Protocol of the Session on November 15, 2007

braucht auch keine gestressten Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, die Kürzungen im Kita-Bereich führen aber gerade dazu. Schon jetzt kriechen viele Erzieherinnen auf dem Zahnfleisch oder klagen über ein Burn-out-Syndrom. Das hat die Umfrage des Landeselternverbandes Kindertagesstätten ergeben. Wie sie berichten, hat die Reduzierung des Personals dazu geführt, dass es in Krankheitszeiten und für wichtige Zusatzaufgaben keine Puffer mehr gibt. Wenn Erzieherinnen mit Eltern sprechen, wenn sie ihre Arbeit vor- oder nachbereiten wollen, müssen sie das häufig in der Freizeit tun. Wir brauchen also eine bessere Ausstattung der Kindertagesstätten, wie es das Volksbegehren für eine bessere Familienpolitik fordert.

(Beifall DIE LINKE)

Und wir brauchen einen Rechtsanspruch von Geburt an, damit gerade die Kinder eine Chance haben, die allen, aber wirklich auch allen Studien zufolge in dieser Gesellschaft auf der Verliererstraße sind. Soziale Herkunft darf nicht länger die Zukunft von Kindern verbauen, sie darf nicht länger der Grund sein, warum sich Kinder selbst in ihrer Chancenlosigkeit einrichten.

(Beifall DIE LINKE)

Hier ist die Politik gefragt. Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind stark zu machen - packen wir es also an!

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Panse, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Frau Jung, vorab, Sie haben gesagt, Sie wenden sich Kindern zu, die benachteiligt sind. Ich möchte für die CDU-Fraktion schon darauf hinweisen, wir wenden uns Kindern insgesamt zu, Kindern und Eltern, die insgesamt Förderung verdienen. Wir werden uns an dieser Stelle auch immer wieder wehren, wenn Sie meinen, Förderungen könnte man bei Kindern und Eltern nur auf einen bestimmten Personenkreis allein konzentrieren. Da sind wir nämlich sehr schnell bei einer Diskussion wie Landeserziehungsgeld und ob dies insgesamt allen Eltern zur Verfügung stehen soll oder nur einem Teil der Eltern.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das ist Ihre Politik.)

Aber zur Studie, die wir heute als Anlass für die Aktuelle Stunde genommen haben: Die World Vision Kinderstudie wurde Ende Oktober als kleine Schwester der Shell-Studie vorgestellt, die wir seit 50 Jahren kennen. Das Neue an dieser Studie ist, dass sie sich erstmals Kindern im Grundschulalter zuwendet und den Fokus auf das Alter bewusst von 8 - 11 Jahren legt und danach fragt, was Kinder in diesem Alter sich wünschen, was Kinder erleben und in welchen Lebenslagen sie sich befinden. Da hat Kollegin Meißner zweifellos recht, es geht an allererster Stelle darum, Kinder ernst zu nehmen und das, was Kinder sagen, auch als Impulse für unsere Politik zu verstehen. Deswegen haben wir die Aktuelle Stunde beantragt. Die Studie weist darauf hin, dass es bestehende erhebliche Unterschiede zwischen Ost und West gibt, nicht nur bei Armutsdiskussionen, sondern insbesondere bei der Betreuungssituation. Und da sind wir bei den Punkten, wo wir in Thüringen durchaus sehr stolz sein können, dass wir da vorbildliche Zahlen haben in ganz Deutschland. Ich werde darauf eingehen, ich möchte aber an dieser Stelle sagen, die Studie stellt das in besonderer Form heraus.

Die Studie betont etwas anderes, was mir auch sehr wichtig ist, und das ist die Rolle der Familie als primäre Sozialisationsinstanz. Die Familie ist - auch wenn das andere Leute hier im Raum anders behaupten - immer noch der Normalfall.

(Beifall CDU)

Drei Viertel der Kinder leben in der klassischen Kernfamilie mit beiden Eltern zusammen, 24 Prozent der Kinder wachsen ohne Geschwister auf, aber eben andererseits 76 Prozent der Kinder wachsen mit Geschwistern auf. Das müsste man an dieser Stelle hin und wieder mal betonen, dass das der Normalfall ist und dass wir diese Familien durchaus stärken sollen, ihnen auch Mut machen sollen.

Die Studie weist an einer anderen Stelle insbesondere auf die Frage der Erwerbstätigkeit der Eltern hin - Frau Jung, Sie haben es kurz angeschnitten. Die Studie kommt zu folgenden Zahlen: 42 Prozent der Kinder leben in Ein-Verdiener-Familien, das ist die größte Anzahl der Familien. 25 Prozent der Kinder leben in Familien, wo Vollzeit und Teilzeit miteinander kombiniert sind, 10 Prozent bei erwerbstätigen Alleinerziehenden und 10 Prozent bei beiden vollerwerbstätigen Eltern. Das heißt aber andersherum gesprochen, zwei Drittel der Kinder leben in Familien, wo die Arbeitszeit der Eltern reduziert ist - freiwillig oder unfreiwillig, aber reduziert ist - und demzufolge insbesondere auch bei Mehr-Kind-Familien Kindern zugute kommen soll und müsste. Damit bestätigt die Studie auch etwas, was jüngst der „Fokus“ geschrieben hat, dass nämlich rund 66 Prozent der Frauen durchaus

nach der Geburt zunächst den Beruf vorübergehend einschränken oder aufgeben wollen und sich ihren Kindern zuwenden wollen. Ich sage ganz deutlich, das ist auch richtig, wichtig und notwendig. Wir sollten diese Mütter selbstverständlich nicht in ein schlechtes Licht deswegen stellen.

Wir müssen aber für die Mütter, die das anders wünschen, die Teilzeit- und Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten organisieren. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass in Ostdeutschland da sehr gute Zahlen vorliegen, der Westen Nachholbedarf hat. Wir müssen aber auch gleichzeitig für die 66 Prozent der Eltern, die es anders wollen, Unterstützung und Hilfe organisieren, dafür gibt es Bundeselterngeld, dafür gibt es das Landeserziehungsgeld. Dafür gibt es allerdings auch immer wieder den Appell an die Eltern, tatsächlich sich ihren Kindern zuzuwenden. Zuwendungsdefizit - das ist ein Stichwort auf Seite 93 der Studie, worüber viele Kinder klagen, viele Kinder auf der einen Seite, aber man kann das auch klassifizieren, in welchen Strukturen. Bei 6 Prozent der Kinder ist es dann die Situation, wenn einer arbeitet und der andere zu Hause ist, das ist die geringste Zahl. 8 Prozent der Kinder beklagen sich über Zuwendungsdefizite, wenn ein Elternteil in Vollzeit und das andere in Teilzeit arbeitet. Wenn beide Eltern in Vollzeit arbeiten, sind es schon 17 Prozent, die sich über Zuwendungsdefizite beklagen. Und wenn beide Eltern arbeitslos sind, das ist die Zahl, die überrascht, wo eigentlich Zeit da ist, da klagt in der Tat mit 28 Prozent der Kinder der höchste Prozentsatz der Kinder über Zuwendungsdefizite.

Insofern müssen wir diese Zahlen sehr genau analysieren. Ich hoffe, wir werden auch im Sozialausschuss die Zeit dazu haben. Es gibt eine ganze Menge andere Stichworte, von der Mittagessenversorgung, die beleuchtet wird, bis hin zu den Indikatoren für das gefühlte Wohlergehen, also die Frage, wie Kinder sich selber einschätzen. Auch da sage ich nur einen Punkt ganz deutlich: In der Studie wird klar gemacht, Deutschland befindet sich da im Mittelfeld. Wir haben Aufgaben nach oben hin, um zu Spitzenländern aufzuschließen, insbesondere Nordeuropa. Aber es gibt auch eine ganze Menge an vermeintlich familienfreundlichen Ländern wie Frankreich, die sich deutlich hinter uns befinden.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen und noch einen Satz sagen: Für die CDU-Fraktion steht im Mittelpunkt, wir wollen Familien helfen mit familienergänzenden und -helfenden Angeboten. Wir wollen keine familienersetzenden Angebote, wir wollen Familien in ihrer Unterschiedlichkeit ernst nehmen und ihnen helfen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Abgeordneter Döring, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, „sortieren in vermeintlich homogene Gruppen ist keine Lösung. Die Politik muss Rahmenbedingungen für das gemeinsame Lernen schaffen.“ Diese weisen Worte stammen aus dem Munde des Thüringer Kultusministers. Er hat sie erst vorgestern Abend bei einer Veranstaltung zur Reform des Förderschulwesens geäußert. Wer aber nun glaubt, unserer Landesregierung sei über Nacht eine bildungspolitische Erleuchtung in Sachen längeres gemeinsames Lernen gekommen, der irrt.

(Heiterkeit SPD)

Der Kultusminister hat vorgestern gerade noch rechtzeitig die argumentative Kurve bekommen und betont, mit dem gegliederten Schulwesen im Ganzen hätten seine Äußerungen selbstverständlich nichts zu tun.

Meine Damen und Herren, da fragt man sich doch, warum die Postulate des Herrn Goebel an der einen Stelle, wenn es nämlich um integrative Beschulung von Kindern mit Handicaps geht, wahr sind, warum sie aber an der anderen Stelle, wenn es um ein generelles Ende des viel zu frühen Aussortierens nach der Grundschule geht, von ihm zum bildungspolitischen Sündenfall ersten Grades erklärt werden. Man fragt sich auch, warum das, was an gemeinsamem Lernen aller Kinder in den Kindertagesstätten und den Grundschulen ganz selbstverständlich und Tag für Tag passiert, nicht auch nach Klasse 4 noch möglich sein soll. Die Thüringer SPD tritt jedenfalls für das längere gemeinsame Lernen aller Schüler bis mindestens Klasse 8 ein.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, sie weiß sich dabei nicht nur in Übereinstimmung mit der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung im Freistaat, mit Lehrern, Eltern und Schülern und beispielsweise mit der Wirtschaft, nein, auch die Bildungswissenschaft drängt nicht zuletzt seit den PISA-Studien, seit IGLU und den verheerenden UNO-Berichten auf tiefgreifende strukturelle Veränderungen am überkommenen deutschen Schulsystem. Ein gutes Beispiel dafür liefert die World Vision Kinderstudie. Der zentrale bildungspolitische Befund dieser Untersuchung lautet, dass sich bei ihr erneut - und diesmal auch in der Selbsteinschätzung der betroffenen Kinder - die aus vielen anderen Erhebungen bereits bekannte, äußerst hohe

soziale Selektivität des deutschen Schulsystems zeigt.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Aber in Thüringen nicht.)

Innerhalb der von der Studie erfassten Altersgruppe der 8- bis 11-Jährigen besuchen nur 1 Prozent der Kinder aus der Unterschicht Gymnasien, aber 18 Prozent der Kinder aus der Oberschicht. Diese Zahlen sagen eindeutig schon genug darüber aus, dass das gegliederte Schulsystem eben nicht nach individueller Leistungsfähigkeit selektiert, sondern lediglich die soziale Schichtung der Gesellschaft abbildet und zementiert.

Meine Damen und Herren, noch deutlicher zeigt sich aber der Effekt der Herkunftsschicht aus der individuellen Bildungsbiografie, wenn man die Kinder nach dem von ihnen gewünschten Schulabschluss fragt. Die World Vision Studie hat das getan: 49 Prozent aller befragten Kinder benennen das Gymnasium oder das Abitur als ihr schulisches Bildungsziel. Das klingt erst einmal gut. Bei Kindern aus der Unterschicht beträgt dieser Wert aber nur 20 Prozent. Bei Kindern aus der Mittelschicht schon 36 Prozent, bei den Kindern aus der oberen Mittelschicht 68 Prozent und bei Kindern aus der Oberschicht sogar 82 Prozent. Das heißt, für die sozial und materiell privilegierten Schüler ist das Abitur als perspektivischer Schulabschluss eine absolute Selbstverständlichkeit, während die sozial und finanziell benachteiligten Kinder, die ja nicht weniger klug und talentiert als die begüterten sind, in ihrer übergroßen Mehrheit an den Besuch des Gymnasiums nicht einmal zu denken wagen.

Meine Damen und Herren, solche Zahlen sind im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit und die soziale Gerechtigkeit des gegliederten Schulwesens verheerend. Dass es sich dabei nicht um statistische Ausreißer handeln kann, belegt ein anderer von der World Vision Studie erhobener Befund. Dabei sollten die befragten Schüler eine Bewertung der eigenen Leistungsfähigkeit vornehmen. Das Resultat: Kinder aus den oberen Schichten bezeichnen sich zu 70 Prozent bzw. 74 Prozent als gute bis sehr gute Schüler, in der Mittelschicht 57 Prozent und in der Unterschicht sind es nur 28 Prozent. Das zeigt, dass sich sogar schon in der Selbsteinschätzung von Kindern deutlich eingeprägt hat, welcher Schulabschluss aufgrund des eigenen Herkommens maximal erreichbar scheint. Zugleich bewerten die Kinder aus der Unterschicht mehrheitlich sich als wenig leistungsfähig, obwohl nachweislich das individuelle schulische Leistungsvermögen nicht mit der jeweiligen sozialen Herkunft korreliert.

Diese Untersuchungsergebnisse, meine Damen und Herren, fällen ein vernichtendes Urteil über das gegliederte Schulwesen. Schon Kinder übersetzen „arm“ mit „dumm“ und fügen sich bereitwillig in den ihnen aufgrund ihrer sozialen Herkunft scheinbar zukommenden schulischen Bildungsweg. Deshalb sagen wir, das frühe Aussortieren in der Grundschule ist sozial ungerecht und eindeutig müssen wir uns die skandinavischen Länder und Schulen anschauen mit ihren integrativen Bildungsgängen. Dort ist ganz selbstverständlich das Credo, kein Kind zu beschämen, niemanden zurückzulassen, und das hat mit unserem Schulwesen so wahrlich nichts zu tun und das muss sich schleunigst ändern und deshalb treten die Sozialdemokraten entschieden für längeres gemeinsames Lernen ein. Ich bin überzeugt, die CDU-Fraktion wird sich dem in der weiteren Diskussion nicht mehr verweigern können. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Vonseiten der Landesregierung Dr. Zeh bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, zuvor eine Anmerkung zu Ihnen, Frau Jung. Ich bin immer sehr verwundert, dass Sie hier Dinge einfordern, die dort, wo Sie eigentlich mit Ihrer Partei Verantwortung haben, längst hätten umgesetzt werden können. Ich will diese Feststellung machen: Sie wollen einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz von Anfang an. Ja, warum gibt es das in Mecklenburg-Vorpommern nicht, wo die PDS Verantwortung hatte, und warum gibt es das auch in Berlin nicht, wo Sie Verantwortung haben? Dort können Sie das nämlich nicht auf den Bund schieben, auf die dortige Gesetzgebung. Aber gerade hier in Thüringen, wo die Union den Rechtsanspruch einmalig in Deutschland, nämlich von dem gültigen Rechtsanspruch von drei Jahren auf zwei Jahre vorgezogen hat, dort ausgerechnet wollen Sie genau diese Familienoffensive abschaffen - das vermag ich nicht so richtig zusammenzubringen.

(Beifall CDU)

Das Zweite, Frau Jung, auch das möchte ich Ihnen sagen, auch wenn Sie sagen, das ist abgedroschen: Immerhin hat sich in den letzten Jahren seit 1990 die Zahl der Abiturienten hier verdreifacht, von 12 Prozent auf 36 Prozent, soweit ich mich erinnere. Also eine Hinterlassenschaft, die Sie zumindest auch wenigstens mal zur Kenntnis nehmen sollten, dass wir

hier viel gleichere Bedingungen geschaffen haben, als sie beispielweise in der DDR jemals vorhanden waren.

Frau Ehrlich-Strathausen, auch zu Ihnen kurz eine Vorbemerkung. Ich halte Ihre Aussage für grundsätzlich falsch. Ich halte sie deshalb für falsch, weil in der World Vision Studie nämlich keine Schlussfolgerungen direkt auf Thüringen bezogen ausgeführt worden sind. Es sind in der Tat allgemeine Aussagen, die für Deutschland gelten und die auch Probleme aufzeigen und die ich überhaupt nicht wegdiskutieren will. Aber, ich denke, wenn wir die Situation von Thüringen etwas näher betrachten wollen, dann sollten wir zumindest auch weitere Studien heranziehen. Das ist für mich beispielsweise die PISA-Studie und das ist beispielsweise auch der Familienatlas für Deutschland, der unlängst von der Bundesregierung herausgegeben worden ist. Erst in der Zusammenschau dieser Studien lassen sich aus meiner Sicht für Thüringen, für die Thüringer Situation wichtige Schlussfolgerungen ziehen, die wir so aus der World Vision Studie insgesamt nicht herauslesen können. Das heißt unter anderem, ich will das noch mal sagen, die PISA-Studie hat Thüringen in vielen wesentlichen Bildungsbereichen an dritter oder vierter Stelle platziert. Wir haben in dem Familienatlas in allen Bereichen einen vorderen Platz ausgewiesen bekommen. Ich denke, dass wir den genannten Problemen, die Sie benannt haben und die unstreitbar in Deutschland vorhanden sind, auch wirksame Mittel entgegengesetzt haben hier in Thüringen. Ich will, nachdem Sie, Frau Ehrlich-Strathausen, zwei Überschriften zitiert haben, wenigstens noch eine Kernaussage aus der World Vision Studie zitieren. Es ist sicherlich auch nur eine Kernaussage, man könnte sehr viele noch anfügen. Ich will aber diese hier zitieren, die sagt nämlich Folgendes - ich darf zitieren, Frau Präsidentin: „Die Familie stellt für Kinder die primäre Sozialisationsinstanz dar. Sie basiert auf engen und emotional gewachsenen persönlichen Beziehungen. Familie bietet im Normalfall Rückhalt, Schutz und Sicherheit und bleibt als Heimathafen auch dann bestehen, wenn im Prozess des Aufwachsens andere Sozialisationsinstanzen wie etwa Schule, sonstige institutionelle Umwelten sowie der Freundeskreis immer mehr an Bedeutung gewinnen.“

Was heißt denn das, meine sehr verehrten Damen und Herren?

1. Für Kinder ist die Familie der beste Raum für ihre Entwicklung. Wer die Familien und die Eltern stärkt, hilft auch den Kindern.

2. Nur eine Minderheit der Familien versagt bei der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder. Für diese Ausnahmefälle gilt es, besondere Hilfen des Staates auch anzubieten.

Beide Aspekte sind in der bisherigen Kinder-, Jugend- und Familienpolitik der Landesregierung gleichermaßen berücksichtigt worden.

Meine Damen und Herren, ich denke, wir sind uns einig, Eltern wissen im Allgemeinen wirklich am besten, was für ihre Kinder das Beste ist. Daher gilt es, die Eltern nach Kräften zu unterstützen, damit sie ihren grundsätzlichen Erziehungsauftrag auch wahrnehmen können. Es ist kein Zufall, dass zwei Drittel der Kinder in den neuen Ländern verheiratete Eltern haben und 61 Prozent bei ihren verheirateten leiblichen Eltern leben. Ich möchte mich ausdrücklich der Aussage meines Kollegen Panse anschließen: Die in der Öffentlichkeit schon häufig totgesagte klassische Familie ist kein Auslaufmodell, im Gegenteil, sie hat sich bewährt, wenn es heute auch verschiedene Erscheinungsformen gibt. Deshalb ist der Auftrag aus Artikel 6 des Grundgesetzes und Artikel 17 der Thüringer Landesverfassung auch weiterhin besonders wichtig, Ehe und Familie staatlicherseits besonders zu unterstützen. Genau diesem Ziel dient die Familienpolitik der Landesregierung. Die Thüringer Familienoffensive ist sichtbarer Ausdruck für die Aktivitäten der Landesregierung. Dies hat mittlerweile auch bundesweit Anerkennung gefunden.

Weiteres Ergebnis der neuen Studie ist z.B., dass Eltern und Kinder überwiegend ein gutes Verhältnis zueinander haben, auch wenn Eltern bisweilen dankbar für Unterstützungsangebote sind.

Ein wichtiges Ziel der Familienoffensive ist daher die Verstetigung von Familienbildungs- und -unterstützungsleistungen, unabhängig von der staatlichen Kassenlage. Deshalb sind die Gründung der Stiftung „FamilienSinn“, auch die Stabilisierung der Kindertagesstättenfinanzierung und das Thüringer Erziehungsgeld wichtige Instrumente, um dieses Ziel zu erreichen.

Die Studie stellt außerdem erneut fest, dass das wichtigste Gegenmittel gegen drohende Armut die Erwerbstätigkeit der Eltern ist. Dies ist keine völlig neue Erkenntnis, das ist völlig klar, dementsprechend, aber auch aus anderen Gründen wird die Möglichkeit zum Besuch von Betreuungs- und Erziehungseinrichtungen als wichtiges Politikziel genannt. Aber auch in dieser Hinsicht ist Thüringen nach allen vorliegenden Vergleichen vorbildlich. Thüringen hat das beste Angebot und die höchste Ganztagsbetreuungsquote im Kindertagesstätten- und Hortbereich bundesweit. Zwei Drittel der Mütter in Thüringen sind erwerbstätig. Ich stimme den Autoren dieser Studie ausdrücklich zu, wenn sie sagen, dass eine regelmäßige Erwerbsarbeit der Eltern aus Sicht der Kinder nicht grundsätzlich zur Vernachlässigung führt. Die Erwerbssituation ist allerdings nur ein einziger, wenn auch sehr wichtiger Faktor.

Unstreitig dürfte als Konsequenz aus diesen Ergebnissen festzuhalten sein, dass die beste Methode, dem Kindeswohl zu entsprechen, die ist, den Eltern auch die Wahlfreiheit zu geben zwischen den Betreuungsformen in und außerhalb der Familie. Es ist für mich vollkommen unverständlich, wenn die Wahlfreiheit der Eltern von einigen Kritikern dann fortwährend beargwöhnt wird, wenn die Eltern auch tatsächlich davon Gebrauch machen wie etwa beim Thüringer Erziehungsgeld. Die Kritik, die Sie daran üben, dass dieses Erziehungsgeld gezahlt wird, kann ich nicht nachvollziehen. Konsequenterweise wäre nach Ihrer Denkungsweise demnach auch der Kinderzuschlag völlig verfehlt. Es wäre auch im Hartz IV nachzudenken, ob die Leistungen, die für Kinder vorgesehen sind, in Geld bezahlt werden. Ich denke, hier könnte man ja auch in der Diskussion sagen, das würde von den Betroffenen nicht sachgerecht und verantwortlich eingesetzt und man könnte sich vorstellen, dass durch unbare Mittel dieses ersetzt wird. Ich kann diese Logik nicht nachvollziehen. Das Erziehungsgeld ist für mich ein wichtiges Instrument, auch um Kinderarmut wirksam zu begegnen.

(Beifall CDU)

Ich wehre mich entschieden gegen die Unterstellung, dass sozial schlechter gestellte und schwache Familien sich weniger konsequent und weniger verantwortlich um ihre Kinder kümmern würden.

Meine Damen und Herren, Tatsache ist, die Landesregierung hat einen Beitrag geleistet und gute Rahmenbedingungen für Kinder geschaffen. Dies ist eine kontinuierliche Aufgabe der Politik aller Verantwortlichen, daher müssen wir unsere kinder- und familienfreundliche Politik konsequent fortsetzen und weiterentwickeln im Interesse der Familien in Thüringen. Vielen Dank.