Protocol of the Session on September 20, 2007

Kinder müssen ernst genommen und beteiligt werden. Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention lautet: „Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“ Wir wollen eine stärkere Beteiligung der Kinder in ihrem unmittelbaren

Umfeld, aber auch in Gesellschaft und Politik. Dort, wo Kindern zugehört wird, kommen vielleicht manchmal ganz andere Ergebnisse heraus als dort, wo Erwachsene immer nur glauben zu wissen, was Kinder brauchen und wollen.

(Beifall DIE LINKE)

Artikel 28 der Konvention lautet: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an; um die Verwirklichung dieses Rechts auf der Grundlage der Chancengleichheit fortschreitend zu erreichen,...“ In vielen Ländern bedeutet das, dass Kindern überhaupt erst einmal ein Recht auf einen kostenlosen Schulbesuch eingeräumt werden muss. Hier sind wir natürlich weiter. Aber wir wissen, auch in Deutschland entscheidet der elterliche Geldbeutel und die soziale Herkunft häufig über die Chancen in Schule und Hochschule.

(Beifall DIE LINKE)

In diesem Artikel heißt es deshalb an einer weiteren Stelle auch, dass die Vertragsstaaten allen entsprechend ihren Fähigkeiten den Zugang zu Hochschulen mit allen geeigneten Mitteln ermöglichen werden. Mit der fehlenden Förderung für kleine Kinder, mit der Auslese in unserem dreigliedrigen Schulsystem und mit Plänen für Studiengebühren bewegen wir uns von diesem Ziel aber immer weiter weg. Wir sehen die Entwicklung mit großer Sorge. Um der Ausgrenzung etwas entgegenzusetzen, müssen wir den Besuch sämtlicher Bildungseinrichtungen auf Dauer unentgeltlich zur Verfügung stellen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Wir reden seit langer Zeit über den Kinderschutz. Um in dieser Diskussion einen weiteren Punkt hervorzuheben, haben wir uns in diesem Antrag Kindern in Pflege und Adoption zugewandt. Zum Schutz und Wohl der Kinder muss es auch hier um Verbesserungen gehen. Nach Artikel 20 und 21 ist die bestmöglichste Form für die Kinder zu wählen und bei der Wahl zwischen diesen Lösungen ist die erwünschte Kontinuität in der Erziehung des Kindes zu sichern. Häufig dauert es zu lange, bis Entscheidungen bei Familiengerichten getroffen werden oder sie sind nicht dauerhaft tragfähig und Kinder müssen in ihre Herkunftsfamilien zurück, denen sie sich schon seit vielen Jahren entfremdet haben. Hier, wie beim Kinderschutz generell, wäre es hilfreich, wenn die Kinderrechte im Grundgesetz verankert wären. Dem Schutz der Familie müssen dort engere Grenzen gesetzt werden, wo der Schutz der Kinder gefährdet ist. Hier schließen wir uns den Forderungen an, Kinderrechten einen Verfassungsrang zu geben.

Zum Schluss möchte ich mich noch einmal auf den Sonderbotschafter beziehen. Er vertritt die Auffassung, dass es notwendig ist, Aktionen einzuleiten, um soziale Ungleichheiten zu überwinden und um gleiche und gerechte Bildungsmöglichkeiten für jedes Kind sicherzustellen. Wir haben ein paar wenige Schritte vorgeschlagen und laden Sie ein, sich diesen Vorschlägen anzuschließen oder mit uns darüber zu diskutieren. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat Abgeordnete Meißner, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnetenkollegen, auch wenn hierzulande eher der 1. Juni als Kindertag bekannt ist, denke ich, wir nehmen heute den 20. September, den Weltkindertag, zum Anlass, allen Kindern recht herzlich zu gratulieren.

(Beifall im Hause)

Ich bin mir sicher, wir alle sind der Meinung, dass Kinderrechte wichtig sind. Niemand wird bestreiten und sollte es bestreiten, dass der gesellschaftliche Stellenwert von Kindern stetig wächst, auch in Thüringen. Das ist eine begrüßenswerte Entwicklung. Einen großen Beitrag zu dieser Entwicklung leistete die UN-Kinderrechtskonvention, die nunmehr seit 15 Jahren in der Bundesrepublik Geltung hat. Diese verpflichtende Vereinbarung zwischen den Vertragsstaaten umfasst Aspekte aus allen Lebensbereichen von Kindern und Jugendlichen, angefangen beim Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung über das Recht auf Namen und Staatszugehörigkeit bis hin zum Recht auf Gesundheit und gewaltfreie Erziehung. Ebenso thematisiert das Übereinkommen das Recht auf Schutz vor Vernachlässigung und Ausnutzung sowie das Recht auf Betreuung bei Behinderung, um nur einige zu nennen.

Der Weltkindertag am heutigen 20.09. sollte uns natürlich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass es nicht allen Kindern auf der Welt gut geht und dass die UN-Kinderrechtskonvention nicht von allen Ländern der Erde ratifiziert wurde.

Ich bin Kollegin Ehrlich-Strathausen dankbar, dass sie es auch sieht wie ich, denn DIE LINKE hat nun mit ihrem Antrag wie fast in jedem Jahr an diesem Tag einen populistischen Rundumschlag gestartet.

(Unruhe DIE LINKE)

Dieser muss sich für die Menschen ja anhören, als wäre Thüringen ein rückständiges Land was Kinderrechte anbetrifft. Dem ist nicht so.

(Unruhe DIE LINKE)

(Beifall CDU)

Im Grundgesetz werden Kinder bereits umfassend geschützt. Sie sind wie Erwachsene.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete Meißner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bärwolff?

Am Ende, Herr Bärwolff.

Sie sind Grundrechtsträger und flankierend dazu verpflichtet Artikel 6 Grundgesetz die Eltern zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder.

Sehr geehrte Abgeordnetenkollegen, wir sind auch im Freistaat auf dem richtigen Weg, vor allem, was die verfassungsrechtliche Verankerung der Kinderrechte in Thüringen angeht. Das kann nicht jedes Bundesland von sich sagen. In Artikel 19 der Thüringer Verfassung wird Kindern das Recht auf gesunde, geistige, körperliche und psychische Entwicklung zugesichert.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Na, dann setzen Sie es um!)

Außerdem sind hier der Kinderschutz, die Förderung von Kindertageseinrichtungen und Gesundheitsschutz zugesichert. In diesem Zusammenhang erinnere ich gern auch an den Maßnahmenkatalog der Landesregierung zum Kinderschutz, der auch seinesgleichen in der Bundesrepublik sucht. Thüringens Politik ist kinderfreundlich und vor diesem Hintergrund kann ich auch einige Punkte Ihres Antrags nicht nachvollziehen.

Schauen wir uns doch Ihre Forderungen im Einzelnen an: Sie sagen in II a, dass Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention unentgeltliche Eintritte in Museen und Ausstellungen für Kinder fordert, um die kulturelle Teilhabe aller Kinder zu sichern.

Artikel 31 sagt aber wörtlich - und ich erlaube mir zu zitieren -, dass „die Vertragsstaaten das Recht des Kindes... auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben“ anerkennen und „das Recht des Kindes auf volle Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben“ achten und fördern. Hier ist jedoch nicht die Rede vom kostenlosen Eintritt in Museen und Ausstellungen. Aber abgesehen davon haben bereits viele öffentliche Einrichtungen eine kinderfreundliche Regelung. So müssen Kinder im Vorschulalter in der Regel keinen Eintritt zahlen und für Schüler gibt es immer eine Ermäßigung. Beispielsweise denke ich da an die Wartburg in Eisenach oder das Naturkundemuseum hier in Erfurt. Private Träger von Museen und ähnlichen Einrichtungen können aber auch immer noch selbst entscheiden, ob und wie viel Eintritt Kinder zahlen müssen.

Dann fordern Sie in Ihrem Antrag die kostenlose Versorgung mit Essen in Kitas und Schulen. Für Entwicklungsverzögerungen, von denen Sie reden, ist aber in erster Linie nicht die Politik verantwortlich. Ob Kinder sich gesund und vollwertig ernähren, liegt zuerst in der Verantwortung der Eltern.

(Beifall CDU)

Die Speisung in den Bildungseinrichtungen und Kindertagesstätten kann nur ein Beitrag des Staates dazu sein.

(Unruhe DIE LINKE)

(Glocke der Präsidentin)

Die Bedeutung der frühkindlichen Bildung wurde auch von der Landesregierung längst erkannt. Dem wird Rechnung getragen im Thüringer Bildungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren, der bald verbindlich für alle Kindertageseinrichtungen in Thüringen gelten wird. Mit welchen Mitteln dessen Umsetzung gefördert werden muss bzw. ob zusätzliches Personal nötig wird, kann man erst nach der beendeten Erprobungsphase sagen.

Mit dem Blick auf Ihre Forderung bezüglich Entwicklungsstandstests vor Schuleinführung erwecken Sie den Eindruck, als würden Kindertageseinrichtungen die Entwicklung der ihr anvertrauten Kinder nicht ernst nehmen. Dem ist nicht so.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Das hat doch gar keiner gesagt.)

