Protocol of the Session on November 13, 2008

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Da muss man auch über die Berechtigung des Wartburgkreises reden. Der Wartburgkreis ist bis heute nicht zusammengewachsen. Das wollen Sie doch nicht in Frage stellen. Wir haben nach wie vor im Süd- und Nordteil zwei Kreissportbünde, wir haben zwei Kreisfeuerwehrverbünde, wir haben eine geteilte Presselandschaft und wir haben - das hat gerade die von Ihnen auch angesprochene Abstimmung im Kreistag zum Klinikum Eisenach gezeigt - eine völlig entgegengesetzte Interessenlage. Da muss man bei einer künftig anstehenden Kreisreform auch mal darüber nachdenken, ob man nicht den Rennsteig als normale Gebietsgrenze akzeptiert.

(Beifall SPD)

So weit zu den Inhalten. Zu der Beratung der anderen Art hat Herr Kalich ja auch schon etwas gesagt. Das - ist jetzt mein Eindruck - mag sein, dass der falsch ist, aber ich hatte während der gesamten Ausschussberatung nicht unbedingt den Eindruck, dass die CDU-Fraktion sehr an diesem Thema interessiert war, auch nicht an der Anhörung, muss ich sagen. Für die Landesregierung hat Staatssekretär Richwien

teilgenommen, der war die meiste Zeit während dieser Anhörung in Einzelgespräche mit den CDU-Abgeordneten vertieft. Ich habe auch in der gesamten Beratung im Ausschuss keine inhaltliche Stellungnahme der Landesregierung bzw. der CDU-Fraktion bekommen, sondern es gab immer den Versuch, den uns heute vorliegenden Alternativantrag in die Ausschussberatung einzusteuern entgegen der Geschäftsordnung. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass es ja möglich wäre, zu unserem Antrag Änderungsanträge zu stellen, wenn man der Auffassung ist, dass unser Antrag nicht weitgehend genug wäre. Aber das wurde von der CDU-Fraktion nicht wahrgenommen. Nun liegt heute wieder dieser Alternativantrag vor. Die CDU hat es tunlichst vermieden, ihn noch mal zu begründen, obwohl im Ausschuss immer gesagt wurde, das ist ein weitergehender Antrag. Meine Damen und Herren, Sie sollten sich schämen, so etwas hier zu behaupten.

(Beifall SPD)

Dieser weitergehende Antrag ist von unserem Antrag abgeschrieben und die Dinge, die Ihnen momentan nicht so richtig ins Konzept passen, die haben Sie weggelassen. Sie wollen einen Bericht über den demographischen Wandel. Gut, bei uns heißt das Bevölkerungsentwicklung, wir haben den deutschen Begriff genommen, kann vielleicht auch nicht schaden.

(Beifall SPD)

Sie wollen die Entwicklung der zentralen örtlichen Funktion dargestellt haben. Das ist Punkt 2 unseres Antrags. Sie wollen die Einbindung in das überörtliche Verkehrs- und Liniennetz. Bei uns heißt es da, Entwicklung und Ausrichtung des Nahverkehrs. Sie wollen über Wohnungs- und Städtebau reden. Das haben wir in diesem Landtag oft genug getan. Wir haben zurzeit noch einen Antrag zum Demographiebericht im Ausschuss, wo wir in der nächsten Ausschuss-Sitzung wieder über den Stadtumbau reden und wir werden auch im Rahmen dieser Plenarsitzung über den Stadtumbau reden. Was ist da weiterführend an Ihrem Antrag? Nichts zur Arbeitsplatzentwicklung - was tut diese Landesregierung, damit junge Leute in Thüringen bleiben, damit sie hier Arbeit finden, damit sie gut bezahlte Arbeitsplätze finden, damit uns gerade auch die gut ausgebildeten Leute erhalten bleiben? Nichts zum Thema Bildung, Ausbildung. Wie geht es weiter mit dem Berufsschulnetz? Was tun wir zum Ausbau höherer Bildungseinrichtungen? Was tun wir, damit die Absolventen dieser Bildungseinrichtungen dann auch hier in Thüringen bleiben? Kein Wort zum Thema kulturelle Angebote. Die SPD-Fraktion hatte damals mit ihrem Kulturraumgesetz zumindest ein Angebot unterbreitet, das wurde hier abgelehnt, und dann reden Sie nicht mehr über das Thema. Wie wollen wir denn

aber sicherstellen, dass auch bei zunehmend weniger öffentlichen Mitteln unsere Theater, unsere Museen, unsere Kulturstätten erhalten bleiben? Nichts zu Einzelhandels- und Dienstleistungsfunktionen, Entwicklung des Gesundheits- und Sozialwesens, das interessiert Sie in Ihrem Antrag alles nicht. Und dann stellen Sie sich hin und behaupten, Ihr Antrag wäre der weitergehende Antrag.

