Qualität, fehlendes Vertrauen in die Vergleichbarkeit der Dienstleistung, unzureichender Verbraucherschutz oder auch soziales Dumping.
Meine Damen und Herren, an der Stelle will ich einmal auch darauf hinweisen, dass der Verbraucherschutz nicht davon ausgehen soll, dass der Verbraucher selbst nicht in der Lage ist, eine Dienstleistung auch zu verantworten. Ich will mal ein Beispiel nennen. Ich weiß nicht, wer hier im Hause von einem portugiesischen Architekten unbedingt sich ein Haus planen lassen wollte, wenn der dann vielleicht sprachliche Probleme schon allein mit der Baubeschreibung hätte. Also, das hat auch lokale Grenzen, auch für kleine und mittlere Unternehmen, die sich besonders im Grenzbereich vielleicht über die Grenze hinweg bewegen, aber bei einer gewissen Entfernung wird es ihnen nicht möglich sein, ihre Dienstleistungen in anderen Staaten zu erbringen. Der Verbraucher selbst hat also hier eine Verantwortung und er ist auch nicht zu belehren. Er ist gut in der Lage einzuschätzen, was er selbst verantworten will. Solche Aspekte haben in der Debatte zum Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie im Binnenmarktausschuss und im mitberatenden Sozialausschuss des Europäischen Parlamentes stattgefunden. Wir müssen allerdings aufpassen - und das geht in Richtung Ihrer Zwischenfrage -, dass wir nicht die Chancen verspielen, die sich aus einer gemeinsamen Binnenmarktstrategie und den Dienstleistungen im Binnenmarkt ergeben: Chancen für Wachstum, Chancen für Beschäftigung und Chancen für den Wettbewerb. Ich möchte noch einmal unterstreichen: Bei allen Problemen, die dieser Prozess in sich birgt, würde eine Richtlinie ohne den gewählten horizontalen Ansatz mit Sicherheit keinen Erfolg in dem ins Auge gefassten Zeitraum ermöglichen.
Herr Abgeordneter Schröter, der Abgeordnete Ramelow möchte Ihnen eine Frage stellen. Gestatten Sie das? Bitte, Herr Abgeordneter Ramelow.
Ich würde gern noch einmal auf Ihr Beispiel zurückkommen. Wie bewerten Sie den gleichen Vorgang, wenn ein Deutscher Architekt sein Büro in Lissabon eröffnet und dann in Deutschland zu den Konditionen von Lissabon, zum Beispiel auch zu der Frage der rechtlichen Auseinandersetzung, seine Dienstleistung hier im Binnenmarkt anbietet und dann nicht mehr den Strukturen der hiesigen Region entspricht?
Der horizontale Ansatz geht davon aus, dass der Dienstleistungserbringer die Dienstleistung unter den
Kriterien in seiner Niederlassung zu erbringen hat. Damit sind auch alle anderen Dinge geregelt wie auch die Forderungen, die gegebenenfalls aus der Dienstleistung bei nicht qualitätsgerechter Erfüllung vorhanden sind, resultieren. Das ist damit eigentlich klar gesagt.
Zu den zeitlichen Abläufen möchte ich noch eine Bemerkung machen. Im kommenden Jahr soll die Dienstleistungsrichtlinie voraussichtlich verabschiedet werden. Der Vorschlag der Kommission zur ergänzenden Harmonisierung soll dazu eingebracht werden. Nach Ablauf der Umsetzungsfrist, voraussichtlich 2007, sollen folgende Dinge weiterbearbeitet werden, so sieht das die Richtlinie der Kommission vor: die Abschaffung von unzulässigen Anforderungen, die Abschaffung von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit mit Ausnahme der Bereiche, die für die vorübergehende Ausnahmeregelung gelten, das ist ja auch Inhalt der Richtlinie, die Harmonisierung der Genehmigungserfordernisse sowie die Harmonisierung betreffend die Qualität der Dienstleistungen. Das war etwas, was Sie gerade gefragt haben, Herr Ramelow. Eine gegenseitige Evaluierung allerdings ist auch vorgesehen in diesem Zeitraum. Bis zum 31. Dezember 2008 sollen die einheitlichen Ansprechpartner festgelegt sein. Es soll ein Recht auf Information auch für den Dienstleistungsempfänger vorhanden sein, elektronische Verfahrensabwicklungen sollen möglich sein und die gegenseitige Evaluierung soll weitergehen, gegebenenfalls auch mit ergänzenden Vorschlägen und Initiativen, die sich daraus ergeben. Ab dem 1. Januar 2010 soll die Übergangszeit, die bis dahin festliegt, beendet werden. Die Übergangsregelungen zum Herkunftslandprinzip bezüglich der Geldtransporte und gerichtlichem Beitreiben von Forderungen zum Beispiel soll das betreffen. Es gibt auch eine Reihe von Festlegungen, die noch nicht terminisiert sind, so zum Beispiel die Durchführungsmaßnahmen, elektronische Verfahrensabwicklung, Unterstützung der Dienstleistungsempfänger, Information der Dienstleistungserbringer und ihre Leistungen, finanzielle Sicherheiten und Berufshaftpflichtversicherungen, gegenseitige Unterstützung und gegenseitige Evaluierung. So weit zu dem zeitlichen Ablauf. Noch einmal kurz gesagt, Anfang 2004 ist die Richtlinie zur Diskussion gestellt worden. Die Standpunkte des Ausschusses der Regionen habe ich dargelegt, die auch dort geteilt worden sind. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss hat sich dazu noch nicht geäußert. Dort gab es bisher nur die Anhörung, die eben auch auf die Arbeitnehmerentsenderichtlinie besonders abzielte. Zusammenfassend: Eine Überarbeitung des Richtlinienvorschlags ist im Gange, aber dies ist ein dynamischer Prozess, wie der Zeitplan, den ich vorgetragen habe, auch beweist.
Erstens, die Begründung ist fehlerhaft. Nicht die Deregulierung von 70 Prozent der Leistungen vom Bruttoinlandsprodukt, sondern in den Bereichen, die noch nicht geregelt sind, steht zur Debatte. Das hat Herr Höhn übrigens gesagt, welche Größenordnung dies betrifft.
Zweitens, die Daseinsvorsorge soll spezialgesetzlich geregelt bleiben. Und wenn es so eingearbeitet wird in die Richtlinie, ist das Argument, dass es einen Kompetenzeingriff in die Nationalstaaten gäbe, eigentlich hinfällig.
Drittens, die Verfahrenshinweise haben die Möglichkeiten, die die Landesregierung und der Landtag haben, aufgezeigt. Ich weise darauf hin, dass der Artikel 263 des EG-Vertrages die Rechtsstellung der Mitglieder des AdR, nämlich des Herrn Minister Wucherpfennig und meiner Person, darstellt. Ich will auch an der Stelle sagen, ein imperatives Mandat ist auch dort ausgeschlossen.
Viertens, der Antrag ist abzulehnen, weil er politisch und wirtschaftlich falsch ist. Im Übrigen gab es zu der Stellungnahme, die ich erarbeitet habe, ein Abstimmungsergebnis, was ich Ihnen, wenn Sie sagen, man solle dies ablehnen und es wäre überall eine Ablehnung zu hören, wie folgt einmal verdeutlichen möchte: Der Ausschuss der Regionen hat 317 Mitglieder aus 25 Staaten. Die von mir vorgelegte Stellungnahme zu der Dienstleistungsrichtlinie ist bei fünf Stimmenthaltungen und drei Gegenstimmen angenommen worden. So falsch kann das also nicht sein. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, werter Kollege Schröter, ich hatte eigentlich gedacht, dass Sie hier für die CDU vortragen und nicht für den Ausschuss der Regionen, aber ich denke, die beiden Stellungnahmen decken sich. Ihrem Beitrag konnte ich eigentlich nur entnehmen, es gibt zwar viele Mängel, aber sonst ist die Sache ganz toll und die Mängel lassen Sie einfach nicht gelten und viele Mängel hat Kollege Höhn schon benannt. Kollege Höhn, ich habe mich sehr über Ihren Beitrag gefreut.
Ich muss allerdings sagen, schicken Sie Ihren Beitrag Ihrem Bundeskanzler, denn er hat in einem Gastbeitrag im Handelsblatt vom 26. Oktober in einem vierten Punkt gesagt, die Dienstleistungsrichtlinie schafft für EU-Unternehmen einen Ordnungsrahmen, der ihre Wettbewerbsfähigkeit stärkt und zu mehr Arbeitsplätzen führen soll.
