Protocol of the Session on September 20, 2007

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen vor. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit wird im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit

dieser Gesetzentwurf beraten. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 7

Gesetz zur Änderung der gesetz- lichen Grundlagen des Thüringer Glücksspielwesens Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/3341 - ERSTE BERATUNG

Ich nehme an, Frau Ministerin Diezel wird das Wort zur Begründung nehmen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundesverfassungsgerichtshof hat in seinem Sportwettenurteil vom 28. März 2006 die Anforderungen an die verfassungsgemäße Ausgestaltung eines staatlichen Wett- und Glücksspielmonopols konkretisiert. Die Länder wurden aufgefordert, diesen Anforderungen durch eine gesetzliche Neuregelung unter Ausübung ihres rechtspolitischen Gestaltungsspielraums Rechnung zu tragen. Die Länder haben mit dem Glücksspielstaatsvertrag die gemeinsame Grundlage für die verfassungs- und europakonforme Ausgestaltung des Glücksspielwesens in Deutschland geschaffen.

Über den Glücksspielstaatsvertrag wurde das Hohe Haus bereits nach Artikel 67 Abs. 4 der Thüringer Verfassung unterrichtet. Der Haushalts- und Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am 18. Januar 2007 den Entwurf beraten. Die Vereinbarungen im Staatsvertrag sollen nunmehr durch diesen Gesetzentwurf umgesetzt werden. Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf enthält in Artikel 1 das Ratifizierungsgesetz und in Artikel 2 das Ausführungsgesetz zum Staatsvertrag. In Artikel 3 wurde die erforderliche Regelung für das Spielbankgesetz hinsichtlich der Zugangskontrolle und der Sperrdatei aufgenommen. Der Artikel 4 regelt das Inkrafttreten und das Außerkrafttreten der Vorschriften. Die Landesregierung hat sich gemeinsam mit den anderen Ländern mit der Unterzeichnung des Glücksspielstaatsvertrags für die Beibehaltung des staatlichen Monopols für Sportwetten und Lotterien ausgesprochen, denn Glücksspiele sind keine gewöhnliche Freizeitbeschäftigung, sondern können zur Sucht führen und zerstören dabei Existenzen und Familien. Dem ist im Hinblick auf die möglichen nachteiligen Folgen für die psychische und wirtschaftliche Situation der Spieler, aber auch wegen der unerwünschten gesellschaftlichen Begleiterscheinungen wie sozialer Abstieg und Kriminalität entgegenzuwirken.

Ohne den Glücksspielstaatsvertrag und das Thüringer Glücksspielgesetz wäre eine unkontrollierte Entwicklung des Glücksspiels mit seinen nachteiligen Folgen zu befürchten. In unserer Gesellschaft haben Glücksspiele keine besondere Bedeutung. Es gibt sie und Träume verwirklichen sich nur selten. Der Schutz der Jugend und der Familie hingegen haben in unserer Gesellschaft eine tragende Bedeutung. Um unsere Gesellschaft vor den derzeitigen Fehlentwicklungen, wie beim Sportwettenboom oder bei der laufenden Pokerwelle, wirksam zu bewahren, sind der Erhalt des staatlichen Monopols, die konsequente staatliche Regulierung und die Begrenzung des Glücksspielbereichs die Grundlagen, um eine traditionelle Werteverschiebung zu verhindern. Der dafür zu zahlende Preis, nämlich die Einschränkung der freien wirtschaftlichen Betätigung in diesem Bereich, ist im Gegenzug als angemessen zu betrachten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der im Übrigen ein Staatliches Glücksspielmonopol für zulässig hält, bestehen auch grundsätzlich keine Bedenken gegen die Europarechtskonformität des Entwurfs, der die Begrenzung des Glücksspiels verfolgt.

Der novellierte Staatsvertrag zum Glücksspielwesen bildet den ländereinheitlichen Rahmen für die verfassungs- und europakonforme Ausgestaltung des Glücksspielangebots. Es wurden nicht nur die Regelungen zum Recht der Sportwetten, sondern auch das Lotterierecht überarbeitet. Darüber hinaus wird der Anwendungsbereich des Spielerschutzes auf Spielbanken erweitert, um das Schutzniveau weitgehend einheitlich zu gestalten. Dabei orientiert sich der Staatsvertrag an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und sieht Beschränkungen bei verschiedenen Angeboten von Glücksspielen vor, die vor allem der aktiven und passiven Suchtprävention dienen.

So enthält der Entwurf die Pflicht zur Entwicklung von Sozialkonzepten sowie die Pflicht zur Aufklärung über Gefahren des Glücksspiels. Darüber hinaus wird ein übergreifendes Sperrsystem bei Spielsucht einzurichten sein. Die Spielsuchtgefahren im Bereich des interaktiven Glücksspiels, zum Beispiel des Internets, sind dagegen nur durch ein konsequentes Verbot abzustellen. Lediglich in einem Übergangszeitraum bis Ende 2009 ist ein Internetangebot unter besonderen Schutzvorkehrungen noch möglich. Vereinzelte Forderungen nach einer Weiterführung des Internetspiels sind von wirtschaftlichen Erwägungen geprägt. Die sozialen Suchtverbände - Gesundheitsexperten, Verbraucherschutzverbände - begrüßten die Entscheidung zum Verbot als überfällige Maßnahme der Suchtprävention. Sie halten die Glücksspiele im Internet wegen der fehlenden sozialen

Kontrolle des Spielers für äußerst bedenklich. Im Übrigen hat jede Form der Werbung sachlich zu erfolgen und darf keine Teilnahmeaufforderung enthalten. Fernsehwerbung oder Telefonwerbung sollen wegen ihrer besonderen Reichweite und der starken Wirkung auf gefährdete Spieler vollständig untersagt werden.

Tätigkeiten wie die Vermittlungen von Spielangeboten, die nicht dem Monopol unterfallen, sollen künftig unter Erlaubnisvorbehalt gestellt werden. So kann die Steuerung der Anzahl und die Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden gewährleistet werden. Für die Erteilung der Erlaubnis gelten dabei die gleichen Anforderungen wie für den staatlichen Veranstalter.

Durch all diese Regelungen sollen die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung geschaffen und die Hilfe bei Glücksspielsucht, der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung sowie die Integrität des Sportes gestärkt werden. Dabei wird der Glücksspielstaatsvertrag durch die landesspezifischen Regelungen des Artikels 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs ergänzt. Dieser enthält Regelungen zum Verwaltungsverfahren, der Erlaubniserteilung zur Organisation, der staatlichen Veranstaltung Glücksspielaufsicht oder zur weiteren Umsetzung des Schutzes vor Glücksspielsucht. Der Artikel 2 des Gesetzentwurfs greift die Regelungen der Thüringer Staatslotterie und des Sportwettengesetzes auf zum alten Lotterievertrag und führt die Gesetze zusammen und passt sie den neuen Anforderungen an. So werden nunmehr der zuständigen Verwaltung klare gesetzliche Vorgaben für die Erteilung einer Glücksspielerlaubnis gemacht. Ebenso werden Art und Zuschnitt der erlaubnisfähigen Glücksspiele vorgeschrieben. Weiterhin regelt das Landesgesetz die Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Vorgaben des Staatsvertrags durch Aufhebung oder Begrenzung von erteilten Erlaubnissen für Glücksspiele oder durch Bußgelder.

Die notwendigen Änderungen der Rahmenbedingungen für Glücksspiele lassen einen Rückgang der Einnahmen aus der staatlichen Veranstaltung von Sportwetten und Lotterien erwarten. Es wird daher auch bei der Förderung der gemeinnützigen Zwecke aus Lottomitteln mit Einschränkungen zu rechnen sein. Um dem Landessportbund und der LIGA in Thüringen die erforderliche Planungssicherheit auch in Zukunft zu bieten, wurde daher für die nächsten zwei Jahre ein Mindestbetrag für die Zuwendungen aufgenommen. Die Verwendung der Einnahmen aus der staatlichen Monopolverwaltung für soziale Zwecke und den Sport soll das Vorhandensein von Alternativen zur Beschäftigung zum Glücksspiel gewährleisten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, diesen Gesetzentwurf zu beraten und unsere Bemühungen zum Jugendschutz und zur Suchtprävention zu unterstützen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Ich eröffne die Aussprache und rufe als Ersten für die Fraktion DIE LINKE den Abgeordneten Huster auf.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wetten, dass der FC Carl Zeiss Jena am Sonntag in Frankfurt gegen Wiesbaden gewinnt?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Natür- lich werden sie gewinnen.)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das sieht schlecht aus.)

Die Quoten stehen 1 : 3,2 und gewettet werden darf im Internet bei privaten Unternehmen. Noch ist es legal, bald nicht mehr. Der Gesetzentwurf will nämlich mit dem Ziel der Suchtbekämpfung private Sportwettenanbieter verbieten und nur noch staatliche Anbieter und Private mit staatlicher Mehrheitsbeteiligung zulassen. Nach einer Übergangszeit von einem Jahr, also ab 2009, dürfen wir gespannt sein, ob es solche Wetten noch gibt, und vor allem, wer sie anbietet. Theoretisch kämen die Thüringer Aufbaubank oder die LEG infrage, aber wahrscheinlich wird es wohl die staatliche Lotterieverwaltung im Hause Diezel sein. Im Gegensatz zum vorhin diskutierten Nichtraucherschutzgesetz soll das Tippen und Wetten nicht verboten werden, sondern durch Verstaatlichung nur nicht mehr so gefährlich sein. Ich finde, dass die Begründung des Gesetzentwurfs insgesamt fraglich ist. Wenn Ihre Logik stimmen würde und man Suchtgefahren mit einem Staatsmonopol am besten bekämpfen kann, dann frage ich mich, warum dann nicht endlich und zuallererst die Tabak- und die Spirituosenindustrie verstaatlicht werden. Durch VEB Marlboro ließe sich so nämlich die Nikotinsucht viel besser bekämpfen, wenn Ihre Argumente tatsächlich zuträfen.

Werte Kollegen, in meiner Fraktion gibt es auch viele Befürworter der vorliegenden Vorgehensweise im Gesetzentwurf. Wir sind dazu miteinander in der Diskussion. Ich möchte in meinem Redebeitrag besonders auf die kritischen Sichten eingehen und hoffe darauf, dass wir alle in den anstehenden Beratungen zum Gesetzentwurf den richtigen Weg finden.

Meine Damen und Herren, Ausgangspunkt des neuen Gesetzentwurfs war die Klage einer potenziellen privaten Sportwettenanbieterin aus Bayern. Ihr war die Zulassung mit Verweis auf das staatliche Wettmonopol bzw. dessen Ausgestaltung in Bayern verweigert worden. Sie machte beim Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Artikel 12 Grundgesetz geltend und war damit erfolgreich. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein staatliches Wett- und Lotteriemonopol allein mit dem Zweck des Abschöpfens von Geldmitteln zu Gemeinwohlzwecken nicht zu rechtfertigen. Rein fiskalische Zielsetzungen können also ein staatliches Monopol nicht rechtfertigen. Als Rechtfertigungsgründe für ein solches Monopol wurden aber vom Verfassungsgericht folgende benannt: die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, der Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften seitens der Wettanbieter, der Schutz vor irreführender Werbung und der Jugendschutz. Deshalb seien Art und Zuschnitt der Sportwetten zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern und deren Vermarktung zu begrenzen. Hinsichtlich der Werbung sagt das Gericht, dass über Wettangebote immer noch sachlich informiert werden darf, dass aber die Informationen keinen werbend auffordernden Charakter mit besonders positiv gefärbten Behauptungen haben dürfen.

