Vielen herzlichen Dank, Herr Innenminister. In der Debatte haben sich alle Fraktionen schon zum Reden angemeldet. Als Erste hat jetzt das Wort die Abgeordnete Sabine Berninger für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, schon in vergangenen Debatten haben Mitglieder der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE Ihnen zahlreiche Studien und Berichte zur Lektüre anempfohlen, in denen es um die Situation der Minderheitenangehörigen der Roma, Ashkali und Ägypter in den Balkanstaaten geht. Insbesondere gibt es, ich weiß nicht, wie viele Berichte und Studien zur Lebenssituation der Minderheitenangehörigen im Kosovo, aber das gilt selbstverständlich auch für die anderen Balkanstaaten. Ich will nur wenige der Organisationen nennen, die sich mit der Lebenssituation der Minderheitenangehörigen in diesen Staaten beschäftigen. Das sind beispielsweise der UNHCR, UNICEF, Amnesty International, aber Sie können selbstverständlich auch zahlreiche Berichte von Delegationsreisen, beispielsweise des Petitionsausschusses in BadenWürttemberg oder des Innenausschusses aus Niedersachsen oder auch hier aus Thüringen, die Berichte von Astrid Rothe-Beinlich und auch meinen eigenen Bericht über die Innenausschussreise ins Kosovo im Frühjahr letzten Jahres nachlesen. Aber natürlich, das verkennen wir nicht, ist es ja konkret aus der Fraktion der CDU angesagt worden, dass man solche Berichte nicht lesen werde. Wir haben während der Kosovo-Reise des Innenausschusses im Frühjahr auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass den von mir genannten Organisationen, mit denen wir dort auch gesprochen haben, nicht vertraut wird, im Gegenteil, ein ganz großes Misstrauen, weil es angeblich keine staatlichen Organisationen seien, sondern welche, die die Situation der betroffenen Menschen noch schlechter reden.
Deswegen, weil wir uns dessen bewusst waren, haben am 20. November die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE eine Veranstaltung hier im Landtag organisiert, in der Vertreterinnen einer Multiplikatorinnenreise der Diakonie Thüringen e.V. zu Wort gekommen sind, die auch im
ersten Halbjahr, jetzt weiß ich nicht mehr genau wann, dieses Jahres, sich zur Lebenssituation der Roma in Serbien schlaugemacht haben. Wir haben, weil wir wissen, dass Sie nicht gerne Studien und Berichte lesen, zumindest ein Teil der Regierungsfraktionen, Sie alle sehr herzlich per Brief, jede Abgeordnete und jeden Abgeordneten persönlich, eingeladen, an dieser Veranstaltung teilzunehmen und die Informationen, ohne lesen zu müssen, aus erster Hand zu bekommen. Dieser Einladung ist leider keine und keiner von Ihnen gefolgt. Lediglich ein Abgeordneter der CDU hat Interesse daran gezeigt und sich zumindest entschuldigt für seine Abwesenheit bei dieser Veranstaltung.
Ich will deswegen ein paar der Dinge, die von dieser Multiplikatorinnenreise berichtet worden sind, auch hier berichten. Die Multiplikatorinnenreise hat verschiedene Gemeinden in Serbien besucht, dort mit unterschiedlichen Organisationen, nicht nur nicht staatlichen, nicht nur Roma-Organisationen sich unterhalten. Ich will einfach ein paar der Informationen hier an Sie weitergeben. Zum Beispiel war die Delegation in Leskovac. Dort leben etwa 7.000 Roma, das sind 10 Prozent der Bevölkerung. 70 Prozent der dort lebenden Roma sind Analphabeten. 2 Prozent der Roma-Kinder besuchen serbische Schulen, nur 2 Prozent. Das hat einen Grund, sie schaffen die Aufnahme in die Vorschule nicht, weil der Test zur Aufnahme in die Vorschule in Serbisch durchgeführt wird. Das ist natürlich schwierig für Kinder von 70 Prozent Analphabeten, von, jetzt weiß ich die Zahl nicht, wie viel Prozent, die eben die serbische Sprache nicht sprechen, schwierig, als kleines Kind einen auf Serbisch abgehaltenen Vorschultest erfolgreich zu bestehen - ein Indiz für staatliche Diskriminierung, meine Damen und Herren. Die meisten der Roma-Kinder in Serbien besuchen Sonderschulen für geistig zurückgebliebene Kinder. Wenige haben das Glück, dass sie eigene, privat organisierte Schulen besuchen können, wo Eltern oder Kirche sich darum kümmern, dass die Kinder zur Schule gehen können. 99 Prozent der in Leskovac lebenden Roma sind arbeitslos. Die Delegation war auch in Bujanovac. Von den dort etwa 8.000 lebenden Roma haben nur 0,5 Prozent eine Arbeit, die anderen arbeiten schwarz zu Tagelöhnerlöhnen, am Tag, glaube ich, 6 €. Die meisten von ihnen gehen irgendwelchen irregulären Beschäftigungen nach; die allermeisten sammeln Müll ein, das ist ihre Beschäftigung.
