, nicht leisten dürfen.

Insofern denke ich, dass wir die Diskussionen führen müssen, was die Frage der Neuberechnung der Regelsätze angeht. Ich hoffe, dass wir da auf einem guten Wege sind und die Größenordnungen, Frau Leukefeld, Sie haben eine Zahl genannt, darüber können wir dann streiten. Es muss auskömmlich sein und wir müssen sehen, wie wir da die vernünftigste und natürlich auch finanzierbare Regelung hinbekommen. Sie haben selber darauf hingewiesen, dass die Frage natürlich auch immer im Raum steht - und damit will ich um Gottes Willen nicht in die Nähe eines Guido Westerwelle gestellt werden -, was Geringverdiener an Schwierigkeiten haben und sozusagen als Aufstocker dann auch noch mit sich bringen und was Leuten widerfährt, die sich in Hartz IV befinden, auch über diese Frage muss geredet werden. Zum Thema Mindestlohn muss ich mich jetzt hier nicht positionieren, da haben wir uns als Sozialdemokratie schon auch deutlich festgelegt. Dass wir in der hiesigen Situation, was das Land angeht, das natürlich alles und ganz ordnungsgemäß mit unserem Koalitionspartner besprechen werden in der Hoffnung, dass wir da gemeinsam unter dem Motto „die Koalition lebt“ auch zu Potte kommen, da bin ich eigentlich ganz guter Hoffnung.

Sie haben aber nicht nur zu diesem Punkt in Ihrem Antrag sich positioniert, Sie haben auch noch aufgefordert zur Erarbeitung eines Katalogs von landespolitischen Maßnahmen gegen Kinderarmut und Bildungsmangel hier im Landtag, hier in unserem Lande tätig zu werden. Dieses Mal habe ich es andersherum gemacht, ich habe den Antrag mitgebracht, den wir als Opposition auch gestellt haben und wir stehen nach wie vor noch zu diesen Inhalten. Wir haben im Juni 2009 den Antrag eingebracht „Kinderarmut bekämpfen - ein Aktionsplan für gerechte Chancen“. Da ging es auch um die Frage Bildungspolitik, da ging es um die Frage, die Betreuung der Jüngsten zu verbessern. Nun muss ich einfach konstatieren, dass wir in dieser Koalition das neue Kita-Gesetz auf den Weg gebracht haben mit zusätzlichen 2.000 Erzieherstellen, dass wir uns in den Sachen Bildung und Betreuung deshalb schon positioniert haben, dass natürlich noch vieles im Argen liegt. Wir haben

hier auch mal diskutiert die Frage Freistellung von Kindergartenbeiträgen. Das wäre eine Variante, die auch mit einbezogen ist. Die Versorgung von Kindern mit Essen in den jeweiligen Einrichtungen, alles das sind Dinge, die wir angestoßen haben, die andiskutiert worden sind, die Frau Lieberknecht in ihrer seinerzeitigen Rolle als Ministerin schon ein ganzes Stück auf den Weg gebracht hat, die von Frau Taubert weiterverfolgt werden. Frau Taubert hat zugesagt, dass sie bis zum 30. Juni ein solches Paket noch mal vorlegen wird, das im Übrigen schon intensiv auch im Jugendhilfeausschuss und im Landtag diskutiert worden ist.

Ich glaube, wir sollten diese Dinge zunächst einmal abwarten, bevor wir hier einen Antrag beschließen, der letztendlich in großen Teilen auch die Bundesebene betrifft. Es ist schon angesprochen worden von der Ministerin, dass wir in der Thüringer Verfassung unsere Hausaufgaben gemacht haben.

Insofern noch eine letzte Bemerkung zur Frage der Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz: Auch hier wäre ich unehrlich, wenn ich sagen würde, dass wir damit nichts mehr zu tun haben. Das ist von der SPD sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene eingefordert worden, auch was die Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Kindern angeht. Wir hatten seinerzeit in der Großen Koalition auf Bundesebene - auch so ehrlich muss man sein - keine Möglichkeit aufgrund der Vorbehalte der CDU dieses umzusetzen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Und bei Rot-Grün, wie war es da?)

Damals haben wir es auch nicht umgesetzt. Möglicherweise waren andere Dinge zu erledigen. Ich will damit sagen - und auch da muss man der Verantwortung gerecht werden -, es ist uns bislang nicht gelungen, dieses umzusetzen. Ich hoffe und wünsche, dass wir das auf die Reihe bekommen. Im Moment haben wir relativ wenig Einfluss auf der Bundesebene, um dort tätig zu werden. Aber ich hoffe und wünsche - und das sage ich jetzt einmal ganz persönlich -, was in der Thüringer Verfassung möglich ist, das muss auf Bundesebene auch möglich sein. Dass wir die Rechte von Kindern in einem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festschreiben, ist für mich eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Dass dazu auch gehört, dass die Ungleichbehandlung oder die Aufteilung von in- und ausländischen Kindern weg muss, das ist dann gar keine Frage. Insofern wünsche ich mir, dass wir dieses Thema weiterverfolgen, und würde mich gern dem anschließen wollen, was die Ministerin gesagt hat. Es gibt im Moment Diskussionen auf der Bundesebene, was die Regelsätze angeht. Hier sollten wir unsere Stimme erheben, hier muss sich etwas verändern. Das

habe ich ausgeführt. Ansonsten warten wir den Bericht ab bis zum 30., was dann vonseiten des Landes an Maßnahmen für Thüringen gemacht wird. Die Frage Grundgesetz kann ich im Moment nur weitergeben an eine andere Koalition auf Bundesebene. Aber da, wo wir tätig werden können, denke ich, werden wir das tun. In diesem Sinne herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Siegesmund von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, vielen Dank der Sozialministerin für den Sofortbericht. Vielen Dank auch - ich hätte nicht gedacht, dass ich das heute sage - Frau Pelke für den Redebeitrag, den ich zu 95 Prozent sofort unterschreiben würde. Die Analyse war präzise und gut. Ich frage mich, warum wir nicht trotzdem die Chance und Gelegenheit nutzen, dann im Sozialausschuss darüber zu diskutieren. Ich will viele Punkte, die Sie genannt haben, nicht nur unterstreichen und unterschreiben, sondern jetzt auch in meinem Redebeitrag vielleicht an der einen oder anderen Stelle verstärken.