Günther Jauch in Badehose an einem karibischen Strand, der den Fernsehzuschauern sagt, dass sie bei der SKL Millionär werden können, verbreitet eine sachliche Information oder etwa nicht? Die im Staatsvertrag vorgesehene Abgrenzung zwischen zulässiger Information und unzulässiger Werbung ist weder klar noch eindeutig und ist damit juristisch zumindest zu hinterfragen.

Nach dem Urteil könnte der Staat neben der inhaltlichen Ausrichtung auf das Ziel der Sucht- und Missbrauchsbekämpfung auch eine dem Grundsatz entsprechende Ausformung des Wettmonopols durch eine streng gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Angebote durch private Veranstalter erreichen. Das Urteil sagt, dass das staatliche Monopol bzw. Kontrollsystem die Privatanbieter nicht gänzlich vom Markt verdrängen darf, solange es überhaupt solche Angebote gibt. Die bestehenden Regelungen entsprächen diesen Vorgaben nicht. Deshalb verlangte das Gericht eine Überarbeitung bis spätestens 31. Dezember 2007.

Meine Damen und Herren, der neueste Gesetzentwurf zum Glücksspielwesen in Deutschland soll neben den schon genannten Zwecksetzungen auch dazu dienen - ich möchte zitieren - „das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken.“ Deshalb muss die Werbung künftig

auf die jeweiligen Suchtgefahren, auf Hilfsangebote und auf das Teilnahmeverbot für Minderjährige hinweisen. Zudem ist Werbung im Fernsehen und im Internet ab 2008 verboten. Warum Werbung im Radio und in der Zeitung nicht auch verboten wird, ist nicht begründet worden. Hinsichtlich der Sportwetten soll auch die Banden- und Trikotwerbung in Stadien verboten werden. Diese absoluten Verbote gehen über das Urteil hinaus. Außerdem sind die Verbote recht uneinheitlich bzw. willkürlich festgelegt. Ich frage mich, weshalb zum Beispiel die Tipp24 AG keine Lottoscheine mehr im Internet verkaufen darf, aber Herr Faber und Frau Tietze alle Haushalte per Post über ihre Lottoangebote informieren dürfen. Unklar ist ebenfalls, weshalb einerseits die Fernsehauftritte von Herrn Jauch suchtpolitisch korrekt sind und andererseits die Fußballspieler des SV Werder Bremen mit der Aufschrift „bwin“ auf der Brust eine Massensucht auslösen sollen.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf legt richtigerweise die Annahme zugrunde, dass Glücksspiele je nach Ausgestaltung unterschiedliche Sucht- und Gefahrenpotenziale haben können. Klar ist wohl, dass das große Spiel am Roulette- oder Pokertisch und das Automatenspiel, z.B. an einarmigen Banditen, leicht zu Spielsucht führen können und damit ein hohes Gefahrenpotenzial aufweist. Allerdings sind diese eben genannten Glücksspiele nicht Gegenstand des vorliegenden Staatsvertrags. Hier geht es nämlich nicht um Roulette oder nicht um Spielautomaten, sondern um Zahlenlotto, Sportwetten und Tombolas. Die Suchtgefahr, die vom Lotto am Samstag ausgeht, wird in entsprechenden Untersuchungen als derzeit relativ klein eingeschätzt. Einige Gutachter behaupten aber, dass sich das in Zukunft ändern könnte. Auf welche wissenschaftliche Grundlage diese Annahme gestützt wird, ist aus der Begründung des Gesetzentwurfs nicht hinreichend ersichtlich, meine Damen und Herren. Das sollte es aber, wenn man ein staatliches Monopol verfassungsfest ausgestalten will. Man muss dann auch begründen, warum nur der Staat selbst in der Lage ist, die Ziele, z.B. der Suchtabwehr, zu erreichen und Private dazu nicht in der Lage sind.

Nach dem Entwurf - Frau Ministerin, Sie haben es erwähnt - haben die Anbieter zum Schutz vor Spielsucht sogenannte Sozialkonzepte aufzustellen, die z.B. die Schulung des Personals enthalten. Es soll die Möglichkeit bzw. sogar die Verpflichtung von Anbietern geben, gefährdete Spieler mit Spielsperren zu belegen. Dies ist gut, allerdings so ganz neu nicht, denn private Wettanbieter praktizieren so etwas schon jetzt, und zwar aus eigenem, auch wirtschaftlichem Interesse. Warum also staatliche Veranstalter besser geeignet sind, dieselben gesetzlichen Regeln einzuhalten wie Private, sollte uns zumindest in den weiteren Beratungen noch mal erläutert werden.

Meine Damen und Herren, mit dem Gesetzentwurf soll ein neuer Versuch gestartet werden, die privaten Sportwettenanbieter vom Markt zu nehmen. Nach 10-jährigem erfolglosen juristischen Kampf sollen nun endlich auch die sogenannten Alterlaubnisse, die noch nach dem Gewerbegesetz der DDR erteilt wurden, das betrifft Sportwetten Gera, Anbieter in Dresden, in Neugersdorf und im Ostfeld Berlins, ihre Gültigkeit verlieren. Auch hier muss der Gesetzgeber den Nachweis erbringen, dass allein das Angebot durch staatliche Betreiber die Rechtfertigungsgründe des staatlichen Wettmonopols sicherstellt oder jedenfalls so viel wirksamer, dass hier eine Ungleichbehandlung Privater gerechtfertigt ist. Es ist zweifelhaft, ob dieser Nachweis gelingen würde angesichts der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil auch das Modell der streng kontrollierten Marktöffnungen für Private für verfassungsrechtlich zulässig hält. Sollte sich der Erlaubnisentzug im Hinblick auf Bestandschutzansprüche des Unternehmens oder der Unternehmen als rechtswidriger sogenannter „enteignungsgleicher Eingriff“ oder Ähnliches herausstellen, können hohe Schadenersatzansprüche entstehen.

Meine Damen und Herren, meine Auffassung ist, dass angesichts dieser Tatsachen über das Modell der streng kontrollierten Marktöffnung für Private ernsthaft nachgedacht werden sollte, denn die Beibehaltung des strengen staatlichen Monopols hätte realistisch wohl nur dann Sinn und Aussicht auf Erfolg, wenn das Bundesverfassungsgericht zu dessen Rechtfertigung auch Gemeinwohlzwecke jenseits der Suchtbekämpfung oder gar rein fiskalische Zwecke zugelassen hätte und es keine Abwanderungstendenzen geben würde. Übrigens hatte der jüngste Bundesligawettskandal nicht private, sondern staatliche Anbieter betroffen.

Meine Damen und Herren, die nationale Regelungsebene wird immer mehr von der Europäischen Rechtsebene bestimmt und gestaltet. Zwar ist das Glücksspiel von den Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen, jedoch muss das nicht für immer so bleiben. Außerdem bestehen neben der Dienstleistungsrichtlinie noch weitere Europäische Bestimmungen, z.B. im EWG-Vertrag, die die Wettbewerbsfreiheit besonders im Hinblick auf Diskriminierungsverbote regeln. Daher ist die Hoffnung privater Anbieter aus Deutschland, vor dem Europäischen Gerichtshof recht zu bekommen, zumindest nicht ganz unberechtigt. Besonders hinsichtlich eines totalen Ausschlusses privater Wettanbieter hätte Deutschland ganz hohen Rechtfertigungsmaßstäben zu genügen. Ob hier der Rechtfertigungsnachweis gelingen kann, ist doch fraglich. Deutschland hätte im Fall des Unterliegens mit Schadensersatzforderungen und Vertragsstrafen zu rechnen. Ein Vertragsverletzungsverfahren könnte vom zustän

digen EU-Kommissar übrigens auch ohne laufenden Prozess vor dem EuGH eingeleitet werden.

