Protocol of the Session on February 15, 2013

Wir sind Rechtsnachfolger, aber Sie sind Handlungsnachfolger, das ist ein Unterschied. Als Rechtsnachfolger bekennen wir uns ja.

Wenn Sie das aber nicht machen sollten, wenn Sie also Ihrer Bringepflicht nicht nachkommen und Arbeitsverweigerung betreiben, dann darf ich schon einmal ankündigen, dass wir Sie dann wieder mit einem Vorschaltgesetz konfrontieren werden, und Sie werden irgendwann nicht umhinkommen, sich dieser Diskussion zu stellen. Möglicherweise können Sie sich noch einmal bis 2014 retten, aber der Wähler wird dann ganz genau entscheiden, ob das der richtige Weg ist. Ich bin da sehr optimistisch, dass eine solche Politik des Festhaltens an alternden Strukturen keinesfalls mehrheitsfähig in diesem Land ist. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen herzlichen Dank, Herr Kuschel. Bevor wir in der Debatte fortfahren, würde ich gern das weitere Verfahren klären. Es ist jetzt 14.10 Uhr. Eigentlich war festgelegt, dass es zwischen 13.00 und 14.00 Uhr eine Mittagspause gibt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir würden jetzt seitens des Präsidiums vorschlagen, mit der Debatte fortzufahren, im Anschluss eine halbe Stunde Pause zu machen und danach die Fragestunde anzuschließen. Wenn sich jetzt allerdings Widerspruch dagegen erhebt, dann würde ich das abstimmen lassen. Wenn es keinen Widerspruch gibt, dann würden wir in der Debatte fortfahren. Als Nächster hat jetzt das Wort Abgeordneter Hey für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Besucher auf der Tribüne - das ist sehr vereinzelt -, liebe Leute am LiveStream, „Echte Transparenz herstellen“ und dann steht „Gutachten zur Funktional- und Gebietsreform bewerten und Transformationsprozess einleiten“. Liebe Bündnisgrüne, lieber Herr Meyer, man hätte auch sagen können „Gutachten auswerten und Ergebnisse umsetzen“, aber „Transformationsprozess“, das ist schon einmal etwas für Feingeister.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: So sind wir.)

So sind Sie, genau. Der Antrag selbst, er ist nicht überflüssig, will ich gleich sagen, aber man muss ihm auch nicht zustimmen.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aber man kann.)

Ich will Ihnen gleich erklären, warum das so ist, warum ich mich dennoch gefreut habe, dass wir heute über dieses Thema sprechen, wir aber dem Antrag nicht zustimmen werden. Zunächst, das Gutachten ist ja nun da, wir haben lange genug darauf gewartet. Seit es da ist - der eine oder andere Vorredner hat ja bereits darauf abgestellt -, ist die Aufregung im Lande natürlich sehr groß. Ich habe das ja auch vernommen mit diesen Landräten, der eine im Eichsfeld, der nach Niedersachsen gern wechseln würde, hat er gesagt.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Er hat so getan.)

Ich habe zweimal lesen müssen und mich gefragt, ob er etwas in der Stracke hatte. Dann gab es südliche Landkreise, die gesagt haben, sie wollen lieber nach Bayern gehen. Ich möchte in dieser Situation …

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Nach Franken.)

Franken ist ein Teil von Bayern, das ist schon richtig.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Noch, Herr Hey, noch.)

Ich will beiden sagen, die Strukturen in den jeweiligen Bundesländern, in die man beabsichtigt im Falle einer drohenden Kreis- und Gebietsreform zu wechseln, die Strukturen in diesen Nachbarländern sollte man sich, bevor man so etwas sagt, schon einmal sehr genau anschauen,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil das Bundesländer sind, die Strukturen haben in ihrer kommunalen Form, die sind bereits da, wo wir eigentlich schon längst hätten stehen müssen, wo wir auch noch hinmüssen,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die leben schon in Kreisen, die - wird ja immer mal so kolportiert - Monsterkreise sind. Im Übrigen, und das ist eine ganz interessante Geschichte, zwei der Landkreise hier hin Thüringen südlich wollen nach Bayern wechseln oder nach Franken - aus meiner Sicht heraus zumindest territorial gegliedert nach Bayern -, also in ein Bundesland - das finde ich ja hoch spannend -, das im Moment dagegen klagt, weil es angeblich zu viel Geld auch nach Thüringen gibt. Da wünsche ich jetzt schon einmal eine gute Reise mit allen Halten auf den Unterwegsbahnhöfen.