Meine Damen und Herren, Sie haben einfach kein Interesse an diesen Themen oder Sie werfen sich vor Ihre Landesregierung, weil die zu diesen kritischen Themen keine Aussagen treffen kann.

Die Landesregierung hat im Ausschuss darauf verwiesen, dass die Ergebnisse der Überprüfung dieser Mittelzentren, die im Landesentwicklungsplan festgeschrieben wurden, in Kürze abgeschlossen sein sollte. Ein Antrag, dann doch mit dem Bericht zu warten bis die Überprüfung abgeschlossen ist und dann hier dem Landtag zu berichten, wurde von Ihnen abgelehnt. Jetzt taucht es auch in Ihrem Antrag gar nicht mehr auf. Wollen Sie es nicht wissen oder haben Sie Angst, dass die Überprüfung der Landesregierung vielleicht zu einem Ergebnis gekommen ist, was dem einen oder anderen Kommunalpolitiker vor Ort - die meisten gehören ja Ihrer Partei an - nicht gefallen könnte? Ich glaube, es wird Ihnen nicht gelingen, diese Ergebnisse der Überprüfung bis zur nächsten Kommunalwahl oder noch länger unter der Decke zu halten.

Meine Damen und Herren, das, was hier bei dieser Ausschussberatung gelaufen ist, war eigentlich beschämend, wenn man auf der anderen Seite sieht, wie viel Mühe sich die Anzuhörenden mit ihren Stellungnahmen gegeben haben, welch umfassendes Material uns vorliegt und dann gibt es am Ende einen Mehrheitsbeschluss aus dem Ausschuss, dass die Landesregierung noch nicht einmal zu diesen Themen berichten soll. Nein, sie soll nur zu ausgewählten Themen berichten, die der CDU gerade recht sind, wo man etwas sagen kann. Sie aber haben keine Vorstellungen, wie es weitergehen soll im Landesentwicklungsplan, wie das Zentrale-Orte-System weiterzuentwickeln ist. Die Wahrheit wird nicht allein eine Straffung sein oder eine Beibehaltung aller zentralen Orte, sie wird irgendwo in der Mitte liegen. Man muss sich dann wirklich jeden Einzelfall genau anschauen, wird hier die Umlandfunktion noch wahrgenommen. Auf der anderen Seite, wenn man ein Mittelzentrum wegfallen lässt, wer soll dann die Aufgaben wahrnehmen? Ist ein anderer da, der es machen kann? Zu all diesen Dingen - nichts. Das ist einfach eine Kapitulation vor den Problemen, vor denen dieses Land steht. Genauso wie Sie es schon mit der Enquetekommission gemacht haben, dass Sie den Kompromiss, der dort ausgehandelt wurde zur Gemeindegebietsreform, dann hier wieder durch Ihren Gesetzent

wurf aufgeweicht haben. Sie ziehen keinerlei Schlussfolgerungen aus dem Demographiebericht Ihrer eigenen Regierung, obwohl er lange vorliegt und die Probleme aufzeigt, in die dieses Land künftig steuert.

Meine Damen und Herren, ich würde sagen, Sie gehen nach Hause, Sie sind nicht in der Lage, dieses Land weiterzuentwickeln.

(Beifall SPD)

Das Wort hat Abgeordneter Wetzel, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, werte Gäste, meine verehrte Kollegin Doht, ich weiß nicht, ob Sie unseren Alternativantrag überhaupt mal gelesen haben, vor allen Dingen die Begründung.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Lesen kann ich noch.)

Ich dachte, Sie können lesen, und ich glaube, wir haben lange und sehr breit - und nicht nur einmal - im Ausschuss, aber auch außerhalb des Ausschusses darum gerungen, dass wir aus diesen beiden Anträgen einen gemeinsamen formulieren. Das wollten Sie nicht, das haben Sie abgelehnt nach mehreren Versuchen.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Zu Recht.)