Es gibt in Serbien bei der medizinischen Versorgung eine nicht offiziell im Internet zu findende, aber tatsächlich für alle dort lebenden Menschen existierende Preisliste. Man muss nämlich, wenn man eine medizinische Leistung möchte, den Arzt oder die Ärztin schmieren. Es gibt je nach der Behandlungsform oder der nötigen Operation einen bestimmten Preis.
Meine Damen und Herren, wenn 99 Prozent oder über 98 Prozent der Roma, Ashkali und Ägypter arbeitslos sind, dann können Sie sich sehr gut vorstellen, welchen Zugang diese dann zu medizinischer Versorgung in Serbien haben.
Der Innenminister hat gerade einige Dinge angesprochen, die von staatlicher Seite in Kosovo oder in Serbien angeboten werden. Ich habe mir auch ein Zitat aus dieser Veranstaltung am 20. November aufgeschrieben, da hat nämlich eine der Delegationsmitglieder gesagt: „Es gibt ganz wunderbare Einrichtungen in Serbien auf dem Papier.“ Da gibt es z.B. in Serbien den Ombudsmann für Menschenrechte, auf dem Papier. Es gibt Gesundheitsmediatorinnen, die gibt es tatsächlich, aber gegen diese Preise für medizinische Leistungen unternehmen diese Mediatorinnen auch nichts. Es gibt in 30 Gemeinden in Serbien Roma-Koordinatoren, wie deren Arbeit „vonstatten“ geht, hat uns bei der Veranstaltung der Sohn eines solchen Koordinators geschildert, dessen Vater aufgrund eigener Diskriminierung selbst das Land verlassen hat. Der Sohn hat von systematischer Diskriminierung gesprochen und als Beispiel ein Projekt seines Vaters als Roma-Koordinator berichtet, der sich nämlich in dem Projekt mit der Integration von Roma-Kindern in die Vorschule beschäftigen sollte, und ein ganz krasses Beispiel, was da erzählt wurde: Es gab am Eingang dieser Vorschule eine Krankenschwester, die nur die Roma-Kinder untersucht hat, die diese Vorschule betreten wollten, und die hat sie nämlich weggeschickt, weil die angeblich Läuse hätten. Der Roma-Koordinator hat sich die Köpfe dieser Kinder selbst auch angesehen und nicht eine einzige Laus gefunden. Der Roma-Koordinator in dieser Gemeinde hatte über die Projektgelder noch ein bisschen Geld übrig, das wollte er in Schulbücher für RomaKinder investieren. Der Gemeinderat hat das aber leider abgelehnt, es wurde Spielzeug und ein TVGerät für die Vorschule, in die nur 0,2 Prozent der Roma-Kinder gehen können, gekauft.
