Protocol of the Session on October 9, 2008

2. die Stärkung der Sprachenbildung,

3. die Stärkung der mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bildung und

4. die Stärkung der ganzheitlichen Allgemeinbildung.

Wir werden eine Rahmenstundentafel mit der Möglichkeit von Doppelklassenstufen und flexiblen Stunden einführen. Diese eröffnet noch mehr Möglichkeiten, die Schüler individuell zu fördern. Im Rahmen der flexiblen Stunden soll in den Klassenstufen 5 bis 10 mindestens je eine Jahreswochenstunde zum Ausgleich individueller Entwicklungsunterschiede und zur Förderung von Begabungen genutzt werden. Im Wahlpflichtbereich der Klassenstufen 9 und 10 können die Schüler eigene Schwerpunkte setzen.

Sprachenbildung wird im Zeichen der Globalisierung und Technisierung immer bedeutsamer. Nach einer Entschließung des Europäischen Rates von 1997 soll jeder Bürger der Europäischen Union neben seiner Muttersprache noch über zwei Gemeinschaftssprachen verfügen. Ab der Doppeljahrgangsstufe 5/6 sollen alle Schüler zwei Fremdsprachen, d.h. in der Regel Englisch sowie eine weitere Fremdsprache, lernen. Zur Stärkung der mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Kompetenzen wird in der Doppeljahrgangsstufe 5/6 das neue Fach „Mensch- Natur-Technik“ ab dem Schuljahr 2009/ 2010 auf der Basis schulinterner Umsetzungskonzepte eingeführt. Wir wollen damit das Interesse an Naturwissenschaften und Technik mehr als bisher fördern. Und wir wollen die Schüler mit der Anwendung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in der Technik und mit der Bedeutung technischer Entwicklung für die naturwissenschaftliche Forschung bekannt machen. Darüber hinaus wollen wir die Nutzung mathematischer Kompetenzen verstärken. Das angesehene Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften in Kiel hat das Thüringer „Mensch-Natur- Technik-Konzept“ genauso positiv bewertet wie die Thüringer Wirtschaft, die Kammern und die Landeselternvertretung. Das neue Oberstufenmodell soll die Breite der Allgemeinbildung fördern. Es wird die Kompetenz in den Naturwissenschaften und bei den Sprachen verbessern und stärkt den Leistungsgedanken.

Neben der verbindlichen Belegung der Kernfächer Deutsch und Mathematik im erhöhten Anforderungsniveau sollen weitere drei Fächer, die bereits in der Sekundarstufe 1 unterrichtet wurden, auch auf er

höhtem Anforderungsniveau verbindlich belegt werden - eine Naturwissenschaft, eine Sprache und ein Fach aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich. Je nach Schulprofil können auch weitere Fächer mit erhöhtem Anforderungsniveau unterrichtet werden. Auch Geschichte wird verbindlicher Bestandteil bleiben, entweder auf erhöhtem oder auf grundlegendem Anforderungsniveau.

Vergleicht man die Entwicklung des Gymnasiums seit der Humboldt-Süvernschen Reform von 1812, so wird eines deutlich: Bis in unsere Zeit hinein wird immer wieder der pädagogische Inhalt, der Lehrplan, der Bildungskanon verändert, aber das Berechtigungselement, die Hochschulreife, die das Abitur verleiht, bleibt als Konstante erhalten. Heute haben Realbildung, Technik, musische Fächer, lebende Sprachen längst den kanonischen Hochschulreifebegriff des Humanismus ergänzt und differenziert. Das Abitur markiert also nicht nur den Abschluss der weiterführenden Schule, sondern ist Aditur, Zugangsberechtigung zur Hochschule. Daher lautet das wichtigste Ziel der Weiterentwicklung des Gymnasiums: bessere Studierfähigkeit und Stärkung der ganzheitlichen Allgemeinbildung sowie der mathematischnaturwissenschaftlich-technischen Bildung.