Es bedarf eigentlich nur des Lesens Ihres Antrags. Ihr Bürgermeister Peter Oppel wird sich allein schon in Ihrem Antrag darüber beschweren, dass Sie Lobenstein ohne „Bad“ bezeichnet haben. Das zeugt eigentlich schon von Ihrer Einstellung zur Entwicklung des ländlichen Raums oder der kleinen Mittelzentren mit deren Funktion. Ich dachte, Sie sagen wenigstens etwas zu dem Verschreiber, aber das haben Sie nicht getan. Sie brauchen sich hier auch nicht aufzuregen und die Landesregierung nach Hause zu schicken, weil wir angeblich keine Ideen mehr hätten. Falls Sie es nicht wissen, das ist ja die parlamentarische Folge: Ich bin heute gezwungen, meiner Fraktion zu raten, Ihren Antrag abzulehnen, so wie wir das im Ausschuss schon getan haben, aber unseren Antrag anzunehmen. Und falls Sie nicht wissen, was daraus folgt, dass automatisch daraus ein Bericht des Ministers folgt,

(Unruhe SPD)

(Glocke der Präsidentin)

in einer absehbaren Zeit, dann tun Sie mir leid. Falls Sie nicht merken, dass Sie die PDS, die LINKE eben gelinkt hat, dann tut es mir auch leid. Aber dann muss ich es Ihnen wenigstens sagen, wenn Sie es nicht gemerkt haben. Ich brauche nur nach Frankreich zu fahren, da ist jedes dritte Wort: Wir sind für Dezentralisation. Und je tiefer ich in die Dezentralisation Frankreichs schaue, merke ich immer mehr Zentralstaat. Hier ruft die LINKE: Wir sind für Dezentralisation,

(Unruhe DIE LINKE)

sie rufen aber schon jetzt und immer lauter: Thüringen braucht eigentlich nur noch eine große kreisfreie Stadt - die Landeshauptstadt und ansonsten vier Landkreise. Was wollen Sie eigentlich, meine Damen und Herren von der LINKEN? Sie müssen dem Volk schon mal deutlich sagen, was Sie wollen, spätestens dann begreift

(Beifall CDU)

der normal sterbliche Thüringer, dass Sie Strukturen schaffen wollen, in denen Sie schalten und walten können wie in seltsamen Zeiten, die mir noch in Erinnerung sind. Herr Gerstenberger hat das heute schon mal erwähnt, aber es bleibt einem ja gar nichts anderes übrig, als immer darauf hinzuweisen. Herr Kalich redet von arbeitsteiligem Zusammenarbeiten in Kooperationen zwischen den Städten Hirschberg, Gefell und Tanna. Du weißt ganz genau, dass die drei Städte einen Fusionsvertrag vorhaben, mit dem sie eine Stadt werden wollen, weißt aber auch ganz genau, dass diese beiden Städte Hirschberg und Gefell sehr gut zusammenpassen, aber ein Tanna nie zusammenpassen wird mit dieser neuen Stadt Hirschberg-Gefell. Das ist eigentlich das Unfaire. Sie reden von arbeitsteiliger Zusammenarbeit in Kooperation und bereiten aber hintergründig Dinge vor, die eigentlich hanebüchen sind und die dann wiederum nicht zusammenpassen und wo das Wahlvolk sagt, mit diesem Bürgermeister haben wir künftig nichts mehr zu tun, da brauchen wir auch nicht mehr wählen zu gehen.

So viel zu den Gedanken einer Landesregierung und den Ideen und Gedanken einer Opposition, wie man Thüringen künftig regieren sollte. Frau Doht, es tut mir sehr, sehr leid, dass wir Ihren Antrag ablehnen müssen und Sie nicht bereit waren, mit uns gemeinsam einen neuen gemeinsamen Alternativantrag SPD/CDU einzubringen. Selbst den Titel hatte ich Ihnen freigestellt. Und aus dem Grunde weiß ich aber auch,

(Glocke der Präsidentin)

dass wir von unserem Minister in spätestens sechs Monaten dazu einen schriftlichen Bericht als Landtag

erfahren. Genau in dieser Form werden wir nun auch damit umgehen.

