Protocol of the Session on November 15, 2007

Doch auch über die Wohnbauförderung hat die Landesregierung die Rahmenbedingungen für mehr Lebensqualität verbessert. Besonders hervorzuheben ist die überproportionale Berücksichtigung des ländlichen Raums bei der Förderung von eigentumbildenden Maßnahmen im Wohnungsbau. Im Zeitraum von 1991 bis 2006 sind insgesamt 3,5 Mrd. € als Darlehen in Thüringen bereitgestellt worden, wovon der größte Teil den ländlichen Räumen zugute gekommen ist. Für die Erhaltung von Schulgebäuden werden den Schulträgern durch das Land gegenwärtig 22,2 Mio. € zur Verfügung gestellt.

Dennoch, verehrte Abgeordnete, reichen die Mittel aufgrund der Finanzlage der Kommunen nicht aus, um den kommunalen Schulträgern alle erforderlichen Investitionen im Schulbau zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund wird derzeit unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände an einer Änderung des Verteilungsschlüssels gearbeitet. Bei Grundschulen wäre demnach auch weiterhin eine Flächenkomponente zu berücksichtigen, während für die übrigen Schularten eine Verteilung allein über die Schülerzahl vorgesehen wird. Dies trägt den überwie

gend im ländlichen Raum auftretenden Folgen der demographischen Entwicklung Rechung und verfolgt die Zielstellung einer wohnortnahen Grundschule sowie einer angemessenen Standortkonzentration bei den übrigen Schulen.

Verehrte Anwesende, auch die Sicherung und Erhaltung der Infrastruktur im ländlichen Raum, insbesondere der Verkehrsinfrastruktur, waren, sind und bleiben von enormer Bedeutung. Im öffentlichen Personennahverkehr wurden allein in den letzten sechs Jahren 1,6 Mrd. € für die Leistungen im Schienenpersonen- und Straßenpersonennahverkehr aus Bundes- und Landesmitteln bereitgestellt. Darin enthalten sind auch die Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für den ÖPNV, deren Größenordnung von 1991 bis 2006 allein 616 Mio. € betrug. Die Ausgaben für Investitionen bei Bundesfern- und Landstraßen betrugen 2001 bis 2006 zusammen 3,3 Mrd. €. Für den kommunalen Straßenbau wurden im gleichen Zeitraum 233 Mio. € bereitgestellt, wobei rund 70 Prozent davon aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz stammen.

Verehrte Abgeordnete, die wettbewerbsfähige Land- und Ernährungswirtschaft in Thüringen sichert und schafft Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Dies verdanken wir in erster Linie den Menschen, die den Neubeginn gewagt haben und durch deren Engagement leistungsfähige Agrar- und Gartenbaubetriebe, moderne Molkereien sowie wettbewerbsfähige Schlacht- und Verarbeitungsstätten entstanden sind. Neben dem Gestaltungswillen der Bürger sind es vor allem die Rahmenbedingungen, die diese positive Entwicklung ermöglicht haben. Auch künftig wird das Ziel unserer Agrarpolitik sein, den Rahmen, den Bund und EU vorgeben, durch landesspezifische Schwerpunktsetzung so auszugestalten, dass die Unternehmen im Wettbewerb auf den Märkten gestärkt werden. Wir setzen uns weiterhin für verlässliche Rahmenbedingungen ein, um unseren Betrieben Planungssicherheit zu geben. Die neuen globalen Herausforderungen führen dazu, dass sich für den Agrarbereich neue Perspektiven ergeben. Die Ursachen dafür liegen in der wachsenden Weltbevölkerung und der zunehmenden Nachfrage nach höher veredelten Lebensmitteln, dem sich abzeichnenden Ende des Ölzeitalters, der Industrialisierung der Schwellenländer wie China und Indien, die mit einem großen Entzug von landwirtschaftlichen Flächen sowie andererseits einer erhöhten Nachfrage nach Lebensmitteln einhergeht, dem Klimawandel, in dessen Folge Ernten wachsenden Risiken ausgesetzt sind. Die Folgen dieser Veränderungen sind auf den Agrar- und Rohstoffmärkten zunehmend spürbar.

Die Landwirtschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein wichtiges Glied der Wertschöpfungskette im ländlichen Raum. Erfreulich ist, dass

die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft von 19.700 € im Jahr 1995 auf 23.400 € im Jahre 2006 gesteigert werden konnte. Auch als Arbeitgeber erfüllt sie eine wichtige Funktion. Mit ca. 27.200 Beschäftigten im Jahr 2006 hatte der Bereich Land- und Forstwirtschaft einen Anteil von 2,7 Prozent an allen Erwerbstätigen in Thüringen. Der Anteil an Frauen betrug dabei 29 Prozent und lag somit höher als im produzierenden Gewerbe.

(Beifall CDU)

Die Entwicklung wäre ohne Investitionen in der Landwirtschaft nicht möglich gewesen. Die Investitionsförderung hat vorrangig zwei Ziele: die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung sowie die Verbesserung des Umwelt- und Tierschutzes als gesellschaftliche Anforderung, welche über den Markt nicht vergütet werden. Seit dem Jahr 2000 wurden aus den entsprechenden Förderprogrammen des Ministeriums jährlich 34 Mio. € eingesetzt und damit 80 Mio. € Investitionsvolumen auf den Weg gebracht. Insgesamt 8.700 Arbeitsplätze wurden gesichert oder geschaffen. Dabei sind Folgeeffekte in Bau- und Ausrüstungsfirmen noch gar nicht berücksichtigt. Im Mittelpunkt der Förderung stand die Tierhaltung als Zweig der Landwirtschaft mit den meisten Arbeitsplätzen und der höchsten Wertschöpfung. Wichtige Voraussetzung ist die ausreichende tierärztliche Versorgung der Tierbestände. Derzeit sind in Thüringen 575 Tierärztinnen und Tierärzte tätig. Davon arbeiten 391 als praktizierende Tierärzte, die 35 reine Großtierpraxen bzw. 205 gemischte Groß- und Kleintierpraxen betreiben. Die Erhaltung und Verbesserung der Tiergesundheit erfordert auch eine sichere Labordiagnostik zur schnellen Erkennung von Krankheiten und Tierseuchen. Hier hat das Land in den vergangenen Jahren mit dem Neubau des Thüringer Landesamts für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz ein umfangreiches Investitionsprogramm in Höhe von etwa 60 Mio. € aufgelegt. Mit der Konzentration der Untersuchungskapazitäten an einem Standort und Ausrüstung mit der neuesten Labortechnik sind die Voraussetzungen für eine effektive und genaue Diagnosestellung, auch als Unterstützung für den praktizierenden Tierarzt, gegeben.

Verehrte Anwesende, unser Ziel ist es, den Weg der Investitionsförderung mindestens bis zum Jahre 2013 fortzusetzen. Wir wollen Anreize dafür schaffen, die ein Investitionsvolumen von einer halben Mrd. € auf den Weg bringen. Gleichzeitig wird die Effektivität und die Effizienz der Förderung verbessert. Zudem erfolgt eine Konzentration der Förderung auf die Unternehmen, die durch ihre Entwicklung nachgewiesen haben, dass sie auch zukünftig Arbeitsplätze sichern und Wertschöpfung im ländlichen Raum halten. Ein Schwerpunkt der zukünftigen Förderung liegt ne

ben der Tierhaltung auf Investitionen in nicht landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Damit sollen die landwirtschaftlichen Unternehmen dabei unterstützt werden, neue Beschäftigungs- und Wertschöpfungspotenziale zu erschließen.

Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft geht jedoch über die von mir genannten Zahlen weit hinaus. Ich verweise hier auf die enge Verknüpfung der landwirtschaftlichen Primärproduktion mit den vor- und nachgelagerten Bereichen und nenne hier vor allem die Thüringer Ernährungswirtschaft. Die Unterstützung durch den Freistaat Thüringen hat nachweislich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhöht. Seit 1991 wurden mit 285 Mio. € Fördermitteln 707 Mio. € Gesamtinvestitionen ausgelöst. Auch in dem stark wachsenden Bereich der ökologischen Landwirtschaft gibt es positive Beispiele für den Ausbau von Wertschöpfungsketten. Stellvertretend nenne ich das Netzwerk ökologischer Landbaubetriebe Eichsfeld. Hinter den in dem Verein organisierten 31 Mitgliedsbetrieben stehen über 1.300 ha Fläche.

Liebe Abgeordnete, die Thüringer Landwirtschaft steht für eine umweltverträgliche Produktion von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen. Unser Ziel ist es, eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft mit umweltverträglichen Wirtschaftsweisen in Einklang zu bringen.