Im Oktober 2012 haben verschiedene Roma-Organisationen eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, und hier komme ich jetzt zu dem Argument des Ministers, dass so viele Asylanträge abgelehnt würden. Die Roma-Organisationen schreiben, es sei „abfällig, wenn Asylanträge von Roma von vornherein als unbegründet bewertet werden. Laut Handbuch des UN-Flüchtlingswerks von 1951 zu den Prozeduren und Kriterien zur Festlegung des Flüchtlingsstatus, das im Dezember 2011 neu aufgelegt wurde, kann Diskriminierung durchaus als Fluchtgrund gewertet werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie dazu führt, dass eine Person nur mehr begrenzt in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Daneben stellt das UNFlüchtlingswerk auch fest, dass rassistische Diskriminierung eine der deutlichsten Menschenrechtsverletzungen darstellt und folglich bei der Festle
Die Delegation der Diakonie hat uns Bilder von einer Roma-Siedlung in Serbien gezeigt, die aus selbst gebauten Häusern, Hütten an einem sehr steilen Steilhang bestand, weit außerhalb einer Stadt. Es gab dort keine Straße, es gab dort keine Müllentsorgung, es gab dort keinen Wasseranschluss. Der nächste Trinkwasseranschluss war am Fuß des Berges, die Menschen mussten mit Eimern Wasser holen gehen.
Zum Thema Müll: Es hatte dort schon mal kurzzeitig Mülltonnen gegeben, nämlich im Wahlkampf vor einer Kommunalwahl. Nach der Wahl waren dann die dort aufgestellten Mülltonnen wieder abgeholt worden, ohne dass ein Ersatz geschaffen wurde. Die Müllabfuhr funktioniert dort auch nicht.
Die serbische Regierung selbst hat eingestanden, dass 60 Prozent der Roma in Serbien in unsicheren und unhygienischen Verhältnissen leben. 30 Prozent haben keinen Zugang zu Trinkwasser, 70 Prozent keinen Zugang zur Kanalisation. Zwei Zahlen, die meines Erachtens das allerbeste Argument dagegen sind, nur besonders schutzbedürftige Personen über den Winter hier zu lassen, sind, glaube ich, auch von der serbischen Regierung. Sie beziehen sich nämlich auf die Lebenserwartung in Serbien. Serben in Serbien haben eine Lebenserwartung von 78 Jahren, die Lebenserwartung von Roma in Serbien sind 48 Jahre.
Da ich weiß, dass Berichte und Studien von UNICEF, Amnestie International etc. für Sie alle keine also insbesondere für die CDU - keine Autoritäten darstellen, will ich mal ein paar Autoritäten, die Sie hoffentlich anerkennen, zitieren.
Zum Beispiel bereits im November 2011 gab es auf Initiative des Ministerkomitees im Europarat einen Bericht des Ausschusses für soziale Rechte, der über die Einhaltung der europäischen Sozialcharta wacht. Der Bericht kam damals - also voriges Jahr zu dem Schluss, dass die vom ehemaligen französischen Präsidenten Sarkozy 2010 angeordneten Zwangsräumungen der Roma-Siedlungen und die Zwangsabschiebungen nach Rumänien und Bulgarien insbesondere Artikel E der Charta verletzen, der ein Diskriminierungsverbot enthält, ebenso den Artikel 31, der die Wohnrechte betrifft. Insgesamt hat der Bericht des Europarats die Zwangsräumungen und Abschiebungen als „schwere Menschenrechtsverletzungen“ gewertet. Das oberste Asylgericht in Frankreich hat im November 2011 entschieden, dass die Lebensverhältnisse der Roma in Serbien menschenunwürdig sind und ihnen deshalb ein Schutzstatus gewährt werden muss. Auch die EU-Kommission hat Ende August dieses Jahres
festgestellt, das Roma in allen Balkan-Staaten einer umfassenden Diskriminierung ausgesetzt sind, die sie an der Ausübung grundlegender Rechte wie bspw. dem Zugang zu Bildung, Arbeitsmarkt, Ausbildung, Gesundheitsversorgung und Wohnung hindert.
Eine solch umfassende Diskriminierung durch Autoritäten, die auch Sie anerkennen, meine Damen und Herren, hoffe ich zumindest, und diese soziale Ausgrenzung kann und muss unseres Erachtens zur Schutzgewährung führen, gerade auch nachdem Bundeskanzlerin Merkel im Oktober bei der Einweihung des Mahnmals für die ermordeten Sinti und Roma von der besonderen Verantwortung der Bundesrepublik und einer „Mahnung für die Zukunft“ gesprochen hatte.
