Meine sehr geehrten Damen und Herren, 650 Gemeinden sind aus unserer Sicht betroffen. Wir wollen das auch noch mal begründen. 292 haben keine Satzung. Da wird immer davon geredet, 130 haben nur ausbaufähige Maßnahmen realisiert. Nichtsdestotrotz, irgendwann werden auch die restlichen Gemeinden vor diesem Problem stehen, deshalb sind es rund 300 Gemeinden, die überhaupt noch keine Satzung haben. 100 Gemeinden haben wiederkehrende Beiträge. Die müssten nach der jetzigen Rechtsinterpretation für den Zeitraum davor bis 1991 einmalige Beiträge erheben. Wir haben rund 250 Gemeinden nach unserem Überblick - der muss nicht vollständig sein, aber er gibt eine Tendenz wieder -, die zwar einmalige Beiträge erheben, das aber nicht bis 1991 rückwirkend getan haben, so dass insgesamt rund 650 Gemeinden betroffen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie hilflos die CDU und auch die Landesregierung in dieser Frage oftmals agieren, zeigt auch die ständige Wiederholung einer Behauptung, dass angeblich erst die Klage von Benshausen zur jetzigen Situation geführt hat und dass diese Klage angeblich auch noch ein Linkspartei.PDS-Landtagsabgeordneter auf den Weg gebracht hatte. Ich habe darauf bereits in der vergangenen Sitzung verwiesen und Sie sollten einfach die Realitäten akzeptieren und sollten nicht so hilflos argumentieren, sondern sollten sich tatsächlich dem Sachthema zuwenden und nicht sagen, andere wären jetzt an dieser Situation schuld.
An dieser Situation sind der Gesetzgeber schuld und die Landesregierung, die im Gesetzesvollzug die Probleme zugelassen hat und bisher nicht bereit war, auch nur ansatzweise den Gesetzesvollzug und die damit zusammenhängenden Probleme einer Lösung zuzuführen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie weit Sie dann die Realitäten auch noch ausblenden, insbesondere Sie, Herr Innenminister, hat Ihre jüngste Pressekonferenz zum Bereich Wasser und Abwasser gezeigt. Da ging es auch um die Frage, Beiträge, Wirkung, Abschaffung der Wasserbeiträge. Sie sind wirklich davon überzeugt und leben damit irgendwo, aber eben nicht in Thüringen, dass Sie meinen, mit der Abschaffung der Wasserbeiträge und der Neuberechnung der Abwasserbeiträge wären alle Probleme in diesem Bereich gelöst. Schauen Sie sich doch einmal an, was in diesen Regionen los ist. Die Aufgabenträger versuchen, die Abschaffung der Wasserbeiträge zu unterlaufen, indem sie auf privatrechtliche Entgelte umstellen. Da war nicht die Kommunalaufsicht, zum Beispiel das Landesverwaltungsamt in Weimar, in der Lage, die Aufgabenträger dort in die Schranken zu weisen, da musste erst wieder das Thüringer OVG eine Entscheidung dazu treffen und sagen, dass die Flucht in privatrechtliche Entgelte nicht dazu führen darf, dass die Regelungen für die Beiträge und Gebühren unterlaufen werden.
