Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und habe den anwesenden Mitarbeitern von Bike Systems angeboten, mich nachher mit ihnen zu treffen und konkrete weitere Schritte zu besprechen, die eigentlich schon vor einem Vierteljahr hätten in die Realität umgesetzt werden können. Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kollegen! Liebe Kollegen von Bike Systems, seid herzlich willkommen. Es ist schon bemerkenswert, wenn man hier dem Minister zuhört, ihn über einige Problemlagen von diesem Unternehmen sprechen hört, genauso wie den wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion. Allein an der Aktion „Strike-Bike“ sage ich: Sie haben keine Ahnung, was im Unternehmen läuft und warum manche Aktionen laufen.
Ich komme zum „Strike-Bike“ zurück. Vor drei Monaten, das ist richtig, Herr Minister, wurde der Betriebsrat von der Unternehmensleitung davon in Kenntnis gesetzt, dass die Schließung des Unternehmens bevorsteht, nämlich am 09.07., und am 10.07. berieten die Beschäftigten im Rahmen einer Betriebsversammlung, wie sie denn darauf reagieren und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Spontan wurde, das hat Herr Kollege Schubert gesagt, der Beschluss gefasst, das Werk zu besetzen. Wir wissen doch alle selber, in welcher Atmosphäre solche Diskussionen nach Kenntnisnahme einer solchen Entscheidung des Eigentümers erfolgen. Ich will gar nicht bewerten, ob manche Entscheidungen sinnhaft sind oder ob sie hemmen usw. Es war einfach so, dass die Beschäftigten sich nicht mit dieser Situation abfinden wollten, sich hinzuducken. Und Sie empfehlen heute, Herr Minister, sie hätten es tun sollen, auf gesetzliche Leistungen zu verzichten, hätten sie das Angebot der Geschäftsführung am ersten Tag angenommen. Das ist Ihre Aussage.
Sie vertreten die Auffassung, ich darf zitieren oder ich darf mich besinnen auf ein MDR-Interview, MDRInfo mit Ihnen, dass bereits seit Anfang Juli hätte eine Lösung gefunden werden können - Sie haben
das eben auch gesagt -, wenn sich Betriebsrat und Gewerkschaft nicht quergelegt hätten. So weit das Zitat. Jetzt verstehe ich gar nichts mehr, nicht Lone Star, nicht die Geschäftsführung sind schuld; Mitglieder des Betriebsrats - ihr seid es - oder auch die Gewerkschaft, Sie meinen sicher die IG Metall, sind mit schuld, dass die Situation so eingetreten ist. In Kenntnis der Tatsache, dass der Betriebsrat bereits am 09.07. mit Vertretern des Unternehmens die Möglichkeit eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans beriet, und der Zusicherung des inzwischen mandatierten Anwalts - Sie haben ja Herrn Metz benannt - vom 13. Juli 2007 gegenüber dem Vertreter von Lone Star - ich darf zitieren, er schreibt: „Ausdrücklich wird für meine Mandantschaft erklärt, gegen eine Transfermaßnahme ist grundsätzlich nichts einzuwenden.“ - da sagen Sie, die wollten doch gar nicht. Ich weiß nicht, was Sie hier vom Pult aus erzählen. Ich glaube, das ist mehr als skandalös.
Was lag denn am 09.07. vor? Es lag am 09.07. das Angebot der Geschäftsleitung vor, mit Kündigungsfrist plus einem Monat in eine Transfergesellschaft einzusteigen. 828.000 €, Herr Ministerpräsident, wollte Lone Star zur Verfügung stellen.
Die Summe, auf die die Beschäftigten Anspruch hatten, war 1,123 Mio. €, nur so weit zur rechtlichen Lage. Ihr hättet mal locker auf 300.000 € verzichten sollen, liebe Kollegen von Bike Systems, dann wäre euch geholfen gewesen, ist die Aussage dieser Landesregierung.
Sie haben am 03.08. das letzte Mal Geld bekommen, seit 03.09. läuft Arbeitslosengeld und das ist nicht von Lone Star, wenn ich richtig informiert bin.
Scheinbar interessiert es die Landesregierung nicht, dass Lone Star eigentlich versucht hat, diese Kosten der Schließung des Werkes auf die öffentliche Hand abzuwiegeln.
