Protocol of the Session on December 13, 2012

Gerade erst am Montag hat im Deutschen Bundestag eine große Anhörung zur Situation der Frauenhäuser stattgefunden. Beim Bundestag gibt es eine sehr schöne Serviceeinrichtung, da werden nämlich die Stellungnahmen kurz und prägnant zusammengefasst - so etwas könnte ich mir übrigens auch gut für den Thüringer Landtag vorstellen, weil da jede und jeder sehr gut nachlesen kann, wo die eigentlichen Probleme aus Sicht der Anzuhörenden liegen.

(Beifall DIE LINKE)

Zudem, muss man ganz deutlich sagen, ist die Situation im Bund ganz genau die gleiche wie die in den Ländern. Deswegen lassen Sie mich kurz die Hauptthemen ansprechen.

Festgestellt wurde übergreifend, dass die Hilfsangebote mitnichten dem Bedarf entsprechen. Im Übrigen finden wir das auch in den einzeln aufgelisteten Zahlen in dem großen und umfänglichen Bericht zur Situation der Frauenhilfeeinrichtungen, den es auf Bundesebene unlängst erst gegeben hat. Er nannte sich „Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder“. Weiterhin ist klar geworden, dass von fast allen Expertinnen eine bundesweite gesetzliche Regelung zur Finanzierung derselben angemahnt wurde.

(Beifall DIE LINKE)

Auch wir sind schon lange der Meinung, dass Frauenhäuser nicht abhängig sein dürfen, dass Schutzeinrichtungen nicht abhängig sein dürfen von der jeweiligen Finanzsituation oder Notlage der einzelnen Länder, sondern selbstverständlich erst Rechtsansprüche zur Verfügung gestellt werden müssen. Da wir von gleichwertigen Lebensbedingungen und gleichen Rechten und Chancen für alle Menschen, die hier leben, ausgehen, ist natürlich eine bundesweite Regelung aus unserer Sicht die sinnvollste, weil es schließlich auch nicht sein kann, dass eine Frau, die von Gewalt betroffen ist mit ihren Kindern - ich nenne ein Beispiel - in BadenWürttemberg vielleicht „noch Glück gehabt“ hat, weil sie dort eine Einrichtung in ihrer Nähe findet, aber in Mecklenburg oder aber auch irgendwo auf dem Land - wie wir es auch in Bayern festgestellt haben - eben keinen Zugang zu einer Noteinrichtung hat. Insofern unterstützen wir diese Einschätzung, dass es eine bundesweite gesetzliche Regelung braucht.

Insgesamt wurde festgestellt von der zentralen Informationsstelle aller autonomen Frauenhäuser, dass die „Lage der Frauenhäuser katastrophal ist“ so heißt es wörtlich in der Zusammenfassung. Es fehlt an freien Plätzen in den Frauenhäusern sowohl in den Großstädten und Ballungsräumen, aber in den ländlichen Regionen wird es dann ganz besonders schwierig, denn es gibt regelrecht weiße Flecken auf der Landkarte. Wir alle wissen das auch, dass es auch in Thüringen schon mal ein dichteres Netz an Hilfsangeboten gegeben hat.

(Beifall DIE LINKE)

Hier hat leider eine Ausdünnung in den letzten Jahren stattgefunden, die uns an eine Grenze gebracht hat.