Im Bereich Abwasser haben wir eine laufende Diskussion immer wieder darum, wie reagieren die Aufgabenträger denn nun auf die neuen Herausforderungen, zum Beispiel die demographische Entwicklung. Der Bauminister sagt, verstärkte Orientierung auf dezentrale Lösungen. Die Aufgabenträger müssen aber, um die einmal errichteten Anlagen auch auszulasten, immer wieder dafür sorgen, dass möglichst das letzte Haus im Verbandsgebiet angeschlossen wird mit astronomischen Kosten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ähnlich wie im Bereich Wasser und Abwasser verhält es sich im Bereich Straßen, dass Sie einfach die Situation nicht zur Kenntnis nehmen und meinen, Sie können es durch Einzelfalllösungen in irgendeiner Art und Weise reparieren. Das wird nicht funktionieren, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD hat hier noch einmal auf Berlin und die dortige Regelung verwiesen und konnte sich nicht verkneifen, zu sagen, unter Federführung der Linkspartei.PDS sind dort im Jahr 2006 die Straßenausbaubeiträge ins Leben gerufen worden. Auch da muss ich noch einmal mit einer Legende aufräumen. Wir sind nicht glücklich, dass die Berliner das machen mussten, aber Sie kennen die Situation in Berlin und es gab
eine Große Koalition und im Koalitionsvertrag wurde eben auch die Einführung von Straßenausbaubeiträgen festgehalten. Es gab langwierige Diskussionen und es war insbesondere der Linkspartei.PDS zu verdanken, dass die Rückwirkung herausgenommen wurde und dass vor allen Dingen ein umfassendes Paket von Bürgerbeteiligungen erfolgt. Ich frage mich ja, dort ist das bereits verfassungsrechtlich überprüft worden, warum es in Berlin verfassungsrechtlich zulässig ist, dass man sagt, wenn der Bürger vorher nicht beteiligt wird, dürfen keine Straßenausbaubeiträge erhoben werden. Hier in Thüringen ist die Beteiligung vor Investitionsbeginn eine sogenannte ordnungspolitische Vorschrift, das heißt, deren Nichteinhaltung ist zwar ein Gesetzesverstoß, aber ohne Rechtsfolgen. Das muss man sich einmal vorstellen, wie hoch dann noch der Rechtsstaat im Ansehen sich gestaltet, wenn eine Rechtsnorm ohne Folgen behaftet ist, zumindest für die Behörden. Ich mache immer den Vergleich, wenn wir die Geschwindigkeitsbegrenzung in der Ortslage und deren Verstoß ohne Rechtsfolgen versehen und sagen würden, wir machen zwar Geschwindigkeitsbegrenzungen und am Ortsausgangsschild steht ein freundlicher Polizist, der sagt, Sie sind wieder schneller als erlaubt gefahren, aber gute Weiterfahrt, da wüssten wir, dass innerhalb kürzester Zeit chaotische Verhältnisse existieren würden. Ähnlich ist es, wenn ich Bürgerbeteiligung ins Gesetz schreibe, aber sie nicht mit Rechtsfolgen versehe, dann kann ich es auch gleich lassen. Das haben die Berliner gemacht, man muss jetzt einmal sehen, wie das in Berlin zur Anwendung kommt,
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist wie bei parlamentsunwürdigen Abgeord- neten. Das ist festgestellt und er bleibt trotzdem.)
es gibt dort noch keine belastbaren Erfahrungen. Es bleibt aber dabei, in drei Bundesländern sind die Straßenausbaubeiträge entweder nicht eingeführt oder wurden abgeschafft. Das sind nach wie vor Hamburg, Bremen und Baden-Württemberg und da treffen alle diese Argumente, die hier immer vorgetragen werden und mit denen eine Beitragsbegründung erfolgt, auch zu. Das ist das Gleiche wie Frau Taubert hier richtigerweise dargestellt hat, zum Beispiel das Spannungsverhältnis zwischen Nutzern und Grundstückseigentümern, was kann ich identifizieren und dergleichen.
Darüber hinaus, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird immer wieder das Argument herangeführt, eine Beitragsabschaffung geht nicht, weil damit eine Ungleichbehandlung entstehen würde, weil einige schon bezahlt haben und andere nicht bezahlt haben. Das ist aber im Rechtsstaat immer so, wenn eine neue Rechtsnorm eintritt, dann ist klar, dann gilt
für die Zukunft natürlich etwas anderes als für die Vergangenheit. Wenn aber Ihr Argument stimmen würde, dann hätten in Baden-Württemberg Mitte der 90er-Jahre die Straßenausbaubeiträge nicht abgeschafft werden dürfen, weil dann die gleiche Situation entstanden ist, dass einige bezahlt hatten und andere nicht. Ich verweise noch mal darauf, dass wir ja auch bereits rückwirkend durch Gesetz bestimmte Rechtslagen geändert haben, z.B. gerade im Zusammenhang mit den Kommunalabgaben. Die rückwirkende Abschaffung der Wasserbeiträge ist so ein Beispiel, dass das durchaus möglich ist. Frau Stauche hat in der ersten Lesung hier behauptet, ein Gesetz kann nicht rückwirkend bestimmte Rechtsnormen ändern. Die CDU-Landesregierung, und die wird durch die CDU-Landtagsfraktion getragen, zumindest gegenwärtig noch, hat genau den Gegenbeweis angetreten. Insofern sollten Sie also nicht solche Behauptungen hier aufstellen, wenn Ihre Landesregierung und Sie selbst in historisch kurzer Zeit, die zurückliegt, genau das Gegenteil gemacht haben.
Ich komme zu einem weiteren Problem: Was Sie in der Diskussion ausblenden, das ist die Wirkung von kommunaler Selbstverwaltung. Kommunale Selbstverwaltung hat als ein Wesensmerkmal den differenzierten Rechtsvollzug. Also ganz bewusst hat man gesagt, dass zu bestimmten Rechtslagen oder zu bestimmten Vorgängen Gemeinden völlig unterschiedlich entscheiden können, natürlich in einem vorgesteckten Rahmen, aber das heißt noch nicht, dass der Gesetzgeber ermächtigt ist - wie hier in Thüringen -, den Gemeinden genau vorzuschreiben, nicht nur dass sie Straßenausbaubeiträge erheben müssen, sondern auch noch in welcher Größenordnung. Es kommt noch hinzu, dass vorgeschrieben wird, dass auch eine Mindestbeteiligung der Bürger erfolgen muss. Das will ich mal an ein paar Beispielen belegen, dass das in der kommunalen Praxis eben kein Rechtsgrundsatz ist. Wir haben ein völlig unterschiedliches Ortsrecht in den einzelnen Gemeinden, ohne dass jemand das beklagt. Wir haben unterschiedliche Hebesätze bei der Grund- und Gewerbesteuer. Wir haben Gemeinden mit einer Straßenreinigungsgebühr in Satzungen und Gemeinden, die darauf verzichten. Wenn das alles stimmt, dass man sagt, es ist ein spezielles Entgelt, es wird eine spezielle Leistung erbracht, deshalb muss die Gemeinde zwingend das erheben, müsste jede Gemeinde eine Straßenreinigungsgebührensatzung haben. Wir haben unterschiedliche Regelungen bei den Friedhofsgebühren und auch bei den Feuerwehrgebühren, das hatten wir ja erst kürzlich im Zusammenhang mit dem Brand- und Katastrophenschutzgesetz. Daher hat das Innenministerium dargestellt, dass dort, obwohl eine spezielle Leistung erbracht wird, die Gemeinden nicht verpflichtet sind, entsprechende Gebührensatzungen zu erlassen, und dass es sich
dort dann nicht um ein spezielles Entgelt handelt. Komischerweise wird aber bei Straßen immer unterstellt, dass alle Gemeinden unabhängig von der Finanzsituation diese Einnahme tätigen müssen. Diese Argumente sind für uns deshalb nicht überzeugend. Wir bleiben dabei: Wie bei den von mir genannten Beispielen müssen auch bei der Straße die Gemeinden ein hohes Ermessen haben. Im Übrigen: Gleichheit im Unrecht ist für uns kein Rechtsgrundsatz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will mich auch noch mal mit der Argumentation auseinandersetzen: Ist denn tatsächlich der Straßenausbaubeitrag ein spezielles Entgelt, so wie das das Thüringer OVG sieht? Das Sächsische OVG zur gleichen Rechtslage sieht es genau anders herum. Es wird spannend, im Mai findet der Verwaltungsrichtertag aller Verwaltungsrichter der Bundesrepublik in Weimar statt. Die haben interessante Themen, Straßenausbau steht noch nicht auf der Tagesordnung. Wir werden uns an den Präsidenten des Thüringer OVG wenden und ihn einfach bitten, dort mal eine Diskussion zu