Wir setzen systematisch das gemeinsame Lernen um. Das Ziel, das im Thüringer Schulgesetz verankerte Prinzip des gemeinsamen Lernens, ist noch stärker als bisher im Schulalltag durchzusetzen. Dies verfolgen wir in allen Schularten. Wir bauen Förderzentren zu Kompetenz- und Beratungszentren um. Ziel der bereits eingeleiteten Reformen im Förderschulbereich ist es, die hohe Quote von Schülern an Förderzentren im Freistaat zu senken, derzeit 8,4 Prozent im Vergleich zur Gesamtschülerzahl. Gleichzeitig wollen wir den Anteil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht erhöhen. Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollen also - soweit möglich - in der Grundschule und in den weiterführenden Schulen unterrichtet werden im gemeinsamen Unterricht. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für diesen gemeinsamen Unterricht in Thüringen sind optimal. Das bestätigt auch die Wissenschaft. Doch im konkreten Schulalltag und in der Umsetzung des gemeinsamen Unterrichts besteht noch Handlungsbedarf. Mit dem novellierten Thüringer Förderschulgesetz haben wir im Jahr 2003 die Möglichkeiten des gemeinsamen Unterrichts erheblich ausgeweitet. Doch das Umdenken in Richtung gemeinsamer Unterricht ist noch nicht überall angekommen. Integration beginnt im Kopf, im Kopf der Eltern und eines jeden Lehrers. Es gilt also, den gesetzlich festgelegten Vorrang des gemeinsamen Unterrichts konsequenter umzusetzen. Mein Plädoyer für gemeinsamen Unterricht heißt nicht Abschaffung der Förderzentren, sondern deren Profilierung und Wei

terentwicklung zu Beratungs- und Kompetenzzentren.

(Beifall CDU)

Wir brauchen eine neue Schulnetzplanung für die berufsbildenden Schulen. Die demographische Entwicklung hat jetzt auch die berufsbildenden Schulen erreicht. Dies stellt an Schulentwicklung und Schulpolitik neue Herausforderungen, insbesondere vor dem Hintergrund, ein wohnortnahes

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Guten Morgen, Herr Minister!)

- sind Sie gerade aufgestanden, Herr Matschie, ich grüße Sie auch - und differenziertes und somit leistungsstarkes Berufsbildungsangebot aufrechtzuerhalten. Um das Schulnetz verantwortungsvoll gestalten zu können, wurden in Vorbereitung des Schuljahres 2008/2009 einige Prämissen gesetzt, etwa die Festschreibung der Klassenmesszahl von 15 Schülern. Damit sollen eine Konzentration der Ausbildung und eine sinnvolle Ausschöpfung der vorhandenen personellen Ressourcen gesichert werden. Synergien, die damit weiter einhergehen, sind eine finanziell effektive, von gut qualifizierten Fachkräften durchgeführte, in räumlicher und sächlicher Ausstattung auf hohem Niveau gehaltene Vermittlung von berufstypischen Fachkenntnissen. Das Thüringer Kultusministerium sowie der Thüringische Landkreistag haben an der Universität Erfurt ein Gutachten in Auftrag gegeben mit dem Namen „Entwicklung der berufsbildenden Schulen im Freistaat Thüringen“. Dieses sogenannte Zedler-Gutachten sieht mehrere Bildungsregionen für Thüringen vor. Die Zuständigkeit für die Aufstellung des Schulnetzplans liegt nach dem Thüringer Schulgesetz in der Verantwortung der kommunalen Träger, der Schulträger also. Derzeit sind Bestrebungen kooperierender Schulträger bekannt, in verschiedenen Regionen ein tragfähiges Schulnetzkonzept zu entwerfen. Planungsregionen in Ostthüringen wie auch in Westthüringen treiben nach der konstituierenden Sitzung den notwendigen Konzentrationsprozess voran. Das Kultusministerium moderiert in den Abstimmungsgesprächen und steht den Schulträgern beratend und koordinierend zur Seite. Bis zu Beginn des Schuljahres 2009/2010 sollen die Abstimmungsgespräche zwischen Schulträgern, dem Kultusministerium und der Wirtschaft so weit entwickelt werden, dass für die berufsbildenden Schulen in Thüringen ein neues und tragfähiges Konzept steht. Am 15. Oktober 2008 wird sich eine Stabsgruppe aus Vertretern der Wirtschaft, der kommunalen Spitzenverbände, des Landesausschusses für Berufsbildung und des DGB unter Federführung des Staatssekretärs Eberhardt konstituieren und sich über Eckpunkte einer weiteren Verfahrensweise verständigen.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Tat- sächlich jetzt schon?)