Ich muss ganz kurz noch eingehen auf einen Kommentar heute in der Thüringischen Landeszeitung und den dann auch mit einem Appell verbinden. Herr Kaczmarek hat in der TLZ über die disziplinierte SPD geschrieben, dass bei vielen Themen sich derzeit vor allem die Sozialdemokraten verbiegen müssen, ich zitiere: „Aus Koalitionsräson dürfen sie in zentralen Fragen keinen aufrechten Gang wagen.“ Der Appell an die Damen und Herren in der SPD-Fraktion: Werden Sie wieder gerade! Danke.
Vielen herzlichen Dank, Frau Berninger. Als Nächste hat jetzt das Wort die Abgeordnete Holbe für die CDU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit Drucksache 5/5197 fordern die Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Abschiebestopp von Roma, Ashkali, Ägyptern und Ägypterinnen in die Staaten der Balkanhalbinsel mindestens bis Ende April 2013. Weiterhin solle sich Thüringen auf Bundesebene um einen generellen Abschiebestopp von Angehörigen der vorgenannten Volksgruppen bemühen. Dazu liegt uns der Alternativantrag der FDP-Fraktion in Drucksache 5/5258 vor - ich verkürze den Inhalt -: Wintererlass für besonders schutzwürdige Menschen in den Staaten der Balkaninseln.
Wir haben uns hier im Plenum in den vergangenen zweieinhalb Jahren gerade auch mit diesem Thema sehr umfangreich befasst. Es war oft Gegenstand parlamentarischer Befassung und wir haben die Informationsreise des Innenausschusses in den Kosovo Anfang dieses Jahres durchgeführt. Frau Berninger, es ist eine wirklich schlimme Unterstellung, wenn Sie behaupten, dass wir diese Berichte, die Sie vorgetragen haben, der einzelnen Organisationen nicht lesen, uns nicht damit beschäftigen, sie nicht anerkennen.
Es mag sein, dass Ihre Fraktion bei der Durcharbeitung dieser ganzen Unterlagen zu anderen Schlussfolgerungen kommt, als das meine Fraktion macht,
aber deshalb befassen wir uns schon sehr ausführlich auch damit. Ich habe die Ausführungen unseres Innenministers zu diesem Thema wie Sie zur Kenntnis genommen und, ich denke, mit dem erfolgten Informationsschreiben und Erlass an die zuständigen Ausländerbehörden über die Verfahrensweise im Umgang mit schutzwürdigen Personen bzw. Personengruppen zum Vollzug der Rückführung bis zum 31.03. des nächsten Jahres, denke ich, ist eine sehr gute Entscheidung getroffen worden. Die vorgetragenen Personen und Personengruppen, die insbesondere hier humanitären Gründen entsprechen, insbesondere auch der Bevölkerungsgruppen Roma, Ashkali und Ägypter, werden hier von dieser Rückführung ausgenommen, auch mit der Begründung, dass der Winter besondere Härten gerade in diesen Staaten mit sich bringt, wir haben das an einigen Beispielen auch sehen können. Ausgenommen sind natürlich immer wieder Personen, die Straftaten hier begangen haben. Auch da gibt es entsprechende Eingrenzungen. Auch das ist hier erläutert worden.
Die wirtschaftliche und soziale Lage der Volksgruppenangehörigen von Roma, Ashkali und Ägyptern in ihren Heimatländern ist schwierig, das wissen wir. Aber sie wird sich auch nach dem Rückführungsstopp ab April nicht grundlegend ändern. Auch das wollen wir nicht in Abrede stellen. Dennoch muss man doch anerkennen, dass gerade die Heimatländer um die Rückführung und Reintegration starke Bemühungen betreiben. Natürlich sehen wir, dass diese Integration auch noch sehr viel Zeit benötigt und dass auch entscheidend sein wird, wie diese wirtschaftliche Entwicklung in diesen Ländern verlaufen wird. Aber die Startbedingungen für die Rückkehrer haben sich deutlich verbessert. Sie haben eine Reihe von Beispielen hier vorgetragen, von Erfahrungen in Serbien, das will ich auch nicht in Abrede stellen, es gibt krasse Beispiele. Und es gibt genauso gute Beispiele, aber hier höre ich von Ihrer Fraktion und insbesondere von Ihnen immer die dramatischen Fälle, die Sie vortragen. Ich denke, es gibt sowohl gute als auch schlechte Beispiele, um sich die Lebenswirklichkeit in den Balkanstaaten vorzustellen.