ermöglichen mit den sächsischen Verwaltungsrichtern, warum die sächsischen Verwaltungsrichter bei gleicher Rechtslage eine völlig andere Interpretation vornehmen als die Thüringer. Das wäre sicherlich interessanter als manche Diskussion um Gehaltseinstufungen bei den Verwaltungsgerichten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Straßenausbaubeiträge als spezielles Entgelt: Das spezielle Entgelt soll eine entgeltliche Gegenleistung für eine konkret erbrachte kommunale Leistung darstellen, das ist das Wesensmerkmal. Äquivalenzprinzip wäre als Stichwort zu nennen. Bei Straßenausbaubeiträgen unterstellt man, dass eine Straße einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil für das Grundstück erzeugt. Der besondere wirtschaftliche Vorteil wird durch drei Kriterien definiert: dauerhaft, grundstücksbezogen, gebrauchswertsteigernd. Jetzt kommen wir zu der Frage, dass der alte Marx selbst im Straßenausbaubeitragsrecht der Bundesrepublik eine zentrale Rolle spielt, nämlich die Theorie von Gebrauchswert und Wert, die Marx entwickelt hat, trifft auch hier zu. Es geht also nicht um den Wert, sondern es geht um den Gebrauchswert, und der Gebrauchswert besteht darin, dass die bauliche Nutzung des Grundstücks ermöglicht oder gesichert wird. Jetzt will ich mich mal mit diesen Kriterien beschäftigen. Die Dauerhaftigkeit kann unterstellt werden, aber es geht bei der Grundstücksbezogenheit los. Ist denn wirklich die einzelne Straße für das einzelne Grundstück noch grundstücksbezogen zu definieren? Wir sagen nein, weil Straßen nur noch als Gesamtsystem zu betrachten sind. Es nützt nichts, wenn meine Straße vor dem Grundstück in Ordnung gebracht wird und z.B. keine Anbindung an das über
regionale Straßennetz da ist. Also Straßen funktionieren nur als System und deshalb kann die Grundstückbezogenheit in dem Maße wie früher nicht mehr definiert werden. Was den Gebrauchswert betrifft, das Erteilen einer Baugenehmigung für ein Grundstück, wenn es bereits ein Bestandsgrundstück ist, das heißt, wenn es bereits als erschlossenes Grundstück gewidmet ist, erfolgt völlig unabhängig vom Straßenzustand davor. Die Baubehörde schaut nicht vorher, ob die Straße in einem ordnungsgemäßen Zustand ist, das interessiert die überhaupt nicht, sondern die schauen nur, gibt es einen B-Plan oder, wenn es im unbeplanten Innenbereich ist, wie sieht die Bebauung in der Umgebung aus; danach wird genehmigt. Das heißt, der Gebrauchswert wird durch die Straße in keinster Weise beeinflusst, sondern durch ganz andere Faktoren. Insofern teilen wir die Argumentation der sächsischen Verwaltungsrichter und nicht der Thüringer.
Das kann durchaus strittig sein, was ich hier darlege. Sie müssen einfach den Mut haben, sich damit auseinanderzusetzen und nicht nach der Vogel-StraußMethode zu meinen, wir verweigern mal die Ausschussdiskussion und dann ersparen wir uns auch die sachliche Auseinandersetzung. Wir lassen sie da nicht raus und wir haben Formen und Methoden entwickelt, auch außerhalb von Ausschüssen Sie zu einer Diskussion zu zwingen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht heute nur um die Begrenzung der Rückwirkung. Auch hier hat Frau Taubert richtig gesagt, wir haben - programmatisch natürlich - die Straßenausbaubeiträge insgesamt im Blick und sagen, sie sind nicht mehr zeitgemäß. Wir diskutieren aber auch noch, weil wir wissen, wenn wir die Straßenausbaubeiträge abschaffen, ergeben sich mehrere Spannungsfelder, z.B. das fiskalische Spannungsfeld, das bei den Gemeinden Einnahmeausfälle zu verzeichnen sind und die müssen wir in irgendeiner Art und Weise schließen. Da machen wir es uns nicht so einfach, dass wir sagen: Land, gleich das mal aus. Wir haben natürlich auch die Haushaltssituation des Landes im Blick. Aber, darüber diskutieren wir, auch bei diesen Aspekten kommt es möglicherweise durch die Abschaffung von Beiträgen zu einer Höherbelastung von anderen Bevölkerungsgruppen. Da bitte ich nur immer wieder, die Auseinandersetzung nicht dahin gehend zu führen, dass man soziale Gruppen gegeneinander ausspielt. Es geht nicht darum, Grundstückseigentümer zu entlasten und Mieter zu belasten oder umgekehrt, sondern es geht um vertretbare Abgaben für alle.
