Protocol of the Session on June 21, 2013

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir, noch mal ein paar Dinge hier aus der Debatte klarzustellen. Zunächst mal zur Situation der betroffenen Eltern und wie schnell das Ministerium auf die Situation reagiert hat. Ausgangspunkt dieses Konflikts war, wie gesagt, noch einmal, dass sich die Stiftung Finneck nicht an die Kooperationsvereinbarung gehalten hat, die sie selber mit den beiden betroffenen Landkreisen abgeschlossen hatte. Ich bin von den Eltern angesprochen worden am 27. April am Rande des Landeselterntages und habe den Eltern zugesagt, dass wir ganz schnell eine für ihre Kinder angemessene Lösung finden. Das war ein Samstag. Am Montag darauf war Staatssekretär Merten vor Ort und hat mit den Eltern eine Klärung herbeigeführt. Wir haben also die schnellstmögliche Reaktionszeit, glaube ich, in diesem Zusammenhang gezeigt. Ich will aber auch noch mal auf ein paar grundsätzliche Punkte eingehen. Zunächst, Frau Hitzing, natürlich verstehe ich, wenn Sie sich hier einsetzen für etwas, von dem Sie sagen, das läuft gut, das funktioniert, und sagen, das ist ein wunderbares Projekt. Aber es kommt auch darauf an, dass das, was dort an Arbeit geschieht, auf einer rechtlich sauberen Grundlage passiert. Das ist doch auch im Interesse der Eltern und der betroffenen Schüler. Ich kann Ihnen viele andere solcher wunderbaren Beispiele zeigen, die für Eltern und Kinder sehr gut sind, die Begeisterung auslösen, die sich aber eben auf der geschaffenen und sicheren Rechtsgrundlage bewegen. Wir können ein Projekt nicht laufen lassen, das dort nicht abgesichert ist für alle Betroffenen, rechtlich nicht klar ist. Deshalb hat es die Gespräche gegeben. Deshalb gibt es eine Veränderung der Situation und inklusiver Unterricht soll weiterentwickelt werden. Im Übrigen, im Landkreis Sömmerda - ich habe es doch gerade vorgetragen sind inzwischen über 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht auf rechtssicherer Grundlage nach unseren gesetzlichen Vorgaben und Voraussetzungen.

Herr Emde, wenn Sie jetzt sagen, da stehen die Kooperationen auf der Kippe, dann kann ich Ihnen nur sagen, das ist hier Panikmacherei. Ich bin es doch gewesen, der überhaupt erst die Rechtsgrundlage für die Kooperationen geschaffen hat zwischen freien Trägern und staatlichen Schulen. Die gab es ja vorher gar nicht in dieser Art und Weise, und ich habe ein großes Interesse daran, dass solche Kooperationen funktionieren können. Die

(Abg. Hitzing)

Rechtslage, auf der das funktionieren muss, wie Inklusion und gemeinsamer Unterricht organisiert werden, diese Rechtslage ist 2003 mit dem Förderschulgesetz von der CDU geschaffen worden. Diese Rechtslage haben wir überhaupt nicht angefasst und verändert.

Wenn jetzt hier in den Raum gestellt wird, da wolle irgendjemand die Förderschulen abschaffen, auch das stimmt nicht. Wir werden es ja auch noch mal im Detail diskutieren können, wenn unser Entwicklungsplan vorliegt. Es ist ausdrücklich unsere Auffassung, dass wir die Förderschulen auch in Zukunft brauchen. Sie werden ihre Rolle weiter verändern, sie werden stärker in Netzwerken arbeiten. Sie werden stärker die anderen Schulen beim gemeinsamen Unterricht unterstützen, aber wir werden auch in Zukunft Förderschulen brauchen, deshalb hier noch mal ganz klar.

