Protocol of the Session on May 22, 2013

(Beifall DIE LINKE)

Nun haben sich Bürgerinnen und Bürger in diesem Land auf den Weg gemacht und haben uns als Landtag Vorschläge unterbreitet, wie man dieses Problem lösen kann. Natürlich ähneln diese Vorschläge - die sind in einen Volksbegehrensantrag gemündet - sehr einer Gesetzesinitiative, die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE hier eingebracht wurde. Das ist nicht von ungefähr, denn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE haben einfach vernünftige Vorschläge gemacht und die Bürgerinnen und Bürger haben die aufgegriffen. Sie müssen sich mal fragen, warum nicht mal ein Vorschlag von der CDU zum Gegenstand eines Volksbegehrensantrags gemacht wird. Das spricht auch Bände. Sie haben das einfach nach Weimar zum Verfassungsgericht geschoben. Die Verfassungsrichter haben in enger Auslegung der Verfassung einen derartigen Antrag für unzulässig eingestuft, was aber nicht heißt, dass wir als Gesetzgeber nicht in der Lage sind, entsprechend zu handeln.

Ich sage es noch mal deutlich für unsere Fraktion: Wir können am Beitragssystem für Abwasser und Straßenausbau noch so sehr rumfeilen, wir werden keine Rechtssicherheit schaffen und deshalb gibt es nur eine konsequente Lösung im 21. Jahrhundert, nämlich dieses Instrument aus dem 19. Jahr

hundert abzuschaffen. Das ist die einzige und richtige Antwort in heutiger Zeit,

(Beifall DIE LINKE)

sonst werden wir das immer wieder hier beraten. Nachdem Herr Hey in der letzten Sitzung hier mal nachgefragt hat, wie oft wir das beraten haben, nach meiner Übersicht ist das heute die 43. Beratung zum Bereich Straßenausbau- und Abwasserbeiträge seit 1995.

(Beifall DIE LINKE)

Ich weiß nicht, ob ein anderes Thema so oft Gegenstand hier im Landtag war. Wir haben immer noch keine Rechtssicherheit, das ist das Erstaunliche und auch das spricht für die Abschaffung.

Jetzt noch mal zum Inhalt, weshalb wir nicht eins zu eins auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abgestellt haben, sondern weiter gehen. Wir sind hier in einer Rechtsmaterie zwischen unechter und echter Rückwirkung. Das Bundesverfassungsgericht hat sich nur mit dem Tatbestand der unechten Rückwirkung auseinandergesetzt. Also für den Fall, dass eine Satzung zwar vorhanden ist, die Satzung sich aber als rechtswidrig herausgestellt hat, konnte bisher die Satzung zeitlich unbefristet rückwirkend geheilt werden. Das ist eine sogenannte unechte Rückwirkung, weil die Bürgerinnen und Bürger ja durch die Veröffentlichung der rechtswidrigen Satzung über den Sachverhalt informiert waren und man deshalb in der gängigen Rechtsprechung auch davon ausgegangen ist, dass die Grundsätze Rückwirkungsverbot, Vertrauensgrundsatz nicht in dem Maße gelten. Das ist die unechte Rückwirkung.

Wir haben aber in Thüringen das Problem, dass wir neben dieser unechten Rückwirkung auch die sogenannte echte Rückwirkung im Gesetz verankert haben, nämlich in § 7 Abs. 12, der regelt, dass sogar für Dinge, die vor Inkrafttreten einer Satzung hergestellt, angeschafft, erweitert, erneuert wurden, Beiträge erhoben werden können, also eine echte Rückwirkung. Diese ist im Rechtsstaat sehr umstritten, ob der Staat in abgeschlossene Tatbestände eingreifen kann. Das hat das Bundesverfassungsgericht schon 1961 entschieden, dass das der Staat nicht machen darf, eigentlich. Wir in Thüringen haben das außer Kraft gesetzt. Nun müssen wir doch in Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern abwägen, ob wir jetzt nur die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur unechten Rückwirkung aufgreifen oder ob wir nicht gleich sagen, wenn das Verfassungsgericht schon bei der unechten Rückwirkung verfassungsrechtliche Probleme sieht, dann sind sie doch bei der echten Rückwirkung erst recht gegeben. Insofern sind wir nur konsequent, indem wir fordern, wir wollen gleich neben der unechten Rückwirkung auch die echte Rückwirkung zunächst aussetzen. Nicht