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das hat aber lange gedauert - zwei Jahre ver- plempert!)

Die duale Ausbildung wird dabei eine wichtige Rolle in der beruflichen Ausbildung einnehmen. Bildungsgänge der berufsbildenden Schule werden auch zukünftig die Aufgabe erfüllen, durch die Vermittlung von Kompetenzen leistungsstarke Fachkräfte in Thüringen auszubilden. In diesem Zusammenhang spielen insbesondere weiterführende Bildungsgänge - Ausbildungsrichtungen für das mittlere Management in Wirtschaft und Industrie - eine tragende Rolle, zumal diese den Zugang zu Hochschulen eröffnen. Zur Sicherung des Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften hat die berufliche Aus- und Weiterbildung einen hohen Stellenwert.

Wir vernetzen die Schule stärker im Sozialraum. Regionalisierung und Dezentralisierung sind prägende Grundprinzipien unserer Bildungspolitik. Im letzen Jahr haben wir das Thüringer Bildungsmodell „Neue Lernkultur in Kommunen“ eingeführt. Damit wollen wir die Erziehungs- und Bildungsarbeit der Kindergärten und Schulen mit den Partnern, Institutionen und Initiativen des sozialen Umfelds vernetzen. Wir bauen auf bereits bestehende ehrenamtliche Netzwerke auf. Wir wollen so die Kooperation von Jugendhilfe und Schule verstärken. Von den skandinavischen Ländern wissen wir, dass dort die Schule viel stärker im regionalen Umfeld verankert ist. Wir bauen auf eine enge Kooperation mit der Ehrenamtsstiftung. Mit dieser Lernkultur des Sozialraums entwickeln wir die Schnittstelle zwischen Elternarbeit, Kindergarten und Schule weiter. Mit diesem Projekt erweitern wir das Entwicklungsvorhaben „eigenverantwortliche Schule“ um eine kommunale Dimension, um eine Sozialraumperspektive. Beteiligen sollen sich alle eigenverantwortlichen Schulen. Diese Verbindung zwischen individueller Förderung und sozialer Verantwortung im Verbund eines lernenden Gesamtsystems aller regionalen Bildungsakteure ist ein bedeutsamer Beitrag zur inneren Schulentwicklung und zu mehr Unterrichtsqualität.

Wir bauen die Zusammenarbeit Schule/Wirtschaft aus. Wir verstärken den Praxisbezug der Schule. Im Sommer haben wir durch zwei Vereinbarungen mit dem Handwerk und der Thüringer Wirtschaft die Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft noch stärker intensiviert. Zusätzlich zum Thüringer Pakt für Ausbildung haben wir vor wenigen Wochen mit dem Handwerk den Thüringer Bildungspakt und mit der IHK Erfurt das gemeinsame Programm „Schule stärkt Wirtschaft“ beschlossen. Dadurch können wir die Arbeitsmarktpolitik der Landesregie

rung durch neue Impulse flankieren. Schule und Wirtschaft teilen hier gemeinsame Verantwortung. Dadurch stärken wir das duale System. Junge Menschen sollen langfristige Zukunftsperspektiven bei uns in Thüringen haben. Dazu brauchen sie eine schulische und berufliche Ausbildung auf hohem Niveau. Die Stärkung der frühkindlichen Bildung, die Verbesserung der Chancen für Berufseinsteiger, die Steigerung des Interesses an den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Tech- nik) , die Stärkung des Handwerks sowie eine deutliche Qualitätsentwicklung an den berufsbildenden Schulen, das sind die zentralen Zielstellungen dieser beiden neuen Vereinbarungen.