Herr Emde, Sie haben auch abgehoben auf den Elternwillen, der ja sozusagen das Oberste und Wichtigste sei und man kann nicht gegen den Elternwillen agieren. Meine persönliche Auffassung ist auch, dass man den Elternwillen, soweit es irgendwie möglich ist, berücksichtigen muss bei diesen Entscheidungen im gemeinsamen Unterricht. Aber die Gesetzesgrundlage, die dafür geschaffen worden ist von der CDU damals, die sagt, es gibt ein Letztentscheidungsrecht des Schulamts. Das ist nicht meine Erfindung gewesen, das haben Sie damals beschlossen. Jetzt versuchen wir natürlich, wenn die Förderentscheidung fällt, die wird individuell getroffen, das Kind wird begutachtet, es wird genau festgestellt, welcher Förderbedarf ist da und dann wird gemeinsam, auch unter Einbeziehung der Eltern, diskutiert, wo kann dieser Förderbedarf am besten realisiert werden, und eine Empfehlung ausgesprochen, wo das Kind dann beschult werden soll. Wir haben inzwischen …

Herr Minister, ich möchte Sie mal unterbrechen, Abgeordneter Untermann würde Ihnen gern eine Frage stellen.

Natürlich.

Sie dürfen es.

Danke, Herr Minister. Ich verfolge in Sömmerda nun schon die ganze Zeit diesen Vorgang Finneck und diese Inklusion. Wir haben im Kreistag immer für die Kinder entschieden, wenn es mal um Ent

scheidungen ging, die wir treffen konnten. Ich wollte Sie gern fragen, was für Sie wichtiger ist, ist das das Wohl der Kinder oder das Erfolgsmodell, es ist eindeutig, es funktioniert? Was ist Ihnen wichtiger sind Ihnen die Kinder jetzt wichtiger oder sind Ihnen manchmal sinnlose Vorschriften wichtig?

Herr Kollege, es ist ohne Zweifel so, dass das Wohl der Kinder und ihre Entwicklung die oberste Priorität hat, aber es gehört zu einem Rechtsstaat auch dazu, dass das auf rechtlich klarer Grundlage funktioniert.

(Beifall SPD)

Es macht doch keinen Sinn, Eltern und Kinder in einer rechtlich unklaren Situation zu belassen und wenn es zu Konflikten kommt, leiden am Ende die Eltern und Kinder darunter. Deshalb bin ich dafür, das Kindeswohl steht immer oben an, aber die Rechtsgrundlage, auf der gehandelt wird, die muss genauso klar sein für alle Betroffenen.

Jetzt will ich auch noch mal sagen, es klang auch vorhin so in der Debatte an, Herr Kollege Emde, es sei jetzt problematisch, was da in einigen Teilen Thüringens passiert. Ich will noch mal deutlich machen: Wir haben in Thüringen in unterschiedlichen Regionen ein sehr unterschiedliches Vorgehen in Bezug auf Inklusion. Das zeigt, dass die Verantwortlichen vor Ort ganz entscheidend sind für diese Frage. Das Schlusslicht, noch mal, Integrations-, Inklusionsquote von knapp 8 Prozent, Spitzenreiter 68 Prozent, und das alles bei gleicher Rechtslage und gleichen Voraussetzungen, die das Land zur Verfügung stellt. Deshalb haben wir ja auch vor dem Hintergrund des Beschlusses des Landtags ein Entwicklungskonzept erstellt, dass wir demnächst vorlegen, das genau dieses berücksichtigt und regional bezogen die Situation aufgreift und regional konkretisierte Empfehlungen gibt, wie die Entwicklung weitergehen soll, weil man das eben nicht über einen Kamm scheren kann und wir in Thüringen innerhalb dieses Bundeslandes ganz unterschiedliche Voraussetzungen haben. Im Übrigen bewegen wir uns mit einer Inklusionsquote, die knapp unter 30 Prozent liegt, irgendwo im Mittelfeld der Bundesländer. Es gibt Bundesländer, die haben eine Inklusionsquote, die über 50 Prozent liegt. Es gibt aber auch Bundesländern, die sind unter der Quote, die wir erreicht haben. Für mich ist auch wichtig in diesem Zusammenhang, dass die externen Experten uns bestätigt haben, das, was wir an personellen Ressourcen zur Verfügung stellen für den gemeinsamen Unterricht, das kann sich im Bundesvergleich wirklich sehen lassen. Manche haben uns gesagt, das kann man an anderen Stellen sich überhaupt nicht träumen lassen, das, was wir an personeller Untersetzung möglich gemacht ha

(Minister Matschie)

ben. Da geht es eben nicht nur um die halbe Stelle, die ich vorhin erwähnt habe, das ist die Grundausstattung die jede Schule, egal wie groß, wie klein, ob sie Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf hat, ja oder nein, ohnehin bekommt. Dort, wo der Förderbedarf höher ist, haben die Schulen natürlich höhere Personalressourcen. Das sind zum Teil mehrere Stellen, die die Schulen zur Verfügung haben. Frau Hitzing, wenn es um Förderbedarf geistiger Entwicklung geht, gibt es sowieso einen individuellen Anspruch des Kindes auf eine bestimmte Personalressource. Deshalb ist all das, was in diesem wunderbaren Projekt gemacht wird, auch gesetzeskonform möglich. Und dahin wollen wir in dem Prozess, dass das so ausgestaltet wird.

