Es ist richtig, in dieser schwierigen Situation ein Zeichen der Solidarität zu senden. Etliche von uns waren bereits vor Ort, haben Gespräche mit den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt, mit dem Betriebsrat, mit den Gewerkschaften, der Geschäftsführung. Die Landesregierung ist im ständigen Austausch mit allen Beteiligten, Wirtschaftsminister Machnig, die Chefin der Staatskanzlei Frau Ministerin Walsmann sind hier sehr engagiert. Im Wirtschaftsministerium wurde umgehend eine Task Force mit Beteiligung der Thüringer Staatskanzlei, dem Landkreis, der Stadt Arnstadt, den Betroffenen was den Betriebsrat betrifft, die Gewerkschaften, die Geschäftsführung, die Landesentwicklungsgesellschaft, die Bundesagentur für Arbeit, kurz, mit allen die etwas zur Lösung der Probleme beitragen können, gegründet. Auch ich selbst habe mich erst vorgestern mit Vorstandsmitgliedern der Bosch GmbH aus Stuttgart, aber auch
mit Bosch Solar Energy in Arnstadt getroffen. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister hat uns Bosch versichert, alles zu tun, wirklich alles, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden und den Produktionsprozess aufrechtzuerhalten. Ich denke, dass war ein klares Wort und wir haben auch den Eindruck, dass Bosch intensiv daran arbeitet bei allen Schwierigkeiten. Ich will auch sagen, dass wir sofort am 22. März - wir saßen am Freitagnachmittag hier im Plenum, jeder hat das noch vor Augen den Kontakt zu Bosch aufgenommen und uns ganz klar für den Erhalt des Standortes ausgesprochen haben.
Die Landesregierung bringt sich aktiv, konstruktiv und entschieden in die Diskussion um mögliche Perspektiven für den Standort Arnstadt ein.
Das klare Signal lautet: Erhalt des Standortes mit möglichst vielen Arbeitsplätzen in Arnstadt. Derzeit prüft Bosch im ständigen Austausch mit der Landesregierung, welche Möglichkeiten es dazu gibt. Es ist auch ganz klar, es geschieht nichts ohne Beteiligung der Landesregierung, ohne Konsultationsprozesse über alle Maßnahmen, die jetzt angezeigt scheinen und die sich ergeben. Die Optionen reichen dabei von einem vollständigen Verkauf des Werkes über Teilverkäufe bis hin zu einer möglichen Neuausrichtung mit der Herstellung anderer Produkte. Nichts darf im Moment ausgeschlossen werden am Standort Arnstadt.
Die Überführung eines so großen Werkes - das ist auch jedem klar - hin zu neuen Eigentümern oder zu neuen Produkten oder einer neuen Produktion ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Eine Aufgabe, die muss - da bin ich mir sicher - und wird von Bosch mit großer Ernsthaftigkeit betrieben. An dieser Stelle will ich klar sagen, Bosch ist und war es in der Vergangenheit immer und bleibt auch weiterhin ein wichtiger Partner Thüringens. Gerade in dieser schwierigen Situation, auch wenn wir uns am Anfang eine andere Kommunikation gewünscht hätten, als wir sie am 22. März erfahren haben. Aber es ist so, dass sich Bosch über all die Jahre ja nicht zufällig hier am Standort Arnstadt, am Standort des Erfurter Kreuzes in Thüringen niedergelassen, investiert hat und es ist auch nicht der einzige Standort hier in Thüringen. Es gibt noch einen großen Standort im Raum Eisenach, auch daran müssen wir denken. Bosch als ein internationales Unternehmen, was völlig zu Recht in Technologie investiert hat, in die Solartechnologie investiert hat, und zwar hier in Thüringen.
Es gibt - das haben wir immer wieder gesagt kaum einen besseren Standort von allen Standortrankings als hier in Thüringen diese Investition vorzunehmen bzw. vorgenommen zu haben. Es war richtig, das bescheinigen uns immer wieder viele Investoren, die auf Thüringen blicken. Zudem
dürfen wir auch gerade in der jetzigen Situation, wenn es darum geht, Verantwortung einzufordern, nicht übersehen: Bosch ist ein traditionsreiches, deutsches Unternehmen, das u.a. dafür bekannt ist und geschätzt wird, dass es eine soziale Verantwortung hat und diese soziale Verantwortung auch ernst nimmt. Das hat uns Bosch versichert. Bosch wird seine Verantwortung wahrnehmen. Nach all den Gesprächen, die ich geführt habe, die auch der Wirtschaftsminister, die Chefin der Staatskanzlei vonseiten der Landesregierung geführt haben, sind wir sicher, dass dies so sein wird.
