Protocol of the Session on September 12, 2008

Ergebnis war ein neues Projekt namens IMANA. Die Abkürzung steht für Integrationsmanagement. Ein mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds aufgelegtes Projekt, das am 1. Juli 2008 begann und zunächst auf die Dauer von eineinhalb Jahren befristet ist. Die Medien haben darüber berichtet. Seit Sommer dieses Jahres sind die ersten 15 Teilnehmer aus dem Raum Erfurt bereits aktiv; 15 weitere werden folgen. Bewährt sich diese Maßnahme in Erfurt, dann wird natürlich daran gedacht, sie auch auf weitere Teile Thüringens, gegebenenfalls auf ganz Thüringen, auszudehnen. Der Beauftragte konnte zahlreiche Anliegen von Verbänden oder Einzelpersonen aufgreifen und helfen - sei es durch Verhandlungen mit beteiligten Behörden und Institutionen; sei es durch finanzielle Unterstützung aus dem zur Verfügung stehenden Budget. 360 Eingaben konnten erfolgreich von seiner Seite neben dem, was im Petitionsausschuss anliegt, neben dem, was bei der Bürgerbeauftragten eingeht, bearbeitet werden. Termine wurden im Büro vereinbart. Herr Dr. Brockhausen hat Hausbesuche vor Ort bei den Bürgern durchgeführt und unzählige Male natürlich auch am Telefon beraten. Weitere Einzelheiten entnehmen Sie bitte dem Bericht.

Es ist unmöglich, dies hier alles auszufüllen, deswegen nur einige skizzenhafte Bemerkungen, damit man ein Gefühl für die Gesamtumfänglichkeit seiner Tätigkeit hat. Deswegen möchte ich an dieser Stelle noch mal als Fazit dieses ersten Tätigkeitsberichts des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen feststellen: Der Beauftragte hat eine herausragende Bilanz seiner Arbeit für Menschen mit Behin

derungen in einem sehr umfangreichen Bericht gezogen, 200 Seiten. Es gibt andere Landesberichte, beispielsweise aus dem Saarland haben wir das jetzt gehört, 40 Seiten, 20 Jahre. Wir haben hier dreieinhalb Jahre Berichtszeitraum, 200 Seiten, ich denke, das kann sich schon sehen lassen, zumal es nicht nur um die Seiten geht, sondern auch tatsächlich um das, was da schwarz auf weiß gedruckt ist und als Bilanz hier auch vorliegt. Bereiche wie Bau und Verkehr, Tourismus und Arbeit werden in Thüringen durch sein Engagement und natürlich auch das Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ihrer kleinen Behörde von insgesamt vier Leuten, mitgeprägt und mitgestaltet.

Herr Dr. Brockhausen hat sich einen guten Ruf in Behörden und Institutionen erarbeitet und insbesondere bei den Betroffenen selbst. Das ist schließlich das Wichtigste, dass man angenommen ist bei denen, für die man etwas tut. Für die Landesregierung bleibt der Beauftragte daher ein wichtiger Bestandteil für eine bürgernahe, erfolgreiche Behindertenpolitik im Freistaat Thüringen.

Lieber Herr Dr. Brockhausen, und auch an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichtet, ein ganz herzliches Dankeschön für diese geleistet Arbeit. Ich gehe fest davon aus, dass wir in einem konstruktiven, kritischen Dialog zum Wohle der behinderten Menschen im Freistaat Thüringen weiter bleiben und Ihnen danke ich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Danke für den Sofortbericht. Ich frage die Fraktionen, wer die Aussprache zum Sofortbericht wünscht. SPDFraktion, CDU und Fraktion DIE LINKE. Bevor ich dann die Aussprache eröffne, möchte ich darauf verweisen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, dass wir jetzt diesen Tagesordnungspunkt abarbeiten, und ich rufe laut und deutlich in den Saal hinein und darüber hinaus, dass im Anschluss die Fragestunde stattfindet, damit wir diese dann auch entsprechend abarbeiten können.

Damit eröffne ich die Aussprache, die Beratung zum Sofortbericht und als erster Redner hat das Wort Abgeordneter Nothnagel, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir reden heute hier über den ersten Bericht des Landesbehindertenbeauftragten. Wir reden heute über eine Fleißarbeit des Beauftragten der Thüringer Landesregierung für Menschen mit Behinderung, über seine Arbeit in den letzten drei Jahren.

Herr Dr. Brockhausen, ein Primaner hätte seine Arbeit über seine Tätigkeit in den zurückliegenden Jahren nicht besser ausformulieren können. Es zeugt von viel Fleiß, was Sie uns, den Abgeordneten und somit natürlich auch den Betroffenen hier in Thüringen auf 202 Seiten vorgelegt haben. Aber, Frau Ministerin, Sie verwiesen ja auch auf andere Berichte, die weniger Seiten haben, nicht die Quantität macht es, sondern die Qualität.

Dr. Brockhausen, das zeugt aber auch schon davon, dass er in seiner Funktion, wenn man sich diesen Bericht näher anschaut, doch auch an die gesetzlichen Grenzen, die hier im Freistaat gegeben sind, sehr häufig anstößt und auch nicht weiterkommt. Warum sage ich das? Die Fraktion der Linkspartei.PDS und jetzt wir als Fraktion DIE LINKE haben in den zurückliegenden 18 Jahren das Thema „Schaffung eines Amts für die Belange von Menschen mit Behinderung“ in jeder Legislatur in diesen Landtag eingebracht.

In der 1. Legislatur hat sich der damalige Sozialausschuss in mehreren Sitzungen intensiv mit dem bereits zu Beginn der 90er-Jahre existierenden Landesbehindertenbeauftragten hier in Deutschland und seiner Arbeitsweise beschäftigt. Gelernt hatte die damalige CDU- und die spätere CDU/SPD-Regierung im Lande leider nichts. Denn immer und immer wieder wurden diese Anträge abgelehnt mit einer Begründung: Jeder Abgeordnete sei gleichzeitig Behindertenbeauftragter. Jeder Abgeordnete hätte solche umfangreiche Kompetenzen, dass er oder sie dieses Amt ganz locker mit ausüben kann. Somit brauchen wir hier in Thüringen keinen Behindertenbeauftragten.

Die Forderungen aus den zurückliegenden 18 Jahren bleiben unsererseits erhalten, denn wir sagen, ein Beauftragter für die Belange behinderter Menschen braucht weitreichende Kompetenzen, das heißt, eine Ansiedlung in der Staatskanzlei, wo er oder sie übergreifend über alle Ressorts und Ministerien agieren kann oder Beauftragte eigenständig auf Probleme hinweisen kann und sich inhaltlich einbringen kann. Dies ist aus unserer Sicht unbedingt vonnöten.

Ein Beauftragter für Menschen mit Behinderungen muss unabhängig von der Landesregierung sein und natürlich auch unabhängig von einem Parlament. Er benötigt auch die Möglichkeit, jederzeit vor das Parlament zu treten und einen Bericht zu halten, ohne dass er die Aufforderung einer Fraktion dazu benötigt. Denn, Herr Dr. Brockhausen, was Sie hier heute durch Frau Ministerin Lieberknecht vortragen ließen - aufgrund eines Antrags der CDU-Fraktion dazu aufgefordert -, ist wohl eine Einmaligkeit von Thüringen.

Er könnte, sofern dies politisch gewollt ist, auch von Ihnen vorgetragen werden, aber leider sind Sie hier in Thüringen nur Zuschauer und müssen beobachten, was andere mit Ihren Ergebnissen und Ihrer Arbeit tun.

(Beifall SPD)

Es wäre doch viel besser, wenn Sie, Herr Dr. Brockhausen, nicht nur zum Zuschauer degradiert würden, sondern wenn Sie selbst Akteur sein könnten, auch hier vor dem Parlament.

(Beifall DIE LINKE)

Wir als LINKE bleiben dabei, die Stelle des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen ist eine wichtige Querschnittsaufgabe und benötigt eine herausragende Stellung. Mit dieser Forderung stehen wir nicht allein. Sie wurde vor allem in Thüringen von den engagierten Behindertenverbänden mitgetragen und wir werden auch nicht müde, diese Forderung in einer 5. Legislatur des Thüringer Landtags zum wiederholten Mal hier zu formulieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Juli 2004, kurz nach den Landtagswahlen, war es seitens der damaligen Landesregierung schon ein kleiner politischer Paukenschlag, als der heutige Behindertenbeauftragte Dr. Brockhausen in das Amt berufen wurde. Zu erinnern ist, dass dies geschah, ohne eine Rücksprache mit den Behindertenverbänden vor Ort in Thüringen.

Dr. Brockhausen war für uns in der Behindertenbewegung ein No-Name. Keiner kannte ihn persönlich, keiner kannte seine Aktivitäten in Fragen der Behindertenpolitik. Misstrauisch wurde seine Arbeit von allen Stellen beäugt. Das Misstrauen blieb auch Monate und Jahre danach noch, denn man schaffte ein Amt in Thüringen, welches im Sozialministerium angesiedelt wurde, welches aber ohne finanzielle und personelle Ausstattung arbeiten sollte. Anfragen über Anfragen, was denn nun der neue Beauftragte für Menschen mit Behinderungen überhaupt erledigen bzw. kontrollieren sollte, konnten meist nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Kurios war ja zeitgleich, dass es in Thüringen auch noch kein Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen gab. Auch hier lehnte die Landesregierung die Vorschläge und die Gesetzesinitiativen der Opposition kategorisch ab.

Es war eben nicht so, wie Sie, Frau Ministerin, das vorhin in ihrer Regierungserklärung hier vor dem Parlament erklärt haben. Frau Lieberknecht, Sie waren damals noch die Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion hier im Hohen Haus und wir als Opposition mussten Sie mehr oder minder dazu tragen, dass es hier in Thüringen 2005 bzw. 2006 ein Landes

gleichstellungsgesetz und auch wieder ein Landesblindengeld gab. Thüringen war wie so oft in den zurückliegenden Jahren auch mit dem Landesgleichstellungsgesetz wie immer eines der Schlusslichter in der Bundesrepublik Deutschland.

Ich will an dieser Stelle bewusst nicht auf die über 200 Seiten des Rechenschaftsberichts eingehen, aber einige Facetten möchte ich schon benennen. Mit großer Skepsis haben vor allem Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen Ihr Agieren, Herr Dr. Brockhausen, bei dem Auf und Ab mit dem einkommensunabhängigen Landesblindengeld zur Kenntnis genommen. Dass Sie die Kürzungen bzw. den Wegfall des Landesblindengeldes auch noch guthießen, war ein peinlicher Höhepunkt Ihrer Arbeit.

(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Er hat es kritisiert.)