(Beifall CDU)

Zu den wichtigsten Förderinstrumenten der Thüringer Agrarpolitik zählen die Agrarumweltmaßnahmen und die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete. Gegenwärtig erreichen wir mit diesen Förderprogrammen rund 40 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen im Freistaat Thüringen. Damit konnten wir beispielsweise erreichen, dass auf Grenzstandorten die tiergebundene Pflege aufrechterhalten wird. Ohne diese Fördermittel wären die Landbewirtschaftung und der Erhalt unserer attraktiven, vom Offenland geprägten Kulturlandschaft, unmöglich. Neben der Produktion von Nahrungsmitteln gewinnt die umweltverträgliche Produktion von nachwachsenden Rohstoffen eine zunehmende Bedeutung. Der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen erfolgt heute bereits auf 16 Prozent der Ackerflächen. Thüringen liegt mit einem Anteil von 11,8 Prozent erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt. 87 Prozent der erzeugten regenerativen Energien stammen aus der Biomasse. Um bis 2020 in Thüringen 25 Prozent des Primärenergieverbrauches über regenerative Energieträger bereitzustellen, muss die Nutzung der Biomasse nochmals verdoppelt werden.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, stärker als bei anderen alternativen Energieformen verbleibt die Wertschöpfung aus Bioenergie im ländlichen Raum. Die wirtschaftliche Bedeutung zeigt sich in folgenden Zahlen: Im Bereich der Biogaserzeugung wurden bisher ca. 125 Mio. € investiert. Im Jahr 2006 betrug das geschätzte Investitionsvolumen 64 Mio. €. Damit versorgen die Thüringer Biogasanlagen in Thüringen 80.000 bis 90.000 Haushalte mit Strom. Durch den Anbau und die Verarbeitung einschließlich Logistik der Rapsölkraftstoffe wurden 500 Arbeitsplätze geschaffen. Daher gilt es, gezielte Handlungsempfehlungen zur Markteinführung bzw. Marktanteilausweitung zu geben. Einen wesentlichen Beitrag dazu soll das Thüringer Bioenergieprogramm und die jetzt anlaufende Bioenergieberatung Thüringen - kurz BIOBETH - leisten.

Verehrte Anwesende, die Nachwuchsgewinnung, Aus- und Weiterbildung ist für die Zukunft der Landwirtschaft wesentlich. Die Gewinnung geeigneter Nachwuchskräfte ist eine wichtige Aufgabe, vor der die Betriebe vor allem aufgrund des demographischen Wandels stehen. Im Jahr 2006 wurde mit 353 neuen Ausbildungsverträgen für die Berufe Land- und Tierwirt die höchste Zahl seit der Wende erreicht, wurden in allen landwirtschaftlichen Berufen ca. 650 Azubis neu eingestellt. Dies gelang durch die Beteiligung des Thüringer Bauernverbandes an der Thüringer Ausbildungsinitiative und durch die vielen Maßnahmen zur Imageverbesserung und Berufswerbung. Die hochwertige Aus- und Weiterbildung in der überbetrieblichen Ausbildungsstätte für Land- und Hauswirtschaft in Schwerstedt, in der Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau in Erfurt und der Fachschule für Agrar- und Hauswirtschaft in Stadtroda gehören dazu.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Die wollen dort noch etwas bauen.)

Beleg für die Qualität unserer Ausbildung in Thüringen ist, dass seit dem Jahr 2001 die überbetriebliche Ausbildung aller Auszubildenden Gartenbau für Thüringen und Hessen zentral in der Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau erfolgt. Allein im Jahr 2006 nahmen daran 2.018 Azubis teil, davon 1.315 aus Hessen. Diese länderübergreifende Kooperation ist bundesweit beispielgebend.

Verehrte Abgeordnete, neben der Landwirtschaft ist die Forstwirtschaft eine tragende Säule im ländlichen Raum. Mit ca. 550.000 Hektar Waldanteil - das sind 34,3 Prozent der Landesfläche - ist Holz der bedeutendste nachwachsende Rohstoff in Thüringen. Die Branchen Forst und Holz stellen rund 45.000 Arbeitsplätze. Verglichen mit anderen Wirtschafts

zweigen liegt der Bereich Forst und Holz mit Umsätzen von über 2 Mrd. € pro Jahr im vorderen Drittel.

(Beifall CDU)

Die Förderung der Forstwirtschaft und Waldbesitzer ist somit ein Beitrag zur wirtschaftlichen Stärkung der ländlichen Räume. Nicht zu unterschätzen ist das Einkommen, das ein großer Teil der Waldbesitzer aus ihrem Wald bezieht. Schätzungsweise 120.000 Thüringer ziehen aus ihrem Waldeigentum einen wirtschaftlichen Nutzen, der zum Lebensunterhalt ihrer Familien einen oft wesentlichen Beitrag leistet. Der Verbesserung der Einkommenssituation im ländlichen Raum dient auch das Initiativprojekt „Privatwaldförderung Thüringen“ im Juni 2006. Hier wurde ein zukunftsweisender Weg der Zusammenarbeit zwischen Waldbesitzern, Forstverwaltung und Holzindustrie beschritten.

Verehrte Abgeordnete, die forstliche Ausbildung hat in Thüringen eine über 400-jährige Tradition. Neben dem Bewährten, wie der Ausbildung von jungen Menschen zu Forstwirten im forstlichen Bildungszentrum in Gehren, ist es auch notwendig, neue Wege zu gehen. Der bisherige Studiengang zum Forstinspektorenanwärter an der Fachhochschule in Schwarzburg wird 2008 beendet. In einem geänderten Konzept konnte ein neuer Bachelorstudiengang „Forstwirtschaft und Ökosystemmanagement“ an der Fachhochschule Erfurt im Rahmen des Campus Thüringen platziert werden. An der Fachhochschule in Erfurt haben sich in diesem Jahr für das Wintersemester 2007/2008 bereits 67 Studenten für den neuen Studiengang immatrikuliert. Der neue Studiengang wird in enger Kooperation mit der Thüringer Forstverwaltung durchgeführt. Ziel ist es nach wie vor, die Studenten praxisnah auszubilden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, keiner hätte geglaubt, dass es uns gelingt, auf Anhieb so viele Studentinnen und Studenten für diesen neuen Studiengang zu begeistern. Wir hatten mit 40 gerechnet, maximal 50.

(Beifall CDU)

Es waren 67 bei über 120, die sich darum beworben hatten. Natürlich kennen Sie die Verfahren, die eingeleitet werden, nicht jeder ist geeignet, manche haben sich auch doppelt beworben.

Verehrte Abgeordnete, Thüringen hat eine reichhaltige Natur- und Kulturlandschaft. Sie gibt unserem Land seine kulturelle Identität und macht seinen besonderen Reiz aus. Insbesondere die ländlichen Räume mit einer besonderen Naturausstattung sind für Erholung Suchende attraktiv; sei es die Rhön mit ihren großflächigen Schafhutungen, das Thüringer

Grabfeld mit seinen Streuobstwiesen oder der Thüringer Wald mit seinen blütenreichen Bergwiesen. Einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung dieser Kultur- und Naturlandschaft leistet das Europäische Schutzgebietssystem „Natura 2000“. Mit der Ausweisung von Natura-2000-Gebieten wird ein europaweit zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten geschaffen. Damit wird den Arten, für die Europa besondere Verantwortung trägt, das Überleben langfristig ermöglicht und so die biologische Artenvielfalt erhalten. Thüringen hat mit einem Anteil von 16,8 Prozent der Landesfläche einen im Vergleich der deutschen Bundesländer vorzeigbaren Beitrag geleistet. Mit der Meldung konnte dieses landesweite Naturschutzvorhaben in Konsens mit allen Beteiligten erfolgreich abgeschlossen werden.

Mit dem Programm „Entwicklung von Natur und Landschaft“ können die Schwerpunkträume des Naturschutzes, so in den nationalen Naturlandschaften oder in den Natura-2000-Gebieten, Maßnahmen wirkungsvoll gefördert werden, die für die Natur und für die hier lebenden Menschen von Vorteil sind. Ich denke hier an die Verbesserung der Infrastruktur in den Schutzgebieten oder an das eben begonnene Pilotprojekt zur Energieholznutzung von bei der Landschaftspflege anfallenden Holzmengen. Die nationalen Naturlandschaften in Thüringen, also die Thüringer Naturparke, die beiden Biosphärenreservate Rhön und Vessertal und der Nationalpark Hainich, sehe ich als ein geeignetes und modernes Instrument des Thüringer Naturschutzes, um sich in eine nachhaltige regionale Entwicklung einzubringen.

(Beifall CDU)

Die beiden Thüringer Biosphärenreservate und die vier Thüringer Nationalparke sollen sich zu Modellregionen entwickeln, in denen beispielhaft und mit regionalem Bezug nachhaltige Methoden der Landnutzung, der Siedlungsentwicklung, der gewerblichen Nutzung und nicht zuletzt des Fremdenverkehrs entwickelt und erprobt werden.

Lassen Sie mich das am Beispiel des Tourismus skizzieren. Der sichtbare Schutz der natürlichen Ressourcen und der Biodiversität ist gerade im Segment des anspruchsvollen Tourismus längst zu einem Qualitätsmerkmal geworden. Nach einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Emnid ist es für 54 Prozent der Urlauber bei der Auswahl des Reiseziels entscheidend, Natur unmittelbar erleben zu können. 88 Prozent der Befragten halten die Existenz von Naturparken, Biosphärenreservaten und Nationalparken für wichtig und sehr wichtig. Nationale Naturlandschaften liegen also im Reisetrend. Nationale Naturlandschaften haben einen messbaren Wertschöpfungseffekt. Gerade in strukturschwachen ländlichen Räumen leisten sie einen beachtlichen Bei

trag für die regionale Wirtschaft und helfen Arbeitsplätze zu erhalten und zu sichern.

(Beifall CDU)

Ich darf, verehrte Abgeordnete, in diesem Zusammenhang an das 10-jährige Jubiläum des Nationalparks Hainich in diesem Jahr erinnern. 1997 hat der Tourismus im Hainich praktisch noch keine Rolle gespielt. Innerhalb von nur zehn Jahren hat er sich in der bundesweiten Wahrnehmung neben dem Rennsteig und den klassischen Kulturstädten zu einem der bekanntesten Tourismusziele in Thüringen entwickelt. Der Baumkronenpfad hat in den zwei Jahren seines Bestehens über eine halbe Million Besucher angezogen. Ich bin mir sicher, verehrte Damen und Herren, dass die im Oktober dieses Jahres von der Thüringer Landesregierung beschlossene Unterstützung eines Nationalparkzentrums an der Thiemsburg ein Erfolg wird. Der Nationalpark Hainich ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass man Naturschutz nur gemeinsam mit den Menschen machen kann; denn Mensch und Natur gehören zusammen.

(Beifall CDU)

Verehrte Abgeordnete, zur Bewahrung unserer Lebensgrundlagen und Ressourcen im ländlichen Raum gehört ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Naturelement Wasser. Wenn ich mir vor Augen halte, was wir seit 1990 auf dem Gebiet des Gewässerschutzes erreicht haben, so können wir stolz darauf sein, wohl wissend, dass wir im Rahmen der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie noch ein gutes Stück Arbeit vor uns haben. Es wird erforderlich sein, die Gewässer durch strukturverbessernde Maßnahmen sichtbar aufzuwerten. Dies kann im Sinne einer maßvollen und kosteneffizienten Umsetzung nur schrittweise erfolgen. Darum wurden hierfür zunächst geeignete Schwerpunktgewässer ausgewählt. Dies sind Gewässer, bei denen ohne maßgebliche Konflikte eine positive Entwicklung ermöglicht und zudem positive Effekte für den Naturschutz, den Hochwasserschutz oder den Tourismus erreicht werden können. Gewässerschutz leistet einen aktiven Beitrag zur Aufwertung der Attraktivität und ökologischen Funktion der ländlichen Räume. Wir haben bisher einiges erreicht, dürfen aber auf unserem Weg nicht stehen bleiben. Insbesondere im Bereich Abwasser ist mit der weiteren Erhöhung des Anschlussgrades an kommunale Kläranlagen noch viel zu tun. Auch in der Landwirtschaft können wir mit Cross Compliance und der Umsetzung von Agrarumweltmaßnahmen einen Beitrag leisten.

Für ein Thema, verehrte Abgeordnete, welches uns lange beschäftigt hat, scheint nun endlich eine Lösung greifbar zu werden: die herrenlosen Speicher. In Thüringen gibt es derzeit noch knapp 60 solcher

herrenloser Speicher, deren ordnungsgemäße Unterhaltung leider bisher nicht gesichert war. Dabei handelt es sich vorrangig um Anlagen, die im Auftrag der ehemaligen Räte der Kreise auf privaten Grundstücken zum Zwecke der Bewässerung errichtet wurden. Mit dem Gemeinde- und Städtebund haben intensive Gespräche stattgefunden, um dieses Problem endlich zu lösen. Welche Lösung wird nun präferiert? Die Anlagen befinden sich ausschließlich an Gewässern 2. Ordnung. Damit liegen sie im Zuständigkeitsbereich der Kommunen. Die Kommunen können aber die Kosten für die Sanierung und den Unterhalt nicht selbst tragen. Wir haben deshalb folgendes Konzept: Die Anlagen werden je nach Verwendungszweck durch das Land zurückgebaut bzw. saniert. Danach sollen die Anlagen in die Unterhaltung der Kommunen übergehen. Eine angemessene Förderung bzw. ein angemessener finanzieller Ausgleich wird den betroffenen Kommunen zugesichert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Abgeordnete, eine wichtige Aufgabe ist die Errichtung und Erneuerung der Infrastruktur im Bereich der Abwasserentsorgung. 1990 wurde Abwasser lediglich von ca. 43 Prozent der Thüringer Bürger in kommunalen Kläranlagen behandelt. Historisch bedingt war dies der niedrigste Anschlussgrad in allen neuen Bundesländern. Heute verfügen alle gemeindlichen Gebiete mit mehr als 2.000 Einwohnerwerten in Thüringen über eine kommunale Kläranlage. Auch in kleineren Gemeinden ist bereits eine Vielzahl von kommunalen Kläranlagen errichtet worden, so dass aktuell von ca. 68 Prozent der Thüringer Bürger das Abwasser in kommunalen Kläranlagen entsprechend der rechtlichen Vorgaben nach dem Stand der Technik gereinigt wird. Wie Sie sehen, bleibt auch in diesem Bereich noch viel zu tun. Gerade im ländlichen Raum hat die demographische Entwicklung einen erheblichen Einfluss auf die Kosten einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung. Als eine mögliche Reaktion hierauf können dauerhaft funktionierende Kleinkläranlagen angesehen werden. Doch nur wenige der vorhandenen Kleinkläranlagen reinigen das Abwasser heute nach dem Stand der Technik und können somit als zuverlässige Alternative zur zentralen Abwasserentsorgung betrachtet werden. Der bauliche Zustand der alten Anlagen stellt nicht selten eine Gefährdung für den Betreiber selbst dar. Andererseits lassen sich insbesondere in ländlichen Räumen Thüringens öffentliche Abwasserbehandlungsanlagen mitunter nicht wirtschaftlich errichten bzw. im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung nicht dauerhaft auslasten. Hier können insbesondere Kleinkläranlagen eine Ergänzung oder Alternative zur zentralen Abwasserentsorgung sein. Es gilt somit, neben der weiteren Entwicklung der zentralen Entsorgung auch die dezentrale Abwasserentsorgung als eine Variante so auszugestalten, dass bei nachzuweisender Wirtschaftlichkeit des Einsatzes

von Kleinkläranlagen auch die gesetzlich vorgegebenen Anforderungen dauerhaft eingehalten werden können.

Verehrte Abgeordnete, dies stellt keine Abkehr vom Grundprinzip der öffentlichen Entsorgung dar, sondern es ist eine Ergänzung zur rechten Zeit. Im Rahmen der Novelle des Thüringer Wassergesetzes wird ein Vorschlag über die Einsatzmöglichkeiten von Kleinkläranlagen unterbreitet.

Verehrte Damen und Herren, wir haben bereits viel für die ländlichen Räume erreicht. Darauf können wir stolz sein. Doch die beachtlichen Entwicklungen und Erfolge dürfen nicht zur Selbstzufriedenheit verleiten. Die ländlichen Räume in Thüringen stehen vor neuen Problemen und Herausforderungen. Ich wiederhole daher, die Zukunft der ländlichen Räume wird maßgebend von einem spürbaren Rückgang der Bevölkerung sowie einer deutlichen Zunahme des Anteils der Senioren bestimmt sein. Von den Folgen dieser Entwicklung werden vor allem die strukturschwachen ländlichen Räume besonders betroffen sein. Eins ist klar, verehrte Abgeordnete, Alleingänge werden das Problem nicht lösen. Nur mit regional abgestimmten Strategien, durch gemeinschaftliches Denken und Handeln kann diesen Herausforderungen begegnet werden. Alle Akteure in den ländlichen Räumen sind gefordert, ein ganzheitliches Konzept für die Zukunftsfähigkeit ihrer ländlichen Räume zu entwickeln. Ganzheitliche Lösungen für den ländlichen Raum können nur gemeinsam entstehen, das heißt, unter Mitwirkung der Landesregierung, der Landkreise und Kommunen, der regionalen Planungsgemeinschaften, der Wirtschaft, der Verbände und vor allen Dingen der Bürger. Ziel der Landesregierung ist es nach wie vor, den ländlichen Raum als eigenständigen Lebensraum zu stärken, zukunftsfähig zu machen und seine Attraktivität zu erhalten und zu entwickeln.

(Beifall CDU)

Ziel ist eine ausgewogene Entwicklung aller Räume in Thüringen, bei der sich Städte und Dörfer im ländlichen Raum als Partner ergänzen. Am Grundsatz der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse wird also festgehalten. Ich betone dies ausdrücklich: Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Räumen waren und bleiben Ziel der Landesregierung. Gleichwertige Lebensräume, Lebensverhältnisse zu erreichen bedeutet, individuelle Talente oder teilräumliche Potenziale eines Teilraums zu identifizieren und differenziert zu unterstützen. Dabei ist aber zu beachten, dass die Teilräume weder räumlich noch zeitlich statisch sind. Stattdessen gilt es, handlungs- und aufgabenbezogen vorzugehen und die Entwicklung in den Teilräumen unter Beachtung des demographischen Wandels mit den dafür jeweils am

besten geeigneten Förderprogrammen der Ressorts abzustimmen und voranzubringen. Die weitere Entwicklung unserer ländlichen Räume erfordert hierfür einen integrativen Ansatz, der insbesondere dazu beiträgt, qualifizierte Arbeitskräfte und junge Familien im ländlichen Raum zu halten und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen, die Einrichtung der Grundversorgung ebenso wie die technische, soziale, medizinische und Bildungsinfrastruktur langfristig zu sichern sowie eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Land- und Forstwirtschaft zu ermöglichen und die natürlichen Ressourcen und das ökologische Potenzial unserer ländlichen Räume zu erhalten.

Verehrte Anwesende, liebe Abgeordnete, dies war neben den Rahmenbedingungen in der neuen Förderperiode und der knapper werdenden Finanzmittel Grund für eine strategische Neuausrichtung der integrierten ländlichen Entwicklung in Thüringen. Dabei kommt der Verzahnung der integrierten ländlichen Entwicklung mit der LEADER-Methode zu einem innovativen Entwicklungsansatz nach dem Prinzip „Eigeninitiative - Kooperation - Innovation“ eine entscheidende Rolle zu. Über das ehemalige Programm LEADER-PLUS wurden rund 22,7 Mio. € an Mitteln ausgereicht. Fast der gesamte ländliche Raum in Thüringen war LEADER-PLUS-Gebiet. Über 200 Akteure haben sich engagiert und fast 1.000 Projekte einer Förderung zugeführt. 100 Frauen und 71 Männer haben durch LEADER-PLUS einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Das Färberdorf Neckeroda, die Gedenkstätte Point Alpha oder der Baumkronenpfad sind eindrucksvolle Beispiele, wie regionale Besonderheiten als Chancen und Perspektiven begriffen werden. Die Verzahnung der integrierten ländlichen Entwicklung mit der LEADER-Methode zu einem innovativen Entwicklungsansatz für die ländlichen Räume stellt eine neue Herausforderung und Chance dar. Gefragt sind regionale Verantwortungsgemeinschaften aus öffentlichen und privaten Akteuren, die ausgestattet mit Entscheidungskompetenz und Finanzmitteln für die ländliche Entwicklung agieren. Akteure aus ländlichen Vereinen, Landwirtschaftsbetrieben und der Lokalpolitik, die ihre Region gestalten und entwickeln wollen, finden sich in Regionalen Aktionsgruppen zusammen und erarbeiten regional angepasste Entwicklungsstrategien. Die Auswahl der Regionalen Aktionsgruppen erfolgt in einem offenen Wettbewerb. Organisation und Durchführung obliegen einem unabhängigen Bewertungsausschuss, dem LEADER-Beirat. Bisher, verehrte Abgeordnete, wurden 13 Regionale Aktionsgruppen in Thüringen vorläufig anerkannt. Die endgültige Anerkennung der Regionalen Aktionsgruppen ist im Dezember 2007 vorgesehen und ich bin zuversichtlich, dass es dann 15 Regionale Aktionsgruppen sind, die über Thüringen verteilt sein werden.

(Beifall CDU)