(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: 99 Prozent Arbeitslose sind nun mal alles dramatische Fälle.)
deren Staaten, die gerade die Minderheiten im Blick haben und sich für diese einsetzen und entsprechende Förderprogramme auflegen. Der Minister hat vorhin vorgetragen, in welchen Lebensbereichen das erfolgt. Auch das kann man doch nicht alles wegdiskutieren.
Es gibt auch die Programme ausländischer Organisationen, Vereine, Institutionen und Länder, die diese Reintegrationsprojekte finanzieren, auch davon konnten wir uns überzeugen, auch von unterschiedlichen Qualitäten, wie diese Projekte laufen. Ich muss sagen, ich bin sehr froh, dass unsere Reise letztlich dazu geführt hat, dass wir uns jetzt an dem Programm „URA 2“ beteiligen, denn hier gibt es Soforthilfen für die Rückkehrer, die natürlich freiwillig ausreisen - das ist auch klar -, dann kann alles in einem geordneten Zustand erfolgen. Aber diese werden dann auch entsprechend vor Ort betreut. Ich denke, das Geld, was man hier vor Ort gibt, ist besonders gut angelegt.
Ich weiß, das Thema ist hoch sensibel und dennoch möchte ich auch noch mal diese derzeitigen Entwicklungstendenzen im Asylbewerberbereich, die sich gerade jetzt in unserem Land vollziehen, benennen. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Mitte Oktober 2012 bekannt gab, wird für die kommenden Monate mit einer deutlich gestiegenen Zahl von Asylbewerbern gerechnet. Das Berliner Amt rechnet mit bis zu 9.000 Antragstellern pro Monat. Ich habe jetzt hier Zahlen vorliegen, die ich Ihnen dennoch vortrage, die sich sicher etwas unterscheiden. Aber mit den vorgetragenen Zahlen des Ministers vom Oktober kann man eigentlich erkennen, welche Tendenz hier in den letzten Monaten passiert ist. Bereits im September 2012 stieg im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Asylbewerber um mehr als 60 Prozent. Das sind etwa 6.600 Personen mehr, wobei ein Drittel der Bewerber aus den Ländern der Balkanregion kam. Allein aus Serbien stieg die Zahl der Zuzüge um mehr als 100 Prozent. Von Januar bis September dieses Jahres waren 40.201 Personen in Deutschland, die Asyl beantragt haben. Auch hier ist eine Steigerung festzustellen zum Zeitraum des Vorjahres um 23,9 Prozent, wobei sich die Zahlen noch drastisch erhöhen werden, wenn die Monate Oktober, November dazugerechnet werden.
Sie haben in Ihrer Drucksache auf den Bericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verwiesen und ebenfalls auf diese Einwanderer- und Asylbewerberzahlen Bezug genommen und haben hier von einer geringfügigen Erhöhung auf niedrigem Niveau gesprochen. Ich glaube, unsere Zahlen, die hier vorgetragen worden sind, belegen genau das Gegenteil.
Es mag sein, dass auf den ersten Blick Thüringen jetzt nicht so stark betroffen ist, weil wir nach dem Königsteiner Schlüssel bestückt sind und entsprechend weniger Asylbewerber aufzunehmen haben, aber im September 2012 insgesamt 251 aus Serbien, Mazedonien und dem Kosovo, immerhin 69 Prozent aus diesen Ländern. Ich lasse die anderen Zahlen mal weg. Ich denke, man erkennt, dass hier gerade die Inanspruchnahme von Asyl in Anträgen in unserem Land angestiegen ist. Sehr auffallend ist, dass die Erhöhung der Flüchtlingszahlen einhergeht mit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 18.07., das wir nun sehr oft beim Thema Asyl hier mit vortragen. Hier sieht man, dass mit der faktischen Gleichstellung einheimischer Sozialhilfeempfänger und einer höheren finanziellen Unterstützung auch mehr Asylbewerberanträge aus den Staaten des Balkan einfach erfolgen. In diesen Ländern gibt es keine Bedrohung, im Sinne des deutschen Asylrechts sind dies sichere Drittstaaten.