mehr, wir wollen sie zunächst nur aussetzen. Das dürfte doch nicht so schwer nachzuvollziehen sein auch für die Koalition. Denn Sie treiben die Gemeinden weiter mit einer verfassungsrechtlich bedenklichen Art und Weise dazu, Beiträge zu erheben.

(Beifall DIE LINKE)

Es kann sich herausstellen, dass das alles dann überhaupt nicht mit unserer Verfassung in Einklang steht und es neu geregelt wird. Wir müssen doch auch mal an die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker denken, was wir mit denen machen. Da ist es doch nicht zu viel verlangt, es passiert doch überhaupt nichts, wenn wir das jetzt ein Jahr aussetzen. Es passiert überhaupt nichts. Nein, sie schüren weiter Konflikte und stellen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister oder die Verwaltungsangestellten als unsere Erfüllungsgehilfen dar, weil wir nicht in der Lage sind - also wir, eine Mehrheit in diesem Hause, bestehend aus CDU und SPD -, hier etwas Vernünftiges auf den Weg zu bringen und erst einmal Stopp zu sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Fiedler, eine Anfrage zu stellen, reicht eben nicht aus, nicht bei dieser Landesregierung, die sich durch Unzuverlässigkeit und durch Misstrauen … Sie können sich ja noch nicht einmal gegenseitig riechen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

geschweige denn, dass Sie gemeinsam Probleme lösen können. Das ist wie Feuer und Wasser, was bei Ihnen da so abgeht. Also das ist doch, was man so täglich in der Zeitung lesen muss … Alle Achtung.

(Unruhe CDU)

Dass Sie sich überhaupt noch die Hand geben können. Oder Sie schauspielern. Das ist aber genauso schlimm, wenn Sie den Leuten in der Öffentlichkeit was vormachen und dann abends am Stammtisch sitzen und sagen, heute haben wir aber mal das Volk veralbert. Das ist dann genauso schlimm.

(Beifall DIE LINKE)

Insofern ist in diese Landesregierung kein Vertrauen mehr zu setzen. Der Innenminister hat sehr genau formuliert, er will bis zur Sommerpause einen Referentenentwurf vorlegen. Wir wissen doch, was ein Referentenentwurf ist, das ist noch kein Gesetzentwurf. Wir hatten erst in der vergangenen Sitzung einen Referentenwurf zum Kurortestatus in Thüringen, der war aus dem Jahr 2011, den haben wir im Jahr 2013 dann endlich hier im Landtag beraten. Das ist die Arbeitsweise dieser Landesregierung. Sie werden sich an Ihre Zusage halten, der Innenminister wird einen Referentenentwurf vorlegen. Da werden Sie sich wieder nicht einigen weder in der Koalition noch im Kabinett und da werden Sie wie

der irgendwas auskungeln bei irgendwelchen Kabinengesprächen, wer bietet mehr. Da hat ja die CDU Glück, dass die SPD nie etwas Richtiges fordert, die lässt sich für einen Apfel und ein Ei über den Tisch ziehen.

(Beifall DIE LINKE)

Aber es wird zu keiner Lösung mehr kommen in dieser Legislaturperiode. Davon bin ich überzeugt, weil Sie sich wieder blockieren. Die, die es auszubaden haben, sind die Bürgerinnen und Bürger, sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und sind die Verwaltungsangestellten.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Bei solch ei- nem Gewäsch …)

Die müssen das aushalten, weil Sie unfähig sind, ein so überschaubares Problem zu lösen. Also es reicht nicht aus, was hier der Innenminister angekündigt hat und wenn er es ernst gemeint hätte, dann hätte er gesagt, er legt einen Gesetzentwurf vor bis zur Sommerpause. Aber er weiß genau, er macht seine Arbeit und er macht sie so schlecht, dass es keinesfalls das Kabinett überlebt. Dann wird es blockiert und dann hängt es in der Warteschleife. Dann warten wir mal ab, was Sie sich wieder untereinander austauschen. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Hey war jetzt abwesend, um ihm das noch einmal zu erläutern zwischen echter und unechter Rückwirkung, das machen wir noch einmal im Ausschuss.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Jetzt haben Sie mir nicht zugehört.)