Zum Schluss lassen Sie mich noch einmal deutlich machen, weil das hier auch manchmal gegeneinandergestellt wird in der Debatte, Inklusion und die Entwicklung der anderen Schüler gegen Inklusion zulasten der Leistungsfähigkeit des Schulsystems und es klang ja hier vorhin an, wir wollten hier am Ende ja ohnehin das Schulsystem nivellieren und alles gleichmachen. Da rate ich nur mal hinzuschauen und sich mal anzuschauen, wie sind die Inklusionszahlen und wie sind die Leistungszahlen. Da kann man sehen, dass diejenige Stadt mit der höchsten Inklusionsquote, das ist Jena mit 68 Prozent, gleichzeitig den höchsten Leistungsdurchschnitt der Schülerinnen und Schüler in dieser Stadt hat. Das heißt, Leistung gegen Inklusion auszuspielen, macht überhaupt keinen Sinn. Inklusion ist sehr gut mit einem hoch leistungsfähigen Schulsystem zu vereinbaren und Inklusion sorgt dafür, dass alle Schüler davon profitieren, nicht nur die, die es besonders schwer haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt jetzt noch eine Wortmeldung von der FDPFraktion. Jetzt noch einmal die genaue Zeit: 2 Minuten und 40 Sekunden.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Minister, das ist schon bemerkenswert. Ich will das nur noch einmal wiederholen, damit das auch alle, die vielleicht nicht jeden Tag hier sind, richtig verstehen. Sie haben sich jetzt hier hingestellt und haben gesagt, Sie sind es gewesen, der die Rechtsgrundlage dafür geschaffen hat, dass es Kooperationen überhaupt gibt. Damit haben Sie bewiesen, dass Sie wissen, wie man eine Rechtsgrundlage schafft. Gleichzeitig stellen Sie sich hier hin und sagen, diese Kooperation kann aber so nicht weiter funktionieren, weil es keine Rechtsgrundlage dafür gibt. Dann wäre das Einfachste, Sie machen einen Vorschlag.

(Beifall FDP)

Sie schaffen eine und dann beschließen wir das hier. Ehrlicher wäre es, zu sagen, Sie wollen nicht, dass das dort weiter funktioniert. Das könnte man politisch diskutieren, aber so ist es unehrlich, sich einerseits zu feiern und zu sagen, ich habe die Rechtsgrundlage geschaffen, und auf der anderen Seite zu sagen, an dem Fall passt die Rechtsgrundlage aber nicht und deswegen kann es nicht weitergehen.

(Beifall FDP)

Sie wollen es nicht. Seien Sie so ehrlich und stellen Sie sich hier hin und sagen Sie das.

Der Minister möchte noch einmal. Ich schaue jetzt noch einmal in den Saal. Gibt es noch weitere Redeanmeldungen? Nein.

Also das möchte ich wirklich nicht so stehen lassen. Wir haben eine Rechtsgrundlage für den gemeinsamen Unterricht. Auf dieser Rechtsgrundlage sind alle anderen in der Lage, vernünftigen gemeinsamen Unterricht anzubieten, und auf dieser Rechtsgrundlage wäre auch Finneck in der Lage, so etwas anzubieten. Das, was gemacht worden ist, entsprach aber nicht der Rechtsgrundlage.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe jetzt keine weiteren Redeanmeldungen und kann demzufolge die Aussprache schließen. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Wer diesem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das ist nicht der Fall. Und ich frage nach Stimmenthaltungen. Die gibt es auch nicht. Damit wird dieser Antrag im Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur fortberaten.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 13 und rufe nun auf den Tagesordnungspunkt 14

Rehabilitierung verurteilter homosexueller Menschen Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/6074 dazu: Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drucksache 5/6120

(Minister Matschie)

Es ist mir mitgeteilt worden, dass Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich den Antrag zunächst einbringen wird.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will vorweg sagen, dass es unser Ziel war, einen gemeinsamen Antrag aller fünf Fraktionen zu diesem wichtigen Thema, zur Frage der Rehabilitierung verurteilter homosexueller Menschen, auf den Weg zu bringen, ähnlich wie dies auch in Hessen möglich war.