Was sind die entscheidenden Schlüsselfaktoren für die Zukunft der Wirtschaft? Die Ausbildungsfähigkeit der Schulabgänger, die Studierfähigkeit der Abiturienten, die Berufsfähigkeit der Absolventen des dualen Systems und der Hochschulen, die Fähigkeit und Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Der handlungs- und kompetenzorientierte Bildungsbegriff, wie wir ihn in Thüringen verstehen, hat die innovative, kreative Persönlichkeit zum Ziel. Mit dem Kompetenzmodell der Lehrpläne und dem verständnisintensiven Lernen haben wir in Thüringen eine neue Lernkultur aufgebaut. Unser Bildungssystem soll junge Menschen lebenstüchtig machen für eine künftige Welt, die sie noch nicht kennen und die es für sie noch zu entdecken gilt. Die Kunst der Bildung ist es, Wissen, Können und Wollen so zu entwickeln, dass daraus Kompetenz und Lebenstüchtigkeit entsteht.

Berufs- und Studienwahlvorbereitung haben bei uns einen hohen Stellenwert. Unsere Strategie der Berufswahlvorbereitung basiert auf drei Säulen: dem Thüringer Berufswahlpass, Maßnahmen zum Praxiserleben von Ausbildungs- und Arbeitswelt für Schülerinnen und Schüler sowie dem Qualitätssiegel „Berufswahlfreundliche Schule“. Im Januar 2009 werden wir gemeinsam mit der Initiative für Beschäftigung sowie mit der Wirtschaft zur Thüringer Berufsorientierungskonferenz einladen.

Wie sieht es mit der Personalplanung für das laufende Schuljahr aus? Der Unterricht ist in diesem Schuljahr grundsätzlich abgesichert. Um den Bedarf an den berufsbildenden Schulen, Grundschulen und Förderschulen zu decken sowie territoriale Unterschiede auszugleichen, sind Lehrerinnen und Lehrer aus den allgemeinbildenden Schulen, insbesondere aus den Regelschulen und Gymnasien abgeordnet. Das Kultusministerium hat außerdem den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Einstellungsteilzeit in Niedersachsen vom 19. September 2007 zu berücksichtigen. Rund 75 Prozent der verbeamteten Lehrer, die bisher in Teilzeit beschäftigt waren, werden nun früher als vorgesehen in Vollzeit arbeiten.

Dadurch stehen uns zusätzlich rund 700 Lehrkräfte zur Verfügung. Priorität beim Einsatz dieser Lehrkräfte hat die Absicherung des Unterrichts. Weiterhin soll die individuelle Förderung der Schüler gestärkt werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir damit die Quote der Jahrgangswiederholer und die Schüler ohne Abschluss, aber auch die Förderung hochbegabter Schüler entscheidend verbessern werden.

Wir erhalten auch mehr Spielraum für Schulentwicklungsprojekte wie die Umsetzung des Thüringer Bildungsplans für Kinder bis 10 Jahre. Die Fortbildung von Lehrern können wir ebenfalls verstärken. Durch diese Maßnahmen werden wir die Schulqualität in Thüringen weiterhin nachhaltig verbessern.

Für dieses Schuljahr steht derzeit ein Einstellungskorridor von 35 Lehrerstellen zur Verfügung. Die Landesregierung wird alle Möglichkeiten prüfen, wie die Initiative der CDU-Landtagsfraktion, in jedem Schuljahr 100 junge Lehrerinnen und Lehrer einzustellen, umgesetzt werden kann.

Wir haben ein modernes Konzept der Führungskräfteentwicklung. Wir müssen in Thüringen bis zum Schuljahr 2015/2016 etwa 400 Schulleiter- und Stellvertreterstellen neu besetzen. Neuere erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse machen deutlich, qualifizierte Schulleitung ist ein wesentlicher Erfolgsgarant schulischer Qualität. Qualifizierte Schulleitungstätigkeit macht zielgruppenspezifische Ausbildung notwendig. Daher hat das Kultusministerium Ende 2006 die Konzeption zur Qualifizierung von pädagogischen Führungskräften in Schulen vorgestellt.

