Durch Ihre bei der CDU erkämpfte Änderung verändert sich dieses Bild nicht, meine Damen und Herren der SPD. Sie wollen sicherstellen, Frau Holbe hat das ausführlich hier vorgelesen, dass Wohlfahrtsverbänden und Flüchtlingsorganisationen im Rahmen ihrer Betreuungs- und Beratungsarbeit Zugang zu den Gemeinschaftsunterkünften ermöglicht werden soll. Dass dies bereits in Artikel 14 Abs. 7 der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von den Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerberinnen in den Mitgliedstaaten geregelt ist, ist das eine. Das andere ist, dass Sie die Ermöglichung des Betretens der Gemeinschaftsunterkünfte auf die individuelle Beratung und Betreuung beschränken, das sich ohnehin aus dem bestehenden Grundrecht, jederzeit in seiner verfassungsrechtlich geschützten Wohnung Besuch empfangen zu dürfen, was auch für Flüchtlinge gilt, ergibt, dass Sie aber verweigern, dass dieses Besuchs- und Betretungsrecht auch als Kontrollfunktion für die zum Teil menschenunwürdigen Unterbringungssituationen genutzt werden kann. Nein, Frau Kanis, ein großer Wurf ist Ihnen hierbei nicht gelungen.
Um es ganz deutlich zu sagen, meine Damen und Herren der SPD, Sie halten an den bisher in Thüringen geltenden Unterbringungsstandards fest und diese sind miserabel.
Die mehrheitlich in Thüringen praktizierte Unterbringung von Flüchtlingen in einer Gemeinschaftsunterkunft bedeutet in der Regel, nicht nur erhebliche Einschränkungen in der Lebensqualität erdulden zu müssen, vielmehr sind durch diese besondere Form der Unterbringung wesentliche Einschränkungen des Grundrechts auf freie Persönlichkeitsentfaltung die Folge, nicht zu vergessen die sozialen und gesundheitlichen Folgen, insbesondere auch die entwicklungshemmenden Folgen und Einschränkungen für Kinder. Diese Folgen machen eine Abkehr vom bisherigen System der Unterbringung in Thüringen ganz dringend notwendig, meine Damen und Herren. Unstrittig wird der zeitlich sich verfestigende Anspruch auf eine vollwertige soziokulturelle Integration auch von Menschen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus durch die bisherige Unterbringungspraxis unterlaufen und Sie wollen das fortsetzen, meine Damen und Herren. Das Etikett, mit dem Sie diesen Zustand verdecken wollen, ist durchsichtig und es ist ausgefranst, meine Damen und Herren. Sie verstecken sich, das hat Frau Holbe gerade wieder gemacht, genau wie der Innenminister am Mittwoch im Innenausschuss hinter einer bundesgesetzlichen Regelung im Asylverfahrensgesetz, zitieren diese aber nicht einmal vollständig, Frau Holbe. Ich dachte, ich hätte da genug Nachhilfe gegeben.
Es gibt in § 53 Asylverfahrensgesetz eben nicht nur diesen einen Satz, sondern auch den Satz 2, den das Flüchtlingsaufnahmegesetz Thüringen verschweigt. An die Damen und Herren der SPD gerichtet
endlich mal wieder, Herr Innenausschussvorsitzender -, Sie verstecken sich hinter bundesgesetzlichen Regelungen, aber nur hier im Landtag. In Kreistagen argumentieren Sie ganz anders. Da benutzen Sie die Argumente des Flüchtlingsrats Thüringen beispielsweise, um im Kreistag die desolate Unterbringungssituation anzuprangern, beispielsweise im Kreistag Eichsfeld erst vor einer oder anderthalb Wochen. Wenn Ihnen dann dort ein CDULandrat verweigert, im Kreistag darüber reden zu wollen, dann machen Sie eine Pressekonferenz als Kreistagsfraktion der SPD im Eichsfeld, aber hier, nichts mit dieser Politik.
Hier verstecken Sie sich hinter Ihrem Koalitionspartner oder hinter Ihrer Frau Kanis oder hinter der Frau Holbe von der CDU.
Ich finde das ja auch, Herr Fiedler, aber wir sind über 20 Gute in unserer Fraktion und wir haben in dem Fall auch noch die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf unserer Seite,
Meine Damen und Herren, vielleicht wieder weg von gegenseitigen Schuldzuweisungen, sondern zum tatsächlich Inhaltlichen, auch wenn Ihnen das nicht gefällt, Herr Hey.
In der Sache des § 1 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes machen Sie auch einfach sachlich ganz nachvollziehbar falsche Politik, beispielsweise eben § 1 hinsichtlich des unterzubringenden Personen
kreises. Mit dem vorliegenden Flüchtlingsaufnahmegesetz wollen Sie den Landkreisen und kreisfreien Städten einen landesgesetzlich normierten Handlungsrahmen aufzeigen, der das Bundesgesetz, hinter dem Sie sich ja eigentlich verstecken, zum Nachteil der Flüchtlinge eben noch ganz drastisch einschränkt. Und wenn Sie mal inhaltlich mit uns diskutiert hätten im Innenausschuss, Herr Ausschussvorsitzender, dann hätte Ihnen das auch auffallen können.
In § 2 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes heißt es, die Landkreise und kreisfreien Städte sollen die in § 1 genannten Personen in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen. Im Asylverfahrensgesetz dagegen heißt es vollständig: „Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sollen in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden.“ Und nun der Satz, den Sie immer verschweigen: „Hierbei sind sowohl das öffentliche Interesse als auch die Belange des Ausländers zu berücksichtigen.“
Die Weglassung der Abwägungsklausel ist für jeden Nichtjuristen und jede Nichtjuristin einfach durchschaubar und die Folgen sind in Thüringen bekannt und die hätten Sie auch nachlesen können in einigen der Stellungnahmen im Anhörungsverfahren. Der Verweis auf die bundesgesetzliche Regelung geht vor allem auch fehl, weil das Asylverfahrensgesetz eine Vorschrift zur Unterbringung einzig und allein für Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben - also Flüchtlinge mit einer Aufenthaltsgestattung - trifft. In § 1, auf den sich der § 2 Abs. 1 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes bezieht, wird aber ein sehr viel größerer Kreis an Personen in die zurechtgestutzte Regelunterbringungsvorschrift gefasst, darunter zum Beispiel auch Inhaberinnen einer Aufenthaltserlaubnis. Für diese Menschen gibt es aber bundesrechtlich keine Vorgaben zur Unterbringung. Sie schaffen hier eine eigenständige diskriminierende Regelung, die sich eben nicht dadurch rechtfertigen lässt, dass sie aufgrund bundesrechtlicher Vorgaben nicht anders zu regeln wäre. Sie haben sich das selber ausgedacht
bzw. die Landesregierung und dann müssen Sie eben auch ganz deutlich sagen, warum Sie viel mehr Menschen unter solche diskriminierenden Vorgaben pressen wollen, als Bundesrecht es vorschreibt, Frau Holbe. Und hätten Sie die Anhörungsbeiträge aufmerksam gelesen oder wären Ihnen diese irgendwie wichtig gewesen, dann hätten Sie sich genau mit dieser Fragestellung beschäfti
in der Verantwortung und wir werden Sie daran messen, wie Sie diese heute in der Abstimmung wahrnehmen. Herr Hey, Sie machen es einfach nicht besser dadurch, dass Sie sich hier darüber lustig machen, dass ich mich ständig an Sie wende. Denken Sie doch mal als Innenausschussvorsitzender inhaltlich darüber nach und hören Sie auf, das hier ins Lächerliche zu ziehen,
Es gibt keinerlei Anlass, keinerlei rechtliche oder tatsächliche Notwendigkeit, den Personenkreis in § 1 derartig weit zu fassen wie bisher und diesen sogar noch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung zu erweitern. Die Übertragung des nach Asylbewerberleistungsgesetz Leistungsberechtigten ist politisch motiviert, keinesfalls aber sachlich oder gar rechtlich begründet, das sollten Sie auch ehrlich zugeben. Die rechtlichen Mängel und tatsächlichen Unzulänglichkeiten des bisher geltenden Gesetzes, dass Sie ohne tatsächliche Verbesserung als auch in der Zukunft geltend heute beschließen wollen, hat Ihnen der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. sehr ausführlich bereits 2008 und wiederholt auch noch mal jetzt in der schriftlichen Anhörung dargestellt und begründet und ich finde es auch recht einfach beschrieben. Also man kann, wenn man möchte, auch wirklich verstehen, was der Flüchtlingsrat Thüringen da sachlich ausführt. Es ist nicht so, dass das zu kompliziert geschrieben wäre, als dass man es nicht verstehen könnte.
Meine Damen und Herren, es ist ja auch nicht so, dass Ihnen keine Alternative für eine tatsächlich moderne und menschlichere Flüchtlings- und Aufnahmepolitik vorläge. Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE ist eine Alternative und trägt genau dem Rechnung, was eine Vielzahl von Anzuhörenden nicht erst in dieser Anhörung, sondern schon seit Jahren vorträgt und auch jetzt in der Anhörung wieder vorgetragen hat.
Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege beispielsweise begrüßt den Gesetzentwurf meiner Fraktion, da er eine gute Basis für eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen bzw. Asylbewerberinnen darstellt. Das Katholische Büro Erfurt beispielsweise unterstützt die verbindlichere Regelung der
Einzelunterbringung nach mehr als zwölf Monaten Aufenthaltsdauer; das Katholische Büro begrüßt die verbindlichere Fixierung der Standards der Unterbringung ebenso wie eine einheitliche Regelung des Leistungsbezugs als Geldleistung. Die evangelische Kirche, das war eine der kürzesten Stellungnahmen, die wir bekommen haben, hält am Grundsatz fest, dass die Unterbringung in Wohnraum vorzugswürdig ist.
Diese Stellungnahme hat mir am allerbesten gefallen. Das waren vielleicht drei Sätze und alles gesagt, was zu sagen ist zum Gesetzentwurf der Landesregierung und dem der LINKEN.
Der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. begrüßt den von der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagenen Entwurf zur Änderung des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes, da damit eine Grundlage für eine an humanitären Grundsätzen orientierte Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen in Thüringen geschaffen werden kann. Alles Dinge, die ich mir übrigens in der Berichterstattung des Berichterstatters gewünscht hätte,
denn es ist ja nicht nur Sinn und Zweck der Berichterstattung, dass man sagt, der Landtag hat ein Gesetz an einen Ausschuss überwiesen und dort hat es zwei Termine gegeben, sondern Sinn und Zweck der Berichterstattung ist auch, die wesentlichen Kernpunkte der inhaltlichen Debatte und der Stellungnahmen wiederzugeben. Aber wenn man einen Berichterstatter wählt, der in der „Debatte“ gar nicht da war, dann muss man sich da auch nicht wundern.
Mit dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE werden folgende Probleme gelöst und im Interesse einer humanitären Aufnahmepolitik neu geregelt, einmal die Herausnahme sämtlicher Personengruppen, für die keinerlei rechtliche Notwendigkeit besteht, spezielle Normen zur Unterbringung zu erlassen, insbesondere nicht für Inhaberinnen einer Aufenthaltserlaubnis, die regelmäßig von einer Verfestigung ihres Aufenthaltsstatus ausgehen können. Weiterhin gelöst wird durch den Gesetzentwurf der LINKEN die verbindlichere Ausgestaltung der menschenwürdigen Unterbringung in Wohnungen für Inhaberinnen einer Aufenthaltsgestattung vor dem Hintergrund einer verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung des § 53 Asylverfahrensgesetz. Die Schaffung von Wohnformen des betreuten Wohnens mit eindeutigen und menschenwürdigen Unterbringungsstandards für Menschen, für die aufgrund eines notwendigen und begründeten indivi
duellen Betreuungsbedarfs Einzelunterbringung eben nicht oder nur nachrangig infrage kommt und deren Einverständnis vorliegt. Gelöst wird die Verteilung der unterzubringenden Asylsuchenden auf Landkreise und kreisfreie Städte nicht nach einem rein quantitativen Schlüssel, sondern unter Berücksichtigung soziokultureller und privater Belange und unter Berücksichtigung auch örtlicher Verhältnisse. Gelöst wird die Fixierung der Art der Leistungsgewährung an Flüchtlinge in Form von Bargeld in verfassungskonformer Auslegung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Dann müssen wir uns auch nicht wieder eine Aktuelle Stunde, mal lax gesagt, um die Ohren schlagen, bloß, weil zwei Landkreise an der rassistischen und diskriminierenden Leistungsgewährung in Form von Wertgutscheinen festhalten. Im Übrigen muss ich Ihnen, Frau Holbe, da noch einmal Nachhilfe empfehlen. Schauen Sie noch einmal nach, was der Unterschied zwischen Sachleistungen und Wertgutscheinen ist, Frau Holbe.
Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE regelt auch das Kostendeckungsprinzip bei der Erstattung an Landkreise und kreisfreie Städte für die übertragene Aufgabe, damit finanzielle oder haushalterische Aspekte nicht zum Kriterium der Art und Qualität der Aufnahmebedingungen werden. Zum letztgenannten Punkt liegt Ihnen ja auch extra noch ein Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Beschlussfassung vor, der sich erledigen würde, stimmten Sie unserem Gesetzentwurf zu.
Meine Damen und Herren, die Entscheidung ist heute relativ einfach, Sie haben die Wahl zwischen einem Gesetzentwurf, der die diskriminierende Unterbringungssituation für Flüchtlinge in Thüringen fortsetzt, und die Wahl, einem Gesetzentwurf zuzustimmen, der tatsächlich eine Grundlage für eine moderne und menschlichere Asylpolitik schafft. Gerade Letzteres sollte genug inhaltliches Gewicht haben, um rein machtpolitische Erwägungen und die inhaltslose Sorge um den Koalitionsfrieden zu verdrängen. Vielen Dank, meine Damen und Herren.