Bosch, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist aber nicht nur ein traditionsreiches deutsches Unternehmen, sondern - das klang auch speziell im Antrag der GRÜNEN an - ein international geachteter erfolgreicher Konzern. Ein Konzern, der sich voll in der Globalisierung bewegt. Bosch ist mit weit über 300.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an über 300 Standorten weltweit ein absoluter Global Player. Auch das ist bei allen Diskussionen, die wir jetzt um den Standort Arnstadt haben, nicht unerheblich.
Damit ist Bosch auch ein natürlicher und guter und wichtiger Partner für die Internationalisierung Thüringens. Auch das dürfen wir bei allen gegenwärtigen Schwierigkeiten nicht aus dem Blick verlieren. Ich will auch klar sagen, ich habe ein Interesse daran, dass das auch künftig so bleiben wird. Nicht nur, weil Bosch auch noch diesen anderen großen Standort, ich nannte Eisenach, in Thüringen hat, sondern weil Bosch auch Auftraggeber ist für viele kleine und mittelständische Unternehmen, und weil Bosch ein Faktor auch in der Region Arnstadt ist, wo wir nicht übersehen dürfen, dass unter den 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viele Leute sind, auch viele, die am Beginn ihrer beruflichen Erfahrung stehen, die Familien gegründet haben, die Häuser gebaut haben, die Kredite aufgenommen haben, die ihre Perspektive, ihre Lebensperspektive in der Region um Arnstadt, das Erfurter Kreuz, hier in Mittelthüringen natürlich weiter wahrnehmen können müssen. Und dass wir dafür auch eine Verantwortung haben
im Schulterschluss von Geschäftsführung, von Betriebsrat, von Politik und all denen, die etwas dazu beitragen können, weil Partnerschaften, Kooperationen entstanden sind, die auch anderen Betrieben Chancen geben, die Möglichkeiten geben, sich selbst auch international aufzustellen. Es ist ein fester Ankerpunkt in einem Netzwerk, was viel größer ist als dieser Standort, der selber schon für sich mit 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein erhebliches Gewicht hat, dem wir uns mit voller Kraft widmen müssen.
Thüringen insgesamt stellt sich dieser Herausforderung. Wir stellen uns auch der Herausforderung der
Globalisierung, wir öffnen uns der Welt, denn wir haben gute Bedingungen für zukunftsorientierte Unternehmen, ich sagte es, die zentrale Lage, kluges Standortmarketing und vor allem für die Menschen im Land und mit den Menschen im Land - fleißig, leistungsbereit, hoch qualifiziert, und das weiß, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, Bosch auch. Bosch weiß, dass das wertvollste Gut am Standort Arnstadt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind. Darüber haben wir uns intensiv verständigt und Bosch tut alles, auch in dieser schwierigen Situation, die Belegschaft zusammenzuhalten. Was auch ein Interesse des Betriebsrates ist, ein Interesse der Belegschaft insgesamt mit 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammenzubleiben, den Produktionsprozess aufrechtzuerhalten, um mit einem funktionierenden Werk in dieser schwierigen Situation Zukunft zu ermöglichen. Das ist nicht einfach, das kostet auch zusätzlich Investitionen, aber gute Investitionen. Bosch ist bereit, das zu leisten im Interesse einer Weiterführung des Produktionsprozesses am Standort in Arnstadt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind uns bewusst, dass die Globalisierung auch vor Thüringen nicht Halt macht. Unsere Thüringer Unternehmen stehen heute in vielen Branchen in einem scharfen Wettbewerb. Die Solarbranche, das haben wir seit Monaten, um nicht zu sagen seit Jahren diskutiert, ist davon besonders betroffen. Dennoch bin ich überzeugt, weltweit hat diese Technologie nach wie vor eine große Zukunft vor sich. Ich finde, Deutschland steht vor der Frage: Wollen wir hier weiter Mitspieler sein? Nicht zuletzt hat sich Bundesumweltminister Altmaier klar vor einigen Monaten auch hier in Thüringen, aber auch bei der letzten EEG-Novelle im Vermittlungsausschuss, als wir zusammensaßen, und auch presseöffentlich zur Solarbranche als Zukunftsbranche weltweit, aber eben auch für Deutschland, bei allen gegenwärtigen Schwierigkeiten bekannt. Auch das müssen wir letztlich im Gespräch mit der Bundesregierung einfordern. Auch da brauchen wir Bekenntnisse. Da müssen wir miteinander sprechen, und das nicht nur mit einem Gewicht unserer Thüringer Betroffenheit, sondern wir haben am Montag die Ministerpräsidentenkonferenz der neuen Länder, die mitteldeutsche Ausrichtung, denn es ist genauso Sachsen-Anhalt betroffen. Da gab es im letzten Jahr schon die großen Einbrüche, auch bei uns, wenn ich an Schott-Solar denke, an andere, auch an Bosch-Solar hier in Erfurt. Das ist nicht so groß diskutiert worden, weil der Arbeitsmarkt damals aufnahmefähig war, um einige Hundert Mitarbeiter gerade aus diesen Firmen aufzunehmen. Aber diese Entwicklung war schon in vollem Gang und auch Sachsen, auch Brandenburg sind auf ihre Weise tangiert. Es gilt hier, auch gemeinsame Positionen zu formulieren.
