Das steht in dem Beschluss, lieber Herr Döring, ich kann nichts dazu. Es ist Ihre Partei, die es beschlossen hat.
Sie sind nicht dabei, aber trotzdem ist es Ihre Partei. Da kann ich Ihnen nur sagen: Erstens wird es das mit uns nicht geben, weil wir glauben, Kinder und Menschen sind unterschiedlich und die Differenzierung auch in den Angeboten ist eine der wich
tigsten Voraussetzungen, um am Ende erfolgreich zu sein. Die wichtigste Aufgabe, die wir zu erfüllen haben, ist nicht, für Einheitlichkeit zu sorgen, sondern für Durchlässigkeit, damit sich Kinder im gesamten Entwicklungsweg nach ihrer Leistung entwickeln können.
Diese Durchlässigkeit gilt nicht nur für die Schule im Horizontalen und Vertikalen, sondern entscheidend - und da hat Thüringen Vorleistungen erbracht - auch in den sekundären Bildungseinrichtungen nach Ausbildung und Hochschule. Wir haben mit dafür gestritten, dass ein junger Meister auch an einer Hochschule studieren kann und nicht mehr die Frage beantworten muss: Hast du einmal in deinem Leben Abitur gemacht?
Nein, die Leistung ist entscheidend und der Wille, diese Leistungen auch einzubringen. Diese Durchlässigkeit ist wichtig und da hat Thüringen Maßstäbe gesetzt in Thüringen und in Deutschland.
Dass diese Differenziertheit Ihnen nicht gefällt, wissen wir. Sie haben vor einigen Jahren z.B. beim Meister die Axt an die Wurzel legen wollen und gesagt, in Europa hat dieses keine Zukunft, wir müssen das abschaffen, wir brauchen eine Vereinheitlichung in Europa. Gott sei Dank war die Union da und hat das Gröbste verhindert. Gott sei Dank haben die Handwerkerinnen und Handwerker in Deutschland gekämpft. Inzwischen hat Europa diese Meister anerkannt, auf der Stufe 3 sogar, das heißt in Richtung einer akademischen Ausbildung. Also, Deutschland hat etwas vorzuweisen und unter den deutschen Bildungsländern Thüringen allemal.
Das Ritual wird dann so weitergehen. Jetzt also eine Diskussion, die Nation wäre zuständig, Bildung im schlechten Zustand, nur wenige Erfolge, aber nächstes Jahr, wenn dann die Länderaussagen kommen, dann werden Sie wieder ganz ruhig sein, weil sich dann wieder beweisen wird, dass Thüringen unter den deutschen Ländern in der Spitzengruppe ist. Wenn Sie sich mal anschauen, wie stark die Unterschiede in Deutschland sind, dann können Sie mit Recht sagen: Darf das in einer Nation so sein? Die Frage stelle ich auch. Da wir ein kulturföderales Land sind, sage ich, dann sollen bitte die Länder, die eine negative Bewertung bekommen haben, andere Politik machen. Man darf nicht die Fehler der Nach-1968er-Zeit, die nun ganz eindeutig in diesen
Ländern zu erheblichen Bildungs- und dann auch Hochschulproblemen geführt haben, nationalisieren, sondern man muss auch die Probleme in den Ländern selbst verantworten und selbst korrigieren.
Aber dann, glaube ich, haben wir in Thüringen doch was einzubringen. Wir sind einen anderen Weg gegangen, wir haben die 12 Jahre vorgegeben. Inzwischen werden sie überall nachvollzogen und inzwischen merkt man, man muss auf Inhalte, Leistung und Qualitätsprüfung setzen. Wir haben PISA mit angeregt. Thüringen hat den Beschluss damals mit vorgelegt, weil wir wollten, dass ein Spiegel von außen vor die Bildungslandschaft Deutschland gehalten wird, der sagt, wo sind gute und wo sind fehlerhafte Entwicklungen. Wir haben unser eigenes Leistungsprofil weiterentwickelt, Oberstufenreform, die jetzt ansteht, oder auch das Thema „eigenverantwortliche Schule“ oder auch das Thema „Qualitätsmanagement“.
Herr Döring, ich weiß, dass Sie ein Experte sind, aber es geht heute nicht darum, was Sie als Experte sagen, sondern Ihre Erfahrungen und meine Erfahrungen sind in der Praxis gewonnen. Da kann ich Ihnen sagen: Die Thüringer Schulen haben ein exzellentes Niveau, weil die Thüringer Lehrerinnen und Lehrer hervorragend arbeiten. Das sollten Sie auch als Erkenntnis nehmen.
Wissen Sie, wenn Sie das alles nicht glauben, dann lesen Sie einmal eine große Thüringer Zeitung von vor einer Woche. Da steht drin: Schafft die Differenzierung nicht zusätzliche Barrieren? So lautet die Frage. Wichtig ist die Durchlässigkeit in differenzierten Systemen und das gelingt beispielsweise in Thüringen und Sachsen sehr gut. Das ist auch die Aussage der PISA-Studie.
Das Zweite, das ist das berechtigte Interesse, dass soziale Struktur keine negative Wirkung auf Bildungserfolge haben darf. Da wurde auch die Frage gestellt und da wurde die Antwort gegeben: Darüber hinaus sind Thüringen und Sachsen führend, was die Entkoppelung von sozialer Herkunft und schulischer Leistung angeht. Also, wir haben allen Grund, dankbar und stolz zu sein. Wir sind nicht mit allem zufrieden, wir machen weiter, aber die Grund
Herr Ministerpräsident, Sie wissen aber schon, dass 70 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer nicht das gegliederte Schulsystem wollen? Und eine Einheitsschule wollen wir auch nicht, sondern „Eine Schule für alle“. 70 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer sind damit einverstanden. Wissen Sie das?
Wissen Sie, wenn ein Kindesmord passiert, dann stellt manchmal jemand die Frage: Müsste man nicht in Deutschland auch härter bestrafen? Da gab es vor wenigen Jahren auch die Debatte: Müsste man nicht auch mal Exempel statuieren, z.B. die Todesstrafe für solch extreme Taten einführen? Wenn Sie das auf der Straße fragen, werden Sie im Umfeld solcher Taten eine klare Mehrheit dafür bekommen, dass solche Taten auch mit einer Todesstrafe zu ahnden sind. Nun zu glauben, weil eine mentale Mehrheit in Deutschland oder Thüringen glaubt, Einheitssysteme wären besser, die Politik danach zu richten, da kann ich Ihnen nur sagen, wer Politik nur aus Umfragen gestaltet, der dient dem Land am allerwenigsten.
Die Beispiele sind massenhaft. Helmut Schmidt, ein großer Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, ist an seiner Partei und der deutschen Öffentlichkeit gescheitert, als es um den Nato-Doppelbeschluss ging. Da war auch die Mehrheit der Westdeutschen der Meinung, es ist eine Friedenszeit angebrochen, die Blöcke sind abgetrennt voneinander, eine Nachrüstung muss es nicht geben. Helmut Kohl hat das dann umgesetzt mit klarer Überzeugung, und es war richtig, weil es damit den Russen den entscheidenden Schlag versetzt hat, der mit dazu geführt hat, dass der Kommunismus in die Knie gegangen ist.
Oder wenn sie Anfang der 70er-Jahre in Deutschland-West gefragt haben: Muss man nicht jetzt die Staatsbürgerschaft der DDR anerkennen?
Und die SPD hat sich ja dann in Gera sogar mit der SED getroffen und das beschlossen. Dann hatten sie eine mentale Mehrheit in Westdeutschland, die selbst in der Union zum Teil zu spüren war, die gesagt hat, natürlich, nach 30 Jahren müsste man die Realitäten der Zeit anerkennen. Alfred Dregger und viele andere wurden damals als Kalte Krieger bezeichnet. Es war richtig, nicht einer Stimmungsmehrheit zu folgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist das Problem übrigens der aktuellen Politik der Sozialdemokratie. Sie begreift nicht, dass das Fundament, das Gerhard Schröder gelegt hat, weiter verfolgt werden muss, sondern sie spürt, dass sie dann ein dickes Brett zu bohren hat und geht lieber auf eine populistische Seite und bohrt dünne Bretter. So kann man die Politik nicht gestalten.
Na gut, Gerhard Schröder hat in seiner Manier das gemacht, wie er immer Politik verstanden hat, er hat alle Reformen abgelehnt, hat gesagt, ich schaffe sie auch alle ab, hat damit 1998 den Wahlerfolg gewonnen, weil die Leuten sagten, jawohl Rentenreform, Gesundheitsreform, Einschnitte in die Arbeitsmarktregeln sind auch nicht gut. Dann hat er zwei Jahre auch genau das gemacht. Dann ging Deutschland kräftig bergab und er fuhr mit immer mehr Unternehmern um die Welt. Und plötzlich hat er gemerkt, du musst reformieren. Dann - kurz vor der Wahl 2002, hier drüben z.B. in der Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle - ist er wieder gewesen, hat den alten Schröder rausgeholt und hat den Leuten gesagt, ich habe jetzt lange genug etwas für die Wirtschaft getan, jetzt seid ihr wieder dran. Kleine Leute, Verteilung ist angesagt, ihr steht im Mittelpunkt - Jubel, Erfolg für die SPD, Amtseinführung, wieder einiges reformiert, Agenda 2010.
Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Problem, was aus einer solchen Politik entsteht, ist, dass man hinten einreißt, was man vorn aufbaut. Deswegen sagen wir lieber das, was getan werden muss, auch wenn es möglicherweise an der einen oder anderen Stelle schwerer verständlich ist. Politik darf nicht den Finger in den Wind halten und sich
nach dem Zeitgeist ausrichten, sondern Politik definiert sich aus Grundlagen und aus Werten, und die müssen auch für die Politik gelten.
Ich habe Ihnen das schon öfter gesagt, wenn wir im nächsten Jahr - wir werden das feiern in Thüringen - den 20. Juni 1948, dann gedenken wir einem Tag, an dem Ludwig Erhard unwahrscheinlich mutig war. Sie müssen mal durchlesen, was damals der SPDBundesvorsitzende oder was damals der DGB-Vorsitzende gesagt haben zu der Einführung der Marktwirtschaft. Das war das Übel an sich, weil alle glaubten, Not und Mangel, da muss man verteilen - für Gerechtigkeit sorgen, würden Sie das nennen. Erhard war überzeugt aus der Freiburger Schule, die übrigens stark aus Thüringen geprägt war, mit Walter Eugen und Wilhelm Röpke, dass das Quatsch ist, dass eine freiheitliche Gesellschaft Kräfte braucht, Leistung fördern muss, Markt fördern muss und daraus kann man Sozialstaat gestalten. Deswegen hat er es umgesetzt, erst wurde alles negativ und nach einem halben Jahr sprang der Motor an, „Wirtschaftswunder“ nennt man das heute. Es ist aber kein Wunder gewesen, ist hart erarbeitet worden, und dann durfte die Bundesrepublik Deutschland 1953 und 1957 Sozialstaatsgesetze machen. Das ist vollkommen klar, einfacher ist es oft zu sagen, mein Gott, die Mehrheit will, dann machen wir. Was bringt es denn dem Arbeitslosengeld-I-Empfänger, der am Ende jetzt fünf Monate mehr Geld bekommt? Besser wäre es, das Geld zu investieren, damit er wieder rechtzeitig an Arbeit kommt, das wäre eine soziale Tat.
Was bringt es denn dem Arbeitslosengeld-I-Empfänger, wenn er jetzt länger Geld bekommt? Besser wäre es, noch ein halbes Prozent die Lohnnebenkosten abzusenken, weil jedes Prozent 100.000 neue Arbeitsplätze schafft. Ich weiß, dass es auch in meiner Partei manchmal an dieser Stelle sehr populistisch ist. Ich sage Ihnen aber, auf die Dauer werden nicht die Populisten erfolgreich sein, sondern die, die sich auf Werte und Grundlagen beziehen.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt - gestern auch intensiv diskutiert - innere Sicherheit. Auch ich will sagen, Thüringen hat, weil wir engagierte Polizistinnen und Polizisten haben, einen exzellenten, einen Spitzenplatz in Deutschland und den wollen wir mit dieser Politik auch sichern.
Deswegen wollen wir jungen Leuten eine Perspektive geben, deswegen müssen wir den inneren Aufbau der Polizei umstrukturieren, umbauen, damit mehr diese Arbeit bei den Menschen für die innere Sicherheit leisten können. Dazu sind die Strukturveränderungen, die wir in den nächsten Monaten beschließen, genauso wichtig wie der personelle Umbau. Und wir sind die Partei der inneren Sicherheit, denn wir tragen seit 1990 Verantwortung in diesem Land und dieser Platz ist erarbeitet worden durch die Polizistinnen und Polizisten, deswegen stehen wir auch an ihrer Seite.
Ein weiterer Schwerpunkt werden die erneuerbaren Energien bleiben. Da habe ich gestern mal ganz kurze Zeit gedacht, ich wäre in einer ganz anderen Welt, als plötzlich davon die Rede war, wir wären da Schlusslicht in Deutschland. Als ich den Solarpreis für Thüringen bekommen habe vor zwei Jahren,