Protocol of the Session on December 14, 2012

Noch einmal dazu, warum es im NSU-Ausschuss nicht aufgehoben worden ist. Wir haben einen ganz anderen Auftrag. Wir untersuchen eine grauenhafte Mordserie von zehn Morden, bei denen die Täter in Thüringen groß geworden sind, aufgewachsen sind und sich radikalisiert haben. Was wäre das für ein Signal gegenüber einer immer noch auf Aufklärung wartenden Öffentlichkeit und den Familien und den Angehörigen, wenn wir sagen, jetzt machen wir da mal eine kleine Pause und schieben mal hier unsere Abgeordnetenangelegenheiten dazwischen. Das geht überhaupt nicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es stimmt ja auch nicht - das wünschen Sie sich vielleicht, vielleicht würde ich mir das ja auch gern wünschen -, dass wir jetzt hier eine Angelegenheit haben, deren mögliche Fehler sich auf den Verfassungsschutz begrenzen, und dann kommt Herr Barth und sagt, wir haben noch einen Verfassungsschutzkontrollausschuss, das ist der NSU-Ausschuss. Darum geht es hier nicht. Hier geht es nicht um irgendeine Panne eines Verfassungsschutzes, der für sich selber irgendwas gemacht hat, wo man hinterher draufschaut und sagt igitt, sondern hier geht es um einen V-Mann und das ist bereits jetzt schon unstreitig, dessen Anwerbung schon so brisant war, dass da schon Regierungsstellen eingeschaltet und informiert worden sind, und dann gab es diesen V-Mann und dann wussten diese eingeschalteten Regierungsstellen, dass es diesen VMann gibt und auch wie der mit Klarnamen heißt, und dann begeht dieser V-Mann Zersetzungsaktionen und auch das wird berichtet und wird öffentlich

(Abg. Fiedler)

in der Zeit, wo dieser V-Mann V-Mann ist. Dann müssen doch die politisch Verantwortlichen, die davon wissen, dass dieser V-Mann ein V-Mann ist und wie er heißt und was er gerade macht, spätestens in dieser Sekunde sagen, jetzt kann der nicht mehr V-Mann sein. Das ist nicht passiert, und dass das nicht passiert ist, da stellt sich dann die Frage nicht nur nach einem Behördenversagen, nach dem wir im NSU-Ausschuss schauen, sondern auch nach einem Regierungsversagen bzw. nach einer Regierungsverantwortung,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nämlich ob die Regierung einen Verfassungsschutz instrumentalisiert hat, um die Opposition auszuforschen und zu zersetzen, und das berührt Grundfragen unseres parlamentarischen Selbstverständnisses als Abgeordnete und da, muss ich sagen, habe ich überhaupt kein Verständnis. Ich bin geradezu enttäuscht, wenn dann ein Kollege aus diesem Haus hier vorne steht und sagt, na ja, warten wir erst mal ab, wir haben so viel zu tun, schauen wir mal. Also wenn wir uns das gefallen lassen, dann brauchen wir hier eigentlich gar nicht mehr antreten. Das sind wir, sagen wir mal, unserer eigenen Selbstachtung schuldig, aber auch der NSU-Aufklärung, dass wir das nicht da mit unterjubeln.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Abgeordneter Ramelow von der Fraktion DIE LINKE hat noch einmal um das Wort gebeten.

Sehr geehrter Herr Kollege Barth, ich versichere Ihnen von hier vorn, wenn nur ein einziger Ihrer Abgeordneten so betroffen gewesen wäre, wie drei meiner Abgeordnetenkollegen betroffen waren, würde ich genauso einen Untersuchungsausschuss zu diesem Zeitpunkt auf den Weg bringen, denn das perfide an der Methode, wenn Sie uns das jetzt vorhalten, dass wir es ins Parlament holen, dass die ganze Inszenierung nur dazu da wäre, dass wir es ins Parlament holen, das weise ich zurück - die Aussage, dass es darum ginge.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wollte Sie wirklich bitten, noch einmal darüber nachzudenken, denn drei Kollegen aus meiner Fraktion, Egon Primas und Birgit Pelke mussten das aushalten, monatelang aushalten. Niemand wäre auf die Idee gekommen zu diesem Zeitpunkt, dass derjenige, der so agiert hat, ein bezahlter Spitzel des Landesamtes für Verfassungsschutz ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wissen wir erst seit der Selbstenttarnung von diesem Herrn. Und jetzt will ich Ihnen auch versichern, dieser Herr interessiert mich überhaupt nicht. Der ist nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses. Der ist benutzt worden und hat sich benutzen lassen. Er hat sich angedient. Er hat sich angeschmiert. Er ist ein Drei-Groschen-Junge. Er ist ein Nazi. Er ist ein Sonstwas. Aber um ihn geht es nicht. Es geht um diejenigen, die Beamte sind, die beamtenrechtlich auf diesen Staat eine Verpflichtung eingegangen sind und die Wissen und Kenntnisse davon hatten, dass dieser Drei-Groschen-Junge so agiert, wie er agiert hat.

(Beifall SPD)

Das Perfide hat der seinem V-Mann-Führer ins Protokoll diktiert, nämlich dass die Aktionen so angelegt werden gegen den Kollegen Kuschel, dass es 2009 erst enttarnt werden soll. So lange soll der Spitzel, der Akteur, der Agent provocateur über die Jusos - dort hat er demonstriert gegen Nazis und mit dem Nimbus, er sei ein Juso, der sich jetzt bei den Jusos nicht mehr wohlfühlt, der jetzt zur LINKEN übergelaufen wäre. In Wirklichkeit ist das ein Nazi und das Amt notiert das alles. Sie finden die Dokumente an der Stelle, die Sie richtig angegeben haben, nämlich unter dem Stichwort im NSU-Untersuchungsausschuss. Herr Geibert hat mich darauf aufmerksam gemacht. Es ist nicht so, dass der Innenminister und ich nicht über diese Fragen intensiv reden würden. Wir reden darüber. Aber in der Frage, wie ich das in die öffentliche Parlamentsarbeit bekomme, und zwar wirklich in die öffentliche Parlamentsarbeit … Sie meinen, es soll alles in den öffentlichen Dreck gezogen werden. Nein, die Kollegen sind durch den Dreck gezogen worden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da hätte ich Schutz erwartet von dem Verfassungsorgan Regierung und von Beamten, die sich vor das Parlament hätten stellen müssen. Deswegen geht es nicht darum, irgendeine Institution jetzt öffentlich in den Schmutz zu treten, sondern es geht darum, da hat Kollege Fiedler recht, wir kriechen auf dem Zahnfleisch. Das stimmt für alle, die hier sitzen. Da nehme ich alle mit hinein und sage nicht, die einen mehr, die anderen weniger. Vor dem NSU-Untersuchungsausschuss habe ich eine große Hochachtung vor der Arbeitsleistung, die zusätzlich dort gestemmt worden ist; dieser NSU-Untersuchungsausschuss hat etwas mit den zehn Morden aufzuklären, mit den Ungeheuerlichkeiten, in die Sicherheitsarchitektur verstrickt ist. Aber der Aufklärungstatbestand, den hat Kollegin Marx hier richtig beschrieben und der ist nicht zu verwechseln mit dem, was hier zum Beispiel am 22. Januar 2007 stattgefunden hat. Da informiert

(Abg. Marx)

der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Herr Sippel, den zuständigen Innenminister Karl-Heinz Gasser von der Anwerbung von einer Person, die zu diesem Zeitpunkt schon seit mehreren Monaten Geld vom Amt bekommt. Und jetzt soll er angeworben werden und vor der Dienstverpflichtung informiert der Präsident den Minister. Der Minister hätte nur in sein eigenes Gutachten schauen müssen, nämlich in den Gasser-Bericht. Da steht drin, dass solche Typen nicht angeworben werden dürfen. Die Frage: Warum ist er angeworben worden? Da stellt sich die Frage, auf die die GRÜNEN hingewiesen haben. Der Abteilungsleiter für Fachund Rechtsaufsicht, Herr Rieder, war anwesend. Die Frage, hätte er remonstrieren müssen oder nicht, die ist streitig zwischen Herrn Geibert und mir. Wir diskutieren darüber, weil ich sage, er hätte remonstrieren müssen. Er hätte sagen müssen, ich mache das nicht mit. Das aufzuklären, bekomme ich aber in der Parl.KK zumindest für uns als Fraktion nicht hin. Ich weiß, dass die Parl.KK die Fragen hat. Jetzt kommt ein Punkt: Kollege Fiedler hat immer gesagt, die Fraktionsvorsitzenden dürften ja informiert werden. Als ich das hier vorne einmal gesagt habe, bin ich von der Landtagsverwaltung ermahnt worden, das nicht mehr zu sagen, weil ich mich damit in strafrechtlich problematische Felder begebe. Das heißt, wenn mich mein Parl.KK-Mitglied über die Fragen informiert, ist die Frage, ob er schon einen Vertrauensbruch begangen hat oder nicht. Das heißt, wenn wir nachgehen wollen, was mit den fünf Kollegen hier passiert ist, nützt mir im parlamentarischen Raum die Parl.KK nichts, weil die Parl.KK kontrolliert, ob die verfassungsgemäß arbeiten. Da habe ich keinen Zweifel am Kollegen Fiedler und seinen Mitstreitern in der Parl.KK, dass da die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Das Gutachten, Kollege Fiedler, wenn es in vier Wochen fertig ist, dann ist es passend zur Arbeit des Untersuchungsausschusses da, denn heute beschließen wir die Einsetzung. Das Prozedere beschließen wir doch erst in der nächsten Sitzung. Das heißt, wir haben doch die nächsten vier Wochen auch noch Zeit, um Vorläufe zu schaffen, Akten zu sortieren, Hintergründe noch mal zu durchleuchten.

Aber, Herr Barth, dass Sie wissen, dass wir nichts geklärt hätten, dass wir in der Parl.KK nichts gefragt hätten - woher wollen Sie es denn wissen? Sie können mit mir nicht mal darüber reden, weil ich Ihnen nicht antworten darf. Ich habe zwar Kenntnisse davon, aber sagen darf ich sie nicht. Das heißt, wenn ich die Kollegen Parlamentarier öffentlich schützen wollte, würde ich gegen meine Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Was im Innenausschuss ist, ist bei Ihnen wohl offenkundig nicht durchgedrungen, was die Kollegen dort gemacht haben. Der Innenausschuss hat sich damit beschäftigt. Dort ist nämlich eine Ausführung gemacht worden, die ich immer wieder öffentlich zitiere. Nur in die

Dokumente reinnehmen darf ich sie nicht. Deswegen gehören sie in den Untersuchungsausschuss und sie gehören zum Untersuchungsgegenstand.

Eines will ich noch sagen, warum es tatsächlich mit dem NSU-Untersuchungsausschuss auch nichts zu tun hat. Die Fragen, warum ein Verein Pro Kid gegründet wurde, warum ein Verein notleidender Väter gegründet wurde, warum der eine Verein Gemeinnützigkeitsanerkennung und Fördergelder bekommen hat und der andere Verein bei Gericht sogar anerkannt worden ist, dass Verurteilte ihre Sozialstunden in einem solchen Verein ableisten, wirft noch mal ein paar andere Fragen auf, nämlich noch an ein paar mehr Institutionen. Deswegen reicht es mir nicht, nur einfach Herrn Rieder zu betrachten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da möchte ich schon mal wissen, wer alles mit an der Geschichte gebastelt, geschraubt und getan hat und wer weggeschaut und geschwiegen hat. Da ist für mich die Frage von jedem Beamten, und zwar egal ob er Staatsanwalt, ob er Richter, ob er im Registergericht oder an anderer Stelle steht, aber es dreht sich um einen sehr speziellen Thüringer Fall und eine sehr spezielle Entwicklung, die im Landesamt für Verfassungsschutz ihr Zentrum hat. Das aufzuklären ist Gegenstand dieses Untersuchungsausschusses und hat mit all den anderen Themen nichts zu tun.