Deshalb beantragen wir erneut die Ausschussüberweisung an den Innenausschuss, Haushaltsausschuss und weil es ein Gesetzentwurf der Fraktion ist, noch an den Justizausschuss. Danke.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Gleichstel- lung würde ich noch nehmen.)

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe jetzt keine weiteren Redemeldungen aus den Fraktionen. Die Landesregierung verzichtet auch auf einen weiteren Redebeitrag und ich kann die Aussprache schließen.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist eine Sauerei, dass die Landesregierung sich nicht äußert.)

Herr Kuschel, wir sind im Abstimmverfahren! Wer diesen Gesetzentwurf an den Innenausschuss überweisen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen.

(Abg. Kuschel)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ein Innenstaatssekretär als B9-Beamter, der muss doch etwas können.)

Das müssen wir mal zählen.

(Unruhe CDU)

Danke schön. Die Gegenstimmen. Danke schön. Ich frage nach Enthaltungen? Gibt es nicht. Haben Sie mitgestimmt? Dann stelle ich fest, dass die Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP dieser Überweisung an den Innenausschuss zugestimmt haben, aber eine Mehrheit aus den Fraktionen CDU und SPD diese Überweisung ablehnten.

Das Ergebnis ist: 22 haben für die Überweisung gestimmt und 27 haben gegen diese Überweisung gestimmt, keiner hat sich enthalten.

(Unruhe CDU)

Herr Fiedler, ich gebe mir immer besonders gern und viel Mühe, damit wir das ordentlich feststellen können, insbesondere dann, wenn die Anwesenheit im Saal erst so aussieht, als ob wir ein anderes Ergebnis erhalten.

Ich lasse nun über die Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Haushalts- und Finanzausschuss abstimmen. Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus der Fraktion DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Ich frage nach den Gegenstimmen? Das sind die Stimmen aus der SPDFraktion und der CDU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? Die gibt es mit 1 Stimme. Eine Mehrheit hat diese Ausschussüberweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss abgelehnt.

Nun frage ich nach dem Votum zur Überweisung an den Justiz- und Verfassungsausschuss. Wer diesem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und eine Mehrheit aus der FDP-Fraktion. Ich frage nach den Gegenstimmen. Das sind die Stimmen aus der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion. Ich frage nach den Stimmenthaltungen? Das ist jetzt niemand. Also stelle ich fest, dass eine Mehrheit auch die Überweisung an den Justiz- und Verfassungsausschuss abgelehnt hat und demzufolge sind alle Ausschussüberweisungen abgelehnt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Gleichstel- lung müssen wir noch machen.)

Es gab keinen formellen Antrag zur Überweisung an den Gleichstellungsausschuss, es sei denn der Abgeordnete Fiedler möchte den jetzt stellen, dann würde ich natürlich gerne darüber abstimmen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Die letzte Reihe ist nicht befugt.)

Wir sind alle mit gleichen Rechten versehen, aber es gibt keinen formellen Antrag und wir stimmen nun direkt über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE ab. Der Parlamentarische Geschäftsführer möchte mir, glaube ich, signalisieren, dass die Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. Er bestätigt das und ich bitte demzufolge die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.

Ich gehe jetzt davon aus, dass jeder die Möglichkeit hatte, seine Stimmkarte abzugeben und bitte darum, dass ausgezählt wird.

Mir liegt das Abstimmungsergebnis der namentlichen Abstimmung zu diesem Gesetzentwurf vor. Es wurden 73 Stimmen abgegeben, mit Ja haben 20 gestimmt, mit Nein 53, es gab keine Enthaltung. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt worden (namentliche Abstimmung Anlage 3).

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4 und rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf