Ansonsten wüsste ich auch nicht, welche Haltung der einzelne Abgeordnete zu seiner Landtagspräsidentin hat. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht um die europapolitische Strategie der Landesregierung. Ich habe mir einmal die zugestandenermaßen wenig aufwendige Mühe gemacht, den Begriff „Strategie“ bzw. die Definition des Begriffes „Strategie“ genauer anzuschauen. Da ist mir folgender Satz untergekommen, ich zitiere: „Eine Strategie ist ein längerfristig ausgerichtetes, planvolles Anstreben einer vorteilhaften Lage oder eines Zieles.“ Nun, meine Damen und Herren, zunächst einmal bin ich in gewisser Weise verwundert, aber zugleich - und das möchte ich an dieser Stelle betonen - auch erfreut, dass die Landesregierung eine europapolitische Strategie überhaupt hat. Noch mehr erfreut bin ich, dass sie diese auch noch weiterentwickeln will. Bislang jedenfalls, meine Damen und Herren, war davon recht wenig zu spüren bzw. ist es der Landesregierung gelungen, diese Strategie geschickt zu verbergen. Das wiederum ist nun einigermaßen erklärlich, sollen doch Strategien nicht schon vorher die Schlacht entscheiden, wenn sie zu früh publik werden. Ist doch nach dem ursprünglichen Zweck eine Strategie der übergeordnete Plan, einen Kampf zu gewinnen, die dazugehörige Taktik lediglich Mittel zu genau diesem Zweck. Also, meine Damen und Herren, verehrter Herr Minister Zeh, das ist Ihnen schon mal gelungen. Diese Strategie muss ganz einfach erfolgreich sein, denn sie kennen nur wenige.
Meine Damen und Herren, eben jener europapolitischen Strategie mangelt es aber an etwas anderem, nämlich an etwas ganz Entscheidendem, an einer profunden Grundlage. Die Ursache dafür liegt zwar nicht in Thüringen und auch nicht in Deutschland, doch lassen die Vorgänge innerhalb der Europäischen Union diese gesamte Strategie Thüringens auf ziemlich tönernen Füßen stehen. Die Grundlage - das zur Erläuterung - bildet der Vertrag von Lissabon, der u.a. eine Neuausrichtung der Europäischen Union unter den Bedingungen der Mitglied
schaft von 27 Staaten vorsieht. In diesem Vertrag, der sozusagen als Ersatzdokument für den leider durch französisches und niederländisches Veto zu Fall gebrachten Verfassungsvertrag mehr oder wenig gut dienen muss, sind u.a. auch verbesserte Mitwirkungs- und Einspruchsrechte der jeweiligen nationalen Parlamente vorgesehen. Minister Zeh verwies vorhin in seinem Bericht darauf. Darauf fußen ja auch letztendlich die Ideen der Landesregierung Thüringens, weil dies auch unmittelbare Durchgriffsmöglichkeiten für regionale Parlamente oder aber unter den föderalen Voraussetzungen der Bundesrepublik Deutschland für unsere Länderparlamente bedeutet.
Nur, selbst diese Notlösung, wie manchmal der Lissabonner Vertrag bezeichnet wird, ist, wie wir alle wissen, noch nicht in Kraft und insofern befindet sich Europa durchaus nicht in einer vorteilhaften Lage im Sinne meines Eingangszitats. Die Bürgerinnen und Bürger der Republik Irland fühlten sich mehrheitlich nicht in der Lage, diesem Vertragswerk zuzustimmen. Diese Entscheidung zu kritisieren, steht mir nicht zu. Aber es zu respektieren, glaube ich, gehört sich allemal, auch wenn ich nicht alle Argumente der Gegner nachvollziehen kann. Für uns bedeutet das aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, für dieses Strategiepapier fehlt ganz einfach das Fundament. Nun will ich aber dessen Existenz gerade deshalb ausdrücklich nicht kritisieren, weil es natürlich auch zum Wesen einer Strategie gehört, für alle Eventualitäten der Zukunft gerüstet zu sein und weil Thüringen und Deutschland, wie gesagt, nicht die Ursache für das Fehlen dieses Fundaments ist. Wie sicher bekannt, Bundestag und Bundesrat haben dem Vertrag zugestimmt. Und das Papier, das konnte ich jedenfalls dem Aktualisierungspapier entnehmen, das nachgeliefert worden ist, gibt sich auch durchaus optimistisch, was die Korrektur des Referendums in Irland betrifft. Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, da machen sich alle möglichen Leute mehr oder weniger kluge Gedanken. Ich glaube, wir sollten es einfach den Iren überlassen.