Da muss ich noch mal auf eine Argumentation abstellen, Frau Taubert, dass Sie hier sagen, Mieter sind grundsätzlich in einer sozial prekäreren Situation als Grundstückseigentümer.
Dies mag in den alten Bundesländern stimmen. Wir haben in den neuen Bundesländern und damit auch in Thüringen eine ganz spezielle Eigentümerstruktur. Wir haben nämlich eine Vielzahl von Eigentümern, die außer dem Eigentum über kein weiteres Vermögen verfügen, insbesondere kein Fiskalvermögen, die auch das nicht mehr schaffen können, weil sie entweder nicht in regulärer Arbeit sind oder schon Rentner sind. Das heißt, wir müssen auf diese spezielle Eigentümerstruktur in Thüringen abstellen. Das hat Herr Prof. Ferdinand Kirchhof im Auftrag der Landesregierung aus meiner Sicht überzeugend getan, dass er sagt, zwei Grundrechtspositionen stehen hier im Widerspruch, zumindest für einen Übergangszeitraum, solange nicht die Einkommens- und Vermögensverhältnisse in den neuen Bundesländern denen der alten angeglichen sind. Das erste Grundrecht ist natürlich Eigentum, Eigentum verpflichtet. Damit muss sich auch der Eigentümer an den Lasten von Infrastruktur beteiligen. Andererseits ist das Eigentum aber auch geschützt durch das Grundgesetz. Das heißt, der Staat muss dafür Sorge tragen, dass nicht durch sein Handeln jemand in seinem Eigentum unzulässig beschränkt wird. Das konkurriert, das müssen wir ausdiskutieren, auch dazu können wir das Podium hier nicht nutzen. Das ist auch ein klassisches Thema für den Ausschuss und wir sind schon sehr gespannt auf den Gesetzentwurf der SPD und der Landesregierung und vielleicht haben Sie die Gnade der CDU, dass das an den Ausschuss verwiesen wird. Da können wir es diskutieren.
Wenn nicht, wir haben vernommen, dass die SPD einen Selbstbefassungsantrag für den Innenausschuss gestellt hat. Den haben wir voller Freude unterstützt, schon allein um das Gesicht von Herrn Fiedler auf der anderen Seite zu sehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir fragen uns und wir fragen vor allen Dingen die CDU, warum nicht zumindest die saarländische Regelung hier in Thüringen zur Anwendung kommen soll. Die saarländische Regelung ist durch die CDU in absoluter Mehrheit dort in die Kommunalverfassung aufgenommen worden. Die haben einfach klargestellt, dass Straßenausbaubeiträge nicht zu den speziellen Entgelten zählen. Damit haben die Gemeinden die Variante, für die Fahrbahn auf die Erhebung von
Straßenausbaubeiträgen zu verzichten. Zumindest das wäre doch für Sie überlegenswert. Sie haben doch einen viel besseren Draht zur CDU im Saarland als wir, insofern dürfte Ihnen das eigentlich nicht schwerfallen. Wenn Sie einen solchen Gesetzentwurf in den Landtag als CDU-Landtagsfraktion einbringen, kann ich Ihnen heute schon unsere Zustimmung dazu signalisieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir halten es auch für eine etwas sehr spekulative Interpretation unseres Gesetzentwurfs, wenn die Regelung zur Rückerstattung gleichgesetzt wird mit einem Verweis auf Abschaffung der Beiträge. Wir haben nur die Überlegung angestellt - und das können Sie sicherlich auch argumentativ nachvollziehen -, dass die Gemeinden, die nicht freiwillig Straßenausbaubeiträge rückwirkend erhoben haben - und es geht nur um die rückwirkend erhobenen -, in die Lage versetzt werden sollten, wenn sie leistungsfähig sind, dann dementsprechend das zurückzuerstatten ohne Erstattungsanspruch gegenüber dem Land. Da wurde gesagt, die dauernde Leistungsfähigkeit - wie bewerten wir das? Also, meine Damen und Herren, dort bitte ich einfach auch um eine Versachlichung. Das Verfahren für die Bewertung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommunen ist definiert. Wenn eine Kommune einen Millionenkredit aufnimmt, der sie für Jahre, manchmal Jahrzehnte bindet, reicht das aus, dass die dauernde Leistungsfähigkeit der nächsten drei Jahre in die Betrachtung einbezogen wird.
