Protocol of the Session on November 15, 2007

Das geht nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, und Sie tun der öffentlichen Diskussion keinen Gefallen, wenn Sie immer wieder hier behaupten, das Verfassungsgericht hätte uns als Gesetzgeber untersagt, den Kommunen besondere Finanzzuweisungen zuzuerkennen. Was hat denn das Verfassungsgericht gesagt? Das Verfassungsgericht hat gesagt, sie können überhaupt nicht bewerten, ob das Land Thüringen die Kommunen angemessen ausstattet, und zwar so angemessen, dass sie nicht nur die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises erfüllen können, sondern auch die Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises. Und damit war die Verbundquote nicht bewertbar. In einer solchen Situation hat das Gericht gesagt, wenn nicht zu bewerten ist, ob die Kommunen die Mindestausstattung an Finanzen haben, hat sich das Land in der Zweckbindung von Finanzmitteln zurückzuhalten. Um es einfach zu formulieren - ich versuche ja immer noch, Sie zu überzeugen, deswegen formuliere ich es einfach -, wenn wir die Kommunen nicht angemessen ausstatten können, dann sollen die Kommunen wenigstens selbst entscheiden können, wie sie mit den geringen Finanzmitteln zurechtkommen.

Jetzt hat aber Ihre eigene Landesregierung, meine Damen und Herren von der CDU, uns vorgelegt, dass sie angeblich die Kommunen mit einer Mindestausstattung versehen haben, haben dazu eine sehr merkwürdige Berechnungsmethode gemacht, indem man die Ist-Ausgaben als Bedarf definiert hat mit der Korridorbildung usw. Und darauf hat Ihre Landesregierung

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Biblio- theken!)

einen Zuschlag gemacht, nämlich für freiwillige Aufgaben, und nennt das dann nicht mehr Mindestausstattung, sondern angemessene Ausstattung. In diesen Bereichen bewegen wir uns mit unserem Vorschlag des kulturellen Lastenausgleichs und in dieser Frage bewegt sich auch der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf. Dort ist uns natürlich freigestellt, dass wir Zweckbindungen aussprechen, wenn wir die Mindestausstattung der Kommunen sichern. Nicht mehr und nicht weniger verlangen wir. Wir halten uns an das Urteil des Verfassungsgerichts, wir interpretieren es aber nicht boshaft fehlerhaft. Wenn Sie ein großes Interesse haben und Klagen der Kommunen verhindern wollen, dann sorgen Sie dafür, dass im Gesetzgebungsverfahren die Bedarfsermittlung ordnungsgemäß erfolgt, dass die Korridorbildung noch mal einer kritischen Sicht unterliegt. Dann haben die Kommunen - das haben nicht wir errechnet - die kommunalen Spitzenverbände -, die hat Herr Schwäblein hier hochgehalten, dass sie beteiligt werden sollen - nachgewiesen, 348 Mio. € müsste die Finanzausgleichsmasse ansteigen, dann brauchen wir auch nicht um die Finanzierung von Bibliotheken zu streiten. Das ist die Wahrheit und das müssen Sie machen, unabhängig von der Finanzsituation des Landes. Hören Sie also auf, sich hinter dem Verfassungsgericht zu verstecken, sondern sagen Sie hier ehrlich, Sie wollen ein langsames Sterben der Bibliotheken in diesem Land haben. Dann wissen die Leute, wie sie demnächst zu entscheiden haben. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht mehr vor. Dann hat für die Landesregierung Minister Prof. Dr. Goebel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie erlauben, möchte ich wieder zum Beratungsgegenstand dieses Tagesordnungspunkts zurückkommen und zugleich auch noch einmal Bezug nehmen auf die Rede von Herrn Bundespräsidenten Köhler anlässlich der Wiedereröffnung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Da umriss er die Bedeutung und den Versorgungsgrad öffentlicher Bibliotheken. Ich zitiere einen kurzen Auszug seiner Einschätzung: „Bibliotheken bilden“ - so Bundespräsident Köhler - „in Deutschland ein flächendeckendes Netz und das ist gut. Bibliotheken fördern die Kompetenz, sich selbstständig den Zugang zu Informationen in allen medialen Formen zu beschaffen. Bibliothekarinnen und Bibliothekare bieten Orientierungen

in realen und virtuellen Medienwelten. Auch im unendlichen Meer des Internets sind Bibliothekare und Bibliotheken hilfreiche und kompetente Lotsen.“ - so der Bundespräsident. Ja, meine Damen und Herren, so ist es gerade auch hier in Thüringen und ich bin mit Ihnen allen einer Meinung, so soll es bleiben. Bevor man allerdings in die Details geht, gilt es in der Tat, sich mit der Grundsatzfrage zu beschäftigen: Braucht der Freistaat dafür ein Bibliotheksgesetz? Diese Frage muss beantwortet werden. Ihnen allen ist das Montesquieu-Zitat bestens bekannt - „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen.“

Halten wir also die Fakten fest: In der Bundesrepublik gibt es in keinem Bundesland ein Bibliotheksgesetz; in Europa aber verfügen zwei Drittel der 25 EU-Staaten über ein Bibliotheksgesetz. Bei den mittelosteuropäischen Staaten ist das verständlich, gilt es doch dort, den freien Zugang zu Bibliotheken zu sichern. Es gilt also, sorgsam abzuwägen. Entscheidend ist letztlich, welchen Regelungsinhalt ein solches Gesetz haben sollte.