Ich weiß, dass in vielen Einrichtungen in Thüringen Entwicklungsbögen für jedes einzelne Kind über Jahre hinweg geführt und diese mit den Eltern ausgewertet werden. Danach werden entsprechende Maßnahmen und Folgerungen für jedes einzelne Kind

getroffen.

In Punkt II e) Ihres Antrags haben Sie grundsätzlich meine volle Unterstützung. Kinder und Jugendliche sollten ihre Meinung frei äußern und sich einbringen können. Ich selbst habe bereits Anfragen zu dem Thema gestellt.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter Bärwolff, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Danach haben Sie dann das Wort.

Gerade vor dem Hintergrund der Politikverdrossenheit sehe ich in Kinder- und Jugendgremien, aber auch in den Kinder- und Jugendverbänden ein großes Potenzial, jungen Menschen Gehör zu verschaffen oder sie für Mitbestimmung aufzuschließen. Die Grundlagen, um die Mitbestimmungsrechte - wie von Ihnen gefordert - zu stärken, sind schon da. Es bedarf jedoch der konsequenten Umsetzung u.a. auf örtlicher Ebene bzw. in der Schule. Mitbestimmung spielt eine wichtige Rolle im Hinblick auf Zugehörigkeit, Integration, Bildung, aber auch für Wirtschaft und Effizienz. Die Kommunalpolitiker vor Ort und auch die Schulleitung müssen die Mitbestimmungen der Schüler durch Kinder- und Jugendparlamente und Schülervertretungen unterstützen und deren Wert für die Demokratie anerkennen. Es muss sich eine kommunale Anerkennungskultur entwickeln, die es jungen Menschen ermöglicht, an all jenen Belangen beteiligt zu werden, die sie betreffen. Ich freue mich, dass es auch hier gerade im Thüringer Landtag immer mehr Bestrebungen gibt, die Politik für Jugendliche interessanter zu machen. Nicht nur das Thüringer Schüler- und Jugendparlament soll zukünftig regelmäßig stattfinden, sondern auch die Landtagshomepage soll attraktiver für Jugendliche gemacht werden. Darüber hinaus wissen Sie sicherlich, dass in diesem Hause auch jährlich der Landeswettbewerb „Jugend debattiert“ stattfindet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Rechtfertigung für Ihre Forderung, Kinderkrippe, Kindertagesstätte, Hort und Schule generell unentgeltlich zu gestalten, kann ich auch in Artikel 28 der UNKinderrechtskonvention nicht finden. Der dort geregelte Besuch der Grundschule ist bereits Pflicht und unentgeltlich, wie die Konvention es festschreibt. Von einem kostenfreien Besuch von Kinderkrippen und Tagesstätten ist hier aber gerade nicht die Rede.

Und letztlich zu Buchstabe g) Ihres Antrags Nummer II. „Gemäß Artikel 20 und 21 der UN-Kinderrechtskonvention muss die Adoption und Dauer

pflege eine langfristige Perspektive für Kinder eröffnen,...“ Das ist richtig, aber dass deshalb Gerichte schnellere Entscheidungen treffen müssen, da kann ich - wie meine Kollegin Ehrlich-Strathausen - nicht zustimmen. Denn gerade bei einem sorgfältigen und unabhängigen Verfahren kann durch eine eingehende gründliche Prüfung gewährleistet werden, ob Kinder auf Dauer eine neue familiäre Heimat finden. So viel zu Punkt II Ihres Rundumschlags.

Da Punkt III bundesweite Entscheidungen betrifft, möchte ich mich hierzu nur kurz äußern. Eine Neuausrichtung der Kinderförderung, wie Sie sie fordern, ist bereits teilweise angedacht, beispielsweise die Heraustrennung der Familien- und Kinderförderung aus dem Einkommensteuerrecht, womit das Ganze transparenter gestaltet werden kann. Weiterhin hört es sich an, als wäre in Deutschland, in Thüringen gar keine solidarische Grundsicherung gegeben. Aber als was betrachten Sie denn das Kindergeld, das Bundeselterngeld und auch das Thüringer Landeserziehungsgeld?

(Beifall CDU)

Alles in allem ist Ihr Antrag nicht nachvollziehbar, da sich in unserem Freistaat unserer Meinung nach seit der Wende viel in Sachen kinderfreundlicher Politik getan hat. Dabei stand das Kindeswohl immer im Mittelpunkt der Familienpolitik.