Es ist richtig, dass wir hier vor allen Dingen ein bundespolitisches Thema bearbeiten und wälzen. Wenn Sie heute zum Beispiel die FAZ gelesen haben, darin steht geschrieben: Der Bundestag hat darüber debattiert, es gibt jetzt Nachhilfeunterricht statt höhere Regelsätze. Und selbst das wird Geld kosten. Die Debatte dazu gestern in Berlin war wenig heiter, sondern zum Teil relativ unsachlich, was vor allen Dingen an den Wortbeiträgen der FDP gelegen hat, die nach wie vor dem Irrglauben erliegt, dass Kinder etwas dafür können, unter welchen sozialen Umständen sie zu Hause aufwachsen. Ich kenne kein Kind, welches sich seine Familie selbst aussuchen konnte.

Meine Fraktion setzt sich für eine allgemeine Kindergrundsicherung ein. Wir wollen eine Abkehr von der bloß rechtlichen Reflexstellung von Kindern und Jugendlichen. Unser Motto ist „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“. Ich will das ganz präzise aber sagen auch in Richtung der LINKEN: Meine Fraktion hält auch daran fest, dass die Arbeitsmarktreform unter Rot-Grün richtig war, dass es richtig war, dass Sozialhilfe und Arbeitslosengeld zusammengelegt wurden, aber dass auf jeden Fall Reformbedarf besteht. Das ergänze ich gern, aber Sie werden von uns nicht hören, Hartz IV muss weg, so populistisch agieren

die GRÜNEN nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns sind Kinder gleichviel wert und die Gemeinschaft steht für alle Kinder gleichermaßen in der Pflicht.

Was heißt das? Ich will Ihnen gern die Eckpunkte nennen, die wir in einer Kindergrundsicherung sehen würden: Nach unserem Konzept beträgt diese 360 € im Monat pro Kind und wird bis zum 18. Lebensjahr gezahlt. Die Kindergrundsicherung wird zu Teilen auf das zu versteuernde Einkommen angerechnet und verringert sich auf ein Minimum von 280 €, wenn die Eltern sehr gut verdienen. Natürlich gibt es auch zusätzliche spezifische Bedarfe in dem Konzept und die Leistung wird bedingungslos, also ohne Bedarfsprüfung, ausbezahlt, sie ist somit diskriminierungsfrei. Das ist ein wichtiger Punkt, verdeckte Kinderarmut wird damit faktisch abgeschafft. Die Kindergrundsicherung wird, so unser Konzept, durch eine sozial gerechte Umschichtung zahlreicher Leistungen der Familien- und Eheförderung zum Teil gegenfinanziert. Sie integriert und ersetzt bisherige Sozialleistungen, die auf eine direkte oder indirekte materielle Absicherung von Kindern zielen. So viel zum Konzept.

Mit dieser Forderung insgesamt stehen wir nicht allein. Es gibt ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, das sich dem anschließt. Ich nenne unter anderem die AWO, den Kinderschutzbund, Pro Familia und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Auch die aktuelle UNICEF-Studie zur Lage der Kinder in Deutschland 2010 spricht sich für eine allgemeine Kindergrundsicherung aus. Und erlauben Sie mir ein kurzes Zitat aus genau jener Studie: „Unabhängig davon, welches Modell in Deutschland entwickelt wird, wäre der Grundgedanke, dass Eltern unabhängig von ihrer jeweiligen individuellen ökonomischen Leistungsfähigkeit einen Anspruch darauf haben, dass ihre Kinder über ein Grundeinkommen verfügen, sehr wünschenswert und ein großer Fortschritt gegenüber der jetzigen Situation.“ Das ist die Einschätzung aus der UNICEF-Studie.

Es ist, so ist unsere Überzeugung, nicht hinnehmbar, dass Kinder immer noch das Armutsrisiko Nummer eins in Deutschland sind. Ich will Kinder nicht als finanzielles Risiko betrachten müssen, denn sie sind ein Gewinn und sie sind ein Glücksfall für die Eltern wie die Gesellschaft. Ihre Ankunft in unserer Gesellschaft darf daher nicht durch finanzielle Ängste seitens der Eltern belastet werden und die Kindergrundsicherung wäre ein großer Schritt, genau das zu verhindern.

Die GRÜNEN-Kindergrundsicherung erkennt, dass wir genau an diesem Punkt ansetzen müssen und sie erkennt auch die vielfältigen familiären Lebens

formen als gleichwertig an und fördert nicht mehr länger bestimmte Familienformen. Mit dieser Leistung wird das Kind in den Mittelpunkt der Förderung gestellt und es spielt im Übrigen keine Rolle mehr, ob dessen Eltern verheiratet, verpartnert, geschieden, verwitwet oder ledig sind. Die Kinderförderung fließt nur in Haushalte, in denen Kinder leben und so lange diese Kinder unterhaltsberechtigt sind.