Es gibt niemanden, der die Behauptung aufstellt das will ich ausdrücklich sagen -, dass die V-MannFührer ihn angewiesen hätten, das zu tun. Das behauptet er jetzt, um sich auf der Surfwelle der NPDVerbotsverfahren noch mal schön zu machen. Man gewährt ihm geradezu Aufmerksamkeit. Das gehört ihm gar nicht. Aber die Frage, was V-Mann-Führer alles aufgeschrieben haben, das muss hier erörtert werden, weil dazu Beamte nach ihrem beamtenrechtlichen Eid auch geradestehen müssen. Das sind ein paar Fragen mehr als einfach nur, was hat dieser Typ da getrieben oder nicht getrieben, sondern was haben alle die getrieben, die ihn haben treiben lassen. Da wird Schweigen und Mitwisserschaft zur Mittäterschaft. Das wollen wir im Untersuchungsausschuss im neuen Jahr kraftvoll angehen und unsere Zeit hoch konzentriert darauf verwenden, nur auf diesen Tatbestand der Aufklärung, wer hat wann was gewusst und wer hat wen informiert und wer ist nicht informiert worden. Dann bleibt die Frage, warum sind nur die einen informiert worden und die anderen nicht. Das müssen wir, denke ich, parlamentarisch sauber klären.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Abgeordneter Barth von der Fraktion der FDP hat nochmals um das Wort gebeten.

Vielen Dank, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Ramelow, die Aufmerksamkeit, die diesem Mann nach Ihren eigenen Worten nicht gebührt, die verschaffen wir ihm mit diesem Untersuchungsausschuss nicht nur, wir verstetigen sie auch.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie haben es immer noch nicht verstanden.)

(Unruhe DIE LINKE)

In dem Antrag, den Sie gestellt haben, steht beim Untersuchungsgegenstand in sieben Punkten nicht weniger als sechsmal der Name dieses Herrn. Da wollen Sie mir und uns erzählen, es ginge nicht um den Mann? Sechsmal steht der Name hier drin. Ich habe Ihnen vorhin gesagt, Punkt 1: Dass die Dinge aufgeklärt werden müssen, das ist völlig unstrittig. Wenn das Landesamt für Verfassungsschutz oder das Innenministerium insbesondere auch mit zweierlei Maß an die Frage herangeht, welche Abgeordneten informiere ich vielleicht und welche vielleicht nicht, das ist ein Punkt, der inakzeptabel ist. Das ist überhaupt gar keine Frage.

(Beifall CDU, FDP)

Aber noch mal, Frau Kollegin Marx, Sie sind die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, aus dessen Untersuchungsauftrag ich vorhin zitiert habe: „... in welchem Umfang Thüringer Sicherheitsund Justizbehörden und die mit Ihnen zusammenarbeitenden Personen... sowie die zuständigen Ministerien die ihnen gesetzlich übertragenen Befugnisse überschritten haben...“, Fehler gemacht haben. Ihr Untersuchungsausschuss, Frau Kollegin Marx, von Ihnen als Vorsitzende hätte ich erwartet, dass Sie selbstbewusst hier vorgehen und sagen, jawohl, das ist genau unsere Aufgabe, das zu klären, Aufgabe meines Ausschusses. Sie sind nicht in der Lage, mit der Zeit, die für den Untersuchungsausschuss von Anfang eingeplant war, auch nur ansatzweise klarzukommen.

(Unruhe SPD)

Es gibt zusätzliche Zeiten, es wird jetzt einen zusätzlichen Tag offenbar geben, es gibt Sondersitzungen, es gibt ergänzende Sitzungen, zusätzliche Sitzungen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist eine Frechheit.)

Sie sind nicht in der Lage, diesen Ausschuss einigermaßen effektiv zu führen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist so, ich weiß ja, ich habe in meinem ersten Beitrag ausdrücklich nicht auf die Zeitproblematik hingewiesen, aber Kollege Fiedler hat es angesprochen.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Das gibt es doch nicht.)

Herr Barth, ich würde Sie bitten, noch mal auf den Tagesordnungspunkt zu sehen. Es geht um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Richtig, Herr Präsident.

Und nicht um eine eventuelle Kritik an anderen Ausschüssen, die existieren. Ich bitte darum, dass wir uns ein bisschen am Thema orientieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank für den Hinweis, Herr Präsident. Ich versuche, klarzumachen, dass der existierende Ausschuss genau den Auftrag hat, die Dinge aufzuklären, die inhaltlich zu Recht moniert werden,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

das will ich nur ausdrücklich unterstreichen, aber nicht in einen Extra-Untersuchungsausschuss gehören, der nichts weiter bewirken wird, als einem Herrn, dem nach Worten des Antragstellers selbst eine öffentliche Aufmerksamkeit nicht gebührt, diese Aufmerksamkeit zu gewähren und sie zu verstetigen. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Nein.)

(Beifall FDP)