(Beifall SPD)

Das Gutachten - das haben wir ja nun mittlerweile auch gemerkt - führt auch hier innerhalb des Ple

(Abg. Kuschel)

narsaales zu einer sehr lebhaften Debatte. Das ist auch gut so und auch deswegen bin ich ja den Bündnisgrünen dankbar, dass wir heute über dieses Thema sprechen können. Ich nehme mich, was zum Teil einzelne Punkte in diesem Gutachten betrifft, die man kritisch betrachten kann, auch nicht aus. Es ist so - Herr Fiedler hat es vorhin auch schon mal betont -, als Abgeordnete haben wir das Recht, hier im Hause unsere Meinung frei zu äußern. Das ist ein sehr hohes Gut, von dem ich nicht immer unbedingt exzessiv und sehr viel hier vorn am Pult Gebrauch gemacht habe. Das liegt manchmal daran, der eine oder andere, der in der Position sitzt, kann sich das so vorstellen, man hat manchmal so ein bisschen Koalitionsräson. Manchmal vertritt man hier Dinge, wo man vielleicht ein bisschen verquer mit der Fraktion liegt oder vielleicht auch ein bisschen eine andere Meinung hat als die eigene Partei. Trotzdem vertritt man das hier vorn mit am Pult. Das wird jeder Kollege, jede Kollegin hier in diesem Hause kennen. Wenn es aber so ist, dass ich von meinem Recht auf Meinungsfreiheit, freie Meinungsäußerung, hier Gebrauch machen kann, möchte ich es heute sehr gern einmal tun und meinem Herzen Luft machen. Deswegen - und Herr Fiedler hat es schon getan - möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal herzliche Grüße an diese Ortschaft östlich von Erfurt gelegen, in der Goethe und Schiller mal eine zeitlang lebten - ich vergesse manchmal den Namen, weil ich mir nur wichtige Orte hier in Thüringen merke -, senden

(Beifall SPD)

an einen der Gutachter, der dort lebt. Er steht im Übrigen - Herr Fiedler hat es schon gesagt - einer Einrichtung vor, die nennt sich Thüringer Verwaltungsschule. Es gibt schon - und da bin ich Herrn Fiedler sehr dankbar - ganz eigenartige Zufälle in diesem Gutachten, die mich auch umtreiben.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Denk an dei- nen Blutdruck.)

Wenn es um Bildungs- und Fortbildungseinrichtungen geht - Herr Fiedler hat vorhin auf die Polizei abgestellt und hat gesagt, die SPD kann es gern im Fortbildungs- oder Lehrerbereich tun, dann tue ich das jetzt mal -, können Sie dieses Gutachten nehmen und mit Erstaunen feststellen, ganze Fachschulen sollen abgewickelt oder kommunalisiert werden, was fast auf dasselbe herauskommt. Die Steuerfachausbildung und die Finanzausbildung brauchen wir auch nicht mehr in Thüringen. Da können wir die Leute nach Rotenburg schicken, steht hier in diesem Gutachten. Zufällig soll - rein zufällig - eine Verwaltungsfachausbildungseinrichtung geschlossen werden, die in etwa in das Portfolio dieser Thüringer Verwaltungsschule in Weimar jetzt fällt es mir wieder ein, Weimar hieß dieser Ort - hineinpassen würde. Unsere Polizeiausbildung

soll auch nicht mehr in Meiningen passieren, meine sehr geehrten Damen und Herren, die können alle nach Aschersleben fahren, lese ich darin.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da muss ich erst einmal klopfen, warte mal einen Mo- ment.)

Ich sage Ihnen - ich warte, bis Herr Fiedler geklopft hat -,

(Beifall Abg. Fiedler, CDU)

was wäre das für ein Armutszeugnis für dieses Land, wenn wir junge Menschen, die einmal für dieses Bundesland gewonnen werden sollen, die hier ein Leben lang arbeiten sollen, die auch gut davon leben sollen, die möglichst ihre Familien hier gründen sollen, mit möglichst vielen Kindern - wir reden immer über den demografischen Faktor -, wenn wir es nicht mal schaffen, diese Leute hier in unserem Bundesland auszubilden, sondern sie in andere und Nachbarländer schicken?