(Beifall DIE LINKE)

Sie sehen, dass uns das nicht gelungen ist, da CDU und SPD und die FDP nicht bereit waren, mit uns auf Augenhöhe miteinander zu verhandeln.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen, welches sich auf der Schrifttafel am Mahnmal für die ermordeten und verfolgten Homosexuellen in Berlin-Tiergarten wiederfindet: „Lange Zeit blieben die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus aus der Gedenkkultur ausgeschlossen, in der Bundesrepublik wie in der DDR. Hier wie dort wurden Schwule lange Zeit weiter strafrechtlich verfolgt. Aus seiner Geschichte heraus hat Deutschland eine besondere Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen gegenüber Schwulen und Lesben entschieden entgegenzutreten.“

Die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ist Inhalt unseres gemeinsamen Antrags. In Punkt I soll der Landtag feststellen, dass der § 175 des Strafgesetzbuches und die darauf gestützten Verurteilungen ein fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte waren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Unter Punkt II beantragen wir, dass der Landtag bedauert, dass es zu solchen Menschenrechtsverstößen gekommen ist und sich entschuldigt bei den Betroffenen, denn eine solche Entschuldigung steht bis heute aus.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Diese findet sich übrigens auch nicht im Alternativantrag von CDU und SPD.

Punkt III unseres Antrags unterstützt den Beschluss des Bundesrates vom 10. Dezember 2012 für Maßnahmen zur Rehabilitierung und Unterstützung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilten.

Unter Punkt IV fordern wir die Landesregierung auf, im Bundesrat selbst aktiv zu werden, sollte es keine Umsetzung der Bundesratsentschließung durch die Bundesregierung geben. Auch das will der Alternativantrag im Übrigen nicht.

Punkt V fordert die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zur Ergänzung des Grundgesetzes um ein Diskriminierungsverbot wegen der sexuellen Identität Artikel 3 des Grundgesetzes einzubringen. Auch das sollte ein überfälliges Ziel sein, das wir hoffentlich alle teilen.

Das Ziel unserer Fraktion, ich sagte es vorab, war in der Tat, eine Initiative von allen im Thüringer Landtag vertretenen Fraktionen zu dieser Thematik in das Plenum einzubringen.

Weil manche die Vorgeschichte nicht kennen, will ich an diese noch einmal erinnern, auch vielleicht für diejenigen, die heute hier interessiert zuhören. Bereits am 12. Februar dieses Jahres haben wir alle Fraktionen informiert und einen ersten Antragsentwurf als Diskussionsgrundlage zur Verfügung gestellt. Allerdings gab es zu unserem Entwurf einzig und allein Änderungsvorschläge aus der Fraktion DIE LINKE, die wir gern und entsprechend aufgenommen haben und aus denen jetzt auch ein gemeinsamer Antrag zumindest unserer beiden Fraktionen geworden ist. Wir bedauern ausdrücklich, dass es nun den Alternativantrag der Regierungsfraktionen gibt und uns die darin vorgenommenen Formulierungen nicht im Vorfeld als Änderungsvorschläge übermittelt worden sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So hätten wir nämlich vielleicht doch noch zueinander finden können. Ich will auch daran erinnern, dass wir bereits im Frühjahr diesen Antrag für die Plenardebatte angemeldet haben. Im April jedoch erreichte uns die Nachricht aus der CDU-Fraktion, es gäbe doch den Wunsch zur Zusammenarbeit. Wir haben das sehr ernst genommen und haben daraufhin noch einmal versucht, gemeinsame Gespräche zu führen, leider gab es auf dieses Angebot keine Reaktion. Ich glaube, das Thema ist zu wichtig, als dass wir uns hier darüber streiten. Die Entschuldigung bei den Betroffenen steht aus genauso wie ihre Rehabilitierung. Wir sollten heute alle über unsere Schatten springen, die uns vielleicht umgeben, und gemeinsam handeln und dieses wichtige Signal aussenden. Vielen herzlichen Dank.