Ihr Konzept stand ja noch unter Vorbehalt, dass die Bundesagentur eintritt. Hat die Agentur Nordhausen jemals signalisiert, dass sie eintritt in dieses Konzept? Damals, Anfang Juli, nein; es kann sein, dass sie jetzt eintritt.
Herr Minister, Sie kennen doch besser als ich den Zuwendungsbescheid und auch die Datenlage aus der GA-Förderung, die es für das Unternehmen Bike Systems Thüringer Zweirad KG gegeben hat. Das zeugt auch nicht gerade von Zutrauen. Am 17. März 2003 ist bekanntlich die letzte Tranche ausgezahlt worden. Wenn meine Informationen stimmen, hat man sich bei der Übernahme geeinigt, bis 31.12.2007 die Arbeitskräfte auch zu sichern, also wäre eine Insolvenz bzw. eine Schließung ein Verstoß gegen die Förderkriterien. Außerdem ist es doch...
Danke, Herr Kollege. Das Unternehmen hat bei der GA-Förderung mit 150 dauerhaft gesicherten Arbeitsplätzen angefangen und hat dann im Verfahren auf 242 gesicherte Arbeitsplätze hochgeschraubt. Da sind ja die 135 jetzt Beschäftigten regelrecht bescheiden dazu. Ich frage Sie: Warum nehmen die Beschäftigten Ihre Aktivitäten nicht wahr, die ich gar nicht in Abrede stellen will, dass die LEG was getan hat und, was weiß ich, das Ministerium -, aber warum kommt es bei den Beschäftigten nicht an, dass die Landesregierung auf ihrer Seite steht? Für meine Fraktion und Partei kann ich sagen, wir haben es nicht ausgenutzt und keine Polemik betrieben mit den Beschäftigten, um aus ihren Problemlagen politisches Kapital zu schließen.
Ich hatte vorhin von der Toleranzgrenze gesprochen. Als nächste Rednerin hat das Wort Abgeordnete Becker, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen aus Nordhausen! Herr Reinholz, ich glaube, Sie haben sich heute politisch noch mehr ins Abseits gestellt, als Sie überhaupt schon standen. Das war eine Unverschämtheit, was Sie sich heute hier erlaubt haben darzustellen.
Sie müssen doch wissen, dass die Parteien die BikeSystems-Belegschaft nicht benutzen, um Polemik zu machen. Das ist doch nicht wahr, es ist nicht wahr.
Da können Sie noch so viel erzählen. Die Belegschaft ist auf uns zugekommen und hat uns gebeten, sie zu unterstützen. Der erste Gang, als sie auf uns zugekommen sind, ist der Weg zu Ihnen gewesen,
der Weg zu Ihnen; nicht DIE LINKE oder die SPD haben das ausgenutzt, sondern wir haben gesagt, wir müssen den Wirtschaftsminister mit ins Boot nehmen. Ich hätte ja geglaubt, dass nach den paar Tagen, die da oben schon gestreikt oder besetzt wurde, ein Wirtschaftsminister, der nur um die Ecke wohnt, das vielleicht sogar selber wahrnimmt und da erscheint, aber das war zu viel verlangt. Das war nicht möglich.
Wir haben erst das Gespräch hier im Landtag führen und fordern müssen. Das war schon mal der erste Schritt, wo wir gemerkt haben, dass die Aktivitäten dieser Landesregierung vielleicht doch nur auf tönernen Füßen stehen. Das ist so. Da brauchen Sie hier gar nicht mit Polemik kommen und in Christoph Matschies Richtung zielen. Sie müssen sich an die eigene Nase fassen, was hier schiefgegangen ist und wo Sie Ihre Verantwortung für 135 Menschen sehen können, die da oben auch auf Sie gezählt und gehofft haben.
