Es gäbe noch die Variante der nächsten fünf Minuten. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Primas, CDUFraktion.
Meine sehr verehrten Damen und Herren - das ist nur zu Beginn ein Spaß -, „Die Auswirkungen des Kampfes um faire Preise für Milchbauern und die Belastung für die Verbraucher in Thüringen“ - der Titel ist, mein lieber Mann!
Ich hätte heute eine bessere Formulierung erwartet, denn die eben genannte klingt wie Kampf an der Erntefront oder die Theorie der gerechten und ungerechten Kriege. Aber den Titel müssen Sie verantworten von der LINKEN und nicht wir.
Dennoch zeigen die Bauernproteste deutlich, dass die Milchbauern vor existenziellen Schwierigkeiten stehen und deshalb ist es auch angemessen, wenn sich der Landtag mit dem Problem befasst. Nur wenn der Chefideologe, Herr Ramelow, sich jetzt zum Milchexperten aufschwingt, habe ich den Verdacht, dass diese Protestbewegung wieder in bekannter populistischer Manier für ihre Interessen instrumentalisiert wird.
Schuldzuweisungen, Minister Dr. Sklenar habe sich nicht genügend eingebracht, sind genauso abwegig wie der Vorschlag, Auszahlungspreise auf der Milchverpackung abzudrucken. Dass es zu solchen dramatischen Handlungen der Milcherzeuger gekommen ist, zeigt, wie verzweifelt die Lage ist. Inzwischen dürfte über die Medien jeder Bürger wissen - auch Sie vielleicht -, dass von dem derzeitigen Auszahlungspreis von 35 ct/kg kein Bauer leben kann. Das halten die Betriebe nicht durch und das führt zur Nachbereinigung. Der Einzige, der das für überzogen hält, ist Herr Dr. Augsten; er hält 30 Cent für ausreichend für seine Biobauern und meint, wenn die konventionell Erzeugenden mehr als 30 Cent haben wollen, sollten sie lieber aufhören. Also wer die Biobauern und konventionell erzeugenden Bauern jetzt gegeneinander hetzt, der hat überhaupt die Situation verkannt. Er muss sich überlegen, Dr. Augsten, ob er Geschäftsführer von Ökoherz ist oder ob er der Chefwahlkämpfer der Grünen ist - eines geht nur.
Wir können uns aber hier in Thüringen keine weitere Reduzierung der Milchviehhaltung leisten. Der Bestand ist schon unter 0,5 Großvieheinheiten - das weiß jeder. Das Dilemma ist, Milch ist seit Jahren in der Regel ein Verlustgeschäft, das über die Ausgleichszahlung abgesichert wird. Jetzt haben wir die Quotenerhöhung um 2 Prozent, meine Damen
und Herren, Sie wissen es, die ist noch gar nicht in Kraft, die ist erst angekündigt. Trotzdem wirkt es so dramatisch, dass es zum Boykott der Milchwerke führt, aber das Problem ist halt ganz schwierig, denn die meisten Molkereien, Frau Becker, sind in der Hand der Bauern, das ist ein Genossenschaftsmodell. Wenn sie sich selber boykottieren, was soll dabei herauskommen. Eigentlich ist die Richtung eine andere, nämlich der Einzelhandel. Da liegt eigentlich das Kernproblem. Auf diesem Weg sind wir jetzt, und es zeigt sich auch, dass die Proteste tatsächlich auch Wirkung zeigen. Es ist schon gesagt worden, Gott sei Dank, heute auch in Berlin der Durchbruch. Ich denke mal, bei allen großen Handelsunternehmen wird es eine durchschnittliche Erhöhung von 10 Cent pro Liter werden. Ich hoffe, dass das ausnahmslos auch durchgereicht wird an die Bauern. Wir können wirklich nicht ertragen, wenn jetzt auch die Handelsketten die Gewinner noch bei dieser Geschichte sind und den Profit dabei machen. Das wäre unverschämt. Das muss man auch mal deutlich sagen. Das erwarten wir auch von der Politik und jetzt vom Handel, dass sie nicht nur reden, sondern das auch machen. Der zweite Aspekt des Antrags der Linkspartei lässt vermuten, dass Sie eine neue Sau durchs Dorf treiben wollen. Sie drücken uns eine Armutsdiskussion auf, dass arme Menschen in Deutschland nicht mehr satt werden. Ich sage, das ist absurd. In Deutschland sind und bleiben Nahrungsmittel im Verhältnis zur Einkommenslage preisgünstig. Als Fazit steht, dass die Bauern in ihrem Streben nach betriebswirtschaftlich notwendigen Preisen unterstützt werden und dass der Handel dies schnellstmöglich erkennt, damit wieder geordnete Lieferung und Milchverarbeitung erfolgt. Zuständig dafür sind aber die Marktpartner.
Meine Damen und Herren, die Politik ist verantwortlich für die politischen Rahmenbedingungen, insbesondere über gemeinsame Agrarpolitik in der EU. Hier besteht ein erhebliches Betätigungsfeld. Wir werden diese Debatte aber, denke ich, im Tagesordnungspunkt 17 haben und auch führen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben das Thema Kampf der Bauern für faire Milchpreise heute als Aktuelle Stunde aufgerufen, weil es viele Menschen berührt, dass die Bauern so drastische Maßnahmen wie Lieferstopp und Blockaden von Molkereien ergriffen haben, um auf ihre Lage
aufmerksam zu machen und die Milchindustrie und den Handel dazu zu bewegen, auf ihre Forderungen einzugehen. DIE LINKE steht solidarisch an der Seite der milcherzeugenden Betriebe und es haben auch einige LINKE mitgemacht, Herr Primas.
Inzwischen sind die Blockaden wieder aufgehoben, der Lieferstopp wird gerade beendet und die Preisverhandlungen gehen ja auch weiter, auch wenn jetzt schon erste Einzelhandelskonzerne einlenken und höhere Preise zahlen wollen. Kurz noch mal: Um was geht es eigentlich bei diesem Preiskampf? Die milcherzeugenden Betriebe haben seit Jahren zu niedrige Erlöse aus der Milchproduktion realisiert. Die Preiserhöhungen, die letzten Herbst auch für die Landwirte erzielt werden konnten, waren nicht nachhaltig und sind dieses Jahr wieder gefallen, im Monat April besonders drastisch. Vor dem Hintergrund, dass die Betriebsmittelpreise unaufhörlich steigen und dass die Einkommen in der Landwirtschaft zu den niedrigsten auch in Thüringen gehören, sind drastische Maßnahmen der Bauern zu verstehen und zu unterstützen.
An diesem Preiskampf zwischen den Milcherzeugern auf der einen Seite und der Milchindustrie und dem Handel auf der anderen Seite wird jedoch ein größerer Zusammenhang deutlich. Der freie Markt und die Marktwirtschaft enthalten als ureigenstes Merkmal, dass Preise ausgehandelt werden müssen. Mehr Markt und die Abschaffung der Milchquote ohne die Einführung von regulierenden Rahmenbedingungen werden nicht zu fairen Preisen führen, im Gegenteil.
Es ist das Kennzeichen der kapitalistischen Wirtschaftsweise, der Marktwirtschaft, dass Fairness nicht beachtet wird und dass der Wettbewerb dazu führt, dass einer des anderen Wolf ist. Das bedeutet, dass einige gewinnen und andere verlieren. Weil niemand gern verliert, führt das dann dazu, dass die Wettbewerbskämpfe mit härtesten Mitteln geführt werden, dass zum Beispiel Nahrungsmittel vernichtet werden, entweder im direkten Preiskampf, wie gegenwärtig zu beobachten war, oder zur Preisstützung auf dem Weltmarkt, wie das jeder, der in den westlichen Industriestaaten aufgewachsen ist, seit Jahrzehnten kennt. Nahrungsmittel werden vernichtet, obwohl Millionen von Menschen weltweit unterernährt sind oder sogar akut hungern. Oder Nahrungsmittel werden zu Dumpingpreisen auf den Markt geschmissen, um Wettbewerber auszuschal
ten, was wiederum auf Kontinenten wie z.B. Afrika zu Hunger führt. Leider wird dieser Zusammenhang zwischen Weltwirtschaftssystem und Hunger, zwischen Weltwirtschaftssystem und tödlichem Wettbewerb gerade auch in der Bauernschaft bei uns nur allzu oft vergessen. Preiskämpfe, wie wir sie gerade erlebt haben, sind eine Gelegenheit, dass sich alle wieder einmal bewusst machen, dass die neoliberale Wirtschaftsstrategie und der neoliberale Zeitgeist das genaue Gegenteil von fairen Erzeugerpreisen und einer gerechten Verteilung bedeutet.
Aber gerade, weil das so ist, bleibt den Bäuerinnen und Bauern nichts anderes übrig, als solidarisch für faire Preise zu kämpfen. Die Fraktion DIE LINKE wünscht ihnen dabei viel Erfolg, denn eines sollte man bei diesem Thema auch dazusagen, die erfreulichen Milchpreiserhöhungen für die Erzeuger im letzten Herbst wurden doppelt und dreifach an die Verbraucher durchgereicht. Obwohl es auch Möglichkeiten der Intervention der Politik gäbe, sind regulierende Maßnahmen nur schwer durchzusetzen bei unserer herrschenden Philosophie. Ich erinnere nur mal an die Buchpreisbindung und wie die immer angegriffen wurde.
Wenn man sich die Umfragen unter Verbrauchern anschaut, dann wird deutlich, dass die überwiegende Mehrheit Verständnis für die Forderungen der Milchbauern hat und dass auch Bereitschaft besteht, höhere Preise zu zahlen. Und die Mehrheit kann das auch. Aber, Herr Primas - und das können Sie leugnen, wie Sie wollen -, wir haben auch eine wachsende Anzahl der Bevölkerung, die sich das nicht leisten kann. Dass jedes vierte Kind in Thüringen in Armut lebt
Herr Ministerpräsident Althaus so eine Politik, dass dann so etwas möglich wird, dass jedes vierte Kind in Armut lebt, auch immer wieder vehement durchsetzt. Da ist die Regierung gefragt, etwas dagegen zu unternehmen, zum Beispiel unsere Forderung zu erfüllen nach kostenlosem Mittagessen in Kitas
Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht mehr vor. Das Wort hat Minister Dr. Sklenar.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, erst einmal herzlichen Dank für die Aktuelle Stunde, ich hätte mir nur ein anderes Thema gewünscht.
Das Thema sage ich euch, was ich seit zehn Jahren von hier aus predige: Wie kommen wir zu fairen Preisen für unsere Landwirte? Was können wir tun? Was wollen wir oder wie müssen wir die Weichen stellen? Wie müssen wir uns dafür einsetzen? Dass das jetzt eskaliert ist bei der Milch, ist für mich eigentlich eine logische Folge von dem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben. Aber wenn man sich erinnert, vor zwei Jahren waren die Getreidepreise am Boden.
(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Da haben sich die Bauern gekloppt mit der Polizei.)
Da hat keiner aufgeschrien, auch die Bauern nicht. Sie haben gesagt, wir kommen wieder heraus aus dem Tal.
Das Nächste war das Schweinefleisch. Der Schweinefleischpreis steigt langsam wieder, wir sind wieder bei über 1,60 € und können froh sein, dass das auch noch ein bisschen weiter klettert auf 1,70 €, so dass wir auch hier wieder klarkommen. Nur bei der Milch war das Fass jetzt voll. Das Fass war zum überlaufen. Ich sage das ganz offen und ehrlich, ich bin dafür, dass wir ordentliche Preise für unsere Nah
rungsmittel haben und dass die Gelder dann auch durchgereicht werden bis runter zum Landwirt und dass die nicht irgendwo hängen bleiben.
Dieses Problem haben wir immer wieder - immer und immer wieder. Nun können wir machen, sagen und erzählen, was wir wollen, mit 35 Cent pro Liter Milch kann kein Bauer leben, kann er seine Familie nicht ernähren, kann er noch nicht mal investieren oder an die Zukunft denken, wie es weitergehen soll. Hier müssen Veränderungen herbeigeschafft werden, zumal - auch das wird immer wieder vergessen und nicht gesagt - auf der anderen Seite die Produktionskosten und somit die Schere immer weiter auseinandergeht. Die Kosten für Düngemittel, die Kosten für Energie, die Kosten für Treibstoffe werden von Jahr zu Jahr höher, aber wehe der Landwirt erlaubt sich mal, ein paar Cent mehr für seine Produkte zu verlangen. Der Wert der Nahrungsmittel ist viel höher, als er sich im Preis ausdrückt. Das ist das, was ich schon 10 Jahre predige, aber bisher haben alle gesagt, lasst den doch reden, was der nur erzählt, Hauptsache wir können überall billig einkaufen. So geht das auf die Dauer nicht mehr. Frau Becker hat es gesagt, 10 Prozent des Einkommens werden für Nahrungsmittel ausgegeben, 10 Prozent, das muss man sich mal überlegen. Wir geben aber über 13 Prozent für unsere Autos aus. Das macht uns gar nichts aus, darüber regt sich keiner auf, dass die Preise für Autos von Jahr zu Jahr steigen und die Beiträge immens steigen. Komisch ist das. Nur wenn der Landwirt seine berechtigte Forderung versucht umzusetzen, gibt es Ärger. Dass Sie jetzt alle dafür sind, dass die Landwirte mehr Geld bekommen, verwundert mich nicht. Ich warte nur auf den Moment, wenn sich das wieder alles gedreht hat und die Preise für Milch und Milchprodukte wieder teuer werden, wie dann wieder geschimpft wird. Wenn ich dann lese, wir sind ja eine Gesellschaft, die mit den Nahrungsmitteln gar nicht mehr gut umgehen kann, wir kaufen ja viel zu viel und schmeißen auch viel zu viel weg, da ist es doch nicht weiter schlimm, wenn die Bauern mal ein bisschen Milch weggießen, Entschuldigung, dafür habe ich kein Verständnis mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ist es nun zu dieser Entwicklung gekommen? Wir wissen, dass wir Quoten haben, wir wissen, dass die Quoten eigentlich von den Landwirten eingehalten werden sollten. Wer darüber hinaus liefert, bekommt eine Superabgabe und die hat sich gewaschen. Wir haben in Thüringen in den letzten Jahren unsere Milchquote nie ausgeschöpft. Dafür sind die Landwirte teilweise gescholten worden, warum schöpft ihr die Milch nicht aus, warum liegt ihr nur bei 97/98 Prozent? Die Landwirte haben schon von sich aus selber gesehen, dass die Milch nur in dem Rahmen
absetzbar ist, wie sie in der Quote produziert werden kann. Wenn ich aber - und schaut euch mal die Länder alle an und schaut euch mal die Erträge an, die die Landwirte dort produziert haben und die Mengen - haushoch darüber gehe, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn dann plötzlich sehr viel Milch auf dem Markt ist und die Milch auch europaweit nicht mehr abzusetzen ist und darüber hinaus leider - leider muss ich sagen - auch nicht genommen wird, um in der Welt die 850 Mio. Menschen, die Hunger leiden, damit zu versorgen. Das muss man sich auch einmal bei diesen Sachen überlegen. Das ist das eine. Die andere Seite ist, dass die Nachfrage in Deutschland nach Milcherzeugnissen in den Privathaushalten in den letzten Monaten und Wochen rückgängig ist, so dass der Absatz an Milchprodukten nicht mehr gewährleistet war, dass die Nachfrage auf dem Weltmarkt sich abgeschwächt hat, dass das Euro-Dollar-Verhältnis eine Rolle spielt und dass natürlich auch die Preisgestaltung in Deutschland mit den Discountern und zwischen den einzelnen Molkereien ja so verrückt ist, wie es wahrscheinlich nur einmalig auf der Welt ist, wie hier die Preise abgestimmt und auf vier Jahre festgelegt werden. Und keiner hat die Möglichkeit in dieser Zeit, da herauszukommen. Hier muss sich etwas ändern. Wir haben in den letzten Tagen mehrfach zusammengesessen und uns darüber verständigt, wie wir zu fairen Preisen kommen und welche Auswirkungen vor allen Dingen das auch für die Landwirte hat und für die gesamte Gesellschaft. Fakt ist eines, und dafür bin ich auch, der Milchpreis muss wieder hoch. Wir brauchen 40 bis 43 Cent, das ist notwendig, das ist richtig. Diese Forderung wird unterstützt, die habe ich eigentlich immer schon vertreten.