Protocol of the Session on May 4, 2007

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich habe den Eindruck, Sie wollen uns nicht verstehen und, Herr Minister, Sie wollen nicht handeln. Das ist der Eindruck, den ich hier habe. Sie begründen, was es schon für Arbeitsgruppen gibt. Das mag ja sein, Herr Minister, dass es die gibt, und die gibt es ja auch, aber die Ergebnisse sind schwach erkennbar. Das ist doch das Problem. Wir brauchen Arbeitsgruppen, die Ergebnisse bringen. So eine Arbeitsgruppe wollen wir. Dieser Zungenschlag „Ratifizierung/Unterzeichnung“, Sie haben recht, Herr Minister, aber wollen wir jetzt wirklich warten, bis Deutschland erst ratifiziert hat und dann wollen wir handeln, wenn Deutschland unterzeichnet hat. Ich gehe einmal davon aus, dass die Bundesregierung zumindest diese Konvention anerkennt. Ich habe noch so viel Hoffnung in dieses Land, dass auch eine Ratifizierung erfolgen wird. Aber wir wollen warten. Warum wollen wir nicht als Thüringen, wie das Frau Künast gesagt hat, hier einmal ein Zeichen setzen, indem wir sagen, ja, die UN-Konvention - das haben Sie bestätigt, Herr Minister - ist anerkennenswert. Wir erkennen die an und beginnen schon, nach dieser Konvention zu handeln. Wir wollen erst warten, den Beamtenweg...

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Wir handeln doch die ganze Zeit schon danach.)

Nein, wir wollen warten, weil wir nicht arbeiten wollen, Herr Minister. Das ist der Eindruck, den ich habe. Aber da wird es wahrscheinlich noch ein Problem geben, warum Sie nicht handeln wollen. Das, was wir nämlich im Punkt 3 fordern, die Überprüfung der Thüringer Landesgesetzgebung, wenn wir die auf den Tisch legen und überprüfen sie anhand der beschlossenen Konvention, Herr Minister, dann müssten nämlich solche Gesetze wie das Landesbehindertengleichstellungsgesetz noch mal auf den Prüfstand, dann müsste das Gesetz ein echtes Nachteilsausgleichsgesetz werden. Das ist natürlich dann auch ein Leistungsgesetz, das kostet Geld, aber es müsste auf den Prüfstand.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es müsste die Thüringer Bauordnung auf den Prüfstand, die letzten Endes, was Barrierefreiheiten betrifft, nur Mindeststandards festlegt. Es müsste das nicht vorhandene Blindengeldgesetz auf die Tagesordnung gesetzt werden oder dieser Kompromiss, ob das ein wahrer Nachteilsausgleich ist oder ob das nicht doch Diskriminierung ist. Es müsste auch das vorhin diskutierte Verkehrsprogramm auf den Tisch, ob das überhaupt die Teilhabe gewährt. All diese Ihre Gesetze, Herr Minister, und die der Landesregierung müssten auf den Prüfstand. Es würde herauskommen, diese Gesetze zum größten Teil entsprechen nicht dieser verabschiedeten UN-Konvention. Ich habe die Befürchtung und behaupte, Herr Minister, davor hat die Landesregierung und haben Sie Angst und deshalb nur diese halbherzigen Bekenntnisse, die Sie dem Hohen Haus darlegen. Sie verpassen und dieses Haus verpasst, dass Thüringen mal eine Vorreiterrolle spielen könnte und dass dieser Landtag einmal ein positives Zeichen für die Behindertenpolitik setzen könnte. Das verpassen Sie.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Bitte, Herr Nothnagel.