Seit Februar 2007 gibt es am ThILLM eine Koordinierungsstelle für Führungskräfteentwicklung. Das Fortbildungsprogramm gliedert sich in vier Phasen: Orientierungsangebot, vorbereitende Qualifizierung, amtseinführende Qualifizierung und berufsbegleitende Qualifizierung. In den ersten beiden Phasen qualifizierten sich bisher 500 Lehrerinnen und Lehrer zum Schulleiter bzw. stellvertretenden Schulleiter.

Am 11. Oktober 2008 ist der Start einer neuen Phase. Im Juli 2010 wird die erste Durchgangsphase abgeschlossen sein. Das Entwicklungsvorhaben „eigenverantwortliche Schule“ ist und bleibt das zentrale bildungspolitische Projekt in dieser Legislaturperiode in Thüringen. Dies war die logische Antwort auf die vor allem in den PISA-Studien diagnostizierten Schwachstellen der Unterrichtsqualität. Thüringen war hier mit der dialogischen Schulaufsicht sogar bundesweit schon vor PISA Wegbereiter der Idee „eigenverantwortliche Schule“.

Das ist ohne Zweifel ein Paradigmenwechsel, der Organisation, Arbeitsweise, Zuständigkeiten, Betriebs

klima und nicht zuletzt die Form der Schulaufsicht verändert. Zuständigkeiten und Verantwortungen werden neu justiert. Die Grundphilosophie, die hinter diesem Konzept steckt, lautet: Wir treten Verantwortung an diejenigen ab, die Schule konkret vor Ort gestalten, an diejenigen, die dem Problem und seiner Lösung am nächsten sind, denn deren Wissen und Können ist das wertvollste Kapital der Schule. Wir vertrauen auf das Wissen, auf das Können und die Eigenverantwortung der Menschen direkt am Ort des pädagogischen Geschehens.

Mit dem Konzept der eigenverantwortlichen Schule entwickelt sich die Schule zur lernenden Organisation. Wir wissen aus dem modernen Management, dass sich Erfolg nachhaltig nur dann steigern lässt, wenn jedes Mitglied als Individuum und alle als Gesamtheit ständig dazulernen. Wir wissen, dass in den Menschen neue Kräfte wachsen, denen man etwas zutraut und denen die Verantwortung für ihr eigenes Handeln übertragen wird.

Das Entwicklungsvorhaben begann im Frühjahr 2005 mit zunächst 59 Schulen. Inzwischen nehmen 205 Schulen teil. 108 Schulen haben bereits Zielvereinbarungen abgeschlossen. Unter diesen Schulen hat sich seitdem einiges getan in Sachen Unterrichtsqualität, Unterrichtserfolg und Schulklima. Dies können die Experten für Evaluation bestätigen, die durchweg positive Resonanz erfahren. Diese Experten gehen auf Schatzsuche. Sie betreiben keine Defizitfahndung. Sie setzen auf die Stärken und wollen vorhandene Schwächen überwinden.

Parallel zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung an den Thüringer Schulen werden auch die Schulämter evaluiert. Thüringen ist damit das einzige Land, das seine Schulaufsicht einer so gründlichen Überprüfung unterzieht. Die Schulämter Eisenach und Rudolstadt haben bereits eine Zielvereinbarung mit dem Kultusministerium abgeschlossen. Bis Ende des Jahres 2008 werden alle Thüringer Schulämter von einem der beiden Expertenteams besucht worden sein. Der Idee der dialogischen Schulaufsicht folgend entwickeln sich die Schulämter zu Qualitätsagenturen.