Gemeinsame Positionen haben wir auch bezogen unter den 16 Ländern beim Energiegipfel am 2. November bei der Bundeskanzlerin und auch im März haben wir unsere Bereitschaft zu einer nationalen Ausbaustrategie für erneuerbare Energien noch einmal bekräftigt. Es war ein engagiertes Ringen, wie wir mit schwierigen Fragen, auch der Bezahlbarkeit der Energiewende umgehen. Es sind Listen erstellt worden, was man tun kann, die sogenannte Strompreisbremse. Wir sind da nicht zur Einigung gekommen. Aber eins war klar zwischen Bund und Ländern von Anbeginn der Diskussion, die Photovoltaik hat ihren Anteil erbracht an Einschnitten mit dem letzten EEG, mit der letzten Novelle. Das ist bei all dem, was man weiter diskutieren muss und auch weiter diskutieren kann, ganz klar für alle Beteiligten gewesen, dass im Blick auf die künftigen Debatten die Photovoltaik ihren Anteil erbracht hat. Und wenn wir nach den Bundestagswahlen ein neues EEG mit der Novelle anfassen, wo man gründlich überarbeiten muss, wo auch Marktintegration gelingen muss, haben wir eine neue Aufgabe. Jetzt, das muss man sagen, brauchen wir Sicherheit, brauchen wir auch Sicherheit für Investoren, haben wir Bestandssicherung. Das haben wir miteinander zwischen Bund und Ländern verabredet, dass es dabei keine zusätzliche Verunsicherung gibt.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Wahrheit gehört auch, nur die Chancen aus Internationalisierung und Globalisierung allein gibt es nicht. Chancen und Risiken liegen immer nah beieinander und wir haben auch nicht die Wahl jetzt für eines der beiden. Die Risiken haben wir, die haben wir sowieso, aber umso wichtiger ist es auch, auf einen fairen Wettbewerb zu drängen. Und diesen fairen Wettbewerb, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, den hat es seit geraumer Zeit aufgrund der massiven Dumpingstrategie im Blick auf den chinesischen Markt, mit Blick auf die chinesischen Module nicht mehr gegeben. Deswegen war es nicht zuletzt die Thüringer Landesregierung, die schon vor zwei Jahren auf der Ministerpräsidentenkonferenz damals im Juni 2011, aber auch der Wirtschaftsminister in seinem Gremium und dort, wo wir unterwegs waren und gesagt haben, auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir bei Auslandsreisen aufgenommen haben - wir waren 2010 gemeinsam in Kanada, in Ontario -, ist Local Content, nicht für Deutschland, aber für Europa, europapassfähig ist wichtig. Es hat lange gedauert, bis die Klage im Blick auf das Antidumpingverfahren eingeleitet worden ist in Brüssel. Dort werden wir Anfang Juni ein Ergebnis erwarten können. Es ist doch klar, dass das Ergebnis von Brüssel auch Einfluss hat auf Optionen, auf Investorenverhalten und es ist ganz klar, dass Bosch davon ausgeht, dass wir Produktion aufrechterhalten müssen, bis diese Klärungsprozesse da sind, bis man wirklich belastbar
verhandeln kann. Da sind wir automatisch im Herbst mit all dem, was da weiter besprochen werden muss, was dann aber auch sorgfältig abgewogen werden muss, denn eins kommt für uns, für die Belegschaft, für den Betriebsrat, die Gewerkschaften auf keinen Fall infrage, aber auch die Geschäftsführung hat uns das versichert: Es kann hier nicht um „Ramschverkäufe“ gehen, nein, es muss werthaltig, es muss im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Perspektive auch im Verkaufsfall gefunden werden, belastbar, dass wir nicht ein halbes Jahr später oder ein Jahr später wieder vor dem Desaster stehen.