Außerdem ist ein ganz wichtiger Punkt, der genannt wurde, die Frage der Koordinierung und des Monitorings. Es ist im Moment leider nicht so, weil das Grundgesetz das nicht vorsieht, dass die Finanzierung von Bund und Ländern als Gemeinschaftsaufgabe ohne Weiteres zu realisieren ist. Es gibt aber weitergehende Möglichkeiten bei der gesetzlichen Formulierung bundeseinheitlicher Qualitätskriterien für die Arbeit von Frauenhäusern und Beratungsstellen und auch bei der Finanzierung. In diesem Sinne glauben wir, dass wir in der Tat jede Menge Diskussionsstoff haben. Deswegen werden wir der Überweisung beider Anträge an den Gleichstellungsausschuss, aber auch an den Sozialausschuss, so dies gewünscht wird, selbstverständlich zustimmen. Wenn es zu einer Abstimmung kommt, werden wir uns dem Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE anschließen, weil dieser aus unserer Sicht tatsächlich fachlich und sachlich quasi den Nagel auf den Kopf trifft. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich. Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Holzapfel für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, ganz so hart gehe ich mit Ihnen nicht um. Das Tor, welches Sie mit Ihrem Antrag bei uns aufstoßen wollten, steht bereits seit vielen Jahren weit offen. Sicherlich ist es gut und richtig, anlässlich des vergangenen Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen auch an das uns leider ständig begleitende Problem der häuslichen Gewalt zu erinnern. Dieses Problem hat vielfältige Erscheinungsformen. Sie reichen von subtilen Formen der Gewaltausübung durch Verhaltensweisen, die Bedürfnisse und Befindlichkeiten der Geschädigten zu ignorieren, über Demütigungen, Beleidigungen und Einschüchterungen sowie psychischen, physischen und sexuellen Misshandlungen bis hin zur Vergewaltigung und immer mehr hören wir von Tötungen. Diese Erscheinungsformen sind an keine Zeit und an keinen Ort gebunden und stellen zweifellos ein gesellschaftliches Gesamtproblem dar. Ein Problem, das uns täglich vor Augen geführt wird, egal ob wir Zeitung lesen, fernsehen oder im Internet unterwegs sind. Deshalb bedarf es zur Beratung in diesem Hause auch nicht der besonderen Symbolkraft eines Internationalen Erinnerungstages. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen wird fast jede vierte Frau einmal im Leben durch ihren Lebenspartner gefährdet und der häuslichen Gewalt ausgesetzt. Häusliche Gewalt, meine Damen und Herren, in welcher Form auch immer, ist keine private Angelegenheit, sondern eine Straftat. Gewalt im familiären Bereich kann von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden, sondern muss möglichst unmittelbar die staatlichen Sanktionen für den Täter nach sich ziehen. Ich nehme an, dass der Bericht, den uns das Ministerium geben wird, auch einschließt, wie ernst dieses Problem in unserem Land genommen wird. Seit 2002 fasst die Thüringer Landesregierung alle Schritte der einzelnen Ressorts gegen häusliche Gewalt in einem Maßnahmepaket zusammen und hat damit ein deutliches Zeichen gesetzt. Das Paket beinhaltet ein weit gefächertes Spektrum an Maßnahmen aus den Bereichen Polizei, Straf- und Zivilrecht, Schule, Gesundheit und Familienpolitik. Es bezieht die Arbeit des Ausländerbeauftragten sowie des Behindertenbeauftragten und der Beauftragten für Gleichstellung von Mann und Frau ebenso ein, wie die Koordinierungsstelle zur Prävention von häuslicher Gewalt. Den Hinweis auf die guten Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern, den Frauenzentren, in den Interventionsstellen und den Hilfsvereinen, die in diesem so schwierigen Bereich eine unschätzbare

wertvolle Arbeit für unsere Gesellschaft leisten, will ich an dieser Stelle nicht verschweigen. Ihnen allen, meine Damen und Herren, gehört unser ganz besonderer Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Insgesamt, liebe Kollegen von der SPD, ist die Intention Ihres Anliegens natürlich zu befürworten. Da der Gleichstellungsausschuss sich ständig und auch erst kürzlich, Kollegin Pelke sagte es, im Mai, intensiv mit diesem Thema befasst hat und insbesondere auch die Interventionsstellen angehört wurden, sehen wir keinen unmittelbaren Anlass, Ihren Antrag zu unterstützen. Das wesentliche Ziel Ihres Antrags ist bereits damit erfüllt, da durch das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit in einem bzw. bei allen sich bietenden Gelegenheiten über alle Maßnahmen berichtet wurde. Aus diesen Berichten ist aus Sicht der CDU-Fraktion überaus deutlich geworden, dass die Landesregierungen, auch die vergangenen, in diesem Bereich seit Jahren sehr viel tun. Natürlich, und das möchte ich hier auch noch einmal betonen, war der Gleichstellungsausschuss hier äußerst aktiv und wird es natürlich auch in Zukunft sein. Insoweit bedarf es an dieser Stelle keiner zusätzlichen Aufforderung.