Herr Kuschel, Sie stimmen mir doch aber zu, dass Ihr Gesetz nicht nur für die Gemeinden zutrifft und für die Satzungen zutrifft, die jetzt rückwirkend in der Diskussion sind oder erhoben worden sind, sondern das Gesetz, was Sie einbringen, für alle Gemeinden in Thüringen gelten wird. Damit ist die Einschränkung, die Sie wollen - ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie etwas anderes wollen -, tatsächlich aber so nicht gegeben.
Frau Taubert, ich möchte es gerne noch mal versuchen, Sie zu überzeugen. Das ist mir schon wichtig, dass Sie das nicht fehlerhaft interpretieren. Wir
haben im Gesetz geregelt, dass eine Straßenausbaumaßnahme nur dann beitragspflichtig ist, wenn zu Beginn eine bestätigte Ausbausatzung vorliegt. Damit ist natürlich klar, das gilt mit Inkrafttreten des Gesetzes. Das kann man ja nicht rückwirkend wieder machen. Das heißt, künftig kann keine Gemeinde für bereits abgeschlossene Straßenausbaumaßnahmen Beiträge erheben, wenn sie nicht eine Satzung hat, also erst ab Satzungsbeginn geht es im Grunde genommen, damit ist klar orientiert. Das gilt natürlich für alle Gemeinden, aber in der jetzigen Situation kommen erst einmal all die Gemeinden in den Genuss der Regelung, die bisher noch keine Satzung hatten. Das ist unstrittig. Für die anderen gilt das in gleichem Maße, aber die haben ja schon eine Satzung. Also insofern ist dort die Wirkung nicht gegeben. Die Rückerstattung richtet sich auf die Fälle, wo Gemeinden im Grunde genommen aufgrund einer Satzung erhoben haben, und da, das ist richtig, kann jede einzelne Gemeinde selbst entscheiden, ob sie von dieser Option Gebrauch macht. Wir wissen, das hat unterschiedliche Rechtsfolgen für die Bürger. Es gibt Gemeinden, die können das den Bürgern ermöglichen, und es gibt Gemeinden, die können es den Bürgern nicht ermöglichen. Das ist ein Dialog, der muss auf der kommunalen Ebene geführt werden. Aber genauso führen Gemeinden den Dialog, erheben wir eine Straßenreinigungsgebühr oder erheben wir sie nicht. Genauso diskutieren die Gemeinden, haben wir einen Kostendeckungsgrad bei der Friedhofsgebühr von 50 Prozent oder von 100 Prozent. Auch das ist immer abhängig von der Finanzkraft der einzelnen Gemeinden. Im Übrigen, wenn eine Gemeinde signalisiert, wir müssen zwingend Straßenausbaubeiträge erheben, weil wir finanziell in einer prekären Situation sind, wird das vielleicht die Diskussion zur Bildung effizienterer Gemeindestrukturen etwas befördern, weil die Bürger dann tatsächlich kritisch hinterfragen: Was ist denn unsere Eigenständigkeit noch wert, wenn wir sie uns nicht leisten können? Auch das ist so ein Nebeneffekt, den wir mit beabsichtigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde hier auch noch mal diskutiert, Straßenausbaubeiträge deshalb, weil der Nutzer der Straße nicht eindeutig identifizierbar sei. Beim Wasser wäre deshalb die Abschaffung der Wasserbeiträge möglich gewesen, weil dort der Nutzer eindeutig bestimmbar ist. Auch diese Argumentation halten wir nicht für ganz überzeugend, weil natürlich nach Äquivalenzgrundsatz, also dass der Nutzer die Kosten zu tragen hat, wird ja verfahren, nicht anders werden Kfz- und Mineralölsteuer begründet. Da ist ja die Frage, weshalb beim klassifizierten Straßennetz aus diesen Steuerquellen die vollständige Finanzierung erfolgt und nur beim kommunalen Straßennetz nicht. Da muss man sich natürlich davon verabschieden, die Straße als einzelne Einrichtung zu betrachten, sondern man muss