Meine Damen und Herren von der LINKEN, wenn man das so hört, hat man das Gefühl, das wird man zumindest nicht los, Sie stehen irgendwo gar nicht mehr auf dem Boden der Thüringer Kommunalordnung. Sie debattieren hier die Enquetekommissionsergebnisse. Wir sind hier dabei zu bewerten, die Entwicklung der Städte - und da bitte ich Sie, noch mal ganz genau unseren Antrag zu lesen, Frau Kollegin Doht, die Bedeutung der Oberzentren und Mittelzentren für die Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens, insbesondere des ländlichen Raums im Freistaat Thüringen.

Falls Sie es nicht wissen, dann sage ich es Ihnen noch einmal: Nach europäischem Maßstab ist Thüringen über 70 Prozent ländlicher Raum. Da sind wir angekommen. Falls Sie es nicht wissen, denke ich, hat sich dieser ländliche Raum in diesen 18 Jahren hervorragend entwickelt. Ich will Ihnen noch etwas sagen, das hatte ich eigentlich erst beim übernächsten Punkt vor, seitdem Herr Tiefensee den Spaten gestochen hat an der A 4 an den Hörselbergen, weiß ich, dass Altkanzler Kohl mit seinen Worten „blühende Landschaften schaffen“ zwar fürchterlich von Ihnen und anderen verhauen wurde, aber genau diesen Satz gebrauchte Herr Tiefensee und sagte: „Damit unsere Menschen zu unseren blühenden Landschaften kommen, schaffen wir nun noch schnelle Autobahnverbindungen.“ Danke, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Gestatten Sie eine Nachfrage der Abgeordneten Doht?

Aber bitte.

Bitte, Frau Doht.

Können Sie mir jetzt erklären, was das mit dem Zentrale-Orte-System in Thüringen zu tun hat?

Können Sie mir erklären, was Sie mit Ihrem ZentraleOrte-System versucht haben, uns zu erklären?

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Es ist unhöflich, eine Frage mit einer Ge- genfrage zu beantworten.)

Nein, das ist nicht unhöflich.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Herr Minister Wucherpfennig.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte nur einige wenige Anmerkungen zu den beiden Anträgen machen. Mit dem Antrag in Drucksache 4/3752 hat die SPD-Fraktion die im Landesentwicklungsplan 2004 festgelegten Prüfbereiche im Wesentlichen aufgegriffen. Der Ausschuss für Bau und Verkehr hat sich umfassend mit dem Antrag beschäftigt und eine Anhörung der betreffenden Städte sowie weiterer fachkompetenter Institutionen und Akteure durchgeführt. Die Anhörung hat den Landesentwicklungsplan 2004 und das damit verbundene Konzept der Landesregierung zur räumlichen Entwicklung des Landes bestätigt und das Zentrale-Orte-System wurde einstimmig als bestmögliches Konzept zur Sicherung gleichwertiger Lebensbedingungen in unserem Land angesehen. Auch die Überprüfung einiger Mittelzentren wurde einschließlich der Kriterien sowie deren Überprüfung als grundsätzlich richtig erachtet.

Der heute vorgelegte Alternativantrag der CDUFraktion fordert darüber hinaus einen Bericht über die Entwicklung der zentralen Orte höherer Stufe im Bereich des Städte- und Wohnungsbaus und zur Wirkung der zentralen Orte höherer Stufe auf die Landesentwicklung sowie der Städte im ländlichen Raum.

Die Landesregierung spricht sich für eine vertiefte Befassung mit der Bedeutung der Städte für die Entwicklung des Landes aus. Das heißt, es geht um die Bedeutung der Städte für die Landesentwicklung. Zur Landesentwicklung zählen sowohl die urbanen Räume, die Verdichtungsräume und die ländlichen Räume. Nach der fachlichen Definition wohnen 80 Prozent der Bevölkerung Thüringens im ländlichen Raum und 95 Prozent der Landesfläche ist ländlicher Raum. Die Landesregierung wird zu dem Antrag gern berichten.

Zur Überprüfung der funktionsteiligen Mittelzentren ist zu sagen, dass wir damit in den nächsten zwei Wochen mit dem Entwurf des Abschlussberichts in die Anhörung gehen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Antrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/3752. Wer für diesen Antrag ist... Bitte, Herr Abgeordneter Schröter.