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, zu Ihrem Alternativantrag - Drucksache 5/5356 -, der gestern im Postfach lag, möchte ich Folgendes sagen: Auch hier kann ich Ihnen nur sagen, wir haben alles getan, wir werden alles tun und es wird nie genug sein. Auch hier lehnen wir diesen Antrag ab. Danke.

(Beifall CDU)

Vielen herzlichen Dank, Frau Holzapfel. Als Nächster hat jetzt das Wort der Abgeordnete Kemmerich für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Gewalt kommt leider in allen gesellschaftlichen Schichten vor, unabhängig von Beziehungen, von Alter, Geschlecht, Einkommen oder Migration. In dem Zusammenhang ist die Bedeutung von Frauenhäusern, Mädchen- und Frauenzentren, Interventionsstellen und den allgemeinen oder auch spezialisierten Beratungsstellen gar nicht hoch genug einzuschätzen. Ebenfalls möchte ich mich meiner Kollegin Holzapfel anschließen und meinen Dank an alle diejenigen aussprechen, die sich dort hauptamtlich, ehrenamtlich engagieren, und das in einem über das Normale hinausgehenden Maß.

(Beifall CDU, DIE LINKE, FDP)

Aber trotzdem, meine Damen und Herren, so einfach können wir es uns nicht machen, indem wir sa

gen, wir haben das in einem Bericht 2002 thematisiert und wir haben das 2006 fortgeschrieben und wir sprechen auch immer mal wieder darüber. Ich will auch dieses „Sprechen darüber“ nicht gering bewerten, allerdings, meine Damen und Herren, wenn wir das hier und da mal im Ausschuss machen, dann tun wir das unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ich gebe zu, wenn wir das um zehn vor acht heute Abend machen, tun wir das auch nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit, aber immerhin ist ja die Öffentlichkeit zugänglich. Insofern finde ich es sehr wichtig.

Meine Damen und Herren, auch wenn das vielleicht nicht bei allen so angekommen sein mag, wie wir das andeuten und auch einbringen wollen, gibt es sicherlich im Jahr 2012 ein paar neue Perspektiven und auf die haben wir in unserem Antrag hingewiesen. Wir wollen eben nicht so einseitig auf die Strukturprobleme innerhalb von Familien und die Probleme von Frauen hinweisen, sondern wir wollen es etwas allgemeiner fassen. Deshalb haben wir uns gerade die Gruppe der Kinder zunächst herausgegriffen und wollen darauf hinweisen, dass dies immer ein nicht zu unterschätzendes Problem ist, dass Kinder in den verschiedensten Formen Opfer von häuslicher Gewalt werden, und das aus verschiedensten Lebenslagen und unter verschiedensten Einrichtungen. Das wissen wir auch heutzutage, dass vielleicht Formen, die wir gar nicht augenscheinlich als Gewalt wahrnehmen, doch sehr tiefgreifende Folgen für die spätere Entwicklung der Kinder nach sich ziehen können. Insofern denken wir, dass in 2012 mit neuen Erkenntnissen und Erkenntnissen, die in den letzten sechs Jahren speziell gewonnen worden sind, hier auch bei diesen Maßnahmen, die zurzeit angewandt worden sind, über die gesprochen wird und die fortgesetzt werden, sicherlich neue Erkenntnisse durchaus zu erwarten sind und dass wir hier mit Recht die Landesregierung auffordern können - und das gemeinsam mit allen Fraktionen hier im Landtag -, eine Bestandsaufnahme herzustellen, wie es denn dann Standpunkt, Standzeit II. Quartal 2013 ist, um dann unter aktuellen Gesichtspunkten auch mit neuen Erkenntnissen diese Maßnahmen und diese Aktionspläne fortzuschreiben und vielleicht, um den einen oder anderen Aspekt zu erweitern und eine Gesamtstrategie für die nächsten Jahre fest- und vorzulegen.

