Protocol of the Session on May 8, 2008

Die Stadt Bad Langensalza versucht mithilfe eines Ventilwächters, Gebühren- oder Steuerschulden einzutreiben. Dieses Gerät wird auf die Ventile der Autoreifen montiert. Beim losfahren zieht das Gerät die Ventile aus den Reifen und die Luft entweicht.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung den Einsatz dieser Ventilwächter und was sind die rechtlichen Grundlagen für deren Einsatz?

2. Wie beurteilt die Landesregierung die Rechtslage, wenn es infolge des Einsatzes dieses Gerätes zu einem Unfall mit Personen- bzw. Sachschäden kommt?

3. Wie beurteilt die Landesregierung die Rechtslage, wenn es infolge des Einsatzes dieses Gerätes zu Schäden am Fahrzeug des Betroffenen kommt?

4. Stellt der Einsatz von Ventilwächtern aus Sicht der Landesregierung nicht einen unzulässigen, weil gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr dar, der die Verkehrssicherheit massiv gefährdet, und wie begründet die Landesregierung ihre Bewertung?

Es antwortet Staatssekretär Hütte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, im Namen der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Lemke wie folgt:

Zunächst eine kurze Vorbemerkung: Die Anfrage befasst sich mit der rechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes sogenannter Ventilwächter. Dass es so etwas gibt und was das ist, wusste ich bis vorgestern - ehrlich gesagt - auch noch nicht, aber man lernt.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Diese werden bei der Sachpfändung von Automobilen und Motorrädern als technisches Hilfsmittel zur Sicherung der Pfändung eingesetzt. Wie sie funktionieren, ist in der Anfrage schon beschrieben. Die Ventilwächter haben damit eine ähnliche Funktion wie Parkkrallen, sind aber wesentlich leichter zu

handhaben.

Zu Frage 1: Eine spezielle Regelung zum Einsatz von Ventilwächtern existiert nicht. Generell gelten nach § 38 Abs. 1 des Thüringer Verwaltungszustellungs- und -vollstreckungsgesetzes die Bestimmungen der Abgabenordnung bei der Durchführung von Pfändungen. Danach erfolgt die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen durch Pfändung, und die Vollstreckungsbehörde entscheidet in eigener Zuständigkeit, wie die Pfändung gesichert wird. Dabei ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, also ob das technische Mittel geeignet, erforderlich und angemessen ist. Beim Einsatz von Ventilwächtern sind überdies neben den Pfandsiegeln auch Warnplaketten jeweils an den Außenseiten der Fahrer- und Beifahrerseite anzukleben. Sie lassen sich nicht oder nur mit großem Aufwand beseitigen. Allerdings bleibt die Gefahr, dass ein Fahrzeugführer - ungeachtet dieser Warnhinweise - gleichwohl versucht, das Fahrzeug zu entfernen, wodurch sich im Einzelfall kritische Situationen entwickeln können. Vor diesem Hintergrund hat sich der Bund-LänderFachausschuss Straßenverkehrsordnung, ein beratendes Gremium beim Bundesverkehrsministerium, mit dem Einsatz von Ventilwächtern beschäftigt. Im Ergebnis hält der Fachausschuss die Verwendung von Ventilwächtern für nicht sachgerecht, weil jedenfalls nicht völlig auszuschließen ist, dass sie potenziell die Verkehrssicherheit gefährden. Der Ausschuss hat eine entsprechende Empfehlung an die Länderfinanzministerien abgegeben, aufgrund dessen hat die Finanzverwaltung in Thüringen bislang auf den Einsatz von Ventilwächtern verzichtet.

Zu Fragen 2 und 3 gemeinsame Antwort: Die Beurteilung der haftungsrechtlichen Fragen ist abhängig vom konkreten Einzelfall und obliegt letztlich den Gerichten. Sie kann nicht abstrakt und generell beantwortet werden.

Zu Frage 4: Nach § 315 b des Strafgesetzbuchs unternimmt einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, wer Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt, Hindernisse bereitet oder einen ähnlichen ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Das Anbringen von Ventilwächtern erfüllt bei Beachtung der eben genannten Hinweis- und Sorgfaltspflichten nicht den Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Der Fahrzeugführer wird durch die Warnaufkleber hinreichend vor den Folgen der Inbetriebnahme seines Fahrzeugs gewarnt. Setzt er es trotzdem in Betrieb, kann allenfalls sein Verhalten den Tatbestand eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr im Einzelfall erfüllen. Vielen Dank.

Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Danke schön. Damit rufe ich die nächste Mündliche Anfrage auf, Abgeordneter Dr. Hahnemann, Fraktion DIE LINKE, in Drucksache 4/4054.

Arbeitszeitverordnung der Feuerwehr

Aufgrund der unmittelbaren Geltung der Richtlinie 2003/88/EG muss auch der Freistaat Thüringen die Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten bei den Feuerwehren und in den Leitstellen überarbeiten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wann ist mit einer neuen Verordnung zu rechnen?

2. Welche substanziellen Regelungen wird die neue Verordnung umfassen?

3. Gibt es bei der Erarbeitung der Verordnung, z.B. in der Arbeitsgruppe Berufsfeuerwehren im Innenministerium unterschiedliche Auffassungen und wenn ja, welche?

4. Inwieweit kann die entsprechende Verordnung aus Brandenburg als Vorbild dienen?

Auch diese Anfrage beantwortet Staatssekretär Hütte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hahnemann beantworte ich für die Landesregierung wie folgt.

Zu Frage 1: Die Landesregierung hat einen ersten Arbeitsentwurf einer Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des Feuerwehrtechnischen Dienstes der Gemeinden im Freistaat Thüringen erstellt. Es ist beabsichtigt, diese Verordnung im Laufe dieses Jahres in Kraft zu setzen. Der Erlass der Rechtsverordnung wurde bislang zurückgestellt, da auf EUEbene in den vergangenen Jahren noch verschiedene Änderungsanträge behandelt wurden, zu denen aber letztlich keine Einigung erzielt werden konnte, so dass nunmehr die landesrechtlichen Vorschriften zur Arbeitszeit an das geltende EU-Recht anzupassen sind. Ziel der Verordnung ist es, die Arbeitszeitvorschriften für den Feuerwehrdienst an den zwingenden Vorschriften der EU-Arbeitszeitrichtlinie auszurichten, den kommunalen Aufgabenträgern jedoch auch die erforderlichen Gestaltungsspielräume für

die Zulässigkeit verschiedener, an den jeweiligen konkreten örtlichen Bedingungen auszurichtenden Dienstzeitmodelle zu lassen, zum Beispiel das Modell der in der Feuerwehr bislang üblichen und insbesondere von den Bediensteten auch gewünschten 24-Stunden-Dienstregelung.

Zu Frage 2: Mit der neuen Verordnung wird die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates von 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vollständig umgesetzt. So werden die Regelungen zur durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden sowie zur Gewährung einer ununterbrochenen Ruhezeit von 11 Stunden innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums vom Grundsatz her für den Feuerwehrdienst übernommen. Im Interesse einer flexiblen, den konkreten Bedingungen Rechnung tragenden Dienstzeitgestaltung werden aber auch nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie mögliche Ausnahmen zugelassen. Der Verordnungsentwurf sieht hierzu sowohl die Möglichkeit einer sogenannten Opt-out-Lösung vor, wonach bei schriftlicher Einwilligung des jeweiligen Beamten die Verlängerung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit möglich ist als auch abweichende Ruhezeitregelungen bei Gewährung gleichwertiger Ausgleichsruhezeiten.

Zu Frage 3: Aufgrund des frühen Arbeitsstadiums erfolgte noch keine Anhörung der Verbände. Gleichwohl wurde die mit der Verordnung beabsichtigte Zielstellung mit der Arbeitsgruppe der Leiter der Berufsfeuerwehren erörtert, da diese für die konkrete Dienstplangestaltung in den acht Thüringer Berufsfeuerwehren verantwortlich sind und dort aufgrund der kommunalen Zuständigkeit derzeit voneinander abweichende Schichtmodelle angewandt werden. Da es also noch keinen abgestimmten Regierungsentwurf der Verordnung gibt, nimmt die Landesregierung zu Einzelauffassungen innerhalb dieses Meinungsbildungsprozesses nicht Stellung.

Zu Frage 4: Die Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Lande Brandenburg vom 3. August 2007 wurde bei der Erarbeitung des Entwurfs einer Thüringer Verordnung neben den Verordnungen auch anderer Länder berücksichtigt. Sowohl in Brandenburg als auch in den anderen Ländern, die eine entsprechende Arbeitszeitverordnung bereits erlassen haben, wurden gleichartige Regelungen zu einem sogenannten Opt-out und zu den möglichen Abweichungen von der täglichen Ruhezeit getroffen, wie sie auch im Entwurf der Thüringer Verordnung vorgesehen sind. Vielen Dank.

Gibt es Nachfragen? Abgeordneter Dr. Hahnemann.

Vielleicht habe ich die Komponente Ihrer Antwort auch überhört. Können Sie, Herr Staatssekretär, sagen, wann die Anhörung der Verbände stattfinden wird?

Ein genauer Zeitpunkt für die Anhörung steht noch nicht fest. Erstmal muss der Regierungsentwurf intern abgestimmt sein. In dem Prozess befinden wir uns im Moment.

Gibt es weitere Nachfragen? Das ist nicht der Fall.

Ich rufe auf die nächste Mündliche Anfrage, Abgeordneter Nothnagel, Fraktion DIE LINKE, in Drucksache 4/4060.

Schreiben an die Kultusministerkonferenz vom 15. April 2008

Mit Datum 15. April 2008 haben die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung sowie die behindertenpolitischen Sprecher aller Bundestagsfraktionen ein Schreiben an die Mitglieder der Kultusministerkonferenz übermittelt, in denen sie ausdrücklich darum bitten, dass Artikel 24 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen originalgetreu übersetzt und auch umgesetzt werden muss.

Mit der Forderung nach Inklusion statt Integration muss ein breiter Diskussionsprozess zur Umsetzung der Forderungen aus der Konvention einhergehen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Aktivitäten unternimmt die Landesregierung, damit eine originalgetreue Übersetzung der Konvention - vor allem bezogen auf Artikel 24 - sowie deren Umsetzung und Realisierung in Thüringen erfolgt?

2. Wie werden die Forderungen aus o.g. Schreiben in der politischen Arbeit der Landesregierung beachtet und umgesetzt?

3. Welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um auf fachlicher sowie politischer Ebene einen breiten Diskussionsprozess zur Um

setzung der UN-Konvention zu führen?

Es antwortet Staatssekretär Eberhardt.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Nothnagel beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt.

Ich fasse die Antworten zu den Fragen 1 bis 3 zusammen.

Bei dem jetzt vorliegenden deutschsprachigen Wortlaut des Übereinkommens über die Rechte behinderter Menschen handelt es sich um eine Übersetzung, die zwischen den deutschsprachigen Ländern, konkret Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz, abgestimmt worden ist. Die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen, ihre Grundfreiheiten sowie der Schutz vor Diskriminierung als Grundrechte sind im Grundgesetz sowie auch in der Verfassung des Freistaats Thüringen verankert. Darüber hinaus gibt es zahlreiche gesetzliche Regelungen, die Benachteiligungen abbauen und verhindern sowie ihnen im Besonderen eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen sollen. Thüringen hat sich mit dem Thüringer Gesetz zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen verpflichtet, bei der Erarbeitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften die Auswirkung auf Menschen mit Behinderungen zu prüfen und deren Gleichstellung auch sicherzustellen. Auch das Recht auf Bildung und die Vorbereitung auf das Erwerbsleben bis hin zum lebenslangen Lernen und das Recht, dass Schüler mit Behinderungen auf gemeinsamen Unterricht mit Schülern ohne Behinderungen - gemäß dem Artikel 24 der Konvention - ist in Thüringen umfassend geregelt.

Gibt es Nachfragen? Abgeordneter Nothnagel.

Ich hätte zwei Nachfragen. Die erste wäre: Ist der Landesregierung der Unterschied zwischen Integration und Inklusion bekannt, vor allem unter dem Aspekt von Macht und von Diskriminierungsaspekten? Meine zweite Frage wäre: Wann schafft die Landesregierung endlich das Förderschulgesetz ab, um die Diskriminierung behinderter Menschen zu beenden?

Zu Frage 1: Der Landesregierung ist die derzeitige umfassende fachliche Diskussion zu den Begriffen Integration und Inklusion sehr wohl bekannt.

Zu Frage 2: Ich glaube, gerade in der jetzigen Zeit unternimmt die Landesregierung nachhaltige Anstrengungen zur Verbesserung des längeren gemeinsamen Lernens von Behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Kindern und Kindern in allgemeinbildenden Schulen. Ich erinnere an die Eröffnungskonferenz von Minister Prof. Dr. Goebel im November des Jahres 2007 und ergänzend dazu auch an die derzeit laufenden Regionalkonferenzen mit dem Ziel, genau dies konsequent umzusetzen, die irgendwann dann sicherlich auch in entsprechenden Novellierungen der Gesetze münden werden.