Morgen ist ja der europaweite Protesttag der Behinderten für die Gleichstellung und da frage ich mich dann schon, inwieweit ist der Protest, der jahrelang auch in Thüringen war, in Thüringen und auch im Thüringer Parlament, bis jetzt angekommen. Da muss ich dann feststellen, in der Mitte des Hauses scheint das bis jetzt nicht so richtig angekommen zu sein. Ich frage mich wirklich: Wovor haben Sie Angst, wovor? Vor dieser UN-Konvention, vor den Menschenrechten behinderter Menschen? Das scheint zumindest so. Sie stellen sich hier hin und sagen, wir finden das auch alles prima und alles richtig und wichtig, aber tun hier in Thüringen wollen wir dafür gar nichts. Das, finde ich, ist schon sehr janusköpfig. Wie sieht denn die Behindertenpolitik hier in Thüringen aus? Wir haben jetzt seit über einem Jahr ein Landesbehindertengleichstellungsgesetz. Das ist sicherlich nicht das, was wir wollten und was die Betroffenen wollten, weil ja Herr Panse immer sagt, wie toll Sie mit den Betroffenen reden und wie toll Sie mit den Betroffenen klarkommen. Das Gesetz ist der beste Beweis dafür, wie toll Sie die Interessen der Betroffenen umsetzen, die interessieren Sie eigentlich herzlich wenig. Wie herzlich wenig die interessieren, sieht man doch daran, wie lange die Verordnungsrichtlinie zu diesem Landesgleichstellungsgesetz auf sich warten lässt. Sie ist bis zum heutigen Tage immer noch nicht da. Das zeigt, Sie halten tolle Sonntagsreden und haben für alles Verständnis, sind die lie

ben, netten Menschen, aber wenn es darum geht, den Alltag behinderter Menschen zu verbessern und die Lebensqualität behinderter Menschen zu verbessern und sich aktiv dafür einzusetzen, dann hört es bei Ihnen auf, da tun Sie nichts.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Jetzt liegen mir endgültig keine weiteren Wortmeldungen - doch, Herr Minister Zeh noch einmal.

Frau Künast, wenn hier etwas falsch gesagt wird, muss man die Möglichkeit haben, das richtigzustellen, denn Herr Nothnagel sagte gerade, dass die Verordnung immer noch auf sich warten lässt. Die Verordnung ist beschlossen im Kabinett und sie wird sicherlich demnächst auch Ihnen zugeleitet werden oder sie ist Ihnen schon zugeleitet worden. Ich weiß es nicht, aber sie ist auf jeden Fall bereits beschlossen. Ihr Beitrag, Herr Nothagel, und auch der von Herrn Kubitzki sagen mir ausdrücklich noch einmal, dass ich meiner Fraktion die Ablehnung dieses Antrags empfehlen werde, denn es stimmt nämlich nicht, dass in Thüringen nichts passiert, so wie Sie es mit diesem Antrag und mit Ihren Reden noch einmal hier darstellen wollten. Wir haben in unserem Gesetz zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen ein ganz spezielles Benachteiligungsverbot bzw. Gleichstellungsgebot für Menschen mit Behinderungen verankert und das ist doch die Grundlage jeden Gesetzes, dass diese Verankerung auch beachtet werden muss. Dieses wird beachtet bei den Gesetzen und wird auch so im Regierungshandeln vollzogen. Ich denke, damit haben wir die Grundlage gelegt, dass es gerade nicht so geschieht, wie Sie es hier darstellen wollen, dass sich in diesem Land nichts tut. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich beende die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Es ist die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten beantragt worden. Wir stimmen über diesen Antrag ab. Wer für die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten? Danke. Wer enthält

sich der Stimme? Eine Stimmenthaltung. Bei einer Stimmenthaltung ist mit großer Mehrheit die Überweisung abgelehnt worden.

Wir stimmen ab über die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Wer für die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer enthält sich der Stimme? Eine Stimmenthaltung. Bei einer Stimmenthaltung ist mit Mehrheit die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit abgelehnt worden.

Wir stimmen ab über die Überweisung an den Gleichstellungsausschuss. Wer für die Überweisung an den Gleichstellungsausschuss ist, den bitte ich um das Handzeichen? Wer ist gegen die Überweisung an den Gleichstellungsausschuss, den bitte ich um das Handzeichen. Wer enthält sich der Stimme? Bei einer Stimmenthaltung ist mit Mehrheit die Überweisung an den Gleichstellungsausschuss abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter Buse.

Frau Präsidentin, im Namen der Fraktion bitte ich, die Punkte 1, 2 und 3 einzeln abzustimmen und den Punkt 3 namentlich.

(Unruhe bei der CDU)

Auf Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS stimmen wir über die Punkte in Drucksache 4/2934 einzeln ab.

Wir stimmen zuerst ab über den Punkt 1. Wer für diesen Punkt 1 ist, den bitte ich um das Handzeichen. Wer gegen diesen Punkt ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer enthält sich der Stimme? Bei einer Stimmenthaltung ist der Punkt 1 abgelehnt.

Wir stimmen ab über den Punkt 2 des Antrags der Fraktion der Linkspartei.PDS. Wer für diesen Punkt 2 ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer gegen diesen Punkt ist, den bitte ich um das Handzeichen. Wer enthält sich der Stimme? Bei einer Mehrheit von Gegenstimmen ist dieser Punkt abgelehnt.

Wir kommen damit zur namentlichen Abstimmung zu Punkt 3. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.

Hatten alle Gelegenheit, ihre Stimmkarten abzugeben? Dann bitte ich um Auszählung.

Ich gebe Ihnen das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es wurden 76 Stimmen abgegeben, davon 32 Jastimmen und 44 Neinstimmen (namentliche Ab- stimmung siehe Anlage 3). Damit ist die Nummer 3 des Antrags mit Mehrheit abgelehnt. Abgeordneter Panse möchte eine Erklärung zu seinem Abstimmverhalten geben.

Frau Präsidentin, ich möchte eine Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten zum Punkt 1 abgeben. Ich habe - genauso wie vermutlich auch ein Großteil meiner Fraktion - deswegen dagegen gestimmt, weil dieser Punkt 1 schlichtweg falsch ist. Wir haben es mehrfach erklärt, dass nicht am 31. März 2007 eine Ratifizierung der UN-Konvention erfolgte. Es ist weder vom Antragsteller noch von einer anderen Fraktion beantragt worden, das zu ändern. Insofern ist dieser Antrag in seiner Fassung falsch und deswegen haben wir dagegen gestimmt.

Ich beende diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 15

Wartelisten von Organspen- den in Thüringen verkürzen durch mehr Aufklärung und Schaffung eindeutigen Rechts für die Transplantationsme- dizin Antrag der Fraktion der Links- partei.PDS - Drucksache 4/2935 -

Wünscht die Fraktion das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall, dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort Frau Abgeordneter Dr. Fuchs, Die Linkspartei.PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Herr Minister Zeh hatte gestern früh bei einer Debatte zu einem Thüringer Gesetz u.a. gesagt, dass man Gesetze gelegentlich überprüft, liegt in der Natur der Sache. Dieser Aussage kann ich voll zustimmen und bezogen auf unseren Antrag möchte ich auch sagen, warum. Es wird, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, in wenigen Wochen eine Jubiläumsfeier zum zehnjährigen Bestehen des Transplantationsgesetzes geben. Zeitgleich wird eine zentrale Veranstaltung anlässlich des Tages der Organspende stattfinden und die Deutsche Stif

tung Organtransplantation hält ihren Jahreskongress ab. Die Erkenntnis und Erfahrung, dass Organmangel in Deutschland nach wie vor ein chronisches Problem ist und dass sich die damals getragene Hoffnung, dass das Transplantationsgesetz von 1997 zur Steigerung von Organspenden führen würde, leider nicht erfüllt hat, wird ganz sicher ein Kernthema der von mir benannten Veranstaltung darstellen. Deshalb über dieses Thema auch in den Parlamenten frühzeitig genug neu nachzudenken und in der Öffentlichkeit zu diskutieren, wo die Ursachen für die nicht erfüllte Hoffnung liegen, zu überprüfen, ob das Transplantationsgesetz geändert oder so bleiben sollte, wie es ist, ist somit legitim oder - mit den Worten von Herrn Minister Zeh gesprochen - liegt in der Natur der Sache.