Ich denke, dass gerade auch die Väter des Grundgesetzes, die hier das Asylrecht aufgenommen haben, damit eine entsprechende Entwertung erfahren, gerade auch im Hinblick darauf, dass die Asylanträge in ihrer Bearbeitung eher nicht genehmigt werden und in Richtung null entschieden werden auf Anerkennung.
Aus humanitären Gründen begrüßt die Thüringer Regierungskoalition das vorgetragene Verfahren, das vergleichsweise einem sogenannten Wintererlass in Thüringen gleichkommt, um besonders schutzwürdige Menschen aus den bereits genannten Volksgruppen zu unterstützen.
Die vorgelegten Anträge, die ich eingangs aufgeführt habe, vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und der FDP lehne ich hiermit im Namen meiner Fraktion ab. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beraten heute über den Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Abschiebestopp von Roma, Ashkali und Ägyptern und Ägypterinnen in die Staaten der Balkanhalbinsel“ sowie über den Alternativantrag der FDP-Fraktion „Wintererlass für besonders schutzbedürftige Menschen“. Bevor ich zum Thema komme, Frau Kollegin Berninger, ich erinnere mich an die Einladung und ich erinnere mich auch daran, dass eine Entschuldigung vonseiten meines Büros gesendet worden ist, weil sie recht kurzfristig kam
Liberale Politik, meine Damen und Herren, setzt sich für die Rechte aller Menschen in Deutschland und natürlich damit für die Rechte der Menschen in Thüringen ein. So sagen wir auch, dass die Abschiebung von ausreisepflichtigen Personen eine bedrückende, missliche, gleichwohl de jure jedoch zu erfüllende Aufgabe eines Landes ist.
Nach dem geltenden bundesgesetzlichen Aufenthaltsrecht müssen solche Entscheidungen leider immer wieder objektiv nach Recht und Gesetz getroffen und vollzogen werden, auch wenn der eine oder andere die Entscheidung in bestimmten Fällen subjektiv bedauern und abweichend beurteilen mag. Wer in Deutschland die geltenden Voraussetzungen für den Aufenthalt nicht mehr erfüllt, muss, wenn besondere Ausnahme- und Härtefallregeln nicht einschlägig sind, Deutschland und damit auch Thüringen wieder verlassen und in seine Heimat zurückkehren. In welche Regionen Abschiebungen erfolgen dürfen, bestimmen nicht wir in Thüringen, sondern das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Berücksichtigung umfassender Berichte des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in den jeweiligen Gebieten. So soll sichergestellt werden, dass die Abschiebung nicht in lebensbedrohende Krisenregionen erfolgt.
Meine Damen und Herren, wir haben einen Alternativantrag eingebracht, da wir der Auffassung sind, dass ein pauschaler Abschiebestopp, wie er Jahr für Jahr gefordert wird, keine sachgerechte und vor allem durchsetzbare Lösung darstellt.
Ich will hervorheben, dass Thüringen weit davon entfernt ist, sogenannte Massenabschiebungen vorzunehmen. Es ist mitnichten so, dass nun willkürlich in Thüringen Abschiebungen erfolgen. Jede Abschiebung setzt eine Einzelfallprüfung voraus, was nicht ausschließt, dass dabei auch fatale Fehler passieren. Ich habe aber in diesem Jahr aus der Kosovo-Bereisung lernen dürfen, dass es eben nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Deswegen ist es, meine Damen und Herren, unsere Verantwortung, diejenigen zu schützen, die nach unserer Auffassung besonders schutzbedürftig sind, wie Familien mit minderjährigen Kindern, alte Menschen, Kranke und Pflegebedürftige. Für diese Menschen, meine Damen und Herren, ist die Rückkehr in der Winterzeit eine kaum zu bewältigende Herausforderung.