Die Begabtenförderung in Thüringen ist auch Grundprinzip der allgemeinbildenden Schulen. Begabtenförderung ist darüber hinaus in Thüringen besonders vorbildlich. In Spezialgymnasien und Gymnasien mit Spezialklassen fördern wir besonders interessierte und begabte Schüler optimal, sei es in Sport, in der Musik, in Mathematik, in den Naturwissenschaften oder auch in den Sprachen. Begabte und sozial engagierte Kinder und Jugendliche mit Migrationshindergrund erhalten im Rahmen des START-Programms Schülerstipendien. Wir unterstützen die Musikschulen, die Jugendkunstschulen und

vergeben Stipendien für musikalisch hochbegabte Schüler. Im Bildungscamp Christes oder Zella-Mehlis fördern wir Kinder und Jugendliche mit besonderen Fähigkeiten im mathematischen, naturwissenschaftlichen, gesellschaftswissenschaftlichen oder künstlerisch-sprachlichen Bereich. Wir sind stolz darauf, dass ein Gymnasiast aus Jena zu den sechs leistungsstärksten Schülern Deutschlands bei der internationalen Mathematikolympiade in Madrid zählte.

(Beifall CDU)

Thüringen ist stolz darauf, im Juni Austragungsort des 17. Sprachfestes des Bundeswettbewerbs Fremdsprachen gewesen zu sein. Das Thüringer Bildungswesen ist offen für die Welt der Globalisierung und Internationalisierung. Die deutschen Auslandsschulen arbeiten nach dem Thüringer Lehrplan, also Bildungsangebote „made in Thuringia“ als Exportschlager. Thüringen ist bildungspolitisch eng mit internationalen Projekten vernetzt. Am 1. Oktober 2008 startete in Helsinki das OECD-Projekt „Innovative Learning Environments“. Es soll Schulen innovative Lernumgebungen bieten. Vier Thüringer Schulen sind an diesem Projekt beteiligt: Die Hermann-Lietz-Schule Haubinda, die Lobdeburg-Schule in Jena, die Jenaplanschule in Jena sowie die Impuls-Schule Schmiedefeld. Das Projekt geht davon aus, dass die Transformation der Industrie zur Wissensgesellschaft nicht ohne Folgen für den Unterricht, für das Lernen und Lehren bleiben kann. In der Tat, Wissensgesellschaften brauchen Schulen, die Kindern Lernumgebungen bieten, in denen verständnisgerecht gelernt und gelehrt werden wird und die auf geringe Lernmotivation und hohe Quoten von Schulabgängern ohne Abschluss angemessen reagieren.

Thüringen ist an einem weiteren internationalen Projekt beteiligt: „Teacher Education for Diversity“. Dieses Projekt will den Umgang mit sprachlichen und kulturellen Aspekten der Heterogenität im Unterricht erforschen. Thüringen bringt hiermit seine Erfahrung mit dem Entwicklungsprogramm für Unterricht und Lernqualität ein. Ziel des Thüringer Entwicklungsprogramms für Unterricht und Lernqualität ist es, Lehrerinnen und Lehrer zu unterstützen, ihren Unterricht weiterzuentwickeln und kollegiales Lernen in Lehrerkollegien anzuregen. Seit 2004 werden jährlich 24 Lehrkräfte zu Beratern für verständnisintensives Lernen ausgebildet. Die Trainingsgruppen hatten dieser Tage Gelegenheit, ihr Konzept vor 400 Experten aller Phasen der Lehrerbildung aus Österreich an der Universität in Klagenfurt zu präsentieren. Auch dort hat sich wiederum bestätigt: Das Entwicklungsprogramm wird von der internationalen Fachöffentlichkeit als sehr innovatives Programm in der Spitzengruppe der europäischen Initiativen eingeordnet. Dieses betrifft sowohl die eigene Lerntheorie als auch das eigene Trainingskonzept sowie das Trans

formationskonzept in der Fläche. Das Programm E.U.L.E, das ist die Abkürzung, ich sagte das vorhin bereits, ist ein vielbeachtetes Modell für Private Public Partnership. Kooperationspartner sind das Kultusministerium, die Imaginata-Bosch-Stiftung der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Wie viele andere Projekte symbolisiert E.U.L.E. den Paradigmenwechsel von der Belehrung zum Lernen, also eine neue Lernkultur.

