Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, natürlich ist es Tradition, dass meine Fraktion in jedem Jahr auch das Berufsbildungsberichtsjahr ausdrücklich wertschätzt und vor allen Dingen bewertet. Wir müssen es ja auch jedes Jahr auf die Tagesordnung setzen, weil die Landesregierung von selbst gar nicht auf die Idee kommt, mit dem Landtag bzw. mit dem Parlament über so etwas Wichtiges wie ein zurückliegendes Ausbildungsjahr zu sprechen. Außerdem sollte die Landesregierung auch ein Stück weit dankbar sein, dass wir ihr jedes Jahr die Möglichkeit geben, die rosaroten Farben der Ausbildungssituation zu schildern, in die ich auch wie jedes Jahr wieder etwas Schwarz, wie Sie es mir unterstellen, beifügen muss. Zum anderen ist ein Antrag im Plenum von daher wichtig, weil es der Opposition - da wird mir die SPD sicherlich zustimmen - im Meinungskonglomerat von
Medien, Landesregierung und Unternehmen schwer möglich ist, der Öffentlichkeit darzustellen, welche Schwierigkeiten wir tatsächlich auf dem Ausbildungsmarkt haben. Ich glaube, festgestellt zu haben, dass sich einige Grundsätze des Ministers doch etwas modifiziert haben, z.B. wenn man auf die Bewertung der Anzahl der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze schaut.
Wenn wir uns heute die Situation auf dem Ausbildungsmarkt anschauen, können wir natürlich zustimmen und feststellen, die statistische Situation hat sich gebessert, der Anteil der Bewerberinnen und Bewerber mit einem betrieblichen Ausbildungsangebot an der Zahl der Gesamtbewerber hat sich erhöht, aber statistische Verbesserung allein hilft niemandem. Wenn wir uns die Zahlen noch mal kurz anschauen - und ich will das Parlament nicht mit Zahlen überfrachten, wem nützt eine Statistik - wenn wir sage und schreibe 5.000 Bewerberinnen und Bewerber weniger haben, 400 betriebliche Ausbildungsplätze mehr, aber immer noch 500 Jugendliche, die noch nicht vermittelt sind, und das zu Beginn des Ausbildungsjahres. Da sind zunächst die geburtenschwachen Jahrgänge nach der Wende, wo die neue soziale Unsicherheit zum Ausfall von Geburten geführt hat, das wissen wir alle, und da ist natürlich auch genau das, was man als "Abstimmung mit den Füßen" bezeichnen kann, denn Ihre Politik und nicht unsere Anträge haben dazu geführt, dass junge Menschen Thüringen verlassen haben und Ausbildung in den anderen bzw. in den alten Bundesländern gesucht haben.
Ich kann Ihnen dazu Beispiele liefern. Die IHK Oberfranken stellt z.B. fest - erst in einer Pressemitteilung in der letzten Woche -, dass es in den letzten beiden Jahren viele Thüringer Jugendliche in Oberfranken gegeben hat, die eine Ausbildung gesucht haben, „was den Druck“ - und jetzt zitiere ich - „auf den dortigen Ausbildungsmarkt extrem erhöht habe“. Man legt aber Wert darauf, festzustellen - und man höre und staune, so viel zum Thema „Ausbildungsreife“, Herr Grob -, dass es sich bei diesen Jugendlichen fast durchweg um hoch motivierte Jugendliche handelte. Die IHK Oberfranken mit Sitz in Bayreuth ist stolz, festzustellen, dass sich auch im Zuge dieser Entwicklung - man beachte konträr - auf der einen Seite viele Thüringer, die zuwandern, die Zahl der Ausbildungsverhältnisse bei IHK und HWK im Landkreis Kronach um 21 Prozent und in den Landkreisen Lichtenfels und Wunsiedel um 8 Prozent erhöht habe. In Thüringen geschieht fast das Gegenteil. Ich betone „fast“. Zwei Drittel aller Ausbildungsplätze sind öffentlich finanziert, zwei Drittel, nicht ein Drittel. Etwa 40 Mio. € aus überwiegend ESF-Mitteln setzt Thüringen jährlich innerhalb des Ausbildungspakts an För
derung ein. Eine Stabilisierung der Ausbildungssituation haben wir auf allerniedrigstem Niveau erreicht. Das bedeutet zwingend und ist deswegen auch Teil des Antrags, dass sämtliche Förderprogramme im Ausbildungsbereich auf den Prüfstand gehören und der Berufsbildungsbericht 2007 - der Minister hat ihn schon erwähnt - hatte erste Anfänge gemacht.
Meine Damen und Herren, in Thüringen war dagegen im Jahr 2005 die Zahl abgeschlossener Ausbildungsverträge auf einem historischen Tiefstand. Und wenn ich das sage, dann spreche ich davon, dass wir etwa 10.000 betriebliche Ausbildungsplätze über 30.000 Bewerberinnen und Bewerbern gegenübergestellt sahen. Seitdem hat sich das alles wieder etwas erholt. Es werden jetzt wieder mehr Lehrstellen angeboten als noch vor zwei Jahren. Aber ich denke, und meine Fraktion teilt diese Meinung, dass das nicht genügt, um die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt in Thüringen durchgreifend zu verbessern.
Und die zweite Frage: Kommt dieser leichte Anstieg denn rechtzeitig, um möglichst großen Teilen der letzten halbwegs starken Jahrgänge, die auf den Ausbildungsmarkt drängen, ein attraktives Angebot zu unterbreiten? Bis jetzt bezweifle ich das. Ich frage Sie, meine Damen und Herren, was glauben Sie, wie viele Jugendliche, die in Oberfranken, in Hessen oder weiter weg eine Ausbildungsstelle gesucht haben, tatsächlich nach Thüringen zurückkommen, um hier zu arbeiten und zu leben? Ich glaube, es werden nicht sehr viele sein. Aus diesem Grund muss sich die Landesregierung und auch die CDU-Mehrheit ein weiteres Jahr anzählen, dass Zeit verstrichen lassen wurde und das Potenzial, das die Thüringer Unternehmen möglicherweise haben, nicht gänzlich genutzt worden ist. Wenn nur wenig des Potenzials von 30 Prozent der Unternehmen, die ausbilden könnten, weil sie eine Berechtigung dazu haben, angezapft wird, dann läuft doch tatsächlich etwas schief. Sie nennen es Ausbildungspakt, ich sage dazu, Sie haben sich mit Zusagen abspeisen lassen, die sich in vielen Fällen als wertlos bzw. als viel zu gering haben werten lassen müssen und das ist der Kern des Problems.
Jetzt haben wir die Situation, dass wir feststellen können, dass innerhalb der Arbeitsagentur Sachsen-Anhalt/Thüringen die Thüringer Bewerberzahl inzwischen um 4.000 niedriger ist als die in Sachsen-Anhalt. Sie werden selbst wissen, dass wir in den letzten Jahren immer ein gegenteiliges Verhältnis hatten. Ein weiteres Indiz dafür, dass immer weniger junge Menschen die berufliche Zukunft und ihr Leben in Thüringen verbringen wollen, ist einer der Haupt
gründe, aus denen heraus sich die Statistik, die Herr Minister Reinholz ja durchaus sehr dezidiert dargestellt hat, etwas aufgehellt hat. Es hat fast den Anschein, als ob doch einige Teile der Wirtschaft langsam mitbekommen, dass es gerade im Kennzeichen der Demographie wichtig ist, hier und jetzt auszubilden.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben schon im Jahr 2004 im Landtag die Landesregierung aufgefordert, ein Fachkräftekonzept zu entwickeln. Der Minister hat das heute halbwegs übergangen, dennoch muss ich an dieser Stelle auch mal tatsächlich Achtung zollen und etwas Lob aussprechen, denn es gibt Modellprojekte. Der erste Fortschritt in diese Richtung ist z.B. ein Modellversuch, mit dem in der Region Nordhausen versucht wird, den Fachkräftebedarf der Unternehmen zu ermitteln und Unternehmen entsprechend zu beraten. Generell ist der Ansatz dieses Unternehmens- und Fachkräfteservices mit einer Ausweitung von Mitarbeiterinnen begrüßenswert. Die Ergebnisse wird man sicherlich abwarten müssen, aber ich halte diesen Versuch zumindest für gangbar. Und, meine Damen und Herren, wir wissen, es gibt eine Managementgruppe, die sich mit dem Fachkräftebedarf beschäftigt, die letzte Fortschreibung war im Jahr 2006. Doch wer sich die Ergebnisse jetzt auch noch mal angeschaut hat im Zuge dieses Antrags, stellt fest, dass sich die Handlungsempfehlungen, die sich sowieso nur auf wenigen Seiten widerspiegeln, lesen wie die Bestätigung der aktuellen Regierungshandlung. Und da bin ich wieder bei Herrn Grob, die Regierung wird aufgefordert „Weiter so!“.
Jetzt komme ich zu einem Punkt, wo ich glaube, dass die Fraktion DIE LINKE tatsächlich Informationsvorsprung allen anderen Fraktionen gegenüber hat, was nicht hätte sein müssen, wenn man sich mit dem Thema intensiv beschäftigt hätte.
Frau Abgeordnete Hennig, lassen Sie sich mal ganz kurz unterbrechen. Ich gehe eigentlich immer noch davon aus, dass man dem Redner oder der Rednerin am Rednerpult zuhört und dass die Gespräche im Saal nicht lauter sind als die, die über das Mikrofon vom Rednerpult aus kommen.
Dann komme ich an dem Punkt zu einem ökonomischen Unverständnis, was uns die Landesregierung unterstellt hat, weil ich es einfach den Landesregierungen im Bundesrat unterstellen muss, die, wie jetzt im Bundestagsnewsletter zu lesen war, beschlossen haben, dass Unternehmen, die für mindestens ein Jahr einen Altbewerber ausbilden, die
Hälfte der Ausbildungsvergütung auf Staatskosten zu erstatten sind. Es gibt diesen Gesetzentwurf. Die Rede ist von 20.000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen mit 76 Mio. € auf drei Jahre verteilt - und da bleibt einem die Spucke weg. Wer der LINKEN unterstellt, wir hätten kein ökonomisches Verständnis und gleichzeitig Unternehmen belohnt, die noch nie ausgebildet haben, die ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Pflicht, Nachwuchs und Fachkräfte zu fördern, nicht nachkommen und fördern will, indem man sie belohnt, dass sie Altnachfrager, junge Menschen, die keine Chance ein Jahr vorher, zwei oder drei Jahre vorher auf dem Ausbildungsmarkt hatten, ausbilden, der hat nicht nur ökonomisches Unverständnis, sondern auch menschliches und politisches Unverständnis.
Ich mache es etwas kürzer, denn es zeigt, dass wir uns dem Ende nähern. Ich will nur noch ganz kurz sagen, dieses Belohnungsbonbon, was ich gerade dargestellt habe - der Gesetzentwurf zur Änderung des Zweites Sozialgesetzbuchs liegt vor, ist für jeden einsehbar auf der Bundestagshomepage -, werden wir ablehnen. Solche Lösungsrezepte sind ganz klar politische Maßnahmen, die die Maßstäbe einfach verderben und einfach zynisch gegenüber sämtlichen jungen Menschen sind, die sich hier mit lächerlichen Perspektiven wie Warteschleifen und BVJ abgeben müssen.
Wir schlagen hingegen vor - und das ist heute schon mehrfach von den Vorrednern genannt worden - eine Umlagefinanzierung. Ich würde ja noch sagen, ich lasse mit mir reden, inwieweit man sie ausgestaltet, aber Ihnen muss doch klar sein, dass Unternehmen, die nicht ausbilden, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkommen und denen man hunderttausendmal in Appellen sagen kann, „ihr möchtet bitte ausbilden“, dass man die einfach zu einer Umlagefinanzierung bewegen muss, um nämlich andere Unternehmen, die ausbilden, zu belohnen bzw. noch mehr Ausbildungsplätze zu schaffen.
Herr Seela, das können wir vielleicht in einer anderen Debatte diskutieren, trifft aber vielleicht auch so ein bisschen den Kern.
Dann muss ich auch noch mal in Richtung SPD einige Sätze loswerden. Als das Gesetz zur Umlagefinanzierung 2004 durch die damalige rot-grüne
Bundesregierung beschlossen worden ist, da war die Rede davon aufseiten der SPD, wir geben den Unternehmen ein Jahr Zeit, schauen uns an, wie es läuft, und dann schauen wir mal, ob wir das Berufsausbildungssicherungsgesetz auch in Anspruch nehmen. Die Ausbildungszahlen haben sich seitdem nicht verbessert. Es wird kein Unternehmen auf die Bundesregierung zukommen und sagen, hört zu, wir möchten bitte eine Umlagefinanzierung zahlen. Und zum Zweiten, das habe ich gerade in dem Punkt vorher gesagt: Wir haben inzwischen über 50 Prozent Altnachfrager in der gesamten Bundesrepublik und an dieser Stelle nicht zu begreifen, dass die Umlagefinanzierung endlich notwendig ist, dann weiß ich nicht, was da noch kommen muss.
Generell glaube ich tatsächlich, dass wir unter den derzeitigen Vorzeichen des Schülerrückgangs, der fraglichen Entwicklung der berufsbildenden Schulen und der Ausbildungsmoral der Thüringer Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung in den nächsten Jahren häufiger über das Thema „Ausbildung“ diskutieren müssen; Ausbildung wird noch stärker als in den letzten Jahren eine der zentralen Zukunftsfragen für Thüringen werden.
Im nächsten Tagesordnungspunkt werden wir die Gelegenheit haben, einen umfassenden Vorschlagskatalog zur Verbesserung der Verbindung von Bildung und Arbeit und damit auch Ausbildung zu diskutieren. Unsere Fraktion meint das ernst und hat deswegen Ausbildung zu einem Schwerpunkt in dieser Plenarsitzung gemacht. In Konsequenz einer Tagung zur Verbindung von Arbeit, Berufsausbildung und Bildung hat meine Fraktion einen entsprechenden Antrag eingereicht. Meine Kollegin Leukefeld wird nachher dazu sprechen und ich hoffe, dass Sie mit uns diese Lösung im Ausschuss weiterdenken und uns eine Zustimmung zu Projekten wie Berufsstart, Wiedereinführung der Ausbildereignungsordnung und Ähnliches geben können. An dieser Stelle, auch wenn ich in diesem Antrag nicht darauf eingegangen bin, möchte ich einfach, dass wir die Vorschläge, die Herr Grob uns hier vorgestellt hat, was die Verbundausbildung betrifft, möglicherweise im Ausschuss zusammen mit unseren Vorschlägen des nächsten Tagesordnungspunkts besprechen können. Danke.
Es liegen mir keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Ich frage jetzt noch mal Frau Hennig: Sie hatten jetzt von einer künftigen Ausschussberatung gesprochen, das bezog sich aber auf den nächsten Tagesordnungspunkt? Gut. Ich stelle zunächst fest, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist zu Nummer 1 des Antrags. Dagegen erhebt sich auch kein Wi
So kommen wir zur Abstimmung zu Nummer 2 des Antrags. Hier ist auch keine Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer der Nummer 2 dieses Antrags zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Diese gibt es nicht. Die Nummer 2 des Antrags ist abgelehnt.
Es ist nicht beantragt worden, das Wort zur Begründung zu nehmen, so dass ich sofort die Aussprache eröffnen möchte. Ich rufe auf - für die SPD-Fraktion liegen zwei Redemeldungen vor, für die CDU-Fraktion noch niemand - für die SPDFraktion den Abgeordneten Döring.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ein großer Wurf ist das nicht, was DIE LINKE unter dem Titel „Thüringer Initiative für Bildung und Arbeit“ dem Plenum vorlegt. Die eingebrachten Forderungen sind nicht unbedingt neu, aber sie bleiben natürlich richtig und wichtig. So wäre es schon lohnenswert, sich intensiv mit ihnen auseinanderzusetzen. Ich befürchte aber, dass die CDU-Fraktion auch bei diesem Tagesordnungspunkt ihrem Motto treu bleibt: „Gute Ansichten sind an sich wertlos, es kommt einzig darauf an, wer sie hat.“ Und unisono werden CDU-Fraktion und Landesregierung uns suggerieren wollen: Natürlich gibt es hier keinerlei Handlungsbedarf, natürlich sind wir auf dem erfolgreichen Weg, natürlich sind die Forderungen längst umgesetzt. Dabei - und das wissen Sie genau - ist der Reformbedarf erheblich und nicht die demographische Entwicklung und der sich abzeichnende Fachkräftemangel stellen völlig neue Herausforderungen an das Leitbild eines modernen und leistungsfähigen Bildungssystems. Wenn Sie schon nicht auf die Opposition hören, meine Damen und Herren von der CDU, dann bitte doch wenigstens auf die Thüringer Wirtschaft. So hat die IHK Erfurt im Juni dieses Jahres fundierte Positionen zur Verbesserung des Bildungswesens in Thüringen vorgelegt. Das Papier befasst sich von der frühkindlichen Bildung über die Stärkung der Grundschule oder den Ausbau des längeren gemeinsamen Lernens bis hin zur Lehrerausbildung. Im Handlungsfeld Übergang Schule - Beruf geht es der IHK um die Erarbeitung verbindlicher Standards, um eine praxisorientierte Be
rufs- und Studienwahlvorbereitung, das heißt ein flächendeckendes und langfristig gesichertes Angebot für alle Schüler ab Klasse 7, Kompetenzfeststellung, berufsfeldbezogene Orientierungsbausteine und betriebliche Bausteine als Angebotsinhalte, individuelle Bildungsbegleitung und nicht zuletzt Unterstützungsleistungen in Zusammenarbeit mit regionalen Netzwerken. Dass die Landesregierung die Forderung der Wirtschaft, zusammen mit allen in das Bildungssystem eingebundenen Kräften ein gemeinsames Zukunftsprogramm Bildung zu entwickeln und umzusetzen, nur sehr halbherzig zur Kenntnis genommen hat, sei hier nur am Rande bemerkt.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag macht deutlich, keine Schulform, kein Bildungsgang kann auf die Hinführung zur Arbeitswelt verzichten. Naturwissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Bildung muss organisatorischer und durchgängiger Bestandteil aller Schularten sein. Wir brauchen die Verbindung von Schule und Wirtschaft von Anfang an und für alle Schüler. Es muss unser Ziel sein, schon für Kinder im Vorschulalter Naturwissenschaften und Technik erlebbar zu machen. Der Neugier und dem Interesse von Grundschulkindern an Naturphänomenen und Experimenten muss stärker Rechnung getragen werden. In der Sekundarstufe 1 müssen wir mit Naturwissenschaften früher und intensiver beginnen, auch hier ist eine Reform längst überfällig.
Die wirtschaftliche und technische Praxis ist stärker in den Unterricht einzubeziehen und dabei sollte der Projektunterricht im Zusammenwirken mit Betrieben eine erheblich größere Rolle spielen. Es gilt auch, wirtschaftbezogene Inhalte und Problemstellungen als fächerübergreifende Unterrichtsgegenstände zu verstärken.