tatsächlich dazu übergehen, die Straßen als Gesamtkomplex zu sehen. Im Übrigen beteiligen sich die Grundstückseigentümer über die Grundsteuer auch bereits an der Finanzierung von kommunalen Leistungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu Recht wurde auch von Frau Taubert, aber auch in der ersten Lesung von der CDU-Fraktion auf finanzielle Auswirkungen und auf die Finanzsituation mancher Kommunen verwiesen, dass die Kommunen verpflichtet sind, Beiträge zu erheben, weil sie andernfalls nicht mehr finanziell zurechtkommen. Das wollen wir überhaupt nicht aus unserer Diskussion ausblenden, aber wir als Linkspartei.PDS zumindest haben auch die Finanzsituation der Bürger im Blick. Eine Vielzahl von Bürgern und Haushalten stehen vor der gleichen Situation, dass sie finanziell zurzeit nicht in der Lage sind, alle notwendigen Ausgaben zu tätigen, und auch dort Prioritäten setzen müssen.
Meine Damen und Herren, in dieser Frage der Straßenausbaubeiträge gibt es nicht nur zunehmend Widerstände der Bürger, sondern auch von Kommunalpolitikern aller Parteien. Beispielhaft möchte ich noch mal einige nennen. Ein Stadtrat aus Schmölln ist aus Protest gegen die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen aus der CDU ausgetreten. Der CDUBürgermeister von Schleusingen sagt, das, was hier sein Innenminister vorhat, das wäre eine - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin - „typisch sozialistische Gleichmacherei“.
Herr Innenminister, spätestens da müssten Sie doch mal zumindest nachdenken. Wenn jetzt schon die Landesregierung als sozialistische Regierung bezeichnet wird, würde ich das fast als eine Beleidigung empfinden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die CDU in Schmiedefeld am Rennsteig äußert sich völlig unverständlich in Richtung Landesregierung und fragt, ob die nicht wüssten, wie sich die soziale Situation von vielen Grundstückseigentümern darstellt. Die CDU in Wutha-Farnroda hat gemeinsam mit der PDS gegen die Straßenausbaubeitragssatzung gestimmt und die Gemeinde Sankt Kilian hat auch Nein zu den Straßenausbaubeiträgen gesagt.
All diese Dinge belegen, dass sich nicht nur Bürger mit diesem Problem beschäftigen, sondern die Kommunalpolitiker auch. Zumindest das sollte in der Landesregierung zum Anlass genommen werden, sich diesem Problem offensiv zu stellen. Sie können darauf vertrauen, meine Damen und Herren der Landesregierung und der CDU-Fraktion, dass wir die
ses Thema immer weiter auf der Tagesordnung belassen, Sie damit konfrontieren, und zwar so lange, bis Sie im Interesse der Bürger und der Kommunen entschieden haben, so lange werden wir Sie damit beschäftigen. Im Übrigen, auch das noch mal als einen Hinweis an die CDU-Landtagsfraktion: Die CDU in Sachsen-Anhalt hat in der vergangenen Woche einen Antrag in den Landtag eingebracht, dass sich der dortige Innenausschuss mit den Auswirkungen des Urteils des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts beschäftigt. Immerhin sehen die Diskussionsbedarf, den sehen Sie ja nicht.