Am 05.05.2005 äußerten Sie sich in der TLZ unter der Überschrift „Der Freistaat ist kein Ölstaat“ positiv über die geplante Abschaffung des Blindengeldes und gleichzeitig negativ zum damals noch zu schaffenden Antidiskriminierungsgesetz des Bundes, welches auch behinderte Menschen berücksichtigt. Den Kobinet-Nachrichten - das ist eine Nachrichtenplattform der Behindertenverbände und -organisationen, aber auch der behindertenpolitischen Sprecher aller Couleur hier in Deutschland und anderer in der Behindertenbewegung interessierten Menschen - ist zu der eben erwähnten Pressemitteilung zu entnehmen, dass Herr Dr. Brockhausen ein Akzeptanzproblem bei behinderten Menschen in Thüringen habe. Er begreife seine Funktion eher als ministerial, während behinderte Menschen sie als eine behindertenorientierte sehen. Sie sagten - ich zitiere: „Ich verstehe mich als Ohr der Landesregierung.“ Betroffenenverbände meinten dazu und gaben ihm den Zusatz - ich zitiere: „aber nicht als Stimme der Behinderten“. Ähnliche Kritik erhielten Sie, indem Sie uneingeschränkt den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen Ihre Zustimmung gaben und diesen auch noch verteidigten. Erinnern möchte ich auch, dass es fast zwei Jahre dauerte, ehe die zu erlassenden Ausführungsbestimmungen bzw. Rechtsverordnungen, die innerhalb des Landesgesetzes geregelt sind, überhaupt veröffentlicht wurden. Ein Skandal, so denke ich, dass Sie sich als zuständiger Verantwortlicher nicht intensiver für eine zeitnahe Umsetzung eingesetzt haben.

Viele inhaltliche Facetten wurden im Landesgleichstellungsgesetz ausgespart und nach zwei Dreivierteljahren ist es an der Zeit, dass eine erste Novelle des Gesetzes auf den Weg gebracht werden muss. Für die Fraktion DIE LINKE ist dies eine Aufgabe,

die in den kommenden Monaten angegangen wird.

Jetzt möchte ich auf zwei konkrete touristische Aktivitäten hinsichtlich der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen näher eingehen. Es ist zum einen der Baumkronenpfad im Hainich und auch, wie die Ministerin bereits erwähnte, die BUGA 2007 in Gera und Ronneburg. Bei beiden Projekten äußerten wir als Fraktion DIE LINKE und insbesondere ich als behindertenpolitischer Sprecher immer und immer wieder öffentlich Kritik daran, dass diese beiden touristischen Highlights von Thüringen nicht unbedingt barrierefrei zu nutzen sind. An beiden Standorten wurden einfach Tatsachen geschaffen, obwohl man im Vorfeld hätte aktiv werden können, um die Bedürfnisse behinderter Menschen auch noch zu berücksichtigen, ohne dass es enorme Mehrkosten gegeben hätte. Bei beiden Projekten ist die Barrierefreiheit trotz geltender Gesetze nicht umgesetzt worden. Nachdem wir auf diesen Missstand mehrfach öffentlich hingewiesen haben, wurden Sie als Landesbehindertenbeauftragter endlich tätig. Im Vorfeld wäre es wohl etwas besser gewesen, jedoch lagen die Planungen dafür - zumindest bei der BUGA - noch weit vor Ihrer Amtszeit. Durch Ihr Wirken und Ihr Amt erreichten Sie auch etwas vor Ort im Sinne der Betroffenen, wofür ich Ihnen heute auch noch mal hier ausdrücklich danken möchte, Dr. Brockhausen. Jedoch entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass Sie als der Landesbehindertenbeauftragte Thüringens der liebe Onkel der Landesregierung sind, der alles regelt und Geld organisiert und ich in meiner Funktion als behindertenpolitischer Sprecher der Fraktion der LINKEN immer nur der Meckerer und Miesmacher bin.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Da ist was dran.)

Das musst du wissen. Jedoch hätte ich nicht gemeckert, hätten Sie in diesen Fällen überhaupt nicht reagiert. Was will ich nun damit sagen? Das zeigt, dass Sie als einer von außen Eingeflogener in die Funktion des Behindertenbeauftragten kaum eine Anbindung an die hier vor Ort agierenden Behindertenverbände und -organisationen sowie deren Vertreter haben.

(Unruhe CDU)

Dr. Brockhausen, bemühen Sie sich bitte zukünftig mehr um eine aktive und konstruktive Kommunikation und Kooperation mit den Behindertenverbänden hier in Thüringen. Sie sollten dazu eine andere und wohl auch bessere Plattform finden als die des Landesbehindertenbeirats - zumindest in der jetzigen Form, denn das ist eine Katastrophe in den letzten Jahren gewesen. Bitte agieren Sie mehr, als nur zu reagieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Brockhausen, gemeinsam mit Ihrem Stab würde ich Sie bitten, sich in den nächsten Wochen noch intensiver dafür einzusetzen, dass die UN-Behindertenkonvention auch in Thüringen unverzüglich mit Leben erfüllt wird.

(Beifall DIE LINKE)

Das heißt, dass alle Gesetze, Rechtsverordnungen und Richtlinien auf diskriminierende Sachverhalte überprüft und gegebenenfalls auch beseitigt werden und da wird es wohl einiges geben, was da zusammenkommt. Ein großes Stück Arbeit haben wir bei der Umsetzung der UN-Behindertenkonvention bei der Thematik Integration und Arbeit für Menschen mit Behinderungen, aber auch bei der Thematik Bildung und Schulbildung insbesondere. Wir gehen zukünftig davon aus, dass behinderte Kinder nicht in Sonderschulen und Sondereinrichtungen gehören, sondern mitten in die Gesellschaft, sprich in eine ganz normale Schule und Einrichtung. Dort sollten sie unterrichtet werden. Das neue Wort der Inklusion - ich vermute, es wird ein langer inhaltlich schwerer Weg, den wir gehen müssen, um diese Forderung auch in Thüringen in die Praxis umzusetzen, was auch der Redebeitrag des Kultusministers am gestrigen Mittag zur Thematik Schule sehr deutlich gezeigt hat.

Sehr geehrter Dr. Brockhausen, seien Sie endlich parteilich - parteilich für behinderte Menschen hier in Thüringen. Seien Sie Partei für behinderte Menschen und nicht für Landesregierung und CDU.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das ist aber ein Unterschied.)

Agieren Sie endlich unabhängig von den Interessen der Landesregierung. Ich wünsche mir von Ihnen ein anderes Agieren als Sie es damals beim Landesblindengeld gezeigt haben und leider haben Sie daran bis jetzt nicht viel geändert, was die Satzung der Landesblindenstiftung sehr deutlich beweist. Dr. Brockhausen, werden Sie dem Namen Ihres Amtes gerecht. Setzen Sie sich für Inklusion ein.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt Abgeordnete Künast, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Brockhausen, wir haben dem Berichtsersuchen gern zugestimmt und mit Spannung auf die Schlussfolgerungen der Landesregierung gewartet.

Der Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Thüringer Landesregierung für Menschen mit Behinderungen liegt seit Juli vor. Es ist der Bericht des Beauftragten, der durch den Ministerpräsidenten der Landesregierung ernannt wird, denn selbst hier wird deutlich, dass Probleme systemimmanent sind. Allzu großen Widerstand gegen Entscheidungen der Landesregierung kann ja der Beauftragte gar nicht leisten, da er seinen Job ja eben dieser Landesregierung zu verdanken hat. Ein Mindestmaß an Unabhängigkeit des Behindertenbeauftragten war wohl nie das Ziel der CDU-Landesregierung und genau das können wir nun Blatt für Blatt ablesen.

Bei den Rahmenbedingungen verwundert es mich nicht, dass der Behindertenbeauftragte in den mehr als drei Jahren, in denen er für die Belange der Menschen mit Behinderungen in Thüringen eintreten soll, nicht allzu oft und vor allen Dingen nicht offensiv in Erscheinung getreten ist. Reaktion war angesagt und nicht Aktion. Verräterisch und folgerichtig ist zum Beispiel folgende Formulierung im Tätigkeitsbericht: „Im Berichtszeitraum wurde der BMB, Beauftragter für Menschen mit Behinderungen, an ca. 25 Gesetzentwürfen der Landesregierung beteiligt. In den meisten Fällen kam es zu keinen Beanstandungen.“

Genau das will die Landesregierung hören, aber das hat nichts mit der Wirklichkeit behinderter Menschen zu tun. Wenn es dann bei der Kürzung der Zahlbeträge beim Landesblindengeld im Bericht heißt: „Die Kürzung stieß bei blinden Menschen und Verbandsvertretern auf verhaltenen Protest“, dann, sehr geehrter Herr Brockhausen, spätestens dann verlassen Sie den Boden der Realität. Ich sage an dieser Stelle, trotz allem Verständnis für Ihre Abhängigkeit, zu solch einer Verzerrung der Wirklichkeit sollten Sie sich nicht hergeben,

(Beifall SPD)

denn diese Darstellung ist falsch, schlicht und einfach falsch, und Sie sollten sich nicht für so etwas hergeben.

Die damaligen Kürzungen waren der Auftakt für den dann folgenden Wegfall des einkommensunabhängigen Blindengeldes. Auch da wurde zwar durch den Beauftragten für Menschen mit Behinderungen verhaltene Kritik geäußert, letztlich aber die Auswirkungen bagatellisiert. Ich erinnere mich sehr gut an den heftigen Protest der blinden und sehbehinderten Menschen. Und ich erinnere mich sehr gut an die Plenarsitzung, als die Betroffenen draußen bei Wind und Wetter - es hatte geregnet - vor diesem Sitzungssaal standen, teilweise mit ihren Hunden. Dieses Engagement der Betroffenen, diesen Sturm der Entrüstung kleinzureden, das haben die Menschen nicht verdient. Weil es gegen die Kürzungen massive und

nicht abklingende Proteste gegeben hat, deshalb, und nur deshalb, hat diese Landesregierung eine Kehrtwende vollzogen. In all den monatelang und bundesweit beachteten Diskussionen über den Wegfall des Blindengeldes haben wir den Beauftragten für Menschen mit Behinderungen nicht wirklich als Lobbyisten wahrgenommen. Währenddessen stand Thüringen bundesweit am Pranger. Thüringen war nach der Kehrtwende in Niedersachsen das einzige Bundesland ohne Blindengeld, so sah das aus. Souverän wäre gewesen, diesen sozialpolitischen Fehler auch in dem Bericht offen zu benennen.

Lassen Sie mich noch ein weiteres Beispiel nennen: Das aktuelle Kindertagesstättengesetz im Rahmen der Familienoffensive hat zu einer Schlechterstellung der von Behinderung bedrohten Kinder geführt. Nach der alten Rechtsgrundlage gab es für diese Kinder zusätzliche Fachkräfte in den Kitas. Die Förderung dieser Fachkräfte ist nun entfallen. Proteste des BMB gegen diese Schlechterstellung sind uns nicht bekannt. Reden Sie mit den Eltern, reden Sie mit den Trägern von Kindergärten. Die fehlende Förderung für diese Kinder wird zu einem immer größeren Problem, landauf, landab wird das beklagt. Und im Tätigkeitsbericht - Fehlanzeige, kein Wort eines von Anbeginn des neuen Gesetzes befürchteten und immer akuteren Problems. Und so geht das munter weiter.

Ein weiteres Beispiel für Stillhalten und Verschweigen war die neue Rahmenvereinbarung für die heilpädagogische und therapeutische Versorgung behinderter Kinder. Statt wie bisher in den Kitas sollte die Behandlung nur noch bei niedergelassenen Therapeuten durch die Krankenkassen übernommen werden. Eltern und Verbände liefen dagegen landesweit Sturm und erreichten die Beibehaltung der jetzigen Regelung. Öffentlichen Einsatz des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen habe ich zu diesem Thema nicht wahrgenommen. Aber dieser wäre notwendig gewesen, denn das ist seine ureigenste Aufgabe, sich bei solchen Fragen zu Wort zu melden.