Also all das muss sorgfältig miteinander besprochen werden. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es wichtig, in diesem ganzen Prozess das Zeichen der Thüringer Landesregierung in aller Geschlossenheit, aber auch des Thüringer Landtags für die Betroffenen von Bosch Solar Energy hier von diesem Hohen Haus aus zu senden. Ich bin den Fraktionen dankbar, dass versucht worden ist, eine Einigung zu erzielen. Es hat leider nicht geklappt mit allen fünf Fraktionen, aber immerhin mit drei Fraktionen und zwei weiteren Anträgen im Haus hier, dass dies im Haus hier vorliegt und wir auch als Landesregierung uns selbstverständlich dazu positionieren. Mit dem gemeinsamen Antrag der drei Fraktionen - CDU, DIE LINKE und SPD - setzt der Landtag ein klares Zeichen auch für diese parteiübergreifende Gemeinsamkeit
und die brauchen wir auch. Das heißt ganz klar, Solidarität der Politik über Parteigrenzen hinweg mit den Beschäftigten und deren Familien, für einen Appell an Bosch auch von diesem Hohen Hause aus als traditionsreiches Unternehmen mit großer sozialer Verantwortung, den Produktionsstandort Arnstadt zu erhalten. Ich begrüße ausdrücklich und selbstverständlich trägt die Landesregierung diesen Antrag vollumfänglich in all seinen einzelnen Punkten nicht nur mit, sondern wird auch für die Realisierung, für die Umsetzung sorgen mit all dem, was uns dazu zur Verfügung steht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wie bereits berichtet, führen wir derzeit intensive, konstruktive, kontinuierliche Gespräche mit allen Beteiligten. Ich warne allerdings auch davor, dass die Krise am Standort Arnstadt zu so etwas wie einem Wettlauf der politischen Akteure führen könnte. Das ist nicht sachgerecht, ausdrücklich nicht.
Es geht um solide, belastbare und auch neben den großen Botschaften sehr kleinteilige Arbeit im Sinne des Standortes, im Sinne der Betroffen. Dazu wünsche ich mir einfach die Solidarität, die Seriosität
und auch die Sachkunde. Dazu gehört, dass wir auch die Rahmenbedingungen für die Solarindustrie und für die Industrien insgesamt im Auge behalten müssen. Das heißt, noch einmal gegenzusteuern bei unfairem Wettbewerb. Deswegen unterstützen wir als Landesregierung nicht nur die AntiDumping-Klage der europäischen Solarindustrie ausdrücklich, sondern ich habe mich erneut noch einmal an die Bundeskanzlerin gewandt, um möglicherweise sogar noch für ein beschleunigtes Verfahren zu sorgen. Auf keinen Fall kann es weiter hinausgezögert werden. Wir brauchen hier Klarheit. Die gibt es auch in anderen Branchen, also hier entsprechend tätig zu werden. Wie gesagt, am Montag mit der Ministerpräsidentenkonferenz der ostdeutschen Länder und speziell mit der mitteldeutschen Betroffenheit geht es auch darum, den ost- und mitteldeutschen Industriedialog, der sehr zu Recht im Antrag steht, in Gang zu setzen, um hier ein noch stärkeres Signal, was über die Betroffenheit eines einzelnen Landes hinausgeht, zu setzen.
Es geht also um ein sichtbares Zeichen am heutigen Tag für die Solidarität der Politik mit den Beschäftigten und für den Erhalt des Standorts Arnstadt zu setzen, um der mitteldeutschen Solarindustrie eine Zukunft zu sichern. Ich bitte Sie um Zustimmung zum Antrag der drei Fraktionen CDU, DIE LINKE, SPD und ein starkes, ein eindeutiges Votum, das sage ich an alle hier im Hohen Haus, es stärkt letztlich auch die Verhandlungsposition, die wir als Landesregierung in diesem Prozess in intensiven weiteren Gesprächen einnehmen. Deswegen im Sinne der Betroffenen, im Sinne der Beteiligten dieses Signal heute im Hohen Haus zu setzen, ist ein gutes, ein wichtiges, ein richtiges Zeichen. Herzlichen Dank.
Vielen herzlichen Dank, Frau Ministerpräsidentin, für Ihren Bericht. Ich eröffne nunmehr die Aussprache und damit gleichzeitig die Aussprache zum Bericht der Landesregierung und darf den Fraktionen damit den Hinweis geben, dass sich die Redezeit für alle Fraktionen verdoppelt. Als Erster in der Aussprache zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Bodo Ramelow für die Fraktion DIE LINKE.