(Beifall CDU, SPD)

Was wäre das für ein Armutszeugnis! Ich sage Ihnen auch, die Wahrscheinlichkeit - nehmen wir mal zum Beispiel die Steuer- und die Finanzfachausbildung hier in Thüringen, wenn die nach Rotenburg übergeht - ist relativ groß, dass der eine oder andere von diesen jungen Leuten sich überlegt, ob er nach Thüringen zurückgeht. Ich sage Ihnen auch, die Wahrscheinlichkeit von Vätern und Müttern, die ihre Kinder statt nach Meiningen erst mal viereinhalb Autostunden nach Aschersleben schicken, die ist auch sehr groß, dass die sich das vielleicht anders überlegen. Als würde Sachsen-Anhalt, meine sehr geehrten Damen und Herren, eigentlich überhaupt jemals auf die Idee gekommen sein, die Polizisten hier in Thüringen auszubilden, das ist doch hanebüchen.

(Beifall CDU, SPD)

Aber es geht, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch weiter mit den Zufällen. Eine der ganz wenigen Einrichtungen - ich bin Herrn Fiedler sehr dankbar, dass er das gesagt hat - in diesem Gutachten, die wirklich gut arbeitet, das ist ganz zufällig die Thüringer Verwaltungsschule in Weimar. Die hat eine Daseinsberechtigung, da ist alles wunderbar. Die braucht im Übrigen - so steht es drin - auch etwas mehr Personal. Während überall in allen Verwaltungseinrichtungen die Lehrer abgebaut werden sollen und die Fortbildungseinrichtungen geschlossen werden sollen, diese TVS braucht ein bisschen mehr Personal - steht drin -. In dem Passus ist auch noch das hübsche Wort von der „Berufsakademie“ mit drin.

(Beifall SPD)

Da muss ich Ihnen ehrlich sagen, da bluten einem die Hosenträger.

(Heiterkeit und Beifall SPD)

Wir reden in diesem Gutachten, meine sehr geehrten Damen und Herren, rein zufällig auch nicht darüber, dass diese Thüringer Verwaltungsschule in einem angemieteten Objekt liegt, für das der Freistaat jährlich mehr als 100.000 € an Miete zahlt. Wir reden in diesem Gutachten vielmehr darüber, dass ein Stück weit entfernt landeseigene Liegenschaften abgewickelt, geschlossen werden sollen, wo eben auch möglich wäre, diese Ausbildung dort zu vollziehen. Ich sage mit freundlichem Gruß noch einmal nach Weimar, mein lieber Herr Gutachter, da ist der Bogen wirklich überspannt worden.

(Beifall CDU, SPD)

Das muss ich hier auch mal sagen dürfen, das war jetzt auch sehr schön für mich.

(Heiterkeit im Hause)

Sie sehen also, meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann sich über dieses Gutachten trefflich streiten, aber dazu muss man sich auch intensiv mit dem Gutachten auseinandersetzen. Dabei geht eines nicht, dass man schon zum Teil vor dem Erscheinen des Gutachtens entscheiden will, was man denn aus dem Gutachten überhaupt diskutiert und was nicht. Sie kennen diese Diskussion. Es gibt einige, die sagen, man sollte nur eine Funktionalreform anstreben, andere sagen, nein, das reicht nicht, da müssen wir auch eine Gebietsreform mit dazu machen.

(Beifall Abg. Kuschel, DIE LINKE)

Ich bin da ganz pragmatisch, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich nehme das Gutachten einfach mal zur Hand, Sie sehen es ja alle hier, und lese mal, was vorn auf dem blauen Einband steht. Da steht: „Bericht der Expertenkommission Funktionalund Gebietsreform“, da steht nicht nur Bericht der Expertenkommission Funktional- - das wäre auch semantisch vollkommener Blödsinn. Wir müssen den Titel, wenn ich die Hand wegnehme, schon mal in der Sachgesamtheit sehen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Aber die Anzahl der Seiten nicht vergessen.)

Ich komme dann noch dazu. Die Landesregierung und schlussendlich wir müssen uns mit diesen beiden entscheidenden Kriterien, der Funktional- und der Gebietsreform auch wirklich auseinandersetzen.

Herr Fiedler, ich habe es zumindest aus Ihrer Rede so herauslesen können, Sie haben zwar abgestellt, 200 und noch etwas mehr Seiten, haben Sie gesagt, sind mit den Funktionalteilen beschäftigt und