Auch wenn wir, die Fraktion der Linkspartei.PDS, den Antrag heute eingebracht haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir alle hier im Parlament im Interesse der Betroffenen die inhaltlichen Aussagen des Antrags bewerten und parteipolitisch geprägte Interpretationen außen vor lassen. Für Letzteres ist nach meiner Meinung dieses Thema nämlich nicht geeignet. Ich selbst kann mich gut daran erinnern, vor zehn Jahren im Bundestag war das so. Bei den zur Debatte stehenden drei Gesetzentwürfen - die enge, die erweiterte Zustimmungsregelung sowie die Widerspruchslösung - wurde um jede Stimme inhaltlich gerungen und dann individuell entschieden nach Wissen und Gewissen. Das war partei- und fraktionsübergreifender Konsens. Die erweiterte Zustimmungsregelung erhielt damals die erforderliche Mehrheit. Ohne Frage wurden mit diesem Transplantationsgesetz wichtige Grundlagen geschaffen, um Patienten auf der Warteliste die notwendige Transplantation zu ermöglichen. Nur, wie schon erwähnt, zur Steigerung von Organspenden hat es nicht geführt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, rechtliche Vorgaben des Transplantationsgesetzes sowie eine Weiterentwicklung der Organspenden werden inzwischen neu diskutiert. Dass beide Aufgaben von politisch-gesellschaftlicher Bedeutung sind, haben wir in unserem Antrag begründet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf dem vor wenigen Wochen stattgefundenen 2. Jenaer Transplantationssymposium konnten beeindruckende Leistungen von 150 Organ- sowie 87 Knochenmark- und Stammzellentransplantationen genannt werden. Das Jenaer Universitätsklinikum hat sich über die Grenzen von Thüringen hinaus einen guten Namen in der Transplantationsmedizin erarbeitet. Die Mediziner, meine Damen und Herren, würden gern mehr Menschen helfen. Nur, diese Hilfe ist weniger ein medizinisches Problem, sondern vielmehr ein politisches Problem. Das hat selbst Ministerpräsident

Althaus eingeräumt. So äußerte er sich bei seinem Besuch zu diesem Symposium in Jena folgendermaßen - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Es geht darum, das Wissen der Menschen um die Transplantationsmedizin zu erweitern und die Einstellung zur Organspende zu verbessern.“ Weiter hatte er gesagt: „Über die Möglichkeiten der Transplantationsmedizin und die Bedeutung von Organspenden sollte bereits im Biologieunterricht informiert werden, nicht zuletzt, um nach wie vor verbreitete Ängste und Vorurteile abzubauen.“ Diese Aussage kann ich voll unterstützen und sie tangiert, glaube ich auch, vor allen Dingen den ersten Punkt unseres Antrags. Gleichzeitig sprach sich aber der Ministerpräsident für die Zustimmungsregelung aus, also die Beibehaltung des Status quo.

Ich bekenne jedenfalls offen, ich selbst habe mich bereits vor zehn Jahren für die Widerspruchslösung eingesetzt. Ich habe aber auch akzeptiert, dass damals mehrheitlich diese Lösung nicht durchsetzbar war, und somit besitze ich logischerweise seit dieser Zeit auch einen Organspendeausweis. Die Widerspruchslösung, meine Damen und Herren, ist nicht irgendein Gespenst. Sie existiert in Österreich und sie ist in fast allen anderen europäischen Ländern Praxis. Es gab sie auch bereits zu DDR-Zeiten und noch heute leben Menschen, die zu dieser Zeit transplantiert worden sind.

Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren werden die Wartelisten für die Spenderorgane immer länger. Wenn in Thüringen pro Jahr und Million Einwohner 244 Patienten dialysepflichtig werden und wir damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegen, dann ist diese Zahl 244 zugleich ein Hinweis auf die Warteliste für eine Niere.

Meine Damen und Herren, im vergangenen Jahr habe ich im Zusammenhang mit unserer Forderung, Gesundheitsziele für Thüringen zu fixieren, auf das Problem und die Folgen von Ernährung, Übergewichtigkeit und Bewegungsmangel am Beispiel des Diabetes mellitus und seine Kosten verwiesen. Wenn wir bereits jetzt in Deutschland 61.000 Dialysepatienten haben und steigende Zahlen bei Diabetikern - in Thüringen liegt die Zahl zwischen 120.000 und 160.000 -, so steigen auch die Nierenschädigungen und - das kann sich jeder ausrechnen - wahrscheinlich dann auch die Notwendigkeit für eine Organspende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die gegenwärtige rechtliche Situation zur Organentnahme ist sehr kompliziert. Das wurde bereits in der Thüringer Enquetekommission 3/1 „Würde des menschlichen Lebens in Grenzsituationen“ erörtert. Dort heißt es unter anderem im Abschlussbericht - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Die Krankenhausärzte müssen immer wieder motiviert werden, den

Transplantationszentralen Mitteilung zu machen, dass ein als Spender geeigneter Patient verstorben ist. Nach dem Gesetz sind sie dazu verpflichtet, allerdings erst, nachdem der Tod eingetreten ist und die gesetzlich geforderte Zustimmung vorliegt. In der Zwischenzeit geht aber, wenn nicht künstlich beatmet wird, die Eignung zum Spender gewöhnlich verloren. Die Beatmung nach eingetretenem Tode zur Konservierung für die Organspende ist aus rechtlicher Sicht aber bereits eine zustimmungspflichtige Maßnahme. Die Krux für die Krankenhausärzte liegt also darin, Gespräche mit den Angehörigen zur Organentnahme in einer von Trauer gekennzeichneten Situation zu führen, die für Angehörige nur schwer zu ertragen ist. So sind Ablehnungsgründe durch Angehörige von Verstorbenen sehr komplex. Große Bedeutung kommt dem Gespräch des behandelnden Arztes bzw. des Transplantationskoordinators mit den Angehörigen zu. Dazu gehören die Art der Gesprächsführung, das räumliche Umfeld, die Fähigkeit zum einfühlsamen Umgang mit den Angehörigen sowie die Art der Überbringung der Todesnachricht.

Meine Damen und Herren, laut Umfrage wären 78 Prozent unserer Bevölkerung für eine Organspende offen bzw. bereit, aber nur ca. 12 Prozent haben einen Organspendeausweis. Die zu Lebzeiten von potenziellen Spendern geäußerten Gründe für das Versagen der Erlaubnis zur Organspende ist Ausdruck einer unbewussten oder bewussten Verweigerung, sich über das Thema der Organspende mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Die Gründe sind zum größten Teil Ausdruck für ein diffuses, emotionales Unbehagen als eine bewusste, rationalisierte Verweigerung. Im Zusammenhang mit der vom Ministerpräsidenten geforderten Aufklärung ist somit vor allem auch die Enttabuisierung von Sterben und Tod nach wie vor eine wichtige öffentliche Aufgabe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der juristischen Debatte hat sich mit dem Transplantationsgesetz die Anerkennung des Hirntodkriteriums als Entnahmekriterium entschieden. Im Abschlussbericht der genannten Thüringer Enquetekommission heißt es unter anderem dazu: „Im Detail ist das Transplantationsgesetz der Organspende nicht förderlich. Auf die Dauer wird der Gesetzgeber das Dilemma zwischen dem Bedarf an Spenderorganen und dem über den Tod hinausreichenden Schutz der Persönlichkeit neu bewerten müssen, um der Transplantationsmedizin eine eindeutige rechtliche Basis zu verschaffen.“ Als Minimalkonsens war deshalb formuliert worden, dass im Transplantationsgesetz die Kliniken ausdrücklich zu ermächtigen sind, lebensfunktionserhaltende Maßnahmen über den Tod hinaus noch einen gewissen Zeitraum durchzuführen, bis eine Erklärung der Angehörigen über den vermuteten Willen des Spenders eingegangen ist.

Meine Damen und Herren, eindeutiger war die Positionierung zur Lebendspende. Hier gehe ich davon aus, dass die Landesregierung nach wie vor die Position der Enquetekommission vertritt. Zwar sind Organe von lebenden Spendern besser zur Transplantation geeignet, doch ist das vom Spender fremdnützig eingegangene Risiko ethisch höchst problematisch. Nicht nur die Freiwilligkeit der Spende ist schlecht kontrollierbar, das gesundheitliche Risiko des Spenders ist wirtschaftlich bisher nicht ausreichend abgesichert. Die Lebendspendekommissionen in den Ländern haben wenig Kompetenz und ihr Votum ist für Ärzte nicht bindend. Außerdem gibt es keine einheitlichen Kriterien in Deutschland, um Unfreiwilligkeit und Organhandel bei Lebendspende auszuschließen. Die Kommissionen arbeiten nach Vorgabe der Landesbehörden. Eine Studie zur Arbeitsweise der Lebendspendekommissionen kommt zu dem Schluss, einheitliche Richtlinien für alle 23 Lebendspendekommissionen zu erarbeiten, damit die Gremien die Freiwilligkeit prüfen und Organhandel ausschließen können. Deshalb muss die Organtransplantation von Lebendspenden gesetzlich strenger beschränkt werden, wie es der Abschlussbericht der Enquetekommission festhält.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist an dieser Stelle ausdrücklich zu würdigen, dass Thüringen einem Regierungsentwurf für ein Gewebegesetz - Bundestagsdrucksache 16/3146 - bisher kritisch gegenüberstand. Ich hoffe, Herr Minister Zeh, dass das so bleiben wird, denn auch in der Anhörung des Ausschusses für Gesundheit im Deutschen Bundestag am 7. März dieses Jahres war die Kritik der Fachleute an diesem Regierungsentwurf nicht zu überhören. Die Kritik macht sich vor allem daran fest, dass die Bundesregierung beabsichtigt, den Umgang mit Gewebe nach dem Arzneimittelrecht zu regeln. Diese Zuordnung würde bedeuten, dass menschliches Gewebe dann ein Arzneiprodukt und eine Handelsware wäre. Kliniken würden wie ein Pharmaunternehmen behandelt und für die Entnahme von Gewebe benötigten sie eine Herstellungserlaubnis. Damit wären die Kliniken den für Arzneimitteln strengen Sicherheitsrichtlinien und aufwendigen Zulassungsverfahren unterworfen, was bei Gewebe völlig kontraproduktiv ist. Medizinische Behandlungsverfahren würden unmöglich gemacht, denn bei menschlichem Gewebe handelt es sich nicht um standardisierte Produkte. Mit der Unterstellung aller Gewebe unter das Arzneimittelgesetz wären enorme Kosten für die einzelnen Einrichtungen die Folge, die in ihrer Umlage zur erheblichen Verteuerung der Gewebetransplantate und -produkte führen würden. Damit würde letztlich die Solidargemeinschaft belastet und das kann nicht Sinn eines Gesetzes sein. Als skandalös ist die Tatsache zu werten, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung die Transplantation postmortal gespendeter Gewebe in die Gewerblichkeit mit ein