Werte Kolleginnen und Kollegen, in der Plenarsitzung vor einem Monat kam in der laufenden Plenarsitzung die schockierende Meldung, dass der Bosch-Konzern entschieden habe, dass der Standort Arnstadt aus dem Portfolio des Unternehmens aufgegeben werden soll. Ich bin dem Hohen Haus dankbar, dass am Freitag eine einhellige Überweisung unseres Antrags an den Wirtschaftsaus
schuss die Möglichkeit sofort gegeben hat, ein Signal hier aus dem Parlament zu senden, um deutlich zu machen, dass diese schockierende Nachricht in der Politik zu Reaktionen führt,
dass man nicht einfach die Leute alleinlässt mit der Information, dass das, woran sie geglaubt haben und worauf sie gehofft haben, auf einmal mit einem Federstrich aus der Welt geschafft wird. Bei allem Inhaltlichen, Frau Ministerpräsidentin, was ich teile, habe ich auf die Rolle des Konzerns und der Konzernführung eine andere Sicht. Ich habe das Gefühl, dass dieser mitbestimmungsfreie Konzern Bosch, weil Mitbestimmung ist für mich auf der Konzernebene, wo im Sinne von 300.000 Menschen gemeinschaftlich zwischen den Arbeitnehmervertretern und den Kapitalvertretern solche Entscheidungen vordebattiert werden und auch erörtert werden, so etwas gibt es im Bosch-Konzern nicht. Bei aller Achtung der Wertmaßstäbe, die Bosch bisher gelebt hat, die in der Ehrentafel von Bosch festgehalten sind, die hat man nur in Arnstadt zwischenzeitlich schon entfernt, damit niemand mehr darauf guckt, was Bosch für eine Lebensphilosophie für seinen Konzern geprägt hat. Das war das Erste, was man entfernt hat.
(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Hängt aber inzwischen wieder.)
Jetzt hängt es wieder da. Na schön, aber erst nachdem in der Zeitung stand, dass es seltsam ist, dass diese Tafel verschwunden ist. Deswegen glaube ich, dass man auch ansprechen muss hier im Hohen Haus, dass ein Konzern, der mit einer Stiftungskonstruktion - nein, danke.
Sie dürfen mich fragen und ich sage, ich werde meine Gedanken jetzt zu Ende äußern. Und nachdem ich den Antrag der FDP gelesen habe, bin ich innerlich so empört, dass ich von der FDP zu diesen Fragestellungen wirklich keine Zwischenfrage erlaube.
Das muss ich einfach erklären, da steht drin, der Marschaktionismus wie der „Marsch nach Arnstadt“ wird hier kritisiert und angegriffen. Offenkundig hat die FDP noch nie gehört, wie eine Betriebsversammlung funktioniert
und wie sich Belegschaften wehren, wenn sie in ihrer Existenz bedroht werden. Dass es ein durchaus legitimes Mittel ist, sich seiner Haut und seines Arbeitsplatzes zu wehren, ist dieser neoliberalen Partei völlig egal.
Aber das ist ja klar, wer jahrzehntelang den Mindestlohn im Frisörgewerbe unterminiert und dann auf einmal sich versucht, so billig aus der Affäre zu ziehen, von dem kann ich nur sagen, es ist blanker Marktzynismus, den Herr Kemmerich hier noch für die FDP unterschrieben hat. Ich kann nur sagen, Sie haben das Werk längst aufgegeben. Ihnen geht es weder um den Standort, Ihnen geht es schon gar nicht um die Menschen. Das ist das, was mich daran so empört, dass offenkundig nicht einmal die Mindestkenntnisse bei der FDP vorhanden sind, dass die Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers seinen Schutzwert ausmacht. Und wenn die Betriebszugehörigkeit zerstört wird, kann er immer wieder als Klinkenputzer von vorn anfangen. Aber das ist Ihnen doch völlig wurst, weil sie die Menschen zu Lohnsklaven am liebsten machen würden, am besten für 3,28 €.
Das ist wirklich neoliberaler Mist, Herr Barth und Herr Kemmerich, da kann ich wirklich nur sagen, „Marsch nach Arnstadt“ oder eine „Arnstädter Erklärung“ sei auf dem Rücken der Betroffenen - wenn die Betroffenen selber das Werk verlassen, dann sagen Sie, Herr Barth, das sei auf dem Rücken der Belegschaft. Es war die Belegschaft selber.