Thüringen ist das Land des Bildungspluralismus. Thüringen ist nach der Einheit wieder zum Land der Bildungsreformen geworden. Die Reformpädagogik hatte in ihrem Mutterland rund 40 Jahre Zwangspause. Dieses auf das Individuum bezogene Konzept harmoniert nicht mit dem Bildungsbegriff eines totalitären Staates, der die Einheitsschule proklamiert und das Ziel der Chancengerechtigkeit in der Bildung durch zentrale Steuerung ersetzt. Die DDR verunglimpfte wichtige Elemente reformpädagogischer Bemühungen, wie z.B. entwicklungsgemischtes Lernen, als veraltet und rückständig. Wir haben unsere Bildungspolitik nach der Wende an der Leitidee der Reformpädagogik, der Kindorientierung ausgerichtet.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das ist ja wohl ein Märchen.)

Wir haben reformpädagogische Traditionen weiterentwickelt - ich nenne nur Peter Petersen, Fröbel, Salzmann, Montessori - und wir haben reformpädagogische Konzepte in die Struktur des neu geschaffenen gegliederten Schulsystems in Thüringen eingebaut. In enger Kooperation von kommunaler Trägerschaft und Verantwortung des Kultusministeriums entstehen regionale Bildungslandschaften, welche die Idee der Eigenverantwortung im Bildungswesen umsetzen. Wir sind stolz darauf, dass Thüringen wieder zum Kernland moderner Reformpädagogik geworden ist.

(Beifall CDU)

Dazu haben übrigens auch die freien Träger in Thüringen einen hervorragenden Beitrag geleistet. Eine freiheitliche Gesellschaft braucht auch freie Bildungsträger.

Wissenschaft und Forschung sind die Grundlagen für Innovation in Wirtschaft und Gesellschaft, der Schlüssel für Wachstum und Beschäftigung. Partnerschaft, Hochschulautonomie sowie Verantwortung und Wettbewerb sind die Leitlinien der Thüringer Hochschulpolitik. Kaum ein anderes Land der Bundesrepublik Deutschland hat in so kurzer Zeit so grundlegende Hochschulreformen umgesetzt wie Thüringen. Seit 1990 haben wir das Hochschulsystem in Thüringen von Grund auf erneuert. Die Uni

versität Erfurt, einst die zweitälteste im damaligen deutschen Sprachraum, ist wieder gegründet worden und die vier Fachhochschulen sind neu eingerichtet worden. Die Universitäten in Ilmenau, Jena und Weimar und die Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar wurden qualitativ und quantitativ erheblich umgestaltet und erweitert. Wir haben das Fächerspektrum erheblich ausgebaut.

Thüringen hat darüber hinaus die Berufsakademiestandorte in Eisenach und Gera. Die Absolventen dieser Einrichtungen haben sehr gute berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Die Zahl der Studierenden hat sich in Thüringen von rund 14.000 im Jahr 1990 auf über 50.000 im Jahr 2007 mehr als verdreifacht. Ziel des bundesweiten Hochschulpakts 2020 ist es, die durch die demographische Entwicklung frei werdenden Kapazitäten in den neuen Ländern zur Ausbildung von zusätzlichen Studienanfängern aus anderen Ländern zu verwenden. Dieses Potenzial muss auch für die Forschung genutzt werden.

