Protocol of the Session on October 8, 2008

Was wir heute an schauspielerischen Einlagen der CDU erleben, sage ich in aller Deutlichkeit, ist kein Glanzpunkt in der demokratischen Geschichte Thüringens. Die CDU hat erneut und sogar auch noch überzeugend klargestellt, dass sie eine Partei ist, die ernst zu nehmende Probleme mit der direkten Demokratie hat. Sie misstrauen 250 Thüringer Bürgerinnen und Bürgern

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, DIE LINKE: Tausend.)

- 250.000. Sie stellen sich hierher, Herr Mohring, und halten ein Plädoyer für die Amtsstubensammlung und diffamieren im gleichen Wortlaut und in Pressemitteilungen vor Wochen, dass die öffentlichen Sammlungen, die stattgefunden haben, ja so einen Volksfestcharakter hätten und stellen sich heute auch noch hier hin und haben die Frechheit, ein Lob für die Sammlerinnen und Sammler auszusprechen. Das kann ich beim besten Willen nur als pure Heuchelei hinstellen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Anfrage von Herrn Schwäblein war übrigens ein Paradebeispiel auch für die Aussagen, die Sie hier getroffen haben, und macht dies deutlich.

Ich sage es ganz bewusst, meine Damen und Herren, die Menschen in Thüringen - wie es Herr Matschie auch betont hat - sind nicht blöd. Sie können lesen und sie wissen, was sie tun. Ich unterstelle Ihnen, Sie haben wahrscheinlich noch nie einen Unterschriftsbogen für mehr Demokratie unterschrieben, denn dann müssten Sie die Voraussetzungen bringen, die ich vorhin gesagt habe. Die CDU - das sage ich auch deutlich - wurde erst sehr laut mit Ihnen als Vorredner, als Sie eine Ahnung davon hatten, dass sich das Ergebnis des Volksbegehrens den 250.000 Unterschriften mit Erfolg nähert. Erst dann - das müssen wir ganz laut und deutlich sagen - wurden Sie aktiv, weil Sie vorher sozusagen in der Hoffnung gelebt haben, dass irgendwie bei der Unterschriftensammlung die Quote nicht erreicht wird.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf einen zweiten Aspekt zurückkommen, das betrifft die Abschaffung der Stichwahl. Sie haben bis heute nicht verwinden können, dass Ihre Amtsträger bei den Kommunalwahlen reihenweise abgewählt wurden, und dies wollen Sie heute, meine Damen und Herren aus der Mitte, hier per Gesetz in die Kommunalwahlen hineinschreiben.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sind Sie denn nur blind?)

Seit zwei Jahren gibt es keine CDU-Oberbürgermeister in den kreisfreien Städten mehr. Bewerkstelligt hat dies ein Bündnis aus Linkspartei und SPD, doch die letzten Entscheidungen - das schreibe ich Ihnen ins Stammbuch - dabei hatten die Wählerinnen und Wähler, meine sehr verehrten Damen und Herren in der schwarzen Mitte dieses Hohen Hauses. Bei allen politischen Animositäten gegenüber uns als LINKE, als Linkspartei und der SPD dürfen Sie das nicht vergessen. Ich wiederhole es gern noch einmal: Die Entscheidung, dass die CDU vor zwei Jahren bei den Kommunalwahlen abgestraft wurde,

haben die Menschen in Thüringen getroffen. Genau deshalb wollen Sie jetzt die Stichwahlen abschaffen. Ich denke, mit dem, was Sie sich heute mit Ihrem Gesetz einfallen lassen haben, es ist maßloses Verhalten und ich kann nur konstatieren, die CDU hat den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern im Land verloren.

(Beifall DIE LINKE)

Die Menschen in Thüringen drehen Ihnen den Rücken zu, das ist die Wahrheit. Ich denke, das muss laut und deutlich und mit aller Schärfe hier an dieser Stelle ausgesprochen werden.

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Reines Wunschdenken.)

Meine Damen und Herren, es gibt bisher nur ein Bundesland in Deutschland, das die Stichwahlen abgeschafft hat, nämlich Nordrhein-Westfalen. Auch dort lag es daran, dass die CDU in den ersten Wahlgängen regelmäßig vorn lag, in den Stichwahlen im Regelfall durch die SPD überholt wurde. Dies zeigen die Analysen der vergangenen Wahlen in NRW. In Düsseldorf fand vor einigen Wochen die erste Oberbürgermeisterwahl ohne Stichwahl statt. Man kann der CDU gratulieren, ich mache das ungern, dass sie die Wahl gewonnen hat, weil sie die Stichwahl abgeschafft hat.

In den Anhörungen, meine Damen und Herren, im Innenausschuss haben die Experten sehr deutlich gemacht, dass sie mit der Abschaffung der Stichwahlen auch eine weitere Abnahme der Wahlbeteiligung befürchten. Das ist überhaupt nicht zur Sprache gekommen, weil heute das Argument immer war, genau im Gegenteil das zu behaupten. Nun mag das die Thüringer CDU kaum stören, denn über eine Legitimation, die sich aus einer Zustimmung durch die Bürgerinnen und Bürger ableiten ließe, verfügen sie ohnehin nicht. Aber viel gravierender wird sein, das trugen immerhin die Experten in der Anhörung vor, dass mit der Abschaffung der Stichwahlen insbesondere die Kandidatinnen und Kandidaten kleinerer Parteien und Wählervereinigungen kaum eine Chance haben werden, sich gleich auf Anhieb gegen die etablierten Parteien durchzusetzen. Das wird dazu führen, dass auf eigene Bewerbung verzichtet wird und stattdessen die Kandidaten der jeweils großen nahestehenden Partei unterstützt werden. Auf jeden Fall wird dieser Verzicht auf eigene Kandidaturen zu einer Verringerung des politischen Angebots und damit zu einer Begrenzung der politischen Vielfalt, aus der die Bürgerinnen und Bürger auswählen können, führen. Das wird zur Folge haben, dass sich noch weniger Menschen angesprochen fühlen, sich an den Wahlen zu beteiligen, und somit die Wahlbeteiligung weiter sinken wird. Eine Legitimation für Bürgermeis

ter und Oberbürgermeister und Landräte, die darauf abzielt, Volksvertreter zu sein, sieht allerdings anders aus.

Meine Damen und Herren, das bisherige Wahlsystem der Stichwahlen hat sich in den vergangenen mehr als 2.000 Jahren bewährt. Daran zu rütteln, kann nur der Thüringer CDU einfallen. Weil Sie, wie Sie es heute erneut unter Beweis stellen, zutiefst antidemokratisch verfasst sind, haben Sie es verdient, bei den Wahlen kommenden Jahres durch demokratische Voten der Bürgerinnen und Bürger auch abgewählt zu werden. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Fiedler, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Hauboldt, warten Sie doch bis nächstes Jahr, was der Bürger entscheiden wird. Da werden wir es gemeinsam sehen, ob er denn dann die Alt- und neu aufgelegten Roten wieder haben will oder ob er Verlässlichkeit weiter im Lande gern haben möchte. Sie ärgern sich doch nur, ob DIE LINKE oder auch die SPD oder die, die das entsprechende Volksbegehren in Gang gesetzt haben, dass die CDU sich bewegt hat.

(Heiterkeit SPD)

Natürlich ärgern Sie sich darüber.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Und sie bewegt sich doch nicht.)

Kommen Sie doch hier vor, Herr Kollege, dann können Sie doch mitreden.

Ich will sagen, ich habe auch sehr lange, gerade im Interesse der Kommunen vor Ort, vertreten, dass die Quoren doch deutlich höher sind. Ich gebe das hier von dieser Stelle aus zu. Ich habe auch heute noch da und dort meinen Zweifel, ob wir mit dieser heftigen Absenkung alles beherrschen, was dann kommt. Wenn wir aber so weit absenken - und der Kollege Mohring hat das hier vorgetragen -, dann gehört dazu ganz automatisch auch die Amtssammlung. Was haben Sie denn gegen die Amtssammlung? Wir haben doch nicht mehr DDR-Zeiten, wo einer dastand und ein Strichchen macht. Diese Wahlfälschung ist schon längst vorbei, jetzt ist Demokratie hier, Gott sei Dank, angesagt. Deswegen kommen Sie doch nicht mit solchen faulen Dingen, dass

hier irgendwo jemand Angst haben müsste. Der Bürger hat keine Angst. Wenn der Bürger nämlich von etwas überzeugt ist, dann geht er hin und outet sich, Herr Kollege Matschie. Ich will Ihnen eins sagen, ich habe den Begriff „Drückerkolonne“ in der Anhörung gebraucht, weil in meinem Dorf genügend Leute zu mir gekommen sind, die mir das erläutert haben, wie das vonstatten ging mit dieser Drückerkolonne, wie man die Leute drangsaliert hatte, wie man das versucht hat.

(Unruhe DIE LINKE, SPD)

Ich will es Ihnen sagen. Ich habe auch genügend andere gesehen zu bestimmten Festlichkeiten, wie man dann nach gewissen Zeiten dort rangegangen ist. Mehr sage ich dazu nicht. Ich glaube, das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen. Dass das, wo Sie dabei waren, ordnungsgemäß gelaufen ist, Herr Kollege Matschie, da stimme ich Ihnen zu, das traue ich Ihnen zu, dass Sie das nicht gemacht haben,

(Unruhe SPD)

aber es gab auch noch andere, die das so gemacht haben.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das ist nicht wahr.)

Das können Sie behaupten, aber dann beweisen Sie es auch - also Bildungsborstel, nun bleib ruhig.

Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir aber noch mal zur Abschaffung der Stichwahl. Man hört in regelmäßigen Abständen von Ihnen - zu viele Wahlen. Ich komme jetzt mal zur Landtagswahl. Da höre ich gebetsmühlenartig, wir sollten doch die Landtagswahl zusammenlegen mit der Bundestagswahl oder was weiß ich. Dann ist entschieden worden von uns, wir wollen die Landesthemen bringen usw. und so fort. Deswegen haben wir uns für Trennung entschieden oder die Landesregierung und wir tragen das mit. Wenn es aber darum geht, mal Stichwahlen abzuschaffen, wo kaum noch einer hingeht, wo wirklich dermaßen niedrig die Wahlbeteiligung ist, dann auf einmal ist das alles nicht mehr wahr. Sie müssen sich schon entscheiden, für was Sie sind. Ich denke, wir werden mit dem Abschaffen der Stichwahl keine Probleme bekommen. Das betrifft alle Parteien gleichmäßig. Das geht gar nicht darum, hier nun SPD, Grüne oder LINKE oder was weiß ich wer. Sie wissen, dass es in anderen Ländern durchaus gute Beispiele gibt. Gut, in Thüringen muss es noch nicht sein, wenn ich so an die Grünen denke, die da in Bayern da und dort auch schon gewonnen haben oder in anderen Ländern, in Altländern in der Regel, weil da der Wohlstand sehr groß ist und man dann aufs Eis tanzen gehen kann, oder dass auch Freie

Wähler entsprechend in solche Posten gekommen sind. Sie dürfen nicht unterschätzen, dass bei Kommunalwahlen vor Ort die Partei eine untergeordnete Rolle spielt. Die Partei spielt eine untergeordnete Rolle, dort spielen die Personen eine Rolle. Das sollten Sie auch mal zur Kenntnis nehmen. Die Leute wissen wohl, um was es geht. Dann braucht man nicht noch mal eine Stichwahl, wo da nur noch ein paar Leute hingehen und auf einmal kommt genau vollkommen was anderes raus, da geht es mir nicht um Parteipolitik. Das sollte man den Menschen auch noch einmal deutlich machen.

Ich war bei der Anhörung dabei, die wir hier in dem Raum gehabt haben, Herr Rusch sitzt ja auch oben. Der Präsident hat in seiner Stellungnahme deutlich gemacht: Es gibt in unserem Verband keine abgeschlossene einheitliche Meinung, lasst doch erst einmal in NRW das Ganze wirken und dann beobachten wir das. Herr Rusch nickt. Wenn es niemand glaubt, ich kann es nur sagen.

Herr Matschie sagt, er hat da draußen mit dem Präsidenten geredet, das kann immer jeder behaupten und alles behaupten.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Du auch.)

Freilich kann ich alles behaupten, Du kannst ja vorkommen und kannst das Gegenteil beweisen. Also mach Dich auf den Weg und geh hier vor.

(Unruhe DIE LINKE, SPD)

Ich will noch einmal darauf verweisen, dass der Präsident nicht gesagt hat, hier gibt es eine abgeschlossene Meinung des Gemeinde- und Städtebundes, sondern er hat gesagt, lasst das so laufen. Da haben wir entgegengehalten, was steht denn dagegen, ich sage jetzt mal, wenn man ein altes Land hat und ein neues junges Land und wir machen mal beide den Versuch und wenn wir in soundso vielen Jahren sagen, das funktioniert nicht, kann man doch Dinge wieder zurückdrehen, das ist auch möglich heutzutage. Aber sich hinzustellen und zu sagen, das stimmt nicht, da kann ich Ihnen nur sagen, das ist in dieser Anhörung nicht so gewesen. Deswegen sollte man auch das einmal zur Kenntnis nehmen.

Da sich die CDU weit bewegt hat, und ich gebe zu, als kommunal Verwurzelter fällt es mir sehr schwer, weil damit nämlich die bestimmten Dinge, die die Bürgermeister, Oberbürgermeister, Stadträte, Gemeinderäte - dass wir immer weniger Leute finden werden, die das wahrnehmen. Wir werden weniger Leute finden. Ich hoffe nur, dass es noch genug werden, dass wir weiterhin alles bestücken können. Wir sollten aufpassen, wir haben die Quoren jetzt so weit

abgesenkt, das ist ja fast nichts mehr, da muss man wenigstens noch die Amtsstubensammlung haben.

(Beifall CDU)

Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen doch vor, Abgeordneter Huster, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wolfgang Fiedler, ich will zwei Bemerkungen zurückweisen: 1. Die Initiatoren des Volksbegehrens im Saale-Holzland-Kreis und speziell in der Gemeinde, in der Sie Bürgermeister sind - in Tröbnitz - haben niemanden drangsaliert und zur Unterschrift genötigt.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe SPD)

Ich würde mich eher mit der Tatsache auseinandersetzen, dass auch in Tröbnitz 34 Prozent der wahlberechtigten Bürger diese Unterschrift geleistet haben für das Volksbegehren.

(Beifall DIE LINKE)

Ebenfalls haben Sie in einer zweiten Bemerkung mit einer Handbewegung angedeutet, dass Initiatoren des Volksbegehrens im Saale-Holzland-Kreis, die dort bei Volksfesten Unterschriften gesammelt hätten, gewartet hätten, bis die Leute hinreichend Alkohol getrunken hätten und sie dann irgendwie zur Unterschrift bewegt hätten. Auch das will ich ganz sachlich, aber sehr bestimmt zurückweisen. So etwas gab es schlichtweg nicht.

(Beifall DIE LINKE)