(Beifall FDP)

Insbesondere sollte eben bei diesen Katalogen auch Kindern und Jugendlichen und allen Personen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, eine durchaus stärkere Bedeutung zukommen. Das erscheint mir, das erscheint uns bis jetzt zu einseitig. Deshalb auch in Punkt 4 der explizite Hinweis, dass auch Schritte unternommen werden sollen, Angebote für von häuslicher Gewalt betroffene Männer

und Jungen mit vorzuschlagen, in diese Maßnahmepläne und diese Betrachtung mit aufzunehmen.

(Beifall FDP)

Ein Wort zu dem Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE. Ihr müsst mir sagen, dass Sie so einseitig auch die Frauenhäuser fokussieren, dass Sie einseitig sagen, wir haben etwas vergessen. Ich würde diesen Spieß umdrehen, liebe Frau Stange, es ist ja Weihnachten. Denn wenn Sie das vorfestlegen, welche Sachen zu untersuchen sind, wenn Sie vorfestlegen auch, in welchen Ergebnissen sich denn der Bericht der Landesregierung bewegen soll, dann schlagen Sie für einige Aspekte in diesem Bereich schon die Tür wieder zu. Hier sollte ergebnisoffen geforscht werden, ergebnisoffen gesucht werden, ergebnisoffen auch analysiert werden, wie denn heute die Situation hinter den dann verschlossenen Türen der Häuser ist, was dort passiert, um daraus abzuleiten, was müssen wir wirklich tun. Welche Facetten haben sich nun mal entwickelt und welche Facetten haben wir denn bis jetzt übersehen? Fluchtpunkt - und das wissen wir aus anderen Zeiten - muss nicht immer nur eine staatlich betriebene Interventionsstelle, ein Frauenhauszentrum etc. sein, ich habe es aufgezählt, sondern es kann auch mal ein Gemeindezentrum sein, was ehrenamtlich geführt ist, das kann auch ein Pfarrhaus sein. Auch das sind Stellen, wo sich Menschen um Menschen kümmern und, ich denke, selber mit Intensität, die vielleicht vom staatlichen Wesen bis jetzt nicht erfasst, vielleicht auch nie erfasst werden wollen, aber die trotzdem zur Abrundung des Bildes beitragen könnten und die uns gleich wichtig sein sollten. Insofern, meine Damen und Herren, ist unser Appell durch diesen Antrag, ergebnisoffen zu forschen, ergebnisoffen zu analysieren und genauso ergebnisoffen dann einen Maßnahmeplan festzulegen, doch uns hier sehr wichtig.

(Beifall FDP)

Und es kam ja der Antrag auf Überweisung an den Gleichstellungsausschuss, den wir ausdrücklich unterstützen, denn da sind sicherlich die Punkte, die heute strittig zwischen uns stehen bleiben, in Ruhe zu diskutieren, meine Damen und Herren. Auch der Punkt in Punkt 4 des Alternativantrags, ich halte das, es wundert mich an der Stelle nicht, für übliche Verwischung zwischen den Staatsgewalten, zwischen unserer Gewaltenteilung, aber wenn ich eine ermittelnde Dienststelle habe (Polizei), dann sind die Daten, die dort sind, sensibel zu gebrauchen, sensibel zu handhaben und die sollten nicht an die Interventionsstellen weitergegeben werden. Genau da muss ich eine klare Trennlinie ziehen zwischen den ermittelnden Stellen und den Stellen, die sich sicherlich um das Leid dann der Menschen kümmern. Aber, wie gesagt, das können wir gerne im Ausschuss diskutieren. Vielen Dank. Ich werbe nochmals auch im Sinne der Landesarbeitsgemein

schaft für die wohlwollende Annahme des Antrags, zumindest zunächst für die Überweisung an den Ausschuss. Danke.

