Das Geld wird dabei vor Ort eigentlich dringend benötigt, denn der Bedarf nach Betreuung steigt. Fachkräfte werden im Land mittlerweile händeringend gesucht und es gibt nicht wenige Fachkräfte, die auf eine gute Betreuungssituation angewiesen sind. Der Bund hat ein Elterngeld eingeführt, was in den ersten zwölf bzw. vierzehn Monaten gezahlt wird. Anschließend brauchen viele Eltern eine gesicherte Betreuungsmöglichkeit. Nicht zuletzt, wenn der Bildungsplan hier in Thüringen auch mit Kraft versehen werden soll, dann kostet uns das etwas und wir sollten uns das auch etwas kosten lassen.
Deshalb will ich noch einmal ganz klar und deutlich sagen, die Kürzungen der Landesregierung bei den Kindergärten waren ein schwerer Fehler.
Die sogenannte Familienoffensive ist kurzsichtig, sie ist kleinkariert und sie schadet den Eltern und Kindern in Thüringen. Genauso ist die Klage der Landesregierung gegen das Elternvolksbegehren ein schwerer Fehler. Sie zeigt nur eines, der Regierungschef hat Angst vor einer Entscheidung der Thüringerinnen und Thüringer, denn sonst würde er sich einer solchen Entscheidung stellen.
Deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, fordere ich Sie auf, machen Sie diese Fehler rückgängig, sorgen Sie dafür, dass die Landesregierung diese Klage zurückzieht, sorgen Sie dafür, dass die Kindergärten durch das Land wieder ausreichend finanziert werden. Das sind Sie den Thüringer Eltern und auch den Kindern schuldig, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich habe mit Interesse die Sommerinterviews von Dieter Althaus und auch von Christine Lieberknecht gelesen und die Argumente waren die gleichen - ihre Maßnahmen sind richtig, die Thüringerinnen und Thüringer verstehen das nur alles nicht. Ich glaube, es ist inzwischen andersherum. Die Landesregierung und die CDU-Landtagsfraktion verstehen die Leute im Land einfach nicht mehr - so wird ein Schuh draus -,
denn im aktuellen Thüringen-Monitor kann es jeder schwarz auf weiß nachlesen: Vor die Wahl gestellt, was der Einzelne will, lieber eine bessere Kinderbetreuung oder mehr Geld für die Familien, entscheiden sich 73 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer für eine Entlastung bei der Kinderbetreuung und nicht für mehr Geld in die Familien. Das heißt, eine klare Mehrheit in diesem Land will etwas anderes als diese Landesregierung. Diese klare Mehrheit will bessere Betreuungsangebote und genau an dieser Stelle streicht die Landesregierung das Geld und gibt es den Familien, die zuvor kein Landeserziehungsgeld bekamen, weil sie ein ausreichendes Einkommen hatten. Ich sage Ihnen ganz deutlich, wir sehen noch etwas im Thüringen-Monitor, nämlich die Ablehnung Ihrer Art von Familienpolitik wächst. 2002 sprachen sich 63 Prozent gegen das jetzige Prinzip der Landesregierung aus, mehr Geld in die Familien und weniger in die Be
treuung, inzwischen sind es 73 Prozent und der Protest gegen Ihre Art von Familienpolitik wächst weiter, und das ist gut so.
Immer mehr entscheiden sich gegen Ihre Ideen. Sie können die Menschen im Land einfach nicht überzeugen, aber daran sind nicht die Thüringerinnen und Thüringer schuld, sondern Sie selbst. Sie haben einen Fehler gemacht mit Ihrer Familienpolitik. Ich hoffe, dass Sie das einsehen. Ich fordere Sie auf, kehren Sie um, korrigieren Sie Ihren Fehler. Die Landesregierung macht im Moment eine Politik gegen den ausdrücklichen Wunsch der meisten Eltern im Land, aber Sie machen auch eine Politik gegen die Familienpolitik der Bundesregierung. Wir haben in der vergangenen Woche die Haushaltsreden im Bundestag gehabt. Die Kanzlerin hat sehr klar gesagt, was sie will. Absolute Priorität hat der Ausbau der Kinderbetreuung.
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Ja, auf ei- nem Level, das wir schon lange haben. Das ist doch alles Unsinn.)
Da mag Edmund Stoiber noch so toben, der Bund investiert in den kommenden Jahren in den Ausbau der Betreuungsangebote und so steht es auch ausdrücklich im Kabinettsbeschluss.
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Die wir weit übererfüllt haben, Herr Matschie.)
Die Festlegungen auf Bundesebene sind klar. Es soll einen Rechtsanspruch geben, und zwar ab dem 1. Geburtstag ab 2013 und es soll einen bedarfsgerechten Ausbau geben. Dazu sollen 750.000 zusätzliche Plätze geschaffen werden. Der Bund beteiligt sich an dem Ausbau und später auch an den Betriebskosten. Rechtsanspruch ab eins, bedarfsgerechter Ausbau, mehr Geld für gute Betreuung - auf genau den gleichen Nenner lassen sich auch die Forderungen des Elternvolksbegehrens hier in Thüringen bringen. Deshalb sage ich Ihnen noch einmal, Sie sind mit Ihrer Art Familienpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Union, völlig isoliert. An der Seite von Dieter Althaus ist nur noch der abgedankte Edmund Stoiber und dem fällt beim Begriff „Krippe“ wahrscheinlich ohnehin nur Weihnachten ein und sonst gar nichts.
Vor vier Wochen hat der Paritätische Wohlfahrtsverband in einer Pressemitteilung deutlich gemacht, dass allein bei den freien Trägern nach Hochrech
nung des Verbandes 500 Stellen gestrichen werden mussten aufgrund der Familienoffensive. Ich selbst bin in den letzten Monaten in vielen Kindergärten gewesen. Und egal ob freie Träger oder kommunale Träger, die Kapazitäten sind längst ausgeschöpft. Überall sind die Zeitpläne zu knapp. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich das selbst mal anzuschauen. Für zusätzliche Aufgaben bleibt da kein Raum übrig. Auch für die Umsetzung des Bildungsplans ist der Raum viel zu eng bemessen. Jeder kann das hören, der sich in die Kindergärten vor Ort begibt und mit den Betroffenen redet. Hier fehlt Zeit und zusätzliches Geld, was wir brauchen, um bessere frühkindliche Bildung umsetzen zu können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist so, der gute Thüringer Bildungsplan - und ich halte ihn für einen guten Bildungsplan - ist nutzlos, wenn die Kapazitäten fehlen, ihn auch tatsächlich umzusetzen. Gerade mit Blick auf die aktuelle Debatte will ich noch mal sagen, wir können uns nicht leisten, auf Bildungspotenziale zu verzichten.
Erst in dieser Woche haben wir den aktuellen OECDBildungsbericht wieder vor Augen geführt bekommen und auch die Probleme, die Deutschland im Schul- und im Hochschulbereich hat. Die Wurzeln solcher Probleme liegen zum Teil tiefer, nämlich schon bei der frühkindlichen Bildung. Auch PISA hat in seinen Studien deutlich gemacht, Kindergartenkinder haben bei guter Förderung spürbar höhere Lernerfolge in der Schule und im späteren Bildungsweg. Deshalb müssen wir hier alle Anstrengungen unternehmen, dass an dieser frühen Stelle ausreichend gefördert wird. Mehr Geld für gute Bildung und Betreuung wäre die richtige Antwort der Landesregierung. Diese Landesregierung tut das Gegenteil, sie kürzt bei den Kindergärten das Geld und Sie schaden damit der Zukunft unserer Kinder und der Zukunft dieses Landes, meine Damen und Herren.
Die Ziele des Elternvolksbegehrens und die Ziele der Bundesregierung passen gut zusammen. Was die Thüringer Eltern wollen und was die Bundesregierung jetzt tut, ist eine notwendige Entwicklung. Das ist nicht abwegig, wie es zum Teil von Ihnen bezeichnet worden ist. Abwegig ist allerdings die Begründung der Landesregierung für ihre Klage, das will ich Ihnen auch ganz deutlich sagen. Worauf stützt sich diese Ablehnung der Landesregierung eigentlich? Wir haben gehört, die Landesregierung möchte das Budgetrecht des Parlaments verteidigen. Das ist zumindest verwunderlich, wenn man
sich sonst die Haushaltspraxis anschaut, denn Dieter Althaus hat sonst keine Skrupel, mit Globalen Minderausgaben und mit Haushaltsvorgriffen, zum Beispiel bei der Kommunalisierung von Aufgaben, das Budgetrecht des Landtags zu beschneiden oder auszuhebeln.
Wir haben eine funktionierende Gewaltenteilung, Legislative, Exekutive, Judikative, jeder hat seine Rolle. Deshalb ist es zuallererst Aufgabe des Landtags, sein angeblich angegriffenes Budgetrecht zu verteidigen. Wer mal in die Gesetzesvorschriften schaut, der wird dort nachlesen können: Wenn eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten, nämlich ein Drittel der Abgeordneten des Thüringer Landtags, ein Volksbegehren für rechtswidrig hält, dann müssen diese Abgeordneten klagen. Das Budgetrecht zu verteidigen, wenn Sie es denn angegriffen sehen, so selbstbewusst müssten Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, dann schon selbst sein. Aber Sie lassen sich hier ohne Gegenwehr offensichtlich die Butter vom Brot nehmen.
Sie unterstützen das? Ich habe nicht gehört, dass die Landtagsfraktion Klage eingereicht hat, obwohl Sie eigentlich, wenn Sie das Volksbegehren für rechtswidrig halten, laut Gesetz dazu verpflichtet sind.
Es gibt keine Klage dieser Landtagsfraktion. Der Landesregierung müsste es eigentlich egal sein, formal, wer die Vorgaben macht, ob der Haushaltsgesetzgeber Landtag oder in bestimmten Fällen eben auch ein Volksentscheid, denn das Budgetrecht ist das Recht des Parlaments und Entscheidungsrecht haben darüber hinaus als legislatives Moment auch Volksentscheide. Also müsste, wenn das Budgetrecht verletzt ist, eine Fraktion klagen. Das tut die CDU-Fraktion nicht und das heißt für mich im Umkehrschluss, dass Sie Ihr Recht eigentlich nicht verletzt sehen.
Auf der anderen Seite heißt es, aus der Klage der Landesregierung kann man auch nur einen Schluss ziehen: Es geht gar nicht um das Budgetrecht des Parlaments, es geht darum, das Volksbegehren abzuwürgen, weil Dieter Althaus Angst hat, sich mit seiner Familienpolitik dem Votum der Thüringer Bevölkerung zu stellen - um nichts anderes geht es dabei.
Deshalb fordere ich Sie noch einmal auf, ziehen Sie die Klage gegen das Elternvolksbegehren zurück. Mitte Oktober ist der erste Gerichtstermin in Weimar. Ich fordere Sie auf, lassen Sie es nicht so weit kommen. Wir brauchen keinen langwierigen Streit vor den Gerichten, sondern wir brauchen praktische Schritte in Thüringen, wie wir Bildung und Betreuung verbessern können. Ihr Gang vor das Gericht hat uns schon ein Jahr Zeit gekostet, verschwenden Sie nicht noch mehr Zeit. Ziehen Sie die Klage zurück.
Wir brauchen gemeinsames Handeln in der Familienpolitik. Gemeinsamkeit zwischen Bund und Ländern, aber auch Gemeinsamkeit zwischen Land und Kommunen. Noch lässt sich der Fehler reparieren, denn überall im Land sind die Kommunen eingesprungen, um die Strukturen zu retten und zu erhalten.
Vielleicht kann man da ja mal ein aktuelles Beispiel aus der Heimat des Ministerpräsidenten anführen. Der Landkreis Eichsfeld muss gerade eine überplanmäßige Ausgabe beschließen, das wird nächste Woche im Kreistag vorgelegt. Der Grund liegt darin, weil innerhalb von zwei Jahren sich der Finanzbedarf zur Absicherung der Elternbeiträge fast verdoppelt hat seit Inkrafttreten der Familienoffensive, so heißt es in der Vorlage. Das sind die Früchte Ihrer Politik. Sie haben einfach Finanzlasten auf die kommunale Ebene abgewälzt. Bisher war die kommunale Ebene in der Lage, unter großen Anstrengungen das auszugleichen. Auf Dauer kann das nicht der richtige Weg sein. Auf Dauer ist wieder mehr Engagement der Landesregierung gefordert, sonst gehen die Strukturen, die jetzt noch gut funktionieren, am Ende kaputt.
Deshalb noch einmal: Hören Sie mit Ihrer kontraproduktiven Familienpolitik auf. Ziehen Sie die Klage zurück. Finanzieren Sie die Kindergärten wieder anständig. Wir brauchen keine Klagen, wir brauchen gute Kindergärten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, anlässlich des gestrigen Weltkindertages forderten Sie, Herr Kultusminister, in einer Presseerklärung das Recht auf Bildung ein. Bildung wäre ein unverzichtbares Grundrecht. Die Möglichkeit, lernen zu dür
fen, müsse jedes Kind haben. Wir als Fraktion ergänzen dazu: Die Möglichkeit, lernen zu dürfen, muss jedes Kind von Anfang an haben, auch - wie vom Minister angesprochen - in Entwicklungsländern, auch in Schwellenländern, aber auch in den Industrieländern wie in Deutschland und hier in Thüringen, wo wir die Verantwortung haben.
Als zu Beginn der Legislatur dem Kultusministerium die Kindertagesstätten - genauer: die frühkindliche Bildung und Betreuung - zugeordnet wurden, haben wir zu diesem Zeitpunkt doch tatsächlich geglaubt, das ist eine feine Sache. Kindertagesstätten werden endlich wieder als Bildungsstätten anerkannt.
Nun wird es darum gehen, zumindest einige der Empfehlungen der Enquetekommission „Erziehung und Bildung in Thüringen“ umzusetzen. Vielleicht erhalten die Kindertagesstätten ja mehr Mittel, damit sie ihren wichtigen Aufgaben, der Früherkennung von Entwicklungsverzögerungen oder -beschleunigungen, gerecht werden können. Dafür müssten Erzieherinnen Instrumente und Verfahren der Früherkennung von Entwicklungsbesonderheiten - auch in sprachlicher Hinsicht - kennen und nutzen lernen. Oder: Der Ausbau von Kindertageseinrichtungen als Anlaufpunkte und Unterstützungssysteme für Eltern in allen Fragen der frühen Bildung und Erziehung sollte etabliert werden. Das wären nur zwei Empfehlungen der Enquetekommission für den frühkindlichen Bereich. Jedoch kennen wir die Entwicklung heute und wissen, dies wird wohl nur im Ehrenamt umgesetzt werden können. Wir nennen das eine Zumutung für alle an der frühkindlichen Bildung Beteiligten.
Die Situation ist doch einfach absurd. Sie kürzen zig Millionen € bei den Kindertagesstätten und -krippen; gleichzeitig wird in Deutschland darüber diskutiert, ob 4 Mrd. € Bundeszuschuss für den Ausbau der gleichen ausreichen. Sie klagen gegen ein Volksbegehren, das die Kürzung zurücknehmen und für ausreichend qualitativ hochwertige Plätze sorgen will. Gleichzeitig fordern die Kommunen eine stärkere Beteiligung der Länder.