Ich will Ihnen mal eine Kreativität nennen, die von allen hier im Raum auch akzeptiert wird. Wir haben zum Beispiel die Jüdische Gemeinde, der Zentralverband macht den „Perspektivwechsel“. Das ist ein innovativer Ansatz, den wir gemeint haben, und nichts anderes ist da hineinzuinterpretieren.
Zum Stichtag am 31. März 2013 waren insgesamt 15 Vorschläge und Bewerbungen für den Thüringer Demokratiepreis sehr unterschiedlicher Art eingegangen. In einer Sitzung am 14. Mai 2013 hat die Jury alle eingegangenen Vorschläge begutachtet und im Einvernehmen die Preisträger ausgewählt. Den verschiedenen Presseveröffentlichungen und aus Ihrer Diskussion heute auch entnehme ich, dass es nicht grundsätzlich um die Preisvergabe beispielsweise an das Eisenacher Bürgerbündnis oder die Weimarer Schülerinitiative für einen schulübergreifenden Projekttag geht, sondern offensichtlich ausschließlich um den Preis für Herrn König.
Die Jury hat sich natürlich bei der Vergabe des Preises auch mit allen Umständen auseinandergesetzt und wir haben entschieden, dass wir die Lebensleistung - und das wurde auch zur Laudatio benannt - von Herrn König in den Vordergrund stellen.
angesichts dessen, dass wir alle in den letzten Monaten Ungeheuerliches im Zusammenhang mit der Mordserie der Rechtsextremisten, des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds, an Erkenntnissen gewonnen haben, angesichts dessen sollten wir alle Respekt vor dieser Lebensleistung haben.
In einer Zeit - Sie dürfen das gern zu Protokoll geben, Herr Barth -, als kaum jemand - und vielleicht hören Sie mir doch noch mal zu
etwas vom Erstarken der rechtsextremistischen Strukturen, insbesondere der neonazistischen Kameradschaftsszene in Thüringen, wissen wollte ich bitte schon, auf die Formulierung zu achten -,
Er musste erleben, dass junge Menschen, die nicht in das Weltbild der Nazis passten, weil sie anders aussahen und anders dachten, verprügelt wurden und bestimmte Stadtteile Jenas nicht mehr gefahrlos betreten konnten.
Er wurde selbst Ziel von Übergriffen und Anfeindungen. Er musste erleben, dass Rechtsextremismus bagatellisiert wurde, dass er angeblich ein Problem anderer Regionen - Hoyerswerda, Rostock oder Solingen - war, nicht aber ein Problem auch für unser Land. Unter diesen Bedingungen durchzuhalten, nicht aufzugeben, weiter für seine Überzeugungen einzutreten, erfordert sehr viel Mut und Kraft.
Nach den gesamten Kriterien ist Herr König auf jeden Fall eine Person, die sich in einem besonders schwierigen Umfeld gegen Rechtsextremismus engagiert, und eine Person, die auf ein langjähriges, kontinuierliches Engagement verweisen kann. Seine Arbeit kann auch für Jena durchaus besondere Erfolge in der Arbeit für eine demokratische und offene Alltagskultur vorweisen. Natürlich waren wir uns bewusst, dass diese Entscheidung nicht nur Zustimmung ernten würde, denn Herr König ist ein unbequemer Streiter gegen Rechtsextremismus und für unsere Demokratie. Auch ich, Herr Barth auch ich -, bin nicht immer einer Meinung mit ihm. Aber ist es nicht das Merkmal einer lebendigen Demokratie,
dass sie auch die andere, die unangepasste Meinung zulässt und als notwendige Auseinandersetzung aufgreift? Und müssen wir nicht rückblickend feststellen, dass seine Mahnungen von der Realität weit übertroffen wurden?
Ich möchte auch noch mal auf die Vorwürfe eingehen. Jeder kann ja dazu eine Meinung haben, aber was wir nicht erkennen konnten und was ich auch heute noch mal bekräftigen möchte, wir haben nicht in die Unabhängigkeit der Justiz eingegriffen. Der Gedanke ist uns überhaupt nicht gekommen.
Das kann ich für alle Jurymitglieder sagen. Ebenso wenig wie die öffentlichen Vorverurteilungen hat die Preisvergabe irgendeinen Einfluss auf das strafrechtliche Verfahren.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar persönliche Worte sagen. Herr Bergner hat ja in seiner Pressemitteilung, bzw. ist er so zitiert worden, beim MDR gesagt: Er wisse jetzt, welch Geistes Kind ich bin. Wäre schön, Herr Bergner, wenn wir kommunizieren könnten auch über Blickkontakt. Sie können es nicht wissen, Sie kennen meine Vergangenheit nicht und Sie kennen auch nicht meine Familie. Ich kann Ihnen sagen, wes Geistes Kind ich bin, ich bin das Kind zweier Eltern, die Krieg erlebt haben, die Menschen verloren haben im Krieg und die mir sehr eingeschärft haben, nie wieder Krieg, und die sehr genau beschrieben haben, wie dieser Krieg auch zustande gekommen ist. Und deshalb mögen wir unterschiedliche Meinungen haben, ich kann Ihnen sagen, wes Geistes Kind ich bin, und das möchte ich auch hier tun. Und ich finde
auch eine persönliche Bemerkung -, wenn Sie oft zu solchen Demonstrationen gehen, ob in Dresden, ich war im Übrigen da gewesen, nicht ganz vorn, gar nicht mein Thema,
aber doch mit vielen zusammen, zum Beispiel mit Herrn Thierse, Frau Göring-Eckardt war damals dabei gewesen, wir sind herumgelaufen, haben uns die vielen engagierten Menschen angeschaut, dann
ist es natürlich auch schwierig abzugrenzen: Wer ist denn jetzt einer, der in die Richtung Ihrer Beschreibung von Lothar König geht, und wer ist es denn nicht? Und Sie wissen auch, Herr Bergner, gerade weil wir zwei schon in den vergangenen Jahren auch sehr schwer kämpfen mussten, dass wir in Greiz und Umgebung die Neonazis in den Schranken halten, und da habe ich Sie als guten Partner erlebt, dass das hier nicht in die falsche Kehle kommt. Ja, Herr Barth, ich bin ja ehrlich, ich muss ja nicht jetzt hier politischen Gewinn daraus ziehen.
Da haben wir doch gemerkt, wir müssen als Demokraten zusammenhalten an der Stelle, so unterschiedlich die Meinungen sind. Wir haben in dem Bürgerbündnis ständig mit Supervisionen arbeiten müssen, weil wir gegenseitig unsere Meinungen so unterschiedlich vorgebracht haben und weil wir uns als Menschen am Ende selber stigmatisiert haben, und das ist das, was mich so daran ärgert, auch an dieser Diskussion heute. Wenn wir nicht zusammenhalten, wenn wir nicht zusammen auf die Straße gehen und wenn wir nicht dort zeigen, und zwar den Neonazis zeigen, dass wir zusammenhalten, wenn wir so eine Diskussion machen, dann haben wir doch schon verloren und das, finde ich, ist sehr bedauerlich. Herzlichen Dank.
Ich schließe jetzt diesen Teil der Aktuellen Stunde und die Aktuelle Stunde als Ganzes. Die Tagesordnungspunkte 1 a und b werden wir morgen aufrufen.