(Beifall FDP)

Vielen herzlichen Dank, Herr Kemmerich. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Karola Stange für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, so einfach ist es halt nicht, werte Frau Pelke, werte Frau Holzapfel, nach dem Motto, wir hätten in den letzten Monaten alles, aber wirklich auch alles diskutiert und hätten alle Probleme ausgeräumt. So ist es nicht, denn Sie wissen doch selbst, wenn Sie vor Ort in den Interventionsstellen oder in den Frauenhäusern unterwegs sind, dass die Frage nach der dauerhaften Finanzierung eine immer wieder stehende Frage ist und aus diesem Grunde haben wir auch den Punkt 1 unserer Bundesratsinitiative hier noch einmal eingefordert. Frau Rothe-Beinlich hat gerade von der am Montag dieser Woche in Berlin vorhandenen Diskussion und Beratung genau zu diesem Thema gesprochen. Ich will noch einmal ein paar Dinge dazu erwähnen. Wir verschließen uns doch die Augen, wenn wir glauben, es sei alles geklärt, wenn in Thüringen die Finanzierung der Frauenhäuser im Moment jedes Jahr gewährleistet ist. Aber wir wissen doch gleichzeitig, dass vor vier Jahren die Finanzierung auf einem höheren Level war. Und wir wissen auch, dass die Mitarbeiterinnen vor Ort uns immer wieder sagen, dass sie seit Jahren keine Tariferhöhung hatten und dass sie eigentlich ihre Arbeit unter der sogenannten Selbstausbeutung bereits erledigen.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Warten Sie doch die Haushaltsdiskussionen ab.)

Sie wissen doch auch, dass es qualifizierte Mitarbeiterinnen sein müssen vor Ort in den Interventionsstellen und in den Frauenhäusern, die genau diese Arbeiten durchführen müssen. Da frage ich schon, Herr Kemmerich: Wer stellt denn in Berlin die Fraktion? Es sind wohl CDU und FDP, die immer wieder Anträge abgelehnt haben, dass Frauenhausfinanzierung zur Pflichtaufgabe wird. Damit könnte eine wirkliche finanzielle Sicherheit gewährleistet werden. Hier müssen wir weiter einhaken. An der Stelle lassen Sie mich auch noch einmal auf den Punkt II.2 unseres Antrags hinweisen, die Berichterstattung. Wenn Sie wirklich glauben, dass wir Zahlenmaterial hätten, dass wir Informationen hätten, dann müssten Sie sich mal mit den Antworten auf die Kleinen Anfragen, die aus meiner Fraktion gestellt wurden, näher befassen. Da ist eindeutig seitens des Ministeriums immer wieder gesagt wor