Wie ist nun die gegenwärtige Situation hier bei uns in Thüringen? Die Wissenschaftlichen Bibliotheken arbeiten in Thüringen auf der Basis des § 90 Thüringer Hochschulgesetz. Grundlagen für die Forschungsbibliothek Herzogin Anna Amalia Bibliothek ist das Errichtungsgesetz der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen, heute Klassikstiftung Weimar genannt. Die öffentlichen Bibliotheken in Thüringen sind, wie hier schon mehrfach erwähnt, kommunale Einrichtungen, sie unterliegen der Selbstverwaltungsgarantie der sie tragenden Kommunen. Gemeinsame Regelungen zu Auftrag, Nutzungsbedingungen, Qualifikation des Personals, speziellen Fragen des Urheberrechts im Zusammenhang mit dem Betrieb der Bibliothek oder des Jugendschutzes gibt es nicht. Inwieweit landesrechtliche Regelungen hier rechtlich möglich und geboten sind, muss in der Tat hinterfragt werden. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält sie jedenfalls nicht. Es besteht aber auch kein bundesgesetzlicher noch ein in Europarichtlinien unterstützter gesetzlich vorgeschriebener konkreter Handlungsbedarf. Der Gesetzentwurf der beiden Oppositionsfraktionen schafft allerdings eine neue Pflichtaufgabe der Gemeinden und Landkreise im eigenen Wirkungskreis durch § 9 Abs. 3 des Entwurfs, der das Land verpflichtet, jährliche Zuschüsse an die öffentlichen Bibliotheken zu zahlen. Damit kommen neben der Verpflichtung des Landes nach § 9 Abs. 1, den Auf- und Ausbau zu fördern, weitere Kosten für Zuschüsse zum Betrieb. Der Umfang und die haushaltliche Verortung dieser Zuschüsse wird nicht geregelt. Im vorliegenden Haushaltsplanentwurf - das ist ja jetzt gerade ausführlich erörtert worden - sind sie zu einem großen Teil Teil der Schlüsselmasse im Kommunalen Finanzaus

gleich. Es ist zu fragen, inwieweit der damit erwähnten Verpflichtung bereits Rechnung getragen wird.

Wollte man ein Bibliotheksgesetz verabschieden, so müsste man dieses zumindest in zwei Bereiche - Aufgabendefinition und Unterhaltssicherung - gliedern. Bei der Aufgabendefinition würde voraussichtlich kein Haushaltsaufwand entstehen, da hier die ohnehin bekannten Aufgaben der öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken dargestellt werden. Erst die Regelung konkreter Nutzungsbedingungen, Beratungsverpflichtungen und Ähnliches könnte dann wiederum ressourcenrelevant werden. Bei der Unterhaltssicherung könnten Regelungen getroffen werden, die eine Absicherung der Bibliotheken durch Zuschüsse der öffentlichen Träger sicherstellen und diese Zuschüsse festschreiben. Dies könnte in allgemeiner Form erfolgen, andererseits würde durch die Verankerung einer Pflicht der Kommunen, Bibliotheken zu betreiben, natürlich auch eine Verpflichtung des Landes festgeschrieben werden, direkt oder mittelbar - wie schon erwähnt - den Erhalt und die gegebenenfalls gewünschte Neuerrichtung öffentlicher Bibliotheken in Thüringen finanziell zu unterstützen.

Über eines, meine Damen und Herren, besteht sicherlich Konsens, Bibliotheken und Archive, die auch schon erwähnt wurden, gehören zu den ältesten staatlichen wie auch kulturellen Einrichtungen der Menschheit überhaupt. Kürzlich stand ich vor der wiedererbauten Bibliothek von Alexandria und hatte einen Blick zurück in eine zweitausendjährige Geschichte. Mit Blick vor allem auf den Zielkonflikt zwischen Datenschutz und Informationsfreiheit sowie die Sicherstellung der Dokumentation behördlichen Handelns beim Zusammenwirken von Archiven und Behörden wurde vom Gesetzgeber beim Bund wie auch in den Ländern ein besonderer gesetzlicher Regelungsbedarf gesehen, was auch in Thüringen zu einem Landesarchivgesetz im Jahre 1992 führte. Hingegen völlig unstrittig ist in Deutschland die Bedeutung des freien Zugangs zu den Bibliotheken als Speicher des Wissens für die demokratische, kulturelle und wissenschaftliche Entwicklung des Landes. Der Wert der Bibliotheken insgesamt, gleich ob wissenschaftlich oder allgemein öffentlichen Charakters, ist in seltener Einhelligkeit zwischen allen politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen unumstritten. Dies wird auch von allen Trägern, gleich ob staatlich, kommunal oder andere Trägerschaft, gesehen. Diese sind auch nach Kräften bemüht, ihre Einrichtungen zu erhalten und zu fördern.

Der Gesetzentwurf, um den es heute geht, zu einem Bibliotheksgesetz moderiert in der vorliegenden Fassung jedenfalls lediglich ohnehin bestehende Rechtsnormen, die teilweise sogar verfassungsmäßig verankert sind, wie das Grundrecht

der Informationsfreiheit, die Wissenschaftsfreiheit und Ähnliches. Weiterhin beschreibt er allgemein anerkannte Tatsachen aus dem Sachzusammenhang: kulturelles Erbe, soziale Funktion. Auch die Verpflichtung zur Kooperation bedarf zumindest in Thüringen keiner neuen gesetzlichen Regelung, da dies unter den Bibliothekseinrichtungen grundsätzlich konsensual ist. Ein gewachsenes Netz von bundes- und landesweiten Fachgremien steuert den erforderlichen Diskurs, wobei namentlich der gemeinsame Bibliotheksverbund mit Unterstützung des Kultusministeriums wichtige Arbeit leistet. Die Zusammenarbeit von Schulen und Bibliotheken regelt in Thüringen eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Bibliotheksverband und dem Kultusministerium aus dem Jahre 2005. Das zentrale Anliegen des Gesetzentwurfs für ein Bibliotheksgesetz ist es, letztlich einen Beitrag zur wirtschaftlichen Absicherung der Bibliotheken zu leisten. Das ist auch Conclusio der heute geführten Debatte. Das ist dem Grunde nach anerkennenswert, in der vorgeschlagenen praktischen Ausgestaltung aber weiter zu hinterfragen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Dr. Klaubert?

Ja.

Bitte.

Herr Minister, Sie sprachen von dieser Kooperationsvereinbarung Schule und Bibliothek. Wie wird die im Haushalt 2008/2009 ausfinanziert? Ich hätte nicht gefragt, wenn Sie es jetzt nicht in den Mund genommen hätten.

Ausreichend,

(Heiterkeit CDU)

hoffe ich doch. Ich meine, liebe Frau Kollegin, die Frage kann ich schlussendlich erst beantworten, wenn Sie den Haushalt beschlossen haben.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, DIE LINKE: Wie viel haben Sie denn ange- meldet?)

Insgesamt, wenn ich jetzt noch mal kurz zusammenfassen darf, ist der Entwurf in der Tat letztlich eine Beschreibung des Ist-Zustands der Bibliotheken ohne wegweisende Perspektiven. Er birgt zudem die Gefahr - Herr Kollege Seela hat darauf hingewiesen -, dass durch die nicht näher spezifizierenden Regelungen dem Bibliothekswesen und seiner Entwicklung und seinen verantwortungsbewusst arbeitenden Gremien ohne Not möglicherweise mit Blick auf die Zukunft ein Korsett angelegt wird.

Fazit - Klären wir also erst in Ruhe die Grundsatzfrage: Welche Regelungstatbestände sind aus landesrechtlicher Perspektive notwendig, möglich und sinnvoll? Denn wir wollen - wie ich eingangs schon sagte - Bürokratie abbauen, nicht verstärken. In dieser fachpolitischen Erörterung wird sich das Thüringer Kultusministerium aktiv beteiligen. Ich bedanke mich.

(Beifall CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Ich werde jetzt über die Ausschüsse in der vorgeschlagenen Reihenfolge abstimmen.

Zunächst ist die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien vorgeschlagen worden. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Weiterhin wird die Überweisung an den Bildungsausschuss beantragt. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Dann ist das ebenfalls so beschlossen.

Es wurde beantragt die Überweisung an den Innenausschuss. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Ebenfalls so beschlossen.

Abschließend die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist das bei 1 Stimmenthaltung ebenfalls so beschlossen worden.

Ich lasse jetzt abstimmen über die Federführung. Es wurde als federführender Ausschuss der Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien vorgeschlagen. Wer dem zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist das ebenfalls so beschlossen.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und die heutige Plenarsitzung.

E n d e d e r S i t z u n g: 19.36 Uhr