Wie sich allerdings hierbei die Thüringer Landesregierung in diesen Prozess einbringen will, und das will sie, meine Damen und Herren, würde mich dann doch etwas näher interessieren. Ich zitiere aus dem Papier: „Nach dem negativen Referendum in Irland setzt sich Thüringen für eine schnelle Entscheidung der europäischen Staats- und Regierungschefs über die Zukunft der Vertragsreform ein.“ So weit, so gut. Vielleicht erleben wir bald wieder den Einzug eines kleinen Franzosen in die Erfurter Staatskanzlei, der Letzte war, glaube ich, vor ungefähr 200 Jahren da und das Ereignis soll, wie man hört, jetzt auch noch gefeiert werden. Also, meine Damen und Herren, ich glaube, das scheint mir dann doch etwas überzogen.
Meine Damen und Herren, inhaltlich setzt da schon eher meine Kritik an diesem Strategiepapier an. Lassen Sie mich wirklich nur zwei Beispiele exemplarisch herausgreifen. Eine wichtige Errungenschaft der gesamten Reform, das wurde auch vorhin im Bericht schon deutlich, ist das sogenannte Subsidiaritätsfrühwarnsystem. Es bindet erstmals die nationalen Parlamente direkt in den europäischen Rechtsetzungsprozess ein. Bei uns in Deutschland sind die Länder natürlich, wir wissen das alle, über den Bundesrat beteiligt. Subsidiarität bedeutet, für den, der das nicht wissen sollte, dass schlicht und ergreifend die EU nur dann handeln soll, so weit die jeweils verfolgten Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können. Was sagt das Strategiepapier nun genau zu diesem Punkt? Lassen Sie mich auch an dieser Stelle zitieren: „Sobald sich abzeichnet, dass der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt, wird die Landesregierung alle notwendigen Vorkehrungen treffen und insbesondere auf Ebene des Bundesrates diejenigen Maßnahmen unterstützen, die einer effektiven Wahrnehmung der im Vertrag geregelten Rechte der nationalen Parlamente und der Nutzung des Frühwarnsystems dienen.“ Mein Gott, ein toller Satz. So sieht das halt aus, ein längerfristig, ausgerichtetes, planvolles Anstreben einer vorteilhaften Lage.
Oder nehmen wir ein anderes Beispiel, da geht es auf den Seiten 31 und 32 um die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht in nationales Recht, also dem eigentlichen Transmissionsriemen europäischer Rechtsetzung. Da heißt die Überschrift unter der Ziffer 3, ich zitiere: „Fazit für die weitere Thüringer Strategie“. Und was passiert dann? In der Folge wird ein Verfahren auf der Landesebene beschrieben, das nur selbstverständlich ist: Wer, wann, wen auffordert, tätig zu werden, wer die Federführung innehat, bis hin zur Benennung eines ständigen Ansprechpartners zu Fragen der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts. Da frage ich mich natürlich: Wie haben Sie das denn eigentlich bisher gemacht?
Kurzum, meine Damen und Herren, durch das gesamte Papier zieht sich ein roter Faden aus gängiger Praxis, Selbstverständlichkeiten oder vage formulierten Allgemeinplätzen. Aber vielleicht dokumentiert sich in diesem Strategiepapier die Ungewissheit über die Zukunft des europäischen Reformprozesses und damit insgesamt - so deutlich muss man das sagen - der Europäischen Union. Und, meine Damen und Herren, weil auch mich bzw. uns diese Ungewissheit unzweifelhaft beschleicht, will ich an dieser Stelle eine gewisse oppositionelle Milde walten lassen in meinem Urteil. Aber, Herr Minister, ein bisschen konkreter hätte es schon sein können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei, Ihre Einstellung - und das hat Kollege Kubitzki eben in seinem Beitrag noch einmal, wahrscheinlich ungewollt, deutlich gemacht - zu diesem größten Reformwerk der Europäischen Union ist nun wirklich hinlänglich bekannt. Sie lehnen eine Neuausrichtung der Europäischen Union generell ab, ob nun als Verfassungsvertrag oder mit dem Namen einer welch auch immer bezeichneten europäischen Hauptstadt. Die Begründungen dabei sind so verschieden wie teilweise absurd. Sie glauben zum Beispiel, nur ein zahnloses Europa sei ein gutes Europa und der Lissabonner Vertrag zementiere die Militarisierung der EU und deshalb lehnen Sie ihn ab. Jedenfalls hat das Ihr Bundesvorsitzender so artikuliert. Das ist ein Punkt, den halte ich zum Beispiel für absurd. Sehen Sie nicht, meine Damen und Herren der Linkspartei, dass nur ein geeintes, aber auch ein wehrhaftes Europa den Herausforderungen dieses Planeten gerecht werden kann? Macht Ihnen das Gebaren Russlands bei aller Kritik am Agieren Georgiens nicht auch in gewisser Weise Angst? Nicht in Bezug auf Deutschland, damit wir uns nicht falsch verstehen, aber die Europäische Union endet nun einmal bei den baltischen Staaten oder in der Ukraine als unmittelbare Nachbarn Russlands. Ein wachsames und vor allem ein wehrhaftes Europa ist für mich und für meine Partei ein Garant für ein weltpolitisches Gleichgewicht. Und genau daran krankte bisher das alte Europa. Die geplante Einführung eines Europäischen Hochkommissars für Außenpolitik in Verbindung mit einer engeren militärischen Abstimmung untereinander ist dafür auch eine erste Voraussetzung. So viel dazu, weil das bislang einer Ihrer wesentlichen Ablehnungsgründe für dieses Reformwerk in der Öffentlichkeit war.
Ich möchte mich aber auch an dieser Stelle noch einmal etwas intensiver mit einem anderen Vorwurf auseinandersetzen, den die Fraktion DIE LINKE gern erhebt. Wir haben das vorhin wieder hören dürfen: Der EU-Vertrag sei zu kompliziert und für die Menschen draußen zu unverständlich. Natürlich behaupte ich nicht, dass der EU-Reformvertrag einfach zu lesen sei. Natürlich stellt sich die Frage, ob der Vertrag und seine Ziele ausreichend an die Bürgerinnen und Bürger aller 27 Mitgliedstaaten vermittelt worden ist und ob man nicht vielleicht doch mehr Aufklärungsarbeit vonseiten der EU, vonseiten der Bundesregierung oder der Landesregierung hätte leisten können. Noch einmal: Diese Kritik will ich nicht vom Tisch wischen. Die daran anschließende Frage, meine Damen und Herren, ist aber viel entscheidender: Rechtfertigt die Komplexität und die Kompliziertheit eines Reformvertrags ein generelles Nein in der Abstimmung, so wie das die Bundestagsfraktion DIE LINKE im Bundestag getan hat? Ich sage Nein. Das zeigt,
Sie wollen keine Verantwortung übernehmen. Ihr Bundesvorsitzender hat am 21. April 2008 im Rahmen einer Pressekonferenz die Ablehnung des EUReformvertrags durch die Fraktion im Bundestag folgendermaßen begründet.
Zu den entscheidenden Nachteilen des Vertrags gehören, dass der Vertrag von Lissabon erneut keine Verfassung für die Bürgerinnen und Bürger der Union ist.
Abgesehen davon, dass die Fraktion DIE LINKE auch nicht die Absicht hatte, dem Verfassungsvertrag zuzustimmen, ist das ja nun wohl wirklich eine Binsenweisheit und wirklich ein bisschen dünn als Ablehnungsgrund, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Im Übrigen sehen das andere prominente Mitglieder Ihrer eigenen Partei durchaus anders. Die Abgeordnete der LINKEN im Europäischen Parlament gilt als deutliche Unterstützerin des EU-Reformvertrags und räumt in ihrem Buch - ja man hört, die hat sogar ein Buch darüber geschrieben - „Die EU und ihre Verfassung“ mit den „linken Irrtümern und populären Missverständnissen zum Vertrag von Lissabon“ auf. In einem Interview im Juni dieses Jahres erklärt jene Frau Kaufmann, das ist die Abgeordnete, auf die Frage: Hat DIE LINKE zu lange Fundamentalopposition betrieben? Antwort: „Ja, DIE LINKE in Europa versteht sich selbst überwiegend als proeuropäisch, aber sie muss ihr Verhältnis zur EU prinzipiell klären. Über 50 Jahre hinweg wurde die Europäische Union von Vertrag zu Vertrag von Politikern aus anderen politischen Lagern aufgebaut. DIE LINKE hat in diesem Prozess de facto danebengestanden. Ich hoffe,“ - so Frau Kaufmann - „dass sie jetzt langsam aufwacht.“
Meine Damen und Herren, die Hoffnungen der Europaabgeordneten wurden, glaube ich, doch ziemlich jäh enttäuscht; denn Ihnen geht es - und das ist meine Feststellung - im Bund wie im Land einzig und allein darum, populistischen Protest zu organisieren und auf Stimmungen und nicht auf Argumente zu setzen.
Das sind die wahren Gründe, warum Sie beispielsweise immer wieder die Forderungen nach einem Referendum in Deutschland erheben, in dem Wissen, sich damit vom Boden des Grundgesetzes zu entfernen.
Da sage ich Ihnen, sorgen Sie dafür, dass in Thüringen keine Anti-Europa-Politik salonfähig wird. Auch davon hängt Ihre Fähigkeit ab, in Zukunft Verantwortung zu übernehmen.
Meine Damen und Herren, Sie beklagen sich einerseits über einen zu komplizierten EU-Reformvertrag. Meinetwegen erheben Sie diesen Vorwurf, aber die Thüringer Verfassung richtig zu lesen und richtig zu verstehen, kann man doch schon, glaube ich, erwarten. Andererseits verstehe ich im Übrigen auch nicht ganz, wie Sie einen Alternativantrag zu einer europapolitischen Strategie der Landesregierung verfassen können, wenn Sie dessen Grundlage, den Reformvertrag, rundweg ablehnen. Das erscheint mir dann doch nicht so ganz logisch.
Nun zur Aufklärung, weil Sie das am Schluss Ihrer Rede, Herr Kubizki, auch noch mal angeführt haben: Die Informationspflicht der Landesregierung unter anderem in europapoltischen Belangen steht jetzt schon in der Thüringer Verfassung. Wenn Sie es nicht wirklich glauben, lesen Sie Artikel 67 Abs. 4. Da steht auch drin, dass das so rechtzeitig erfolgen muss, dass der Landtag auch noch die Möglichkeit zur Stellungnahme hat. Worauf Sie offensichtlich - und ich vermute das einfach mal - in Ihrem Antrag abstellen, ist lediglich die Forderung der Präsidentenkonferenz nach Übermittlung der Terminleiste solcher Vorgänge. Wenn das gemeint ist, wäre das in Ordnung, ansonsten, wie gesagt, ein Blick in die Verfassung klärt dann doch auf.
Bemerkenswert ist, meine Damen und Herren, dass die Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage und des Bundestages eine solche Forderung, ob nun nach Terminleiste oder nicht, überhaupt stellen. Ich finde das wirklich bemerkenswert, zeigt es doch ein gewisses Misstrauen der Parlamente bei der eigentlich verfassungsmäßig geregelten Informationspflicht der Landesregierungen an die Landtage. Im Übrigen, da müssen wir uns auch selbst an die Nase fassen, wie wir das als Parlament kontrollieren.
Meine Damen und Herren, Fazit: Eine reichlich unkonkrete europapolitische Strategie der Landesregierung, deren Umsetzung auf dem Prinzip Hoffnung beruht, einer Hoffnung, die wir - und das sage ich im Namen meiner Fraktion - sehr wohl teilen im Interesse eines starken Europas. Leider schert hier eine Fraktion vollkommen aus. Das ist nicht gut
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben von Herrn Minister Zeh zu dem Antrag „’Für Thüringen in Europa’ - Weiterentwicklung der europapolitischen Strategie der Landesregierung“ sehr umfassend und ausführlich berichtet bekommen. Das 89 Seiten starke Papier, das von meinen beiden Vorrednern schon durchaus auch unterschiedlich bewertet worden ist, macht die Herausforderungen deutlich, die auf uns in Thüringen zukommen in dieser jetzt laufenden Legislaturperiode. Ich glaube, auch deutlich gelesen zu haben, welche Aufgaben für uns als Parlamentarier und für die Landesregierung bis zum Ende der Förderperiode 2013 dort stehen. Deshalb sage ich, es ist völlig klar, dass Herr Kubitzki eine andere Lesart hat als wir. Ich danke aber trotzdem sehr herzlich Herrn Minister Zeh, aber auch allen Ihren Ressortkollegen, denn dieses Strategiepapier, welches jedem einzelnen Abgeordneten vorliegt, macht schon in allen Bereichen deutlich, es sind ja einige angerissen und angesprochen worden, man kann es nicht umfänglich tun, aber dass alle Ressorts unserer Landesregierung dort einen Bericht gegeben haben über das, was erreicht worden ist und was noch in der Zukunft getan werden muss. Da bin ich durchaus auf einem Konsensweg, was Herr Höhn noch einmal angesprochen hat. Natürlich, wir waren als Ausschuss in Brüssel und haben einige Dinge mitnehmen können, haben dort Themen angesprochen, die uns sehr bewegen, ich nenne nur das Stichwort „Agrarpolitik“, ein ganz wichtiges Thema für uns. Da können wir mit Sicherheit nicht zufrieden sein, das ist völlig klar, aber man muss auch mal die Ausgangslage beleuchten, wie sie war und wo wir jetzt im Moment stehen. Ich bin aber doch guter Hoffnung, da wir bis 1. Juli nächsten Jahres auch das Vorsitzland in der Europaministerkonferenz sind, dass wir damit auch in Fragen der Strategie durchaus etwas einbringen können, gerade das, was von Herrn Kubitzki auch noch einmal kritisiert oder nachgefragt worden ist. Unser Minister ist jetzt der Vorsitzende dieser Europaministerkonferenz und dann hat man doch schon eine andere Möglichkeit, auch Einfluss in Bezug auf die anderen Ländereuropaminister zu nehmen in den Runden, in denen man sich trifft. Ich glaube, das ist mit Sicherheit ein Vorteil für uns. Wenn man von dem Reformvertrag Lissabons ausgeht bezüglich auch der Haushalts-, Agrar
politik, die Kohäsion, all die Fragen der nachhaltigen Entwicklung in Europa, die Mitwirkung Thüringens, Öffentlichkeitsarbeit oder auch unsere ganzen Partnerschaften rundherum um unser Land, das macht schon deutlich, wir sind hier auf einem richtigen Weg. Dass das Thema sehr komplex ist, das steht auf rund 90 Seiten geschrieben, und wir müssen trotz der schwierigen Situation und der durchaus verfahrenen Situation im Moment aber doch auch feststellen, dass es durchaus in diesem Papier Möglichkeiten gibt, um mit der Öffentlichkeit, mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit Schülern, mit Arbeitnehmern, mit allen Menschen hier ins Gespräch, in die Diskussion zu kommen. Ich kenne die Zahlen natürlich auch, dass wir zurzeit deutlich mehr Misstrauen als Vertrauen haben, das sagen die Fakten ganz deutlich. Aber das ist doch unsere Aufgabe und wenn man hier von diesem Pult aus all die Dinge nur kritisiert und schlechtmacht, dann haben wir natürlich auch draußen schlechte Karten, um bei den Bürgern ein Stück dafür zu werben. Jeder weiß, die Krise - wir haben ja schon vor einem halben Jahr hier reichlich diskutiert - schien überwunden, dann kam das Nein der Iren und vorgeschaltet der Franzosen und Holländer. Das muss man so akzeptieren, das ist völlig klar. Ich bin auch sehr gespannt, wie der Europäische Rat in wenigen Tagen, am 15./16. Oktober 2008, sich dann entscheiden wird, wo die Reise hingehen soll. Das ist ja bis heute noch sehr offen und es gab sehr viele, sehr erregte Kommentare nach dem Nein der Iren am Anfang, ich will sie jetzt gar nicht zitieren, Herr Uwe Höhn, selbst Walter Steinmeier hat ja dann am ersten Tag Meldungen aus dem Auswärtigen Amt verkündet, dass man die Iren jetzt etwas an die Seite drängen soll, am Tag danach wurde das relativiert. Also da waren von allen Seiten,
von allen Beteiligten schon Stimmen zu hören, die ich mir lieber erspart hätte. Aber das darf an der Stelle noch mal gesagt sein; denn ich glaube schon, dass die Zeitleiste bis zum 01.01.2009, um den Reformvertrag in Gang zu setzen, nicht zu halten sein wird. Das wird uns einfach nicht gelingen. Damit ist auch praktisch ausgeschlossen, dass wir nach der Europawahl die wirklich dringenden Entscheidungsmechanismen haben werden, die wir brauchen. Klar ist, und das wissen wir, Rechtstatbestand ist jetzt der Vertrag von Nizza, nichts anderes ist im Moment die aktuelle Rechtslage.
Vor der Europawahl muss auch noch die Zusammensetzung der neuen Kommission geregelt werden, denn der Vertrag von Nizza schreibt hier zwingend vor, wenn die Union 27 Mitglieder hat, und die hat
sie, dann muss die Frage der Kommissare geklärt werden. Das wäre in dem Reformvertrag auf 2014 verschoben worden, da hätte man noch entsprechende Verhandlungszeit gehabt, das ist jetzt nicht, also muss das vor der Europawahl passieren. Da bin ich schon sehr gespannt, wie das aussehen wird.
Klar hat es auch die Frage der Erweiterung gegeben, die die Menschen bewegt hat. Dazu hat sich das Europäische Parlament klar geäußert: Keine Erweiterung ohne institutionelle Reform, das ist nicht verkraftbar. Man muss sehen, dass tatsächlich dadurch auch die Aufnahmefähigkeit europaweit erreicht ist. Entscheidend für die Zukunft der Europäischen Union ist nicht die mögliche Größe, sondern wie stark sie sich nach innen darstellt. Aus solchen Koppelgeschäften wie in der Vergangenheit hat man, glaube ich, gelernt. Dass ein gleichzeitiger Verhandlungsbeginn mehrerer Staaten dann natürlich auch einen gleichzeitigen Beitritt nach sich zieht, diese Zeiten sind, glaube ich, vorbei und das ist auch so in Ordnung. Wobei wichtig ist, dass die europäische Nachbarschaftspolitik deutlich an Bedeutung gewinnen wird. Wir wissen, dass ungefähr 16 Staaten im Moment da einbezogen sind. Da muss man sich etwas einfallen lassen. Wie kann ich diese Länder alle mitnehmen, wie kann ich sie ins Boot nehmen mit ihren Vorstellungen, mit ihren Wünschen? Also das bleibt ein spannendes Thema, weil die 450 Mio. Menschen auch die Frage stellen: Wie werden wir erfolgreich sein in dieser Europäischen Union - die Subsidiarität ist angesprochen worden als Konzept - und wie gelingt es uns vor allen Dingen auf der lokalen und auf der regionalen Ebene, hier bürgernah Europapolitik zu gestalten? Man muss einfach auch die Chancen erklären. Es ist immer einfach, dieses oder jenes zu kritisieren, das ist noch nicht erreicht oder das. Wir sind in dem Prozess tief verankert. Wir, gerade hier in den neuen Ländern, haben das Prozedere ja alles nicht mitgemacht. Wir sind über Nacht Mitglied der Europäischen Union geworden - keine Verhandlung von langwierigen 31 Kapiteln über all die Jahre hinweg. Das darf man an der Stelle, glaube ich, auch noch mal erwähnen, dass wir eine besondere Situation hatten. Ich bin in dem Falle tatsächlich auch gerade den Thüringern und auch der Landesregierung dankbar, dass bestimmte Akzente, die die Menschen bewegen, auch mit unserer Stimme dort Gewicht gehabt haben.
Ich denke nur mal, das Thema Bodenschutzrichtlinie ist angesprochen worden, der Bildungsbereich, wo die Kommission natürlich immer wieder versucht, durch Fragen, durch die offene Koordinierung, die ja jeder von uns kennt, irgendwo verbindliche Vor
gaben zu machen - das stellen wir erst mal in den Raum und anhand dieser Vorgaben wird dann der Diskussionsprozess eingeleitet. Wir haben immer gesagt, diese offene Koordinierung ist nicht unsere Methode, denn mit der kommen wir nicht weiter. So auch die Pläne der EU-Kommission zur Vergabe bei den Dienstleistungskonzessionen, die man europarechtlich tatsächlich bis ins Detail hinein regeln wollte - ich will die Beispiele gar nicht nennen. Es ging sogar so weit, dass man sagte, wenn ein Drittanbieter im privaten Bereich der Schulspeisung auftaucht, das muss geregelt werden - das ist nun wirklich keine Sache, die Europa regeln muss, da können wir hier vor Ort, glaube ich, deutlich besser entscheiden, was wir tun. Neue gesetzliche Regelungen zum Vergabewesen auf der europäischen Ebene, halte ich in dem Falle tatsächlich für überflüssig. Nun haben doch unsere Kommunen einen Handlungsspielraum behalten, der an der Stelle durchaus gefährdet gewesen wäre.
Aber ich will noch einen weiteren Punkt ansprechen, was den Menschen nur schwerlich zu erklären ist, das ist die Praxis der EU-Kommission, dass regelmäßig beratungs- und entscheidungsrelevante Informationen nur in englisch und französisch vorgelegt werden. Das betrifft EU-Dokumente, die entweder als Arbeitsdokumente oder auch als Anhänge zu den Arbeitsdokumenten herabgestuft werden, Folgeabschätzungen zu Rechtsetzungsvorschlägen der Kommission, die Kommission aber selber sagt, das ist für uns zentral und dient uns als Instrument der besseren Rechtsetzung. Ich glaube, an der Stelle ist Handlungsbedarf, wenn die Bürgerinnen und Bürger, die klein- und mittelständischen Unternehmen oder auch die von der Kommission immer aufgeforderte Mitwirkung der zivilen Gesellschaft, des Bürgers vor Ort, sich aktiv an diesem Integrationsprozess beteiligen sollen. Diese können das natürlich auch nur tun, wenn sie es in deutsch nachlesen können und deutsch verstehen.
Da sage ich mal, lieber Herr Europaminister, da müssen die Länder auch Nägel mit Köpfen machen, denn nach meinem Kenntnisstand haben sich ja vor drei Monaten die deutschen Europaminister der Länder in Brüssel getroffen und haben dort über das partnerschaftliche Vorgehen bei europapolitischer Kommunikation gesprochen, haben das erörtert. Das heißt dann tatsächlich auch, dass man den Sachverstand der Regionen und unserer Gemeinden und Kommunen einbezieht, aber auch in einer entsprechenden Sprache. Sie haben, glaube ich, dort die Zusage von der Kommission erhalten, dass im Rahmen der Folgeabschätzungen bei Rechtsetzungsvorhaben dem Subsidiaritätsprinzip in der Zukunft mehr Gewicht beigemessen werden soll. Dann also dranbleiben und dort mal intensiv intervenieren.
Noch ein paar Worte zur Öffentlichkeitsarbeit: Lieber Kollege Uwe Höhn, wir haben doch den kleinen Franzosen schon in Thüringen. Seit Jahren sitzt in der Thüringer Staatskanzlei aus Frankreich immer ein wichtiger Mensch, Herr Vuson war da, jetzt ist Herr Champris da, die die Dinge koordinieren.