den, wir haben keine Zahlen, wenn es z.B. um die Gewalt an Frauen mit Behinderung geht. Diese werden gar nicht erhoben. Darum ist es eine Forderung vonseiten der Behindertenverbände, genau diese zu analysieren, damit auch konkrete Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden können. Meine Fraktion hat am 26.11. eine große Fachtagung durchgeführt, wo wir das Thema der behinderten Frauen und behinderten Frauen mit Gewalterfahrung in den Mittelpunkt gestellt haben, und auch hier müssen wir leider konstatieren, dass die Zahlen erschreckend sind. 74 bis 90 Prozent der Frauen mit Behinderungen haben körperliche Gewalt durch ihre Eltern erfahren. 20 bis 34 Prozent erlebten sexuellen Missbrauch in der Kindheit und in der Jugend und bereits jede dritte bis fünfte Frau wurde als Tochter misshandelt oder missbraucht. Das ist eine traurige Statistik, die auf Bundesebene geführt wird, aber das Land kann uns keine eigenen Angaben machen, wie es denn hier in Thüringen aussieht. Darum sage ich auch, hier braucht es noch mal eine Nacharbeit, hier brauchen wir konkrete Hinweise, wie auch die Arbeit mit behinderten Frauen, aber auch mit Frauen mit ausländischem Hintergrund in den Interventionsstellen sowie vor Ort in den Frauenhäusern verbessert werden kann. Da geht es nicht nur in erster Linie um die Thematik, dass die Barrierefreiheit in den Frauenhäusern nun endlich hergestellt werden muss, dass behinderte Frauen überhaupt die Möglichkeit haben, vor Ort anzuklopfen und zu sagen, hier bin ich, ich habe Gewalterfahrungen machen müssen, ich möchte hier aufgenommen werden. Das ist im Moment in keinem der Thüringer Frauenhäuser möglich.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde es schon kontraproduktiv, wenn meine Kolleginnen und Kollegen im Gleichstellungsausschuss feststellen, es ist alles geregelt, wir haben alles getan und wir werden es schon auf den Weg bringen. Sie wissen auch, dass in der Anhörung im Februar dieses Jahres im Gleichstellungsausschuss die Mitarbeiterinnen der Interventionsstellen darauf hingewiesen haben, dass es unbedingt eine Fortschreibung des Maßnahmeplanes gegen häusliche Gewalt geben muss. Wenn wir uns genau noch einmal anschauen, was passiert ist, dann sage ich, nichts ist passiert. Wir haben seitdem weder im Gleichstellungsausschuss noch in anderen Ausschüssen je eine Fortschreibung vorgelegt bekommen von dem zuständigen Ministerium, noch haben wir eine Zuarbeit erhalten oder nur eine Information, wie die Leitlinien der Thüringer Polizei denn auch fortgeschrieben werden. Sie wissen, genau das war ein Thema, was immer wieder angesprochen wurde, dass hier unbedingt Nacharbeit notwendig ist. So verstehe ich es nicht, dass hier auch wieder gesagt wird, wartet mal ab, wir werden alles im Ausschuss klären. In einem Brief, werte Kolleginnen und Kollegen, der uns bereits im Juli dieses

(Abg. Kemmerich)

Jahres auch von der Landesarbeitsgemeinschaft der Thüringer Interventionsstellen zugeleitet worden ist - und hier will ich nur ein paar Sequenzen daraus vortragen -, wurde uns noch einmal eindringlich in das Stammbuch geschrieben, wir mögen uns doch dafür einsetzen, dass gemeinsam mit den Vertretern des Innenministeriums folgende Themen besprochen werden sollten:

1. Die Verbesserung der Qualität und Quantität der Datenweitergabe per Fax, Herr Kemmerich, und Sie haben diesen Brief als Ausschussvorsitzender auch erhalten per Fax.

2. Wurde darauf hingewiesen, dass perspektivisch eine Kooperation vor Ort aufgrund der Polizeistruktur noch einmal beredet werden muss.

Des Weiteren wurde auch uns mitgeteilt, dass die ersten Gespräche, die mit dem Innenministerium geführt worden sind, zu keinem wirklichen Ergebnis geführt haben, und wir wurden gebeten, uns dafür einzusetzen, dass genau dieses noch einmal hier im Landtag und in dem Ausschuss zur Sprache kommt. Das mache ich hier mit unserem Antrag und hoffe, dass wir auf offene Ohren dabei stoßen, damit wir diese Thematik wirklich in den Gleichstellungssausschuss noch einmal aufnehmen können.