Da komme ich jetzt zu der neuen Entwicklung, die sich aus dem Urteil vom 31. Januar durch das Sächsische OVG ergibt, deshalb, weil die Rechtslage in Thüringen und Sachsen nahezu identisch ist. Sicherlich hat Frau Taubert auch recht, wir müssten die Urteilsbegründung abwarten. Im Übrigen kann man sich nicht nur auf Pressemitteilungen beziehen, die sich in der normalen Presselandschaft wiedergefunden haben, sondern es gibt eine Pressemitteilung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts und daraus geht schon eine Tendenz hervor, nämlich die haben entschieden, die sächsischen Gemeinden sind nicht verpflichtet, Straßenausbaubeitragssatzungen zu erlassen, und wenn sie aber eine erlassen, dann können sie auch relativ geringe Sätze, nämlich von 6 bis 10 Prozent, auf die Grundstückseigentümer umlegen und im Wesentlichen wurde das mit der Leistungskraft der Schuldner begründet.
Jetzt haben wir uns mal damit beschäftigt, ob die Gesetzeslage in Sachsen und in Thüringen vergleichbar ist. Wo gibt es Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede? Fangen wir mit dem Kommunalabgabengesetz an. Dort steht auch in beiden Gesetzen, Gemeinden „können“ für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung, Erneuerung … In Thüringen gibt es für zwei Beitragstatbestände eine Einschränkung, und zwar für die Erweiterung und Verbesserung, dort steht „sollen“. Allerdings befinden wir uns jetzt - das haben Gerichte auch entschieden - in der sogenannten Herstellungsphase. Alle Erstinvestitionen in Straßen nach 1990 sind sogenannte Herstellungsinvestitionen, weil die Richter in ihrer Abstrahierung festgestellt hatten, dass am 03.10.1990 alles nur provisorisch war, was in den neuen Bundesländern vorzufinden war. Die Einnahmegrundsätze, die in Thüringen herangezogen wurden durch das Gericht, um zu begründen, dass es einen Zwang gibt, Beiträge zu erheben, das ist wortgleich in Sachsen und in Thüringen. In beiden Ländern ist die Reihenfolge spezielle Entgelte vor Steuern, vor Krediten. Es gibt in Sachsen nur eine Einfügung, dass dort gesagt wurde, bei der Erhebung von Entgelten und Abgaben ist die Leistungsfähigkeit der Abgabenschuldner zu berücksichtigen. Das ist aber aus unserer Sicht nur eine Klarstellung, weil
sich das sowieso aus der Abgabenordnung ergibt. Bei der Abgabenordnung ist immer klar, dass beim Vollzug von öffentlichen Forderungen die Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu berücksichtigen ist. Insofern identische Rechtslagen und wir sind gespannt, wie der Innenminister diese unterschiedliche Rechtsinterpretation denn nun erklärt. Zum Beispiel die geldliche Abgeltung eines besonderen wirtschaftlichen Vorteils durch die Bereitstellung von Straßen und dass damit nicht die Gemeinschaft und die Allgemeinheit belastet werden kann, sondern der Nutzer.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend, auch wegen der neuen Situation, die sich aus der Rechtsprechung in Sachsen ergeben hat, beantragen wir die nochmalige Ausschussüberweisung, weil wir davon überzeugt sind, wir müssen weiter dieses Thema debattieren, und zwar im Ausschuss und dann später noch einmal im Plenum und deshalb die nochmalige Überweisung an den Innenausschuss. Danke.
Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf befassen wir uns nun das zweite Mal in diesem Jahr, aber bereits zum wiederholