Protocol of the Session on November 22, 2012

(Abg. Renner)

Danke, Herr Präsident. Ich war etwas überrascht über das schnelle Ende der Antworten. Wir haben in dem Eingangstext zu unserer Mündlichen Anfrage auf ein OVG-Urteil von Berlin vom 18. April 2008 abgestellt. Sie sprachen jetzt, Herr Staatssekretär, an zwei Stellen von einschlägiger Rechtsprechung bzw., dass das Handeln der Polizei und Versammlungsbehörden im Einklang stände mit verwaltungsrechtlicher Rechtsprechung. Können Sie mir da entsprechend die Fundstellen für Ihre Rechtsauffassung mitteilen?

Gern. Zunächst zu dem Urteil des OVG BerlinBrandenburg, was Sie zitiert haben. Dem Urteil liegt ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Antragsteller eine Demonstration angemeldet hat. Das Thema der Demonstration war „Demokratie stärken, PKKVerbot aufheben, Freiheit für A. Öcalan und Frieden in Kurdistan“. Die Versammlungsbehörde in Berlin hat diese Demonstration verboten, das Verbot wurde vom OVG bestätigt. Nur nebenbei wurde Bezug genommen auf das Zeigen von Öcalan-Bildern, indem das OVG eine Stelle in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin erwähnt hat. Daraus abzuleiten, das Zeigen von Öcalan-Bildern sei gestattet, wäre eine deutliche Überinterpretation der Entscheidung des OVG Berlin.

Sie wollten auch eine Entscheidung haben. Ich beziehe mich auf das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, eine Entscheidung vom 25.10.2005. Da ging es um eine Feststellungsklage, mit der beanstandet wurde, dass das Zeigen von Öcalan-Bildern von der Versammlungsbehörde im Wege eines Auflagenbescheides untersagt worden war. Das ist vor allen Dingen die Entscheidung, die ich meine. In der Entscheidung bringt das OVG Bremen zum Ausdruck, dass in aller Regel das Zeigen von Öcalan-Bildern auf einer Demonstration gegen das Betätigungsverbot verstößt, mithin gegen § 20 des Vereinsgesetzes. Davon gibt es eine Ausnahme, die ich gern zitieren würde, Randnummer 30: „bei Meinungsäußerungen, die erkennbar keinen Zusammenhang zum Organisationsbereich der betroffenen Vereinigung oder deren Wirken aufweisen, kann die Verwendung von Öcalan-Bildern deshalb im Einzelfall ‚sozial adäquat’ sein“, also erlaubt sein.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das war mal eine Antwort.)

Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Danke, Herr Staatssekretär. Wir machen weiter mit der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Jung von der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/5191.

Danke, Herr Präsident.

Haltung der Landesregierung zur Stärkung von Betreuungsbehörden und zur Klarstellung von Betreuerkompetenzen

Im Juli 2012 hatte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf mit Änderungen zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörden als Referentenentwurf vorgelegt. Der Gesetzentwurf befindet sich nun in der weiteren Beratung. Darin werden Vorschläge einer interdisziplinären Arbeitsgruppe zum Betreuungsrecht aufgegriffen. Die Arbeitsgruppe hatte im Herbst 2011 der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister einen entsprechenden Abschlussbericht vorgelegt. Die Vorschläge des Entwurfs sollen auch dazu dienen, die Bestellung eines gesetzlichen Betreuers, soweit möglich, zu vermeiden. Darüber hinaus soll z.B. auch die Aufgabenerfüllung durch Fachkräfte sichergestellt werden.

Am 20. Juni 2012 fällte der Bundesgerichtshof zwei Beschlüsse, in denen er abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung neue Vorgaben für die Zulässigkeit von sogenannten Zwangsbehandlungen, d. h. medizinischen Behandlungen gegen den Willen der bzw. des Betroffenen, festlegte. Der BGH stellt in seinen Beschlüssen fest, dass die vom Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen vom 23. März 2011 und vom 12. Oktober 2011 gemachten Vorgaben für Zwangsbehandlungen im Maßregelvollzug auch auf Zwangsbehandlungen im Rahmen der Betreuung angewendet werden müssen und stellt eine Regelungslücke fest. Angeblich sollen die Vorschläge zur Schließung der Gesetzeslücke im Rahmen der Beratung der Bundestagsdrucksache 17/10492 Eingang finden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie stellen sich Inhalt und aktueller Beratungsstand des Gesetzentwurfs zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörden nach Kenntnis der Landesregierung dar?

2. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zum in Frage 1 nachgefragten Gesetzentwurf, auch mit Blick auf etwaige kritische Stellungnahmen von Organisationen und Verbänden zu diesem Entwurf?

3. Welchen rechtlichen Anpassungsbedarf im Bundes- und/oder Thüringer Landesrecht sieht die Landesregierung, ausgehend von den o.g. Beschlüssen des Bundesgerichtshofs, datierend vom 20. Juni 2012 und bezogen auf das Problem der sogenannten Zwangsbehandlung?

4. Wie soll nach Kenntnis der Landesregierung das etwaige beschleunigte Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der BGH-Entscheidungen vom 20. Juni 2012 ablaufen und welche Möglichkeiten

der Einflussnahme haben das Land Thüringen bzw. die Thüringer Landesregierung?

Für die Landesregierung antwortet das Justizministerium. Herr Staatssekretär Prof. Dr. Herz, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Jung beantworte ich für die Thüringer Landesregierung wie folgt.

Zu Frage 1: Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zum Betreuungsrecht hat sich in den Jahren 2009 bis 2011 mit der Frage einer strukturellen Reform des Betreuungswesens befasst und Maßnahmen zur Verbesserung vorgeschlagen. Die Justizministerinnen und Justizminister haben im Herbst 2011 den Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe beraten und das Bundesjustizministerium gebeten, einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten. Dem ist das Bundesjustizministerium mittlerweile mit dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Funktion der Betreuungsbehörde nachgekommen. Der Entwurf will die Betreuungsbehörde sowohl im Vorfeld als auch im gerichtlichen Verfahren stärken, um die Bestellung eines rechtlichen Betreuers, soweit dies möglich ist, zu vermeiden und damit die Selbstbestimmung des Betroffenen zu fördern. Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz sieht insbesondere Folgendes vor:

1. die obligatorische Anhörung der Betreuungsbehörde im Verfahren,

2. die gesetzliche Festlegung qualifizierter Kriterien für den sogenannten Sozialbericht der Betreuungsbehörde,

3. die Konkretisierung der Aufgaben der Betreuungsbehörde im Betreuungsbehördengesetz und

4. die gesetzliche Bestimmung, dass diese Aufgaben durch Fachkräfte wahrzunehmen sind.

Was den erfragten Verfahrensstand anbelangt, so handelt es sich nach Erkenntnissen meines Hauses nach wie vor um einen Referentenentwurf.

Zu Frage 2: Die Landesregierung begrüßt den hier in Rede stehenden Referentenentwurf des BMJ. Allerdings hat eine Stellungnahme der gerichtlichen Praxis in Thüringen gezeigt, dass wesentliche Vorschläge des Entwurfs bereits jetzt vielerorts gängige Praxis sind. Daher dürften die beabsichtigten Regelungen nur im begrenzten Umfang zu einer Entlastung der Gerichte und zu einer Verringerung der Betreuungsverfahren führen. So ist es bereits jetzt in Thüringen gerichtliche Praxis, die Betreuungsbehörde im Rahmen der Sachaufklärung bei

der Beistellung von Betreuern, der Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers, der Verlängerung der Betreuung und der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts anzuhören. Die Berichte der Behörden sind überwiegend umfassend und bilden damit eine gute Entscheidungsgrundlage für die Betreuungsgerichte. Die Landesregierung begrüßt die in dem Entwurf vorgesehene Verpflichtung zur Anhörung der Betreuungsbehörde, da die Zusammenarbeit zwischen Betreuungsgericht und Betreuungsbehörde abhängig von der personellen und fachlichen Besetzung der Behörde regional sehr unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Zu begrüßen ist schließlich auch die beabsichtigte Regelung zu den weiteren Informations- und Beratungsangeboten der Betreuungsbehörden einschließlich der Vermittlung anderer Hilfen sowie der Unterstützung und Beratung Vorsorgebevollmächtigter.

Letztlich dürfte es sich bei dem Entwurf unseres Erachtens um einen ersten Schritt zur Reform des Betreuungsrechts handeln, und zwar mit dem Ziel einer Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen.

Zu Frage 3: Die Landesregierung sieht aufgrund der vom Bundesgerichtshof aufgezeigten Regelungslücke im Betreuungsrecht einen in der Tat dringenden Regelungsbedarf. Die zu schaffende Rechtsgrundlage muss den aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des BGH abzuleitenden Anforderungen gerecht werden. Das Bundesministerium der Justiz hat in der Zwischenzeit den Entwurf einer Formulierungshilfe zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme erarbeitet, der vom Bundeskabinett am 7. November 2012 beschlossen wurde. Der Entwurf sieht unter anderem eine Änderung des § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuches vor. Danach soll die Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur unter folgenden engen Voraussetzungen möglich sein:

1. Die Einwilligung kommt nur bei einem krankheitsbedingt einwilligungsunfähigen Betreuten in Betracht.

2. Die Einwilligung des Betreuers muss zur Abwendung eines dem Betreuten drohenden, erheblichen gesundheitlichen Schadens erforderlich sein.

3. Der erhebliche gesundheitliche Schaden darf nicht durch eine andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden können.

4. Der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme muss die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegen.

Auch sieht der Entwurf vor, dass die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf und dass die Zwangsbehandlung nur im Rahmen einer statio

(Abg. Jung)

nären Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB erfolgen kann.

Die Landesregierung begrüßt, dass die Bundesregierung hier zeitnah tätig geworden ist, um die Regelungslücke zu schließen. Allerdings teilt die Landesregierung die auf der Konferenz am 15. November 2012 - also letzte Woche - in Berlin vertretene Auffassung der Justizministerinnen und Justizminister aller Länder, wonach die vom Bundesministerium der Justiz erarbeitete Formulierungshilfe der Problematik nicht vollständig gerecht wird, denn danach soll eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur dann zulässig sein, wenn der Patient in einer geschlossenen Einrichtung aufgrund richterlicher Entscheidung untergebracht ist. Wird aber eine ärztliche Maßnahme gegen den Willen des Betroffenen nur im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung erlaubt, so bleibt einem nicht unerheblichen Teil der Betroffenen die notwendige und zugleich schonende Zuwendung medizinischer Hilfe versagt. Zu denken ist dabei insbesondere auch an Demenz erkrankte Betroffene in Pflegeheimen oder Krankenhäusern bei der Behandlung somatischer Leiden. Was die Frage nach einem etwaigen Anpassungsbedarf im Landesrecht anbelangt, so wird sich die Landesregierung hierzu parallel zum Gesetzgebungsverfahren beim Bund eine abschließende Meinung bilden.

Zu Frage 4: Wie bereits dargelegt, hat das Bundeskabinett am 7. November dieses Jahres den Entwurf einer Formulierungshilfe zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme beschlossen. Nach Informationen des BMJ ist geplant, den Entwurf im weiteren Verlauf im Rahmen eines „Omnibusverfahrens“ in ein anhängiges Gesetzgebungsverfahren, das bereits zum ersten Mal den Bundesrat passiert hat, zu integrieren. Dabei wird es sich voraussichtlich um die Drucksache 17/10492 handeln. Was die Einflussmöglichkeiten des Freistaats anbelangt, so werden sich diese nach dem vom Bund geplanten Verfahren im Wesentlichen auf den zweiten Bundesratsdurchgang des besagten „Omnibusverfahrens“ beschränken. Darüber hinaus hat der Thüringer Justizminister die Landesinteressen im Rahmen der hier in Rede stehenden Problematik auf der 84. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 14. und 15. November in Berlin vertreten und insbesondere, wie zu Frage 3 dargestellt, eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der angedachten Regelung gefordert. Vielen Dank.

Es gibt eine Nachfrage durch die Fragestellerin.

Danke, Herr Staatssekretär. Ich habe nur eine Nachfrage. Wie Sie auf eine Fragestellung ausge

führt haben, ist die Besetzung vor Ort sehr unterschiedlich. Dadurch entstehen natürlich auch sehr unterschiedliche Wartezeiten. Es mehren sich ja die Fälle, wo gerade junge Jugendliche, drogenabhängig, in so ein Verfahren müssen. Die Frage ist: Welche kurzfristigen Regelungen kann es denn geben, um diese langen Verfahren, die manchmal zu lang sind, abzukürzen?

Kurzfristige Regelungen kann es nur im Rahmen der Möglichkeiten der Betreuungsgerichte geben, diese bemühen sich sehr und haben auch einige Erfolge erreicht. Aber eine Abhilfe dieses Problems wird erst durch die gesetzliche Neuregelung erfolgen können.

Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Danke, Herr Staatssekretär. Bevor ich die letzte Mündliche Anfrage für heute aufrufe, möchte ich noch mal daran erinnern, dass wir als folgende Tagesordnungspunkte Wahlen haben.

Ich rufe auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kemmerich von der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/5195.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Laut Medieninformationen haben Thüringer Kommunen einen Zweckverband gegründet, um bis Jahresende die E.ON Thüringer Energie zu übernehmen. Seitens des Thüringer Innenministeriums wird das Anliegen der Kommunen, dem gegründeten „Kommunalen Energiezweckverband“ beizutreten, unterstützt. Seitens des Wirtschaftsministeriums wurde ein vertraulicher Bericht vom Innenministerium zum Stand des Verfahrens „blockiert“. Eine genaue Prüfung und Transparenz des Verfahrens wird hingegen gefordert. In Regierungskreisen wird daher vom „Eklat im Kabinett“ gesprochen.

Ich hoffe, man kann mich hören, weil, ich höre mich kaum selber.

Also, hier vorn hört man Sie glänzend, Herr Kemmerich.

Das ist schön.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zum Verhalten der Ministerien im Interesse der