Das ist doch das Schlimme an der ganzen Situation, dass Sie jetzt noch mit den Menschen spielen. Wenn ich an Ihr MDR-Info-Radio von Montag denke, das ist doch - ich werde dann bestraft, wenn ich sage, was ich über Sie denke, was Sie da gesagt haben. Herr Reinholz, den Menschen jetzt vorzuwerfen, dass sie selber schuld sind, dass der Betriebsrat schuld ist und dass die IG Metall schuld ist an der Misere von Bike Systems, wie tief muss man noch sinken, um so etwas über einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sagen? Da kann man nicht Wirtschaftsminister in Thüringen bleiben, wenn man so eine Einstellung hat. Da wundert mich das nicht. Bei jeder Betriebseröffnung stehen Sie im Rampenlicht und lassen sich für die neuen Arbeitsplätze feiern - das gönnen wir Ihnen, wir freuen uns auch mit Ihnen für Thüringen -, aber wenn es wirklich Probleme gibt,
dann tauchen Sie ab. Sie werden nicht wahrgenommen in Nordhausen, obwohl Sie da wohnen. Herr Dr. Zeh als Kreisvorsitzender der CDU hätte genauso in diese Polemik mit reinkommen können wie die anderen Parteien, hätte sich einbringen können, wie die Menschen sich in Nordhausen eingebracht haben. Die ganzen Aktionen, die sind doch nicht leergelaufen. Die Nordhäuser haben sich mit den Besetzern verbunden. Natürlich, Herr Dr. Zeh, die Veranstaltungen, die...
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Wir sind ausgeschmiert worden in der Zeitung.)
Ach, ausgeschmiert worden, das ist doch Quatsch. Wenn Sie sich auch eingebracht und vor Ort bei den Veranstaltungen teilgenommen hätten - die Belegschaft hat doch nur anders wie damals in Bischofferode versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Das ist doch ihr gutes Recht. Sie haben das anders als damals bei dem Hungerstreik gemacht - ich möchte das nicht absprechen, das war damals die Situation, die Bergleute in Bischofferode haben das für richtig erachtet -, aber die Belegschaft hat gesagt, wir wollen weiterproduzieren, wir sind dafür da, Fahrräder herzustellen, und wir wollen den Menschen in Nordhausen zeigen, dass wir nicht einfach nur unser Werk besetzen, sondern dass wir Aktivitäten zeigen, um zu zeigen, dass wir bereit sind, weiterzuarbeiten. Das war ihr Ansatz, den Menschen in Nordhausen noch zu zeigen und darzustellen, welche Aktionen waren wichtig. Dieses „Strike-Bike“, ich meine, Herr Minister, Sie können darüber lachen, ich finde das eine tolle Aktion. Mein rotes Fahrrad kommt in Nordhausen ins Schaufenster meines Wahlkreisbüros. Da können Sie sagen: Reine Polemik, Frau Becker macht reine Polemik. Natürlich, sie kauft sich ein „Strike-Bike“ und macht dann politische Aktionen daraus und wird dann in Nordhausen so viele Wähler gewinnen, dass Sie überhaupt keine Chance mehr haben. Ich lache mich tot, Herr Minister.
Ja, ich werde auch damit fahren. Aber erst einmal kommt es ins Schaufenster, damit die Leute es alle sehen. Aber das so abzutun? Sie hätten doch heute wieder die Chance gehabt, in das Verfahren reinzukommen, mit den Menschen zu reden, nicht über die Leute zu reden. In Ihrer Rede heute haben Sie nur über Menschen geredet, aber nicht mit Menschen, aber Sie haben wieder die Hand ausgeschlagen. Schon zum zweiten Mal in kürzester Zeit schlagen Sie die Hand aus, die der Betriebsrat und auch die Gewerkschaft Ihnen gegeben haben. Das ist doch
nicht fair. Sie spielen mit den Menschen da oben vor Ort und tun so, als ob sie selber schuld sind an ihrer Misere. Ich wollte auch noch mal klarstellen, Herr Kretschmer, dass mit dem Minus - wir wissen doch, warum Lone Star aufgekauft hat: um die Aufträge nach Sangerhausen zu bekommen. Sie haben die Aufträge mitgenommen und haben alles rübergebracht. Das wusste die Belegschaft auch, was da passiert. Aber sie konnte nicht gegensteuern, das war ihr Problem, dass sie das nicht konnten.
Das ist der Aktuellen Stunde geschuldet, pro Redner fünf Minuten. Als nächster Redner hat für die CDUFraktion erneut Abgeordneter Kretschmer das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Becker, möglicherweise haben Sie sich versprochen, weil Sie uns aufforderten, mit in die Polemik einzustimmen.