beziehen will. Das heißt im Klartext: Die Tür würde aufgemacht werden, dass man menschliches Gewebe kaufen und verkaufen kann. Zu kritisieren ist, dass der Grundsatz der Anonymität für die postmortale Gewebespende aufgehoben wird; bei der postmortalen Organspende gilt er. Der Widerspruch zwischen Organ- und Gewebegewinnung berührt ethische Grenzen bzw. überschreitet sie, da der postmortale Gewebesektor als gewerbliches und somit gewinnorientiertes Leistungsfeld ausgestaltet wird. Die Organtransplantation finanziert sich aber aufwandsorientiert durch öffentliche Mittel der Selbstverwaltung. Sie gibt Spenderorgane nur treuhänderisch weiter, so dass keinerlei verwertbare Verfügungsrechte entstehen können. Mit dem Gesetzentwurf besteht die große Gefahr, dass einzelne vermittlungspflichtige Spenderorgane nicht transplantiert werden, weil Teile von ihnen als Gewebeprodukte wirtschaftlich interessanter verwertbar erscheinen. Das macht den Weg frei hin zur Unterlassung von Organspendemeldung, weil der Vorgang der Meldung als Gewebespender gewinnbringender zu gestalten ist. Die Konsequenzen für Patienten, die auf Organe warten, kann sich jeder selbst vorstellen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir lehnen aus ethischen Gründen die Gewerblichkeit auf diesem sehr sensiblen Gebiet und damit die Marktöffnung grundsätzlich ab. Eingedenk der gemeinsamen Arbeit in der Enquetekommission „Wahrung der Würde des menschlichen Lebens in Grenzsituationen“ und deren inhaltsschweren Abschlussberichts fordern wir die Landesregierung auf, ihren Einfluss dahin gehend geltend zu machen, dass die Bundesregierung ein von ethischen Grundsätzen und juristisch sauber formuliertes Gesetz vorlegen möge.

Der vorliegende Gesetzentwurf schadet der Transplantationsmedizin. Wird er nicht in besagtem Sinne verändert, wäre Deutschland wohl das einzige Land in Europa, das die Gewerblichkeit für den postmortalen Gewebesektor mit der Umsetzung der EURichtlinie in die Transplantationsmedizin einführt. Ich denke, das kann irgendwo nicht der Sinn sein.

Ich bitte Sie, Herr Minister Zeh, in diesem Fall Ihre Fraktion zu motivieren, unseren Anträgen zuzustimmen, da sie wirklich nur ethisch-moralischen Ausdruck haben und Sie eigentlich bitten, auf Bundesebene zu unterstützen, dass das Gewebetransplantationsgesetz in dem Sinne verabschiedet wird, wie ich es hier gesagt habe. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)