Mit dem novellierten Thüringer Hochschulgesetz von 2006 verfügen die Thüringer Hochschulen über ein hohes Maß an Autonomie. Mit der Rahmenvereinbarung II erhalten die Hochschulen durch Budgetierung ihrer Haushalte gleichzeitig Flexibilität bei der Mittelbewirtschaftung sowie größtmögliche finanzielle Planungssicherheit für den Zeitraum bis 2011. Ihre Leistungsprofile und Entwicklungsstrategien stimmen sie mit dem Land in Ziel- und Leistungsvereinbarungen ab. Zu den Eckpfeilern der Hochschulfinanzreform gehört neben der Rahmenvereinbarung II auch eine leistungs- und belastungsorientierte Mittelvergabe. Bis 2011 wird für die Hochschulen der Anteil der Landesmittel, der aufgrund von bestimmten Indikatoren leistungs- und belastungsorientiert verteilt wird, auf über 40 Prozent gesteigert. Zusammen mit dem novellierten Thüringer Hochschulgesetz verfügen die Hochschulen damit über umfassende Handlungsfreiheiten und größtmögliche Planungssicherheit. Die Hochschulen verpflichten sich im Rahmen der verabredeten Ziel- und Leistungsvereinbarungen zu entsprechenden Leistungsprofilen, etwa Erfolgsquoten bei den Studierenden bei einem bestimmten Fächerangebot. Dazu gehört außerdem die Umsetzung des Bologna-Prozesses an den Hochschulen. Die Ziel- und Leistungsvereinbarungen sind mit den Hochschulen erfolgreich ausgehandelt und am 25. September 2008 mit dem Kultusministerium unterzeichnet worden. Diese haben das Ziel, die hochschulplanerischen Ziele des Landes sowie die Entwicklungsziele der Hochschulen umzusetzen. Auch das ist ein Stück Freiraum, ein Stück Autonomie der Hochschulen, die hier auf Augenhöhe und gemeinsam mit dem Kultusministerium handeln. Mit dieser grundlegenden Hochschulreform wollen wir die Leistungsfähigkeit der Hochschulen steigern

und den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Thüringen weiter ausbauen. Im Juli 2007 haben wir die Zukunftsinitiative „Exzellentes Thüringen“ beschlossen, die für die Jahre 2008 bis 2011 insgesamt 2,8 Mrd. € umfasst. Damit bekennt sich die Landesregierung klar zu den Investitionsschwerpunkten Bildung, Forschung und Nachwuchsförderung. Dieses ressortübergreifende Innovationspaket reicht von der Hochschulreform über die außeruniversitären Forschungseinrichtungen bis hin zur wirtschaftsnahen Technologie- und Entwicklungsförderung. Wir setzen dabei auf Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, wir stärken damit zugleich die Innovationskraft mittelständischer Unternehmen und befördern die Neugründung von Unternehmen. Die Rahmenvereinbarung II, die von 2008 bis 2011 gilt, ist der grundlegende und finanziell umfangreichste Baustein der Zukunftsinitiative. Sie führt den Hochschulpakt weiter. Das Landesprogramm „Pro Exzellenz“ ist Teil der Zukunftsinitiative „Exzellentes Thüringen“. Für das Landesprogramm stehen 50,3 Mio. € zur Verfügung. Es wurde im Frühjahr ausgeschrieben; in den ersten Ausschreibungsrunden gingen insgesamt 51 Anträge ein. Die dritte Runde läuft noch bis Februar 2009. Die bisher vorliegenden Anträge aus den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen umfassen institutionenübergreifende Forschungsprojekte mit den Schwerpunkten optische Technologien, Photonik und Mikrobiologie sowie Vorhaben zur Verbesserung der Lehre. Bis Juni 2009 sollen alle Förderentscheidungen im Rahmen des Landesprogramms „Pro Exzellenz“ getroffen sein. Der Ausbau und die Stärkung bestehender exzellenter Forschungsstrukturen, der Erfolg im Wettbewerb um die talentiertesten Köpfe, die Stärkung der Innovations- und Clusterfähigkeit sowie die Förderung exzellenter Lehre, das sind die wesentlichen Ziele dieses Programms.

Dieser Tage hat die Programmkommission erste Förderempfehlungen für 12 Projekte mit einem Gesamtumfang von 17,5 Mio. € aus dem Landesprogramm „Pro Exzellenz“ ausgesprochen. Die Hochschul- und Forschungslandschaft ist in einem dynamischen Prozess. Investitionen in die Köpfe und in innovative Projekte sind die beste Zukunftsvorsorge. Die TU Ilmenau erhält eine Stiftungsprofessur für Photovoltaik. Die Ernst-Abbe-Stiftung wird in den nächsten fünf Jahren insgesamt Stiftungsmittel in Höhe von 250.000 € dafür zur Verfügung stellen. Ein Konsortium Thüringer Solarfirmen beteiligt sich in gleicher Höhe. Dies ist ein wesentlicher Baustein der Thüringer Bildungs- und Forschungslandschaft im Bereich Energie und Umwelttechnik mit dem Schwerpunkt regenerative Energien.