Der Gesetzentwurf, werte Kollegen, sollte deshalb sehr ausgiebig auch auf die Vereinbarkeit mit europäischem Recht geprüft und diskutiert werden. Problematisch könnte hierbei sein, dass mit dem Gesetzentwurf zwar die Veranstaltung von Lotto und Toto dem Staat vorbehalten bleiben soll, aber die Vermittlung auch von Privaten durchgeführt werden darf. Vor dem Hintergrund der Bekämpfung der Spielsucht hieße dies, dass von der Veranstaltung einer Lotterie Suchtgefahren ausgehen, vom Vermitteln des Mitspiels an der Lotterie aber nicht. Das ist zumindest unlogisch. Möglicherweise sieht es der EuGH auch so.

Werte Kollegen, die restriktiven Bestimmungen des Gesetzentwurfs lassen Einsprüche im Lotterie- und Wettgeschäft erwarten. Frau Diezel, Sie haben das erwähnt. Damit werden auch die Einnahmen des Staats, z.B. aus Steuern, zurückgehen. Hier gibt es schon entsprechende Prognosen von Fachleuten. Vertreter der Praxis weisen auch darauf hin, dass ein nationales Monopol angesichts der Entwicklung in anderen europäischen Ländern und der Möglichkeit des Spiels bzw. der Wette im Internet ganz schwer aufrechtzuerhalten sein wird und durch Abwanderungsmechanismen ausgehöhlt werden kann. Da sehe ich die Gefahr, dass mit den Extremforderungen im vorliegenden Gesetzentwurf das Ziel der Suchtbekämpfung auch verfehlt werden kann. Stattdessen könnten einerseits die Finanzquellen für gemeinnützige Zwecke nahezu zum Erliegen kommen und andererseits dem illegalen Glücksspiel Tür und Tor geöffnet werden. Jedenfalls müsste der Entwurf des Gesetzes auch für diese für uns alle unerwünschte Nebenwirkung abgeklopft werden.

Meine Damen und Herren, wir müssen bei der Beratung weiter die Folgen für die gemeinwohlorientierten Bereiche in der Gesellschaft prüfen, die bisher auf die Unterstützung mittels Toto- und Lottoeinnahmen angewiesen sind. Für Thüringen könnten das Finanzeinbußen von 20 bis 30 Mio. € bedeuten. Für den Landessportbund und die LIGA der Freien Wohlfahrtsverbände schreiben Sie zwar für die Jahre 2008 und 2009 finanzielle Untergrenzen ins Gesetz, damit die Kürzungen nicht so gravierend ausfallen, aber ab 2010 würden nach dieser Logik die Einnahmeausfälle voll zu Buche schlagen. Überlegenswert wäre es daher an dieser Stelle, wenn die Finanzierung von LSB und LIGA etwas unabhängiger vom Spielverhalten der Bevölkerung gestaltet würde. Man könnte zum Beispiel statt dem Anteil von 6 Prozent der Spieleinsätze auch einen Festbetrag von ca. 9 Mio. € aus den Lottoüberschüssen bereitstellen. Damit könnte man guten Gewissens den Spieltrieb der Bevölkerung eindämmen,

ohne gleichzeitig die Mittel für den Sport und für andere zu kürzen.

Meine Damen und Herren, wenn man über eine streng staatlich kontrollierte Öffnung des Markts für Private nachdenkt oder nachdenken würde, muss man sich auch Gedanken um ein an den im Bundesverfassungsgerichtsurteil genannten Zielen orientiertes Zulassungs- und Kontrollsystem machen. Dazu müssen mit Betroffenen und Fachleuten aus der Praxis, der Politik und Wissenschaftlern ausgiebige Diskussionen geführt werden. Im Rahmen einer Anhörung müssten dann auch dringend Modelle, z.B. das einer sogenannten Gewinneinsatzsteuer, diskutiert werden, mit denen der Staat sich auch weiterhin entsprechende Finanzmittel für Gemeinwohlzwecke sichern kann. Unabhängig davon, ob auch die letztgenannte Frage in unseren Beratungen diskutiert wird oder nicht, empfehle ich den Kollegen meiner Fraktion, im federführenden Ausschuss eine mündliche Anhörung durchzuführen, so wie das in vielen Bundesländern, wie beispielsweise in Schleswig-Holstein, in Bayern und in Hessen, bereits geschehen ist oder derzeit geschieht.