Lassen Sie mich zum Punkt II.4, der Weitergabe der Daten, noch ein paar Argumente in den Raum werfen, die beweisen, wenn man will, dass es geht. Wir wissen, und das ist auch des Öfteren schon besprochen worden, dass der proaktive Ansatz der Interventionsstellen daran leidet, dass es eine mangelhafte Datenübergabe gibt. Es ist bekannt, dass Frauen, die gerade eine Gewaltsituation erfahren haben, natürlich nicht als Allererstes in die Beratungsstellen gehen. Aber wir wissen, wenn sie angesprochen werden von den Fachfrauen in den Interventionsstellen und die Fachfrauen wissen, was den Frauen widerfahren ist, dass es viel einfacher ist, sich über das Erfahrene mit ihnen auszutauschen und auch Hilfe entgegenzunehmen. Darum ist es äußerst wichtig, diese Datenfaxabgabe wirklich vorzunehmen. Ich rede das nicht einfach so daher und habe nicht die Achtung vor dem Datenschutz, nein, im Gegenteil, ich habe mich schlaugemacht in anderen Bundesländern; ich nenne mal Mecklenburg-Vorpommern. Der § 15 der datenschutzrechtlichen Vorschriften aus MecklenburgVorpommern klärt und regelt, dass die Übermittlung von personenbezogenen Daten an inländische Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs zulässig ist, wenn diese zur Erfüllung einer in der Zuständigkeit der datenverarbeitenden Stellen liegenden Aufgabe es erforderlich macht. Nun sage ich mal, es ist ja wohl nicht so sehr schwer, einfach einmal Richtung Mecklenburg-Vorpommern zu gucken, um sich da genau zu informieren. Was in MecklenburgVorpommern geht, könnte ja wohl auch in Thüringen gehen. Somit wäre eine Vielzahl der offenen

Fragen geklärt, die vonseiten der Interventionsstellen immer wieder an uns herangetragen worden sind.

(Beifall DIE LINKE)

Lassen Sie mich an der Stelle auch noch einmal darauf hinweisen, dass natürlich zu diesem späten Abend so ein Thema vielleicht nicht so sehr interessant zu sein scheint für Bürgerinnen und Bürger an dem Livestream oder an den Apparaten draußen, aber in einer öffentlichen Anhörung, wo wir noch einmal, und das wiederholt, mit den Fachfrauen und Fachmännern dies bereden könnten, hätten wir die Chance, auch im Jahr 2013 die offenen Fragen noch abzuklären, um auch den Thüringer Frauen, auch Männern, das sage ich sehr bewusst, Herr Kemmerich, auch den Thüringer Männern, die von Gewalt betroffen sind, die Möglichkeit zu geben, Schutzräume zu finden, diese auch zu nutzen.

An der Stelle noch einen Blick an das Innenministerium, an das Justizministerium: Wir wissen, dass seit vielen Monaten die Täterberatung die „Notbremse“ in Weimar geschlossen ist. Wir haben davon gehört, dass es ein Interessenbekundungsverfahren gegeben haben soll, wo eine neue Ausschreibung für die Täterberatung in Angriff genommen wurde. Mittlerweile ist die Ausschreibung beendet. Wir wissen also nicht, wo wirklich Täter hingehen könnten, um sich beraten zu lassen, um auch Therapie zu erhalten, damit sie nicht wieder zu Gewalttätern werden. Auch hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Ich hoffe einfach, dass das spätestens ab Januar geklärt ist, denn ich habe ja gesehen, in Ihrem Haushalt haben Sie Geld dafür eingestellt, was ja positiv ist. Das ist schon einmal ein Punkt, den ich auch mal lobend an der Stelle erwähnen möchte. Ja, noch einmal für meine Fraktion, die Überweisung an den Gleichstellungsausschuss, damit die Fachdiskussion vor Ort weitergeführt werden kann. Danke.

Vielen herzlichen Dank, Frau Stange. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Für das Ministerium hat sich Herr Staatssekretär Schubert zu Wort gemeldet.