Das ist nicht nur ungerecht, das wirkt entsolidarisierend und übrigens auch disziplinierend auf Stammbelegschaften. In der Wissenschaft wird heute schon davon gesprochen, dass es eine „Produktion von Gefügigen“ gibt, nämlich die, die als Leiharbeiter auf dem Sprungbrett stehen, weil sie es vielleicht schaffen wollen, in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis in der Kernbelegschaft zu kommen, und die Mitarbeiter der Kernbelegschaft haben berechtigte Sorge und auch praktische Erfahrung, dass die Leiharbeiter genutzt werden, um Menschen aus der Kernbelegschaft zu entlassen. Das muss man einfach in Rechnung stellen.
Übrigens sind fast 10 Prozent derjenigen, die in Leiharbeit beschäftigt sind, trotz Vollzeitbeschäftigung zusätzlich auch unter denen, die Arbeitslosengeld II beantragen müssen, weil sie in der Leiharbeit so wenig verdienen. Insgesamt ist das in Thüringen eine Größenordnung von 22.000 Menschen in Vollzeit, davon 10 Prozent Leiharbeit. Hinzu kommen noch weitere Nachteile für Leiharbeiter. Sie reichen von einem erhöhten Unfallrisiko durch die mit dem häufigen Einsatzwechsel verbundene geringe Vorbereitung auf den Arbeitsplatz bis hin zu negativen Auswirkungen auf das Familienleben, das wissen wir, und auch auf die sozialen Kontakte innerhalb der Beschäftigten. Sehr problematisch erscheint es der Linksfraktion, dass Leiharbeit immer stärker reguläre Arbeitsplätze ersetzt. Ich glaube, das ist eine falsche Entwicklung. Wir haben ja auch in Praxis zu verzeichnen, dass es die anrüchige Tendenz, wie ich meine, gibt, dass in größeren Unternehmen und Konzernen zielgerichtet unternehmens- und konzerneigene Leiharbeitsfirmen gegründet werden, um dann dort über diesen Weg auf der einen Seite gezielt Beschäftigte zu entlassen und sie über die unternehmenseigenen Leiharbeitsfirmen als Leiharbeiter wieder einzustellen, oft zu deutlich verschlechterten Konditionen zum Teil auf dem gleichen Arbeitsplatz. Ich meine ganz ehrlich, das kann das Ziel nicht sein. Wenn es Ihr Ziel ist oder das Ziel der Wirtschaft ist, dann muss man das ganz klar kritisieren.
Nach der ersten Behandlung des Antrags der SPD im Plenum wurde er an den Wirtschaftsausschuss überwiesen, wir haben das gehört. Das ist ja bei Oppositionsanträgen aufgrund dieser Mehrheitsverhältnisse nicht unbedingt üblich. Der Ausschuss hat sich dann für eine mündliche Anhörung entschieden. Ich glaube, es ist ziemlich wichtiges Material für den weiteren Umgang mit dem Antrag geliefert worden durch diese Anhörung, freilich mit unterschiedlichen Positionen, das liegt in der Natur der Sache. Aber es ist dabei vor allem auch deutlich geworden, dass die erste Forderung, auf die auch Herr Kretschmer insbesondere noch mal abgezielt hat, nämlich Leiharbeit ins Entsendegesetz aufzunehmen, bei den angehörten Fachleuten auf breite Zustimmung stieß. Es haben sich nur zwei Leiharbeitsfirmen dagegen ausgesprochen. Herr Kretschmer, ich verstehe es ehrlich gesagt nicht, warum die CDU hier nicht bereit ist, der Entscheidung des Arbeitsministers im Bund (SPD) auch ein bisschen Rückenwind zu liefern. Das wäre ein gutes Zeichen. Im Übrigen, Sie sagen, durch die Hintertür wollen wir wieder Mindestlohn thematisieren. Selbstverständlich. Sie haben ja auch unseren Antrag auf eine Bundesratsinitiative für einen gesetzlichen Mindestlohn hier in diesem Landtag abgelehnt. Da frage ich mich schon, warum Sie das hier nicht wollen. Es ist also Ihr politisches
Ziel, es nicht zu wollen. Selbst Unternehmer der Leiharbeitsbranche und zwei große Branchenverbände stimmten der Aufnahme ins Entsendegesetz uneingeschränkt zu. Damit ist im Übrigen zumindest indirekt bestätigt worden, dass gesetzliche Mindestlöhne für einen fairen Wettbewerb sorgen und Dumpinglohnkonkurrenz, und auch um die geht es, zurückdrängen. Der mitgliederstärkste Branchenverband - Sie haben auch über die IGZ gesprochen, der sich ja als Interessengemeinschaft vor allem mittelständiger Leiharbeitsfirmen versteht - hat in der Anhörung vehement für die Aufnahme ins Entsendegesetz gesprochen. Das sei zur Herstellung von gleichen Wettbewerbsbedingungen unbedingt geboten. Der Vorstand eines großen regionalen Leiharbeitsunternehmens aus Thüringen äußerte ausdrücklich, dass Stundenlöhne unter 6 € nicht vertretbar und am Markt auch gar nicht notwendig sind. Solche niedrigen Tariflöhne gibt es aber. Ein Leiharbeitsverband, nämlich AMP, hat sie mit sogenannten Christlichen Gewerkschaften vereinbart, die überdies eine ganze Reihe von Haustarifverträgen mit ausgesprochenem Armutslohncharakter abgeschlossen hat. Damit sind auch die Verantwortlichen für besonders niedrige Dumpinglöhne benannt. So viel gehört zur Wahrheit und Ehrlichkeit.
Ich sage Ihnen auch ehrlich, besonders empörend war für mich die Stellungnahme des Vertreters von AMP auf meine Frage, ob er nicht der Meinung sei, dass man von einer Vollzeitstelle auch existenzsichernd leben können muss. Da hat er gesagt, seit wann sind denn Unternehmen unterhaltspflichtig? Vom Arbeitgeber könne man doch nicht verlangen, den Lebensunterhalt der Beschäftigten zu finanzieren. Das war seine zynische Antwort. Da frage ich mich schon, wo sind wir denn hingekommen? Das ist doch die offene Tür für Kombilöhne, für Decklung mit Hartz IV und für die Verantwortung des Staates, wenn es mit der Wirtschaft nicht funktioniert. Die Wirtschaft will in vielen Punkten gar keine existenzsichernden Löhne zahlen!
Das glaube ich aber auch. Dann reden andere an anderen Stellen von den Leistungsträgern der Gesellschaft. Aber wir haben ja schon bei dem Handwerkertag gehört, dass auch …
Ja, das wollen Sie nicht hören, das ist mir schon klar. Aber es wird ja auch beim Handwerkertag gesagt, dass Menschen, die für 6 € arbeiten, durchaus auch zu den Leistungsträgern dieser Gesellschaft gehören.
Wenn ich schon mal zurückkomme: Prof. Schüren, der von der Uni Münster kam, erläuterte in der Anhörung aktuell relevante Umgehungskonstruktionen in der Leiharbeitsbranche, um eben gesetzliche Standards nicht einhalten zu müssen. Herr Kretschmer, da können Sie doch nicht sagen, das ist ein richtiger Weg, das ist alles regulär. Wir wollen das nicht. Seiner Ansicht nach handelt es sich dabei auch um Delikte der Wirtschaftskriminalität, bei denen Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen werden. Auch Prof. Schüren hat namentlich die Christlichen Gewerkschaften kritisiert. Bei den drei anderen Forderungen des Antrags - also der Begrenzung der Verleihdauer auf 12 Monate, eine Erweiterung der Mitbestimmung und bei der generellen Begrenzung des Anteils von Leiharbeitern in Unternehmen - stimmten freilich nur die DGB-Gewerkschaften zu; da gebe ich Ihnen recht. Die Argumente der Kritiker haben uns allerdings nicht überzeugt und unsere Fraktion folgt auch nicht der Empfehlung des Ausschusses. Wir werden dem Antrag der SPD zustimmen. Priorität hat bei uns die Aufnahme in das Entsendegesetz und da gibt es eine ganze Menge - auch Vertreter der CDU, ich will das jetzt nicht alles zitieren -, die sich auch dafür aussprechen.
Ich zitiere gern Karl-Josef Laumann; aber ich kann z.B. auch einmal die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) zitieren in Nordrhein-Westfalen beispielsweise, die die Art ablehnt, wie mit Leiharbeit umgegangen wird. Da will man jetzt über eine Studie klären lassen, ob es überhaupt einen „Klebeeffekt“ gibt, von dem Sie gesprochen haben, dass es 30 Prozent betrifft. In Niedersachsen geht die CDA sogar noch weiter. Dort wird gesagt, die Leiharbeit laufe zunehmend aus dem Ruder und müsse unbedingt umgehend von der Politik durch gesetzliche Rahmenbedingungen begrenzt bzw. geregelt werden. Der Landesvorsitzende Max Matthiesen erläuterte dazu - wenn Sie es hören wollen, zitiere ich das gern: Wenn früher mit Beschäftigten von Zeitarbeitsfirmen Arbeitsspitzen abgefedert wurden, wird heute mit diesem Instrument oftmals Lohndumping betrieben. Das habe negative Spätfolgen für Arbeitnehmer und Betriebe, weil Niedriglöhne die Tarifverträge aushöhlten. Matthiesen spricht von einer „besorgniserregenden Entwicklung“ und davon, dass Leiharbeit nicht zum „Normalfall“ werden darf. Da wäre ich ja schon einmal interessiert, wie das bei der CDA in
Thüringen aussieht. Mich interessiert schon die Auffassung des Landesvorsitzenden Herrn Bergemann, der gerade nicht im Raum ist; das interessiert ihn offensichtlich nicht so sehr.
Abschließend: Wir unterstützen natürlich auch das Fairnessabkommen der IG Metall und wir stehen zu einer gemeinsamen Erklärung anlässlich des 1. Mai von DGB, DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen - unterschrieben von den jeweiligen Vorsitzenden - „Gute Arbeit muss drin sein - Leiharbeit gesetzlich begrenzen“. Ich will hier noch einmal die vier Forderungen zum Abschluss nennen: Wir wollen einen Mindestlohn für die Leiharbeit; wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit in den Entleihbetrieben; wir wollen die Stärkung der Rechte des Betriebsrats im Entleihbetrieb bezüglich der Eingruppierung der Leiharbeiter und wir wollen eine Begrenzung der Leiharbeit hinsichtlich Umfang und Zeitdauer im Betrieb. Ich glaube, irgendwann gelingt es vielleicht auch, dass die Mehrheitsfraktion diese Forderungen hier nicht mehr blockieren kann. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte vorab noch einmal Frau Leukefeld bestätigen. Ich glaube, wir waren in unterschiedlichen Anhörungen im Ausschuss. Das, was Herr Kretschmer hier dargestellt hat, ist nicht das, was auch wir aus der Anhörung mitgenommen haben.
Auf die Bemerkung von Herrn Kretschmer möchte ich bestätigen: Ja, Rot-Grün hat diese Gesetzesänderung damals beschlossen, aber man sollte auch an der Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass das auf Wunsch der Wirtschaft, verbunden mit Zusagen geschehen ist, die dann weitgehend nicht eingehalten worden sind. Weil es nicht eingehalten worden ist, sind wir der Auffassung, dass wir mittlerweile aufgrund der Erfahrungen einen deutlichen Korrekturbedarf in diesem Gesetz haben. Deswegen haben wir auch diesen Antrag gestellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einmal daran erinnern, was die vier Forderungen des Antrags in Kurzform sind:
Erstens ging es um die Aufnahme der Leiharbeit in das Entsendegesetz - öfter gesagt -, und zwar auf der Basis des DGB-Tarifvertrags, das ist wichtig; zweitens um eine Begrenzung der Verleihzeit auf
höchstens ein Jahr; drittens um den Ausbau der Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte in den entleihenden Firmen auf die Zeitarbeitnehmer, nämlich Mitbestimmungsrechte, um diesen Prozess von Leiharbeit im eigenen Betrieb dann auch regeln zu können, und es ging viertens um die Begrenzung des maximalen Anteils von Leiharbeitnehmern in einem Betrieb.
Die CDU-Mehrheitsfraktion hat damals im Oktober 2007 - das haben wir auch hier schon gehört - der Überweisung unseres Antrags und einer folgenden Anhörung im Wirtschaftsausschuss zugestimmt. Deshalb möchte ich die wesentlichen Argumente, die damals von Herrn Kretschmer für die CDU-Fraktion genannt worden sind, noch einmal in Erinnerung rufen. Sie, Herr Kretschmer, betonten damals, dass Sie es schlecht finden würden, wenn Zeitarbeit missbraucht würde, um geltende Tarifverträge auszuhebeln oder Belegschaften auszukehren. Wenn das so wäre, dann könne man ja noch einmal bereden, wie man möglicherweise im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Änderungen herbeiführen müsse, um Missbrauch einzuengen. Und schließlich ging es Ihnen um eine Aufhellung der Situation, um dann möglicherweise mit einer Beschlussempfehlung hier in den Landtag zurückzukommen. Die Beschlussempfehlung liegt vor. Sie ist eine Beschlussempfehlung der CDU-Mehrheit des Ausschusses und sie empfiehlt die Ablehnung des SPD-Antrags. Anders gesagt, die CDU-Mehrheit sieht keinen gesetzlichen Regelungsbedarf im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz; noch klarer gesagt, die CDU will die Arbeitsbedingungen für Zeitarbeitnehmer nicht verbessern.
Nach Meinung der CDU ist in der Branche in Thüringen und auch bundesweit offensichtlich alles in Ordnung. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, verwundert mich angesichts der Ankündigung damals im Plenum und der Ergebnisse der Anhörung doch sehr. Diese Beschlussempfehlung hat nun mit der Anhörung im Wirtschaftsausschuss nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun, ganz im Gegenteil. Ich will das auch noch einmal deutlich machen. Der weitaus größte Teil der Angehörten hat sowohl Missbrauch beklagt, als auch Handlungsbedarf benannt. Lassen Sie mich stichwortartig nur einige Beispiele aufzählen. Die Adecco Personaldienstleistungen GmbH hält einen Mindestlohn auf der Basis des DGB zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrung für erforderlich. Das Unternehmen beklagt, dass Ausgründungen von Unternehmen und Verlagerungen an Zeitarbeitsfirmen zum Teil an eigens gegründete Zeitarbeitsfirmen eine missbräuchliche Nutzung der jetzigen Rechtslage wäre. Der Bundesverband Zeitarbeit plädiert für die Aufnahme in das Arbeitnehmerentsendegesetz auf der Grundlage des mit dem
DGB abgeschlossenen Tarifvertrags. Der Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen betont die Notwendigkeit der Aufnahme in das Arbeitnehmerentsendegesetz auf der Basis des DGB-Tarifvertrags. Er berichtet über schwarze Schafe in der Branche mit Stundenlöhnen um die 3 € und den Missbrauch der Rechtslage durch spezifische Haustarifverträge. Der Interessenverband bestätigt auch Vollzugsdefizite bei der Mitbestimmung, die auf der Seite der Verleihunternehmen insbesondere wegen der Anonymität der Zeitarbeitnehmer schwierig zu realisieren wäre. Ein Selbstverständnis der Arbeitnehmer im Sinne einer gemeinsamen Belegschaft sei aufgrund der vielfältigen Einsatzstellen selten gegeben.
Manpower GmbH befürwortet ebenfalls die Aufnahme in das Arbeitnehmerentsendegesetz und kritisiert Ausgründungen. Randstad verweist auf die Position des Bundesverbandes Zeitarbeit und befürwortet die Aufnahme in das Arbeitnehmerentsendegesetz auf der Basis des DGB-Tarifvertrags. Der Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister ANP schließlich gesteht den Wettbewerbsvorteil des mit dem Christlichen Gewerkschaftsbund geschlossenen Tarifvertrags ein und er verteidigt die Lohnhöhe von 5,77 € pro Stunde als marktgerecht und dann auch noch mit der Begründung, die Frau Leukefeld jetzt noch hier dargestellt hat. Die Gesellschaft für Arbeitnehmerüberlassung Thüringen, die GeAT, betont hingegen, dass Löhne unter 6 € unvertretbar sind. Damit bleibt als einziger anzuhörender Branchenvertreter der ANP, der einen Lohn unterhalb des DGB-Tarifvertrags für gerechtfertigt hält.
Noch deutlicher wurden die DGB-Gewerkschaften. Sie beschreiben in der Anhörung mehrere Beispiele von gravierendem Missbrauch. Im Bereich der IG Metall beschäftigt z.B. ein Thüringer Unternehmen 42 Prozent Leiharbeitnehmer, zum Teil über 4 bis 5 Jahre im gleichen Bereich, ein anderes Unternehmen gar 67 Prozent. Die Lohndiskrepanz bei Helfertätigkeit liegt zwischen 6,42 € für die Zeitarbeitnehmer und 13,55 € für Arbeitnehmer im geltenden IG Metall Tarifvertrag. Die Gewerkschaften berichten weiter, dass viele Leiharbeitnehmer zwar eine Entlohnung als Helfer erhalten, aber eingesetzt werden wie Facharbeiter. Ver.di berichtet anhand eines konkreten Beispiels eines Logistikunternehmens, wie bestehende Arbeitsplätze ausgegründet werden auf ein eigens gegründetes Zeitarbeitsunternehmen.
gration zuvor Arbeitsloser, da geht es um Konkurrenzvorteile und Lohndumping. So einfach und so eindeutig ist das. Prof. Dr. Schüren - Frau Leukelfeld hat auch schon auf ihn hingewiesen - von der Universität Münster wiederum stellte eindrucksvoll dar, wie immer wieder unter Zuhilfenahme von Pseudogewerkschaftsmitgliedschaften Haustarifverträge selbst weit unterhalb des CGB-Tarifvertrags in der Branche auftauchen. Im Ergebnis also sehen in unterschiedlicher Art und Weise, bis auf den AMP und den Christlichen Gewerkschaftsbund, alle Anzuhörenden Handlungsbedarf, einerseits um offenkundig praktizierten Missbrauch in Zukunft zu verhindern und andererseits um für vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Das war zusammengefasst das Ergebnis der Anhörung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns nun vor Augen führen, dass in Thüringen fast 75 Prozent des Beschäftigungszuwachses bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten seit 2005 von Leiharbeit bestimmt ist, wenn wir uns vor Augen führen, dass Thüringen mit einem Anteil von 3,7 Prozent Leiharbeitnehmern bundesweit an der Spitze liegt und dass davon rund 27.000 Menschen in Thüringen betroffen sind, wenn wir uns das und das Ergebnis der Anhörung vor Augen führen, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Position der CDU-Mehrheiten im Ausschuss nicht zu verstehen. In der Debatte hat die CDU - wie heute auch Herr Kretschmar - auf das Fairnessabkommen der IG Metall mit Unternehmen der Zeitarbeitsbranche hingewiesen und so versucht zu begründen, dass offensichtlich vonseiten der Gewerkschaften kein akuter Handlungsbedarf gesehen wird bzw. dort alles geregelt werden kann. Sie wissen, dass das falsch ist. Das Fairnessabkommen ist ein Verzweiflungsakt, um wegen des möglichen und praktizierten Missbrauchs schlimmeres zu verhindern, nicht mehr und nicht weniger. Aus meiner Sicht ist es für einen Rechtsstaat bedenklich, weil es um nichts anderes geht als um das unternehmerische Versprechen, sich wenigstens an geltende Gesetze zu halten. Übertragen Sie das bitte mal auf den Alltag. Wo kämen wir denn hin, wenn wir für geltende Gesetze individuell ergänzende Vereinbarungen benötigen würden, damit sich die Menschen daran halten? Das stelle ich mir besonders interessant im Straßenverkehr vor. Selbst diese Vereinbarung kann die IG Metall nur dort umsetzen, wo es starke Betriebsräte in den Leihunternehmen gibt. Das Abkommen ist also nichts anderes als der Versuch, den offenkundig massiven Gesetzesmissbrauch mit gewerkschaftlichen Mitteln so weit wie möglich einzudämmen. Anders gesagt: Es ist ein Hilferuf nach klaren gesetzlichen Regelungen. Eigentlich ist dieser Hilferuf innerhalb eines Rechtsstaats makaber. Er unterstreicht die von Prof. Schüren beschriebene Gefahr, dass dauerhaft ausgeübtes Unrecht irgendwann zur Normalität wird. Dieses
Unrecht, meine Damen und Herren, haben wir im Ausschuss sämtlich drastisch vor Augen geführt bekommen. Ja, es gibt die schwarzen Schafe und sie nutzen jede legale oder halblegale Möglichkeit, jede Lücke. Sie schaden damit der Branche, vor allen Dingen aber Tausenden von Arbeitnehmern, nicht nur bei den Verleihfirmen, sondern bei all denjenigen, die sich vor solchem Dumping fürchten müssen. Die CDU-Mehrheit in diesem Landtag will den Missbrauch der Leiharbeit nicht eindämmen. Sie setzt damit weiter auf ihre Niedriglohnideologie und den Abbau von Arbeitnehmerrechten. Sie setzt darauf, obwohl dies eine wesentliche Ursache für die unveränderte Fachkräfteabwanderung und den bereits absehbaren Fachkräftemangel ist und das, obwohl es wesentliche Ursachen dafür sind, dass Tausende von Thüringern von ihrem Lohn trotz voller Erwerbstätigkeit nicht leben können. Diese Haltung verträgt sich nicht mit Ihren sonstigen Forderungen nach einer sozialen Marktwirtschaft. Soziale Marktwirtschaft braucht faire Regeln und faire Wettbewerbsbedingungen. Dies alles konterkarieren Sie mit Ihrer Auffassung. Sie wollen mit der Ablehnung dieses Antrags ebenso wie mit Ihrem Widerstand gegenüber dem Mindestlohn nichts anderes als eine gnadenlose Marktwirtschaft. Ihre eigene Ankündigung in der Oktobersitzung hat sich als leere Worthülse erwiesen. Offensichtlich ging es Ihnen nie darum, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz von Missbrauch zu befreien und im Interesse der Arbeitnehmer und der Branche zu novellieren. Ich weiß nicht, was wir im Wirtschaftsausschuss noch hätten hören müssen, um die Einsicht der CDU zu wecken. Dieser Beschlussvorschlag ist aus unserer Sicht ein Schlag in das Gesicht der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften und er richtet sich gegen die Unternehmen, die das Schmuddelimage der Branche satthaben und Leiharbeit zu fairen Bedingungen anbieten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bin ja förmlich eingeladen worden von Herrn Kollegen Pilger, noch mal hier das Wort zu nehmen für meine Fraktion. Ich weise, Herr Pilger, zurück, dass das, was ich bei der Einbringung Ihres Antrags für die Fraktion vortragen durfte, eine leere Worthülse ist. Ganz im Gegenteil, ich habe bewusst meine Darstellung vorhin im Grunde genommen aus den Anhörungen heraus zusammengestellt. Dass man unterschiedliche Sicht auf das Ergebnis der Anhörung
haben kann, das gestehe ich Ihnen ja zu, aber ich habe mit meinen Ausführungen deutlich machen wollen, indem ich aus den Anhörungen die entsprechenden Passagen herausgenommen habe, dass der Standpunkt, den wir hier in dieser Frage äußern, durch die Anhörung gedeckt ist. Ich will mal deutlich machen, worum es eigentlich geht. Auch Frau Kollegin Leukefeld stellt hier ein Bild dar, als ob die Welt kurz vor dem Untergang steht. Es geht um 1,5 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse; das ist die Größenordnung, über die wir erst mal reden - 1,5 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse, meine Damen und Herren.
Ich kann das auch in absoluten Zahlen sagen: 700.000 Beschäftigte in ganz Deutschland. Das ist eine leichte Rechenübung, die ich hier bringen kann.
Dann bezieht sich Frau Leukefeld auf die Wissenschaft. Also wissen Sie, Frau Kollegin, es war ein Professor da und dieser Professor ist in seiner Meinungsäußerung etwas ambivalent. Ich habe auch noch Dinge von ihm, die waren erst von einer anderen Seite dargestellt worden. Aber wenn wir uns auf die Wissenschaft beziehen, dann will ich Ihnen mal einige Institute nennen, damit wir dann auch in Name und Hausnummer gehen. Ich hatte ja in der Sitzung schon die Zeitschrift der Hans-Böckler-Stiftung gezeigt, die sich auf das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bezieht, die deutlich sagt, gesicherte Rückschlüsse auf einen volkswirtschaftlichen Verdrängungseffekt sind nicht nachweisbar, meine Damen und Herren. Ich kann zitieren und möchte das auch gern tun vom Institut der Wirtschaft in Halle (IWH), die da sagen: „Unterstellt man“ - jetzt kommen wir natürlich hin -, „dass die tarifvertraglichen Regelungen auch eingehalten werden, dann sprechen die Entgeltregelungen nicht dafür, dass Leiharbeit als preislich besonders günstig anzusehen ist.“ Oder direkter formuliert schreiben die Kollegen aus Halle: „Die Regelungen in den Tarifverträgen lassen nicht den Schluss zu, dass Leiharbeit zu Lohndumping eingesetzt wird bzw. werden kann.“ Meine Damen und Herren, das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung belegt diese Zahlen und diese Argumente gleich noch, indem es sagt: „30 Prozent der Firmen nehmen Entleihsätze, die bis zu 10 Prozent niedriger liegen als die Kosten einer Festeinstellung. Aber 30 Prozent
nehmen Entleihsätze, die oberhalb der Einstellungskosten liegen.“ Also das heißt doch, dieses Kostenargument greift überhaupt nicht. Es ist wie im normalen Leben, dass Sie eine Spreizung der Löhne haben und damit überhaupt von Lohndumping grundsätzlich gar nicht reden können. Natürlich haben Sie recht, dass es schwarze Schafe gibt und dass diese schwarzen Schafe auch benannt werden sollen und dass die Branche auch versucht, die schwarzen Schafe zu eliminieren. Mein Gott, wir haben hier auch im Landtag schwarze Schafe, sogar unwürdige Abgeordnete, die sich hinstellen und große Reden halten. Das werden Sie mit Ihren frommen Wünschen auch nicht ändern können, wenn ich das mal so deutlich sagen darf.