Frau Präsidentin, werte Kollegen, ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs federführend an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, da der Gesetzentwurf gemäß § 1 vorrangig den Zielen der Suchtprävention des Jugend- und des Verbraucherschutzes dienen soll. Ich beantrage weiter die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, da der vorliegende Entwurf Gegenstand umfangreicher juristischer Bewertungen ist und es wahrscheinlich bis zum Ende der Beratungen auch bleiben wird. Ich beantrage drittens die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss, weil wir uns dort über die wegfallenden Einnahmen und die künftig sichere Finanzierung des Sports und der Wohlfahrtsverbände verständigen müssen.

Meine Damen und Herren, am Ende mein bisheriges Fazit: Wenn wir dem Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form zustimmen, dann kann er uns unter Umständen in den nächsten Jahren um die Ohren fliegen. Wollen wir wetten? Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD hat sich der Abgeordnete Dr. Pidde zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das nun vorgelegte Artikelgesetz ist die Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des bayerischen Staatsmonopols für die Veranstaltung von Sportwetten aus dem März 2006.

Die Richter entschieden, dass ein staatliches Monopol für Sportwetten mit dem Grundgesetz Artikel 12 vereinbar ist, wenn ein solches Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren und dem Jugendschutz ausgerichtet ist. Da dies nach der derzeitigen Rechtslage nicht gewährleistet ist, wurde der Gesetzgeber aufgefordert, dieses Regelungsdefizit bis zum Ende dieses Jahres zu beseitigen. Die Thüringer Lotteriegesetzgebung ist mit der bayerischen Gesetzgebung vergleichbar. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch auf andere Glücksspiele anwendbar ist. Das hat zur Folge, dass das Thüringer Glücksspielwesen in allen Spielarten generell neu zu regeln ist und dabei dem Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren und des Jugendschutzes in besonderem Maße Rechnung getragen werden muss.

Zur Umsetzung dieser Ziele wurde von den Bundesländern der Lotteriestaatsvertrag weiterentwickelt und liegt nun, wie es die Finanzministerin ausgeführt hat, als Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vor; er ist im Haushalts- und Finanzausschuss schon beraten worden. Mit dem jetzigen Gesetz - die Ministerin sagte es schon - geht es darum, zum einen diesen Staatsvertrag zu ratifizieren, dann beinhaltet er das Thüringer Glücksspielgesetz und eine Novellierung des Spielbankengesetzes. Die geforderte Ausrichtung der Lotterien an der Bekämpfung von Suchtgefahren und des Jugendschutzes hat eine ganze Reihe von praktischen Folgen - auch das ist von Frau Ministerin Diezel und Herrn Huster hier schon genannt worden - das reicht von der Glücksspielwerbung bis zur Sicherstellung von Kontrollinstanzen, die eine ausreichende Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staats aufweisen. All das ist hier schon genannt worden, darauf will ich gar nicht weiter eingehen.

Meine Damen und Herren, es geht bei diesem Artikelgesetz um nicht mehr und nicht weniger als um die Sicherung des staatlichen Glückspielmonopols. Da hat meine Fraktion, hat die SPD, eine eindeutige Position. Bei der CDU ist und war die nicht immer so leicht erkennbar, noch im April dieses Jahres war Herr Mohring in der Zeitung zu zitieren, dass er das Ende des Wettmonopols forderte, jetzt legt Ministerin Diezel einen Gesetzentwurf vor, der das Gegenteil von dem haben möchte. Ich weiß nicht, wir werden

ja im Ausschuss dann genau erfahren, in welche Richtung die CDU dann einheitlich denkt. Vielleicht war es bei Herrn Mohring nur der Nordwind in den Segeln, weil ja aus der Staatskanzlei an der Förde gesagt wurde, dass sie diesem Staatsvertrag nicht beitreten würden.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Das ist aber falsch.)

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist Ihre Verwirrung.)

Bei Herrn Huster wundert mich, was für eine Lanze er für die privaten Sportwettenanbieter bricht.