Das ist in Ordnung. Ich sage ja nur, vielleicht lässt er sich von Ihnen belehren, das wäre ja nicht schlecht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen wir uns einmal vor, wir sind im Jahr 2008, die Erfurterin Erna Friese hat die Wahl: entweder sie ist weiter ohne Job
oder sie arbeitet zu tschechischen Bedingungen für einen privaten Pflegedienst vier Monate lang. Denn so lange wird das Pflegeprojekt in Erfurt dauern, das der tschechische Pflegedienst übernommen hat. Für Erna Friese bedeutet die Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag niedrigere Sozialstandards und weit weniger Geld als wenn sie bei einem deutschen Pflegedienst angestellt wäre. Doch deutsche Pflegedienste gibt es kaum noch. Sie haben aufgegeben als Folge einer Dienstleistungsrichtlinie, die 2005 in Kraft trat. Nach und nach ersetzten die ausländischen Pflegedienste die deutschen Anbieter, nach und nach sanken die Einkommen und die Sozialstandards. Meine Damen und Herren, dieses Szenario - und wie Kollege Schröter sagte, Horrorszenario - wird bittere Realität, wenn der uns seit Januar vorliegende Entwurf einer Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt, auch genannt Frankenstein-Direktive, eins zu eins umgesetzt wird. Dieses Abschlusswerk wird, wie von Kollegen Höhn schon charakterisiert, vom Niederländer Frits Bolkestein, dem ehemaligen EUKommissar für den Binnenmarkt, vorgelegt und ist in seinem Kern antieuropäisch und wird überall mehr Europafeindlichkeit hervorrufen, da die Richtlinie nicht zu besseren, sondern überall zu schlechteren Verhältnissen führen wird. So schätzt es nicht nur der IG-Bau-Vorsitzende Klaus Wiesehügel ein.
Diese Richtlinie ist im Zusammenhang mit der bis 2006 angelegten Strategie der Kommission zu sehen, mit der neue Liberalisierungsprojekte angeschoben werden sollen. Es geht, wie bereits gesagt, um die Schaffung eines Binnenmarkts für die Dienstleistungen bis 2010. Als großes und lockendes Motto hat man ausgegeben "Abbau der bürokratischen Hin
dernisse für die Wettbewerbsfähigkeit Europas". Das klingt zunächst gut, im gewissen Sinne auch überzeugend. Niemand hat generell etwas dagegen einzuwenden, dass Dienstleister, Selbständige, Handwerker und Krankenpfleger weniger Formulare ausfüllen müssen und sich weniger mit Ämtern herumschlagen müssen, aber bekanntlich steckt der Teufel im Detail.
Meine Damen und Herren, wenn der Entwurf so gut ist, wie uns suggeriert wird, warum wird dann in der Öffentlichkeit dieses Vorhaben nicht gelobt und gefeiert oder zumindest diskutiert? Was sind die Gründe, weshalb sich bislang nur Insider damit beschäftigten und weshalb drang so wenig davon bislang an die Öffentlichkeit? Da drängt sich doch die Frage auf: Verbirgt sich hinter der Richtlinie vielleicht mehr als Bürokratieabbau? Äußerst merkwürdig ist auch, dass die Masse derjenigen, die von der Richtlinie betroffen sein werden, oft überhaupt keine Kenntnisse von dem Vorhaben besitzen. Warum bemühen sich diejenigen, die sich mit der Thematik auseinander zu setzen haben, zum Beispiel die staatlichen Gremien in Deutschland wie der Deutsche Bundesrat, fast im stillen Kämmerlein zu beraten? Während im Ausland, zum Beispiel in Schweden und Belgien, bereits eine heftige öffentliche Debatte über die Richtlinie entbrannt ist, kann von öffentlicher Debatte in Deutschland nicht ansatzweise die Rede sein. Zwar meldeten sich einige Institutionen mit ihrer Ablehnung zu Wort, wie der Europäische Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst, die Aktionsgemeinschaft wirtschaftlicher Mittelstand, der Deutsche Kulturrat und vereinzelte Handwerkskammern, dennoch bleibt die ganze Problematik aus dem öffentlichen Bewusstsein ausgeblendet, von einer Medienberichterstattung ganz zu schweigen. Doch es gibt nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Pflicht, die Bürgerinnen und Bürger als auch die Kommunen, Verbände und die Wirtschaft über dieses Vorhaben zu informieren. Denn eines lässt sich jetzt schon sagen: Der Entwurf der Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt der EU-Kommission lässt im öffentlichen Dienst und im Sozialsystem keinen Stein auf dem anderen.
Offensichtlich spüren die offiziellen deutschen staatlichen Gremien wie der Deutsche Bundesrat dies sehr wohl. Der Bundesrat hat sich mehrfach mit dem Richtlinienentwurf beschäftigt und am 2. April und am 9. Juli Beschlüsse gefasst. Hinzu kommen noch Empfehlungen der Fachausschüsse, zuletzt vom 13. September dieses Jahres. Auch der Ausschuss der Regionen - Kollege Schröter hat es erwähnt - hat sich am 30. September mit der Thematik beschäftigt und eine Stellungnahme verabschiedet. Bundesrat und der Ausschuss der Regionen begrüßen zwar das
Vorhaben im Grundsatz, sparen aber nicht mit Kritik. In den Bundesratsbeschlüssen wird in 26 Punkten Änderungsbedarf thematisiert. Hinzu kommen weitere 16 Punkte der Empfehlung auf Veränderungen der Fachausschüsse, um die auch Minister Reinholz nicht herum kommt. Als Hauptproblempunkt wird darauf hingewiesen, dass die Regelungen über das Herkunftslandprinzip in Artikeln 16, 19 und 37 von der Regelungskompetenz der Gemeinschaft nach Artikel 47 Abs. 2 i.V.m. Artikel 55 des Vertrags der Europäischen Gemeinschaft nicht gedeckt ist. Darüber hinaus beschränkt der Entwurf die Möglichkeiten der Behörden und führt - ich zitiere - "zu einer weitestgehenden Verdrängung der Vorschriften des Staates, in dem die Dienstleistung erbracht wird, zugunsten der Vorschriften des Herkunftsstaates". Weiterhin verletzt der Vorschlag mit Artikel 5 ff. das sind die Verwaltungsvereinfachungen - und Artikel 9 ff. - das sind die Genehmigungen - Grundzüge der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Ergänzend weist der Bundesrat auf noch nicht abschätzbare Kosten bei der Umsetzung des Vorschlags hin. Das hat Minister Reinholz bereits angesprochen. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt auch der Ausschuss der Regionen. Er stimmt dem Grundsatz zwar zu, fordert aber ebenfalls in 30 Punkten deutliche Nachbesserung. Solche Textstellen wie "weist jedoch darauf hin", "befürchtet deshalb", "fordert deshalb", "gibt ferner zu bedenken", "sieht das Problem" oder "hält es für unerlässlich" kann man wiederholt in der Stellungnahme finden und sie haben einige Punkte davon angesprochen. Es ist schon die Frage zu stellen, wenn in so vielen Aspekten Kritik geäußert und auf viele Änderungsnotwendigkeiten hingewiesen wird, warum man dann den ganzen Richtlinienentwurf nicht zurückweist.
Meine Damen und Herren, wenn man die Wirkungen des Entwurfs in der Realität betrachtet, dann kann es nur um eine Zurückweisung gehen. Denn was zunächst einleuchtend klingt, stellt in der Realität das bisher umfassendste Liberalisierungsvorhaben der EU dar. Sämtliche Dienstleistungen einschließlich großer Bereiche der Daseinsvorsorge sind von dem Entwurf betroffen - und das sind nahezu 70 Prozent, Kollege Schröter. Die Richtlinie greift damit tief in die Kompetenzen der Bundes-, Landes- und kommunalen Ebene ein und verletzt das im EG-Vertrag verankerte Subsidiaritätsprinzip. In ihrer Wirkung trifft die Richtlinie Arbeitnehmer, Unternehmer, Kommunen und gemeinnützige Einrichtungen gleichermaßen. So werden sämtliche Tätigkeiten erfasst, die gegen Entgelt erbracht werden. Damit sind auch all jene öffentlichen Dienste gemeint, für deren Nutzung schon jetzt Gebühren zu entrichten sind wie zum Beispiel Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, für Verkehrsunternehmen, für Wasser/Abwasser, Kindergärten, Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen. Erstmals werden damit auch Zustän
digkeiten für die durch Sozialversicherungen geregelten Gesundheits- und Pflegedienste sowie für den Hörfunk für die Kommission reklamiert.
Besondere Konsequenzen hat vor allem das Herkunftslandprinzip. Danach kann ein EU-Land nicht mehr die Form der Niederlassung eines - wohlgemerkt - auf öffentlichem Sektor tätigen Unternehmens vorschreiben.
Für die Bereiche der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gesundheitspolitik nimmt der Bundesrat unter anderem wie folgt Stellung - ich zitiere: "Der vorliegende Richtlinienvorschlag wirft jedoch in zahlreichen Punkten, wie etwa dem Geltungsbereich und der Reichweite des Herkunftslandprinzips erhebliche Probleme auf." In der gleichen Stellungnahme heißt es dann: "Der Bundesrat lehnt die unterschiedslose Anwendung des von Binnenmarktgesichtspunkten bestimmten Vorschlags auf Tätigkeitsfelder wie zum Beispiel Gesundheits- und Pflegedienst ab. Da es sich im Bereich der Sozial- und Gesundheitspolitik überwiegend nicht um rein marktbezogene Dienstleistungen handelt, in denen sich Dienstleistungserbringer und -verbraucher ebenbürtig gegenüberstehen, sondern um aus öffentlichen Mitteln oder Solidaritätsbeiträgen finanzierte Leistungen der sozialen Daseinsvorsorge, erfordert auch die langfristige Finanzierungsfähigkeit dieser Systeme regulierende Maßnahmen. Der Regelungsinhalt des Richtlinienvorschlags steht dieser Notwendigkeit entgegen, indem er vorrangig auf die Interessen der Dienstleistungserbringer abstellt." Es heißt dann weiter: "Ferner wäre die Folge einer Einführung des Herkunftslandprinzips, dass im jeweiligen Mitgliedstaat gerade in den sensiblen Bereichen des Sozialschutzes und des Gesundheitswesens kein einheitliches Recht gelten würde." Die besonders schutzwürdigen Empfänger sozialer und gesundheitlicher Dienstleistungen sehen sich mit Dienstleistungen aus zahlreichen, höchst unterschiedlichen Rechtssystemen konfrontiert. In Zukunft brauchen sich also Unternehmen weder registrieren zu lassen noch kann ihre Tätigkeit kontrolliert werden. Das wurde hier bereits erwähnt. Die EU-Kommission meint dazu quasi als Beruhigungspille, flankierend gelte das Bestimmungslandprinzip der EU-Entsenderichtlinie weiter. Diese sieht vor, dass die Kernarbeitsnormen des Bestimmungslandes gelten, etwa gleiches Mindestentgelt, gleiche Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten, Arbeitsschutz für entsendende wie einheimische Arbeitnehmer am gleichen Ort - so weit, so gut. Aber in der realen Praxis würde die Situation völlig anders aussehen. Der Bolkestein-Entwurf meint nämlich: Für die Einhaltung dieser Normen sei das Land zuständig, aus dem die Arbeitnehmer kämen. Doch welches Interesse sollte beispielsweise Portugal haben, dass von seinem im Ausland tätigen Dienstleistungsunternehmen in Thüringen geltende Kernar
beitsnormen eingehalten werden? Wie sollte es diese Einhaltung effektiv kontrollieren, da es ja mangels Hoheitsbefugnissen keine Kontrollen außerhalb seines Staatsgebiets vornehmen kann? Mit dem Herkunftslandprinzip würde ein radikaler Wettbewerb der mitgliedstaatlichen Rechtssysteme eingeleitet. In jedem einzelnen Mitgliedstaat würden, wie bereits erwähnt, bis zu 25 verschiedene Unternehmens-, Sozial- und Tarifrechtssysteme neben und miteinander konkurrieren. Im Vorteil wären Dienstleistungserbringer aus jenen Mitgliedstaaten, welche die jeweils niedrigsten Standards in Bezug auf die Kontrolle der Unternehmertätigkeit, die Qualifikationsanforderungen, Qualitätsstandards und Qualitätskontrolle, die Besteuerung und die sozialen Beschäftigungsbedingungen sowie den Umwelt- und Verbraucherschutz ausweisen.
Im Ergebnis würden durch die Richtlinie ungleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU geschaffen, die in einem radikalen Unterbietungs- und Dumpingwettlauf münden. Das kann doch nicht unser Ziel sein, meine Damen und Herren. Bereits jetzt treten in der Praxis unzählige Verstöße gegen das Entsenderecht auf, die zum Beispiel mangels EURegelungen zur Vollstreckung von Bußgeldbescheiden in andere Mitgliedstaaten, mangels flächendeckender Kontrolle etc. nicht verfolgt werden. Die vorgesehene Neuregelung regelt nicht, sondern schafft Lücken. Sie verwandelt damit diesen Bereich in ein Paradies für Lohndumping, für Scheinfirmen, für zwielichtige Personalvermittler und für Sozialabgabehinterzieher. Es ist somit abzusehen, dass sowohl die Arbeitnehmer als auch die seriösen Unternehmen und die Kommunen auf der Strecke bleiben. Dem thüringischen Arbeitnehmer wird durch Dumpingpreise die Arbeit genommen, doch sein ausländischer Kollege ist auch nicht zu beneiden, denn er reist im Grunde genommen zu Spottpreisen europaweit der Arbeit hinterher. Die einheimischen Unternehmen bekommen eine Konkurrenz, der sie vor allem durch mangelnde Kontrollmöglichkeiten und Kapazitäten gar nicht gewachsen sein können. Den Kommunen wird darüber hinaus eine weitere Regelung der Richtlinie schwer zu schaffen machen. Sie
müssen zahlreiche Vorschriften im Dienstleistungssektor überprüfen und gegebenenfalls beseitigen. So droht die Streichung von bestimmten Rechtsformen, festgesetzten Mindestpreisen oder Zulassungsgrenzen. In der Folge könnten dann Vergünstigungen für Gesellschaften ohne Erwerbszweck auf den Prüfstand kommen, was vor allem die Gemeinnützigkeitsprivilegien freier Träger sozialer Dienste beträfe. Die Deregulierung festgesetzter Mindestpreise hebelt darüber hinaus Honorarordnungen und Dumpingverbote aus mit der Folge eines hemmungslosen Konkurrenzwettbewerbs in vielen Gewerben vom Taxiunternehmen bis zur Arztpraxis.
Meine Damen und Herren, die Richtlinie soll nun 2005 beschlossen und dann binnen zwei Jahren umgesetzt werden. Nutzen wir die Zeit und die Chance, uns in die Debatte einzubringen, denn der jetzige Entwurf kann nur unseren Protest und unsere Ablehnung hervorrufen. Beschäftigen wir uns also intensiv mit der Richtlinie, führen wir eine öffentliche Debatte auch mit den Betroffenen, noch ist die Zeit dazu. Kollege Schröter hat ja auch gesagt, dass er noch Vorschläge machen möchte. Die PDS-Fraktion beantragt deshalb die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, an den Haushalts- und Finanzausschuss und federführend an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Danke schön.
Frau Naumann, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass die Dientsleistungsrichtlinie im Binnenmarkt bestehende spezialgesetzliche Regelungen nicht auflösen soll?
Ich habe zur Kenntnis genommen, dass es viele Regelungen geben soll, die die auflösen und die über unsere Regelungen hinausgehen. Das ist das Problem, was ich versucht habe hier darzustellen, aber offensichtlich haben Sie das jetzt von mir nicht verstanden, also wäre es doch wichtig, im Ausschuss noch mal darüber zu reden.
Danke schön. Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Die Landesregierung? Auch nicht mehr. Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden, und zwar an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, den Haushalts- und Finanzausschuss und federführend an den Ausschuss für Justiz, Bundesund Europaangelegenheiten.
Wir stimmen jetzt erst über die Ausschussüberweisung in dieser Reihenfolge ab. Wer dafür ist, dass der Antrag der PDS-Fraktion - Drucksache 4/393 - an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit mehrheitlich abgelehnt.
Wer dafür ist, die Drucksache 4/393 an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Danke. Damit ist das ebenfalls mehrheitlich abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ebenfalls mehrheitlich abgelehnt.
Wir kommen zur Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das ist ebenfalls mit Mehrheit abgelehnt, demzufolge müssen wir auch nicht über die Federführung abstimmen.