Lieber Herr Höhn, lieber Herr Kollege, Sie sind ja immer für Überraschungen gut, aber diese Globalkritik, die Sie hier vorgetragen haben, ist schlicht und einfach unangemessen, vor allen Dingen vor dem Hintergrund, wenn - und da spreche ich etwas an, was ich heute eigentlich hier nicht ansprechen wollte - gerade ein Vertreter Ihrer Partei, der SPD in Rheinland-Pfalz, zu dem wortgleich durch den dortigen SPD-Justizminister eingebracht hat, diesen Gesetzentwurf als herausragend bezeichnet hat, dann ist das prompter Populismus. Das ist genau das, was die Bürger nicht von uns wollen.
Da müssen Sie sich schon andere Argumente einfallen lassen, um unseren Gesetzentwurf, den Gesetzentwurf der Landesregierung zu kritisieren.
Bedingungsfaktoren für Straffälligkeit und die Erfordernisse für eine erfolgreiche Behandlung in der Zeit der Haft sind bei Jugendlichen und Erwachsenen sehr unterschiedlich. Das Jugendalter ist geprägt durch zahlreiche zum Teil tief greifende Entwicklungen.
Meine Damen und Herren - vielleicht hören Sie trotzdem weiter zu -, das gilt verstärkt für Jugendliche, die unter ungünstigen Sozialisationsbedingungen
mit häufigen Beziehungsabbrüchen oder in Heimen aufgewachsen sind und die oft mit Gewalttätigkeiten und Drogen zu tun haben und zu einem großen Teil nicht über einen Schulabschluss verfügen.
Wie bereits bei der ersten Lesung diskutiert und bei der Anhörung und der weiteren Beratung im Justizausschuss vertieft, haben wir es im Jugendstrafvollzug mit jungen Erwachsenen von ganz unterschiedlicher Entwicklung zu tun. Es gibt leider viele, die aus Familien kommen, in denen sie kein Familienleben erlebt haben, keine Bildungschancen hatten und in vielerlei Hinsicht auch im sozialen Umgang miteinander Defizite aufweisen. All das hat das Bundesverfassungsgericht vor Augen gehabt, als es nach der Föderalismusreform uns Landesgesetzgebern in das Stammbuch geschrieben hat: Kümmert euch darum, nehmt den Erziehungsauftrag wahr, macht Gesetze, die dem gerecht werden.
Wir haben aber auch den Auftrag, die Sicherheit der Bevölkerung im Auge zu behalten und die Jugendlichen im Vollzug so zu erziehen und zu resozialisieren, dass sie später straffrei leben können. Auch vor
dem Hintergrund solch erschwerter Bedingungen sind aber Jugendliche in den meisten Fällen noch mit den Mitteln der Erziehung erreichbar und positiv beeinflussbar. Das unterscheidet sie von Erwachsenen und auch von erwachsenen Straftätern. Erziehung ist deshalb - und, ich glaube, darin besteht wohl Einigkeit in diesem Haus - der zentrale Gedanke des Entwurfs der Landesregierung. Der Entwurf geht damit auf ein grundlegendes Bedürfnis junger Menschen nach Orientierung, Wertevermittlung und Anleitung ein. Es berücksichtigt aber auch den Umstand, dass Gefangene, die eine Jugendstrafe verbüßen, in vielen Fällen erhebliche Reifeverzögerungen aufweisen und zum Teil lange und deprimierende Karrieren erfolgloser Erziehungsversuche hinter sich haben.
Der Entwurf der Landesregierung beachtet die vom Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 31. März 2006 aufgestellten Maßstäbe und die geforderten Maßnahmen für einen guten und zielorientierten Jugendstrafvollzug und setzt sie zugleich praxisorientiert um. Deshalb trägt er nach unserer Auffassung den Anforderungen an einen humanen, zeitgemäßen und konsequent am Erziehungsgedanken ausgerichteten Jugendstrafvollzug Rechnung. Die Änderungsvorschläge meiner Fraktion, die im Rahmen der Ausschussbefassung Gegenstand der Beschlussempfehlung zum Regierungsentwurf wurden, dienen der Schaffung notwendiger Rechtssicherheit in bestimmten Bestimmungen. Die grundsätzliche Möglichkeit der Überwachung von Besuchen durch Videokameras soll aus Gründen der Rechtsklarheit in diesem Gesetz geregelt werden. Damit haben wir auch einer Anregung des Landesbeauftragten für den Datenschutz entsprochen. Das betrifft auch bestimmte Folgeänderungen.
Des Weiteren geht es uns um die Vorgabe der Unterbringung von maximal zwei Gefangenen in einem Haftraum mit deren Zustimmung und eine notwendige Klarstellung zum Wechsel zwischen den Vollzugsarten hinsichtlich der Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug, wenn das zur Erreichung des Vollzugsziels notwendig ist, worauf ich aber noch zu sprechen komme.
Der Entwurf legt als Vollzugsziel fest, die Gefangenen zu einem Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung zu befähigen. Die gesamte Vollzugsgestaltung hat sich an diesem Ziel auszurichten. Zugleich hat der Vollzug die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Der Änderungsantrag der SPD-Fraktion sieht in § 2 vor, den Satz 2 zu streichen. Dies ist strikt abzulehnen, weil das in Satz 1 enthaltene Resozialisierungsziel den Schutzauftrag nach Satz 2 als staatlichen Pflichtauftrag nicht automatisch mit abdeckt. Ziel ist und bleibt die Resozialisierung des Straftäters, damit er nach Ent
lassung aus dem Vollzug ein künftig straffreies Leben führt. Daneben bleibt der Schutz der Allgemeinheit vor Straftätern auch während des Vollzugs eine gleichrangige Aufgabe des Strafvollzugs, die über den Resozialisierungsauftrag hinaus auch andere notwendige Schutzmaßnahmen umfasst. Dabei können wir uns keine Experimente zulasten der Sicherheit leisten, denn die Allgemeinheit hat einen legitimen Anspruch auf Schutz und Sicherheit und deshalb darf der Jugendstrafvollzug auch keine Spielwiese für sozialromantische Utopien sein. Da wäre ich bei Ihnen, Herr Blechschmidt, bei Ihrem Vortrag.
Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE enthält eine ganze Reihe von Regelungen, die bestenfalls als sozialromantisch zu bezeichnen sind und die Wirklichkeit ausblenden. So beschränkt sich in Ihrem Entwurf das Vollzugsziel auf die Resozialisierung, § 2: „Die Gefangenen haben nach § 4 das Recht, an dem Erreichen des sie betreffenden Vollzugsziels mitzuwirken.“ Keine Pflicht. Nach § 5 Abs. 1 sind sie grundsätzlich in freien Einrichtungen der Jugendhilfe oder im offenen Vollzug unterzubringen. Es gibt keine Beschränkung für den Inhalt von Paketen und keine Pflicht zur Arbeit, um nur einige Beispiele zu nennen, nur Rechte, keine Pflichten. Das erscheint mir doch wirklich von einer träumerischen Realitätsferne getragen und ignoriert alle gesicherten Erkenntnisse moderner Pädagogik und Kriminalitätsforschung.
In den Strafvollzugsanstalten sitzen nur 6 Prozent der Straftäter ein, die in einem rechtsstaatlichen Verfahren rechtskräftig verurteilt worden sind. Meine Damen und Herren, das ist der harte Kern der Rechtsbrecher, diejenigen, bei denen alle anderen Maßnahmen nicht geholfen haben und vor denen geschützt zu werden die Menschen in unserem Land auch einen Anspruch haben.
Bei den Jugendstrafgefangenen handelt es sich leider häufig um junge Menschen mit schwerwiegenden Sozialisierungsdefekten. Die der Inhaftierung zugrunde liegenden Anlasstaten sind in der Regel auch keine der Pubertät geschuldeten episodenhaften Fehltritte oder jugendliche Fahrlässigkeiten, sondern oftmals schwerwiegende vorsätzliche Straftaten. Deshalb ist der Ansatz des Regierungsentwurfs der Richtige, wonach intensiv mit diesen Straftätern gearbeitet wird, etwa in Form einer Förderung, Ausbildung und der Nachsorge. Das hat aber nichts mit Sozialromantik zu tun, sondern bedeutet harte, fachlich fundierte Arbeit, die der Bevölkerung dient, statt ihr zu schaden und den jugendlichen Straftätern hilft, schwerwiegende Sozialisierungsdefizite zu beseitigen. Auch Ihr Änderungsantrag, Herr Kollege Blechschmidt, verfolgt nach unserer Auffassung die falsche Strategie. Es fehlt die richtige Balance zwischen Fördern und
Fordern, zwischen Rechten und Pflichten der Gefangenen. In der Sachverständigenanhörung haben Sie dazu auch Realitätsferne bescheinigt bekommen gerade auch aus der vollzuglichen Praxis, das möchte ich besonders betonen. Es wird Sie also nicht weiter überraschen, wenn wir Ihren Änderungsantrag zum Regierungsentwurf ebenso wie Ihren Gesetzentwurf ablehnen, wie vom Justizausschuss empfohlen.
Meine Damen und Herren, der Jugendstrafvollzug ist erzieherisch zu gestalten. Die Gefangenen sollen in der Entwicklung und Bereitschaft zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung unterstützt werden. Sie haben aber aktiv an der Erfüllung ihrer Pflichten mitzuwirken. Sie sollen Verantwortung übernehmen, insbesondere auch für die begangenen Taten und für ihre weitere Entwicklung. Die Jugendstrafvollzugsanstalten sollen die Gefangenen in der Entwicklung und der Stärkung dieser Fähigkeiten unterstützen. Vor diesem Hintergrund wird im Entwurf der Landesregierung bewusst auf die Festschreibung einer Vorrangstellung für eine bestimmte Vollzugsform verzichtet. Sind Gefangene für den offenen Vollzug geeignet, sind sie auch im offenen Vollzug unterzubringen, sind sie dafür nicht geeignet oder aber steht diese Eignung noch nicht fest, so sind sie im geschlossenen Vollzug unterzubringen. Für die Form der Unterbringung ist also ausschließlich die Eignung des Gefangenen maßgeblich. Auch wenn im Vollzugsalltag der geschlossene Vollzug faktisch die Regel darstellt, da die meisten Gefangenen nicht von vornherein für den offenen Vollzug geeignet sind, so ist es richtig, dass der Entwurf der Landesregierung kein Regel-Ausnahme-Verhältnis festlegt, sondern ausschließlich auf die individuelle Eignung der Gefangenen abstellt. Das ist meines Erachtens das richtige Regelungsergebnis der neun an dem Entwurf beteiligten Bundesländer.
Meine Damen und Herren, die Gefangenen sind auch während der Inhaftierung Teil der Gesellschaft. Die Gesellschaft darf ihre Verantwortung nicht an den Jugendstrafvollzug abgeben. Der Entwurf der Landesregierung stellt deshalb klar, dass die Gefangenen auch von außen unterstützt werden sollen. Wichtig ist uns die Einzelunterbringung der Gefangenen während der Ruhezeit. Das dient der Wahrung der Privatsphäre und dem Schutz der Gefangenen vor wechselseitigen Übergriffen. Im Übrigen wird der Wohngruppenvollzug als regelmäßige Unterbringungsform vorgegeben, weil die Gefangenen sich dort mit den Bedürfnissen und Erwartungen ihrer Mitgefangenen auseinandersetzen und Probleme gemeinsam lösen müssen. Der Wohngruppenvollzug dient damit in besonderer Weise der Einübung sozial adäquaten Verhaltens. Die Regelung des Wohngruppenvollzugs im Regierungsentwurf ist stimmig. Die von der SPD vorgeschlagenen Änderungen tragen nicht zur Verbesserung bei, sondern sind, was
die Wohngröße oder Wohngruppengröße betrifft, für mich zu unflexibel und blenden den Bezug auf den individuellen Betreuungsbedarf nach sozialen Bedürfnissen aus. Im Übrigen wiederholen Sie auch Dinge, die im Regierungsentwurf schon stehen.
Meine Damen und Herren, schulische Bildung und Aus- und Weiterbildung sowie Arbeit sind zur Erreichung des Vollzugsziels von besonderer Bedeutung. Auch darüber besteht Einigkeit. Dabei haben Aus- und Weiterbildung deutlichen Vorrang vor der Arbeit, denn der Anteil der Jugendlichen ohne abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung ist im Jugendvollzug höher als im Erwachsenenvollzug. Den Gefangenen sollen vorrangig solche Kenntnisse vermittelt werden, die ihnen einen qualifizierten Bildungsabschluss ermöglichen. Da viele junge Gefangene mit ihrer Freizeit nichts Sinnvolles anzufangen wissen und oft auch ihre Straftaten während dieser Zeit begangen haben, sollen sie zur Teilnahme und Mitwirkung an den Freizeitangeboten verpflichtet werden. Dabei kommt dem Sport eine erhebliche Bedeutung zu. Hier lernen sie unter anderem, auch Niederlagen zu verarbeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Vollzug ist von Beginn an auch auf die Wiedereingliederung der Gefangenen nach der Entlassung auszurichten. Diese Aufgabe kann und soll der Vollzug nicht allein bewältigen. Notwendig ist hier die Zusammenarbeit des Jugendvollzugs mit externen Institutionen. Die Jugendstrafanstalten sind deshalb gehalten, bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Bewährungshilfe und andere soziale Dienste in die Vollzugs- und Entlassungsplanung einzubeziehen.
Ich sehe im sogenannten Übergangsmanagement eine enge Verzahnung des Jugendstrafvollzugs mit externen Jugend-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen, mit Vereinen in der Straffälligenhilfe und darüber hinaus. Das ist außerordentlich notwendig. Wo immer es verantwortet werden kann, sind die sozialen Bezugspersonen wie Eltern, Partner, Partnerinnen einzubeziehen. Darüber hinaus geht es um die Zusammenarbeit mit den für die Vermittlung in den Arbeitsmarkt zuständigen Stellen. Dem Gefangenen sind für die Zeit nach der Entlassung die notwendigen und geeigneten Hilfen anzubieten. Inzwischen ist ja aus vielen wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt, wie wichtig es ist, dass die Gefangenen in ihrer beruflichen Perspektive gefördert werden und dass die Rückfallquote erheblich sinkt, wenn Gefangene direkt nach der Entlassung in eine Beschäftigung vermittelt werden können.
Als Fazit möchte ich festhalten: Der Entwurf der Landesregierung bietet nach unserer Auffassung fachlich begründete Rahmenbedingungen und Standards für einen modernen Jugendstrafvollzug. Er be
zieht dabei den gegenwärtigen Forschungsstand sowie die langjährigen praktischen Erfahrungen der Anstalten in den neuen Bundesländern ein und entwickelt diese Erkenntnisse weiter. Die Vorgaben für die Sozialisierung jugendlicher Straftäter werden durch den vorgelegten Gesetzentwurf den aktuellen Erfordernissen dieser schwierigen gesellschaftlichen Aufgabe angepasst und in entscheidenden Bereichen deutlich verbessert. Viel wird auch davon abhängen, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jugendstrafvollzug, denen für ihre schwere, verantwortungsvolle und vorbildliche Arbeit an dieser Stelle ganz herzlich Dank gesagt werden soll, mit dem neuen Gesetz umgehen.
Insgesamt betrachtet finde ich die Weichenstellung des Regierungsentwurfs zum Jugendstrafvollzugsgesetz zielführend. Erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs, Schaffung sozialtherapeutischer Abteilungen, Gebot der Einzelunterbringung, Wohngruppenvollzug, Verbesserung der schulischen und beruflichen Aus- und Fortbildung, sinnvolle Gestaltung der Freizeit, Verlängerung der Besuchszeiten, Stärkung der kriminologischen Forschung, das alles kann ich nur begrüßen. Last, but not least: Ein moderner Jugendstrafvollzug ist nicht zum Nulltarif zu haben. Deshalb sehe ich neben dem geplanten Bau der neuen Jugendstrafvollzugsanstalt auch in dem Gesetzentwurf ein Bekenntnis der Landesregierung zur Investition in zukunftsfähige Strukturen sowohl materieller als auch personeller Art. Durch die Vermeidung von Rückfällen können - abgesehen von dem in jedem Fall vorrangigen Schutz möglicher Opfer - langfristig auch Kosten für die Gesellschaft reduziert werden. Ich bin davon überzeugt, dass sich der Jugendstrafvollzug modernisieren und deutlich verbessern wird. Dafür stellt der Gesetzentwurf der Landesregierung Ermutigung und Chance dar und wir empfehlen die Annahme. Danke.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Dann erteile ich Herrn Minister Schliemann das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte meinen kleinen Redebeitrag zu dem zur Verabschiedung stehenden Gesetzentwurf der Landesregierung und den weiteren dazu ergangenen Anträgen und Vorlagen mit einem Dank beginnen; einem Dank erst einmal an alle, die so zeitig und zeitgerecht daran mitgewirkt haben, dass wir heute dieses Gesetz in zweiter Lesung beraten können. Die Landesregierung kann sich immer Mühe
geben, pünktlich und rechtzeitig fertig zu sein, aber auf das Parlament hat sie keinen Einfluss. An dieser Stelle also Ihnen ein Danke dafür, dass Sie uns die Zeitgerechtheit ermöglichen. Ein weiterer Dank gilt dem Umstand, dass dieses Gesetz nach meinem Empfinden eine ausgesprochen sachliche Behandlung erfahren hat. Wir haben uns so manche Spitze verkniffen und nicht ausgesprochen, sondern gemeinsam gerungen um den besten Weg für den Jugendstrafvollzug. Es wird Sie nicht verwundern, dass ich den Regierungsentwurf an dieser Stelle verteidige und es wird Sie noch weniger verwundern, wenn ich die Anträge der CDU-Fraktion begrüße. Herr Abgeordneter Höhn, ich kann ja verstehen, wenn Sie sagen, dass Ihnen als Mitglied dieses Hohen Hauses letztlich gleichgültig ist, ob ein SPD-Minister an dem gemeinsamen Entwurf mitgewirkt hat oder nicht. Ich würde an Ihrer Stelle auch so denken, aber dieses Thema war kein A-B-Thema.
Deswegen ist das nicht so wichtig. Wichtig waren uns bei der Gemeinsamkeit des Entwurfs folgende zwei Gesichtspunkte: Zum Ersten ging immer das Gerücht vom „Schäbigkeitswettbewerb“ um. Welches Land gestaltet den Jugendstrafvollzug so billig wie möglich und damit so „schäbig“ wie möglich? Dieses konnte man durch eine solche Gemeinsamkeit durchaus vermeiden. Ganz ernsthaft, es ist auch niemand mit diesem Anspruch in dieser Arbeitsgruppe angetreten, die anderen Länder übrigens letztlich alle auch nicht.
Das Zweite ist aber: Die Gemeinsamkeit des Entwurfs soll bewirken, dass wir auch künftig das tun können, was wir gelegentlich tun müssen, Stichwort „Gefangenenaustausch“ und Vermeidung von „Gefangenentourismus“. Wir sind ein kleines Land, wir haben nur eine Jugendstrafvollzugsanstalt, und wenn wir Bandenzugehörige auseinanderziehen müssen, dann muss man diese auf verschiedene Jugendstrafanstalten verteilen. Man kann sie nicht innerhalb des Landes auf Erwachsenenstrafanstalten verteilen, das darf man nicht. Also bleibt dann nur der Weg in die befreundeten, benachbarten Länder. Wir helfen uns da gegenseitig.
Nun zu den einzelnen Anträgen und Betrachtungen. Es ist schon sehr viel gesagt worden. Ich will mich auf ein paar wenige Bemerkungen beschränken. Das eine ist die Sache mit dem Gruppenvollzug und der Gruppengröße. Es steht in der Tat keine Zahl im Gesetz, das bemerkt der Abgeordnete Höhn zu Recht, aber unsere Planungen liegen so, dass wir sagen können, nach heutigem Planstand Wohngruppengröße zwischen 10 und 13, vielleicht noch 14 Personen. Das sind die Plangrößen für den Neubau der Jugend
Der von Ihnen, Herr Höhn, angemahnte Schutz der Gefangenen vor Übergriffen ergibt sich für uns völlig nahtlos und bruchfrei aus dem Regierungsentwurf aus § 3 Abs. 3 letzter Satz des Gesetzentwurfs, in dem es schlicht und ergreifend heißt, dass Dinge, die die normale Sicherheit und Ordnung betreffen, selbstverständlich auch einzuhalten sind. Das impliziert natürlich, dass Gefangene gegeneinander vor Übergriffen zu schützen sind. Das gelingt dann auch umso besser, weil wir für die Nachtzeit - und das ist in der Regel die gefährliche Zeit - Einzelunterbringung vorgesehen haben und selbstverständlich jeder Gefangene seine Zelle von drinnen so verschließen kann, dass ein anderer Mitgefangener sie nicht von außen öffnen kann - natürlich kann das Bedienungspersonal, das Fachpersonal, sie öffnen.
Der andere Punkt, den Sie ansprechen, der Ombudsmann: Wir halten den Ombudsmann deswegen für überflüssig, weil wir eine ganze Reihe von Mitsprache- und Mitwirkungseinrichtungen bereits kennen und nicht einzusehen vermögen, was darüber hinaus dieser Ombudsmann denn zu leisten vermag. Wir haben die Strafvollzugskommission, wir haben den Petitionsausschuss, wir haben den Anstaltsbeirat, wir haben also im Bereich der Bediensteten Mitbestimmungsrechte, die auch ausgeübt werden - es ist also eine ganze Menge da. Was soll dieser Ombudsmann denn nun zusätzlich bewirken? Deswegen haben wir, weil wir das nicht einsehen konnten, gesagt, nein, das ist nicht unbedingt das, was wir wollen.
Die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE: Herr Blechschmidt, Sie haben recht, die Sache mit dem Menschenbild, das ist so ein Dauerargument. Aber ich glaube, wenn wir intellektuell redlich miteinander umgehen, dann ist es vielleicht nicht so ganz falsch, dass wir unterschiedliche Menschenbilder - an dieser Stelle jedenfalls - haben.
Frau Abgeordnete Walsmann hat eben schon hervorgehoben, wie - Gott sei Dank - klein der Anteil von jugendlichen Straftätern ist und wie noch viel kleiner daraus der Anteil derer ist, die überhaupt in eine Jugendstrafanstalt als Jugendstrafgefangene einrücken müssen. Es ist in der Tat das, was man „harter Kern“ nennt; es sind keine unbeschriebenen Blätter. Es sind schon in der Regel junge Männer - weniger Frauen -, die ganz erheblich viel auf dem Kerbholz haben. Diese Menschen sind in der Regel leider so aus ihrem Vorleben geprägt, dass sie nicht das sind, was man herkömmlich „gut sozialisiert“ nennt. Sie sind nicht sozialisiert, sehr oft überhaupt nicht. Ich lasse mal die
Affekttäter raus, die aus geordneten Häusern kommen; die gibt es auch, aber das ist nicht das Regelbild des Strafgefangenen im Jugendstrafvollzug. Es sind Menschen, die häufig große Brüche in ihrem bisherigen Leben erleiden oder erdulden mussten und an diesen Brüchen sehr oft dann auch gescheitert sind. Diese Menschen haben dann - und das ist das Nächste - sehr oft auch noch nicht mal hinreichende schulische Ausbildung erfahren. Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Es geht ja nicht um den Bildungsstandard für sich allein, sondern eine schulische Ausbildung bzw. das Durchlaufen schulischer Ausbildung ist auch ein ganz starker Sozialisationseffekt. Pünktlich zur Schule gehen, sich in Klassenverbände einfügen, Hausarbeiten machen, sich selbst organisieren - all dieses wird auch durch Schule - nicht nur - vermittelt. Wenn aber weder die Schule erfolgreich war noch die Elternhäuser Halt gegeben haben und dann der Weg auf eine schiefe Ebene geführt hat, dann hat das in der Tat nicht zur Folge, dass wir mit unseren Bemühungen zu sozialisieren aufhören, wohl aber hat es zur Folge, dass wir sagen müssen, so ganz freiwillig und so ganz locker und nur auf „bitte, bitte“ und ihr habt die Rechte und wir haben die Pflichten - damit kommen wir hier nicht mehr zurecht.
Es ist in der Tat schwierig - Herr Höhn hat das auch noch mal angesprochen -, Pflicht und Motivation in Übereinstimmung zu bringen. Aber - genau das ist hier einer der Punkte - das andere wäre schöner, wenn nicht die Erfahrung aus der Praxis lehrte, dass Freiwilligkeit an dieser Stelle schlicht von vielen nicht akzeptiert wird, ein sanfter Druck ist schon nötig. Das Disziplinierungsrad, was Frau Ludwig beschrieben hat, ist im Gesetz übrigens nicht angelegt, um das ganz deutlich zu formulieren.
Eine letzte kleine Bemerkung: Meine Damen und Herren, neben dem Dank, den ich allen schulde, die an diesem Gesetzentwurf mitgewirkt und mitberaten haben, möchte ich auch noch einmal hervorheben, wir haben in Thüringen wirklich eine Einmaligkeit; wir können einen Neubau gesetzeskonform organisieren. Wir haben ein Gesetz und können daran gemessen einen Neubau machen. Ursprünglich war es einmal umgekehrt - wir planten einen Neubau und die Bundeskompetenzen waren auch da und das Gesetz war noch gar nicht in Sicht. Insofern haben sich hier die Dinge glücklich gefügt. Wenn das dann alles klappt, dann wird aus dieser Idee des Gesetzes Wirklichkeit.
Eine letzte Bemerkung zum Thema Haushalt und Sicherung: Ja, das Bundesverfassungsrecht stellt Anforderungen und, Herr Höhn, wenn Sie dies in diesem Gesetz vermissen, dann ist es vielleicht eher eine Frage des Platzes, weil es andere Dinge gibt, wie eine vernünftige Personalausstattung in unter