Protocol of the Session on December 12, 2012

Aus diesem Grund tagt heute - insoweit ist es ja schon angesprochen worden und es verrät kein Geheimnis - das für die Aufsicht über das LfV berufene parlamentarische Gremium. Gerade weil mir in besonderem Maße die Aufklärung der Vorgänge um die rechte Szene, die Herstellung von Transparenz und damit die Wiederherstellung von Vertrauen ein Anliegen ist, beschreibt Thüringen einen Weg, der eine Sonderstellung im Reigen der Länder übernimmt. Nicht zuletzt deshalb wurde dem Untersuchungsausschuss der Gesamtbestand der Akten zum Phänomenbereich Rechtsextremismus des Landesamts übermittelt. Darüber hinaus können die Mitglieder des Untersuchungsausschusses auch die V-Mann-Akten aus diesem Bereich einsehen. Darunter ist auch die Akte des hier in Rede stehenden ehemaligen V-Mannes. Der hier zuständigen PKK wurden ebenfalls die entsprechenden Unterlagen übermittelt.

Ich darf darauf hinweisen, dass diese umfassende Transparenz gegenüber den parlamentarischen Gremien Thüringen in der jüngeren Vergangenheit unter den anderen Bundesländern nicht viele Sympathien eingebracht hat. Sie ist dennoch notwendig und richtig.

(Abg. Fiedler)

Lassen Sie mich vorab eines klarstellen: Abgeordnete und ihr personelles Umfeld sowohl im Rahmen ihrer Fraktionsarbeit als auch im Rahmen ihrer Tätigkeit im Wahlkreis sind für den Thüringer Verfassungsschutz tabu. Abgeordnete und ihre Mitarbeiter sollten nach meinem Verständnis über den Umgang von Verfassungsorganen untereinander nicht Gegenstand nachrichtendienstlicher Maßnahmen sein.

(Beifall CDU)

Dies gebietet allein schon der Respekt vor der Stellung eines Abgeordneten. Ich werde heute in umfassender Weise die Parlamentarische Kontrollkommission über den genauen Sachstand und Sachverhalt unterrichten. Gleichzeitig bitte ich Sie um Verständnis dafür, dass ich an dieser Stelle nicht in öffentlicher Sitzung umfassend über den Sachverhalt informieren darf.

Ich will jedoch einige allgemeine Anmerkungen über die Umstände machen, die damals der VMann-Anwerbung sowie der V-Mann-Führung zugrunde lagen: Im Jahr 2006 war die Zugangslage des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz im Bereich der NPD, gelinde gesagt, nicht gut. Dies lag unter anderem daran, dass infolge des gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht im Jahr 2003 eine Anwerbung und Führung von V-Leuten auf der Ebene des Landesvorstandes der NPD von vornherein nicht in Betracht kam. Bereits im Jahr 2001 wurde per Erlass im Landesamt festgelegt, dass V-Leute nicht auf der Ebene des Landesvorstands einer extremistischen Partei geführt werden dürfen. Auf der anderen Seite hatte die NPD im Jahr 2006 an Stärke zugenommen. Bereits 2004 konnte die NPD bei den Landtagswahlen ihren Stimmenanteil von 0,2 Prozent im Jahr 1999 auf 1,6 Prozent steigern. Im Jahr 2005 erreichte die NPD bei der Bundestagswahl in Thüringen ihr deutschlandweit zweitbestes Ergebnis, als sie 3,7 Prozent der Zweitstimmen erhielt. Dieses war augenscheinlich Grund dafür, dass das Landesamt auf eine Selbstbewerbung reagierte und mit dieser Person nach einer mehrmonatigen Probephase ein V-Mann-Verhältnis von März 2007 bis September 2007 begründete. Aus den Akten ergibt sich, dass es sich bei diesem V-Mann erkennbar um eine schillernde Persönlichkeit handelt, die in der Vergangenheit in verschiedenen politischen Richtungen aktiv war. Entsprechend diesen Erkenntnissen wurde die Person mehrfach über seine Pflichten und die Grenzen seiner Tätigkeit informiert und belehrt. Wie sich im weiteren Verlauf zeigte, geschah dies jedoch vergeblich. Wegen nachhaltiger Unzuverlässigkeit schaltete das TLfV den V-Mann bereits im September 2007 wieder ab.

Aus heutiger Sicht ist festzustellen, dass es richtig gewesen wäre, wenn das Landesamt das Risiko, das mit der Anwerbung dieser Person verbunden

war, von vornherein nicht eingegangen wäre. Denn es stellte sich offensichtlich heraus, dass es sich um eine notorisch unzuverlässige Person handelt, die den Auflagen und Weisungen seiner V-MannFührung nicht nachkam. Dass der damals amtierende Innenminister vom Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz über den Sachverhalt unterrichtet wurde und diese Sache, ohne erkennbare weitere Veranlassungen zu treffen, lediglich zur Kenntnis genommen hat, ist bereits öffentlich erörtert worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Werbung und Gewinnung von V-Leuten sowie deren Führung ist eines der Kernbestandteile der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes. Die Innenministerkonferenz hat letzte Woche hierzu, auch auf meine Initiative hin, Kernpunkte beschlossen, die unter anderem eine Standardisierung und bundesweite Vereinheitlichung der Kriterien für die V-Mann-Führung vorsehen. Legt man diesen Kriterienkatalog für die künftige Werbung und Führung eines VMannes zugrunde, so wäre der T. nach diesen Maßstäben höchstwahrscheinlich von vornherein durch dieses Raster gefallen. Diese Kriterien weisen in die richtige Richtung, gehen mir aber noch nicht weit genug. Ich habe mich bereits in den zurückliegenden Wochen dafür eingesetzt, dass darüber hinausgehend künftig V-Leute zentral vom Bundesamt für Verfassungsschutz nicht nur erfasst werden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was hätte das geholfen?)

Nur so ist eine vollständige Übersicht über die VMann-Situation zu erlangen und nur so wird sichergestellt, dass Werbung und Führung und gegebenenfalls auch Abschaltung von V-Leuten nach einheitlichen Standards erfolgt.

Abschließend will ich noch kurz auf das beschlossene NPD-Verbotsverfahren eingehen. Die im Zusammenhang mit der Selbstenttarnung dieses VMannes geäußerte Sorge, dass das neue NPDVerbotsverfahren hierdurch gefährdet werde, ist unbegründet. Die über 1.000-seitige Materialsammlung, die die Verfassungsschutzämter zur Vorbereitung eines neuen NPD-Verbotsverfahrens zusammengetragen haben, enthält Beweisbelege, die zurückreichen bis in das Jahr 2008. In dieser Materialsammlung sind also bereits aus Gründen des Erhebungszeitraumes keine Beweissachverhalte enthalten, die der V-Person als Verfasser in irgendeiner Weise inhaltlich zugerechnet werden können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Ich sage mal die Sekunden und Minuten noch an, die an Redezeit bleiben.

(Minister Geibert)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 40 Sekunden, für die Fraktion DIE LINKE 30 Sekunden, für die Fraktion der FDP 50 Sekunden und für die Fraktion der SPD 1:20 Minuten. Die Fraktion der CDU hat keine Redezeit mehr.

Ich sehe jetzt eine Wortmeldung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE. Wollen Sie Ihre Sekundenzahl noch in Anspruch nehmen. Bitte schön, Herr Abgeordneter Adams.

Frau Präsidentin, sehr geehrter Innenminister, das, was Sie jetzt gerade vorgetragen haben, das ist doch aus den Medien bekannt. Warum tragen Sie es hier noch einmal vor? Meine entscheidende Frage ist, Sie haben ausgeführt, dass es ein berechtigtes öffentliches Interesse gibt und ein parlamentarisches Interesse. Müssen Sie denn als Innenminister nicht das größte Interesse haben, solche Dinge aufzudecken und der parlamentarischen Debatte zuzuführen? Und nicht erst, wenn Sie durch den öffentlichen Druck dazu gezwungen werden? Deshalb meine Fragen an Sie: Seit wann wussten Sie von Herrn Trinkaus als V-Mann? Seit wann wussten Sie, dass das TLfV Informationen darüber hatte, dass DIE LINKE und andere Fraktionen bedrängt werden sollen?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Fraktion DIE LINKE Abgeordneter Bodo Ramelow.

Lieber Wolfgang Fiedler, wir harren der Sitzung und ich werde mir berichten lassen, ob die Fragen, die hier mit angesprochen worden sind, auch aufgeklärt oder zumindest einer Prüfung unterzogen werden. Es bleibt aber, werter Herr Minister, aus meiner Sicht die Frage anzumerken, welche Beamten waren damit beschäftigt. Und da frage ich auch nach Ihrem heutigen Staatssekretär,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

der hat an dem Gespräch am 22. Januar teilgenommen. Es bleibt aber auch die Frage nach den VMann-Führern und es bleibt die Frage nach dem damaligen stellvertretenden Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, die alle wussten, um was es hier ging, weil es in der Presse zu lesen war und keine Warnung an die Abgeordneten gegangen ist. Und diese Frage bleibt als Verantwortung der

Landesregierung. Warum sind die anderen Parlamentarier nicht gewarnt worden?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann schließe ich den ersten Teil der Aktuellen Stunde.

Ich rufe auf den zweiten Teil der Aktuellen Stunde

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Bargeld statt Gutscheine Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes in Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/5338

Als Erster hat das Wort Abgeordneter Dr. Frank Augsten von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auf ausdrücklichen Wunsch meiner Fraktion möchte ich ausnahmsweise einmal mit einem Dank beginnen, und zwar möchten wir uns bedanken bei allen Landrätinnen und Landräten, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die auch, ohne dass großer Druck aufgebaut wurde, das Gutscheinsystem umgestellt haben auf Bargeldzahlung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie haben damit ein Zeichen gesetzt gegen Menschenverachtung, gegen Stigmatisierung und haben das umgesetzt, was das Bundesverfassungsgericht am 18.07. dieses Jahres und letzten Endes auch der Thüringer Innenminister am 19. September auf den Weg gebracht haben.

Meine Damen und Herren, dass das richtig und konsequent ist, diese Umstellung vorzunehmen, das sieht man daran, dass fast alle Landkreise und die entsprechenden Kommunen gehandelt haben. Fast alle, weil es zwei Landkreise gibt, die da nicht etwa zu spät sind, sondern wo es deutliche Zeichen gibt, dass die politisch Verantwortlichen das nicht machen wollen. Die Landrätin Schweinsburg hat auf der Kreistagssitzung am 27.11. den Antrag der LINKEN von der Tagesordnung nehmen lassen mit dem richtigen Hinweis, das ist übertragener Wirkungskreis, da lässt sie sich auch nicht reinreden

(Präsidentin Diezel)

von einem Kreistag. Zwei Tage später hat der Kreistag in Apolda getagt und wir haben in einem gemeinsamen Antrag mit den LINKEN extra formuliert, dass wir den Landrat bitten zu überprüfen, ob denn da nicht etwas zu geschehen habe. Wir waren sehr überrascht, dass das auf der Tagesordnung geblieben ist, waren voller Hoffnung, aber dann umso entsetzter, als wir die Rede des Herrn Münchberg vernehmen mussten, eine Rede, die an Zynismus nicht zu überbieten war.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um vielleicht einmal ein paar Kostproben - es war ja eine öffentliche Sitzung - zum Besten zu geben. Herr Münchberg spricht davon, dass viele von den Menschen, die sich hier aufhalten, zu Unrecht hier sind, weil sie gar kein Problem hätten in ihren Heimatländern. Er spricht davon, dass viele deswegen da sind, weil sie Leistungen missbrauchen wollen. Und - das war der Höhepunkt für mich - er hat noch einmal philosophiert, dass das Asylbewerberleistungsgesetz immerhin ein Gesetz wäre, das Zuzug von Ausländerinnen und Ausländern verhindern soll und dass man deshalb doch die Bedingungen für diese Menschen nicht verbessern dürfe, weil das dann dem Gesetz widerspräche.

Meine Damen und Herren, falls bei einigen von Ihnen jetzt die Gehirnwindungen warm werden, Münchberg und Ausländer, da war doch schon einmal was, ja, es war eben dieser Landrat, der vor gut zwei Jahren im Amtsblatt Weimarer Land auf der ersten Seite mit großen Lettern geschrieben hat: Kriminelle Ausländer raus. Wir wissen ja, in welchem Parteiprogramm so etwas drinsteht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, bis jetzt war vielleicht nicht klar, warum diese Aktuelle Stunde beantragt wurde, aber jetzt dürfte es jedem klar sein. Unabhängig davon, wie man mit Menschen umgeht hier in Thüringen, die Hilfe brauchen, dieser Landrat und dieses Agieren ist ein Standortrisiko für dieses Land und nicht nur für den Kreis Weimarer Land.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir stehen vor dem Problem, dass wir Zuzug brauchen. Jeder der im Wirtschaftsbereich tätig ist, weiß, dass wir dort auch auf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger angewiesen sind, und ein solches Zeichen, wie wir es gerade aus dem Weimarer Land erleben, macht natürlich genau das Gegenteil, es ist das, was wir hier überhaupt nicht gebrauchen können.

Deshalb von unserer Fraktion die dringende Aufforderung mindestens an vier Personen, die sich jetzt eigentlich hier im Raum aufhalten müssten, nämlich an die Ministerpräsidentin, an den Innenminister, an den Staatssekretär Mertens und an Herrn Mohring als Fraktionschef, nicht nur hier im Landtag, son

dern auch in der Kreis-CDU, das sind nämlich die vier Personen, die im Landkreis Weimarer Land wohnen, hier aktiv zu werden. Kollege Mohring, da finde ich schon etwas eigenartig, dass dann letzten Endes als Lösung im Kreistag präsentiert wird, dass die CDU den Antrag stellt, diesen Antrag der LINKEN und der GRÜNEN an den Sozialausschuss zu überweisen mit der Begründung, das wäre alles so kompliziert und da gäbe es noch viel zu beraten. Das scheinen andere Landkreise anders zu sehen. Ich hoffe, hier wird nicht auf Zeit gespielt.

Wir fordern also mindestens diese vier Personen auf, aktiv zu werden, nicht zuzulassen, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass Ausnahmen - da gibt es sicher Missbrauch - zur Regel erklärt werden, so wie es Herr Münchberg macht. Wir fordern Sie auf, sich nicht an dieser Nützlichkeitsdebatte zu beteiligen, dem müssen wir ganz entschieden entgegentreten. Es geht hier nicht darum, schlechte Ausländer gegen gute Ausländer auszuspielen, sondern da gelten die Menschenrechte als unteilbar. Ich werde es der Frau Ministerpräsidentin auch persönlich sagen, es ist schön, wenn sie hier im Rahmen einer Regierungserklärung zum Thüringen-Monitor die Willkommenskultur noch mal besonders betont. Aber, Frau Ministerpräsidentin, dann können Sie doch in Ihrem Landkreis anfangen. Das, was wir da gerade erleben, ist alles andere als Willkommenskultur.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern gibt es mindestens für die Personen, die ich hier aufgefordert habe, viel zu tun, und zwar im eigenen Kreis. Werden Sie aktiv, damit hier nicht das falsche Signal in das Land und vor allen Dingen auch über das Land hinaus geht. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Frau Abgeordnete Regine Kanis.