Meine Damen und Herren, lernzielorientierte Betriebspraktika mit systematisch steigenden Anforderungen von Klasse 7 bis Klasse 10 sind in allen Schularten verbindlich in den Lehrplan aufzunehmen. Nicht zuletzt muss auch die Berufsorientierung früher ansetzen und es müssen verstärkt Informationen über die Arbeitswelt erschlossen werden. Das geht nur, indem neue Lernorte hinzukommen, indem Schule sich öffnet, insbesondere für das wirtschaftliche, aber auch für das kulturelle und soziale Umfeld. Eine präventive Bildungspolitik ist weit wirksamer, als eine nachsorgende aktive Arbeitspolitik sein kann. Wir können es uns nicht leisten, auf Potenziale und Talente zu verzichten. Deshalb müssen wir darauf abzielen, die Auseinandersetzung mit dem Thema „Wirtschaft, Arbeitswelt und Berufswahl“ möglichst früh beginnen zu lassen und konkrete Beratungs-, Förder- und Hilfsangebote zur Verfügung zu stellen. Wir brauchen verstärkt innovative Projekte, in denen die Schülerinnen und Schüler sich kreativ und
selbständig mit ökonomischem Denken und Handeln auseinandersetzen können, indem sie eine Chance haben, kontinuierliche betriebliche Wirklichkeit zu erfahren und zu erleben, wie wichtig es ist, intensiv die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Und wir brauchen verstärkt vernetzte Übergangssysteme, die an der individuellen Situation und den jeweiligen Voraussetzungen der Jugendlichen ansetzen und jeweils spezifisch die notwendige Förderung und Begleitung anbieten. Die Umsetzung des vorliegenden Antrags kann dabei sehr hilfreich sein und deshalb ist die Diskussion sehr, sehr notwendig. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist schön, dass wir den Punkt noch mal aufrufen am heutigen Tage.
Der Antrag der LINKEN erweckt ja den Eindruck, als wäre erstens die Situation von Bildungs- und Berufsabschlüssen in Thüringen ganz schlecht und als wäre zweitens nun endlich eine Initiative, also ein Anstoß zum Handeln notwendig. Ich darf wohl sagen, das ganze Gegenteil ist der Fall. Herr Döring hat ja auch schon festgestellt, der große Wurf ist das nun wirklich nicht, den man hier präsentiert. Nicht dass auf diesem Gebiet weitere Anstrengungen unbedingt nötig wären, die optimale Vorbereitung auf sein Berufsleben und der möglichst „verlustfreie Übergang“ in eben dieses bleiben bei einer sich so rasant ändernden Gesellschaft und Arbeitswelt eine ständige Herausforderung im modernen Industriestaat. Aber, meine Damen und Herren, dazu braucht es in Thüringen garantiert nicht die Initiative der LINKEN, denn offensichtlich haben unsere Kollegen Sozialisten, verfangen in nostalgischen Träumereien, wie wir sie ja kennen, einfach die gegenwärtigen Entwicklungen und Änderungen, die jeden Tag vorgenommen werden auf diesem Gebiet, verschlafen. Dieser Antrag ist aus meiner Sicht überflüssig wie ein Kropf. Der Kultusminister - wir haben uns da ein bisschen abgesprochen - wird Punkt für Punkt zu den 10 Antragsthemen darstellen, was von der Landesregierung, aber zuallererst von den Verantwortlichen in den Regionen, in den Schulen, in den Betrieben, in den Industrie- und Handwerkskammern unternommen wurde und auch unternommen wird.
In Arbeitsteilung möchte ich Ihnen jetzt mal darstellen, wo Thüringen im europäischen und bundesweiten Vergleich steht:
1. Thüringen hat seit Jahren mit Abstand die niedrigste Arbeitslosenquote unter den neuen Bundesländern.
2. Laut den internationalen Bildungsindikatoren im Ländervergleich - das ist eine Folgestudie zu Education and the Class - hat Thüringen eine der niedrigsten Quoten bei Jugendlichen ohne Schulabschluss oder Berufsabschluss, nämlich 6,6 Prozent. Der Durchschnitt in Deutschland liegt bei 13,8 Prozent, der Durchschnitt bei den 16- bis 24-Jährigen europaweit liegt sogar bei 15,5 Prozent. Also Thüringen ist hier absolut spitze.
3. Erreicht wird das, weil der Freistaat nämlich mit viel Geld, Personal und Berufsschullandschaft in die Bresche springt und vielen jungen Menschen ein staatliches Ausbildungsangebot macht. Laut eben dieser Statistikstudie sind die Gesamtausgaben je Bildungsteilnehmer im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt pro Kopf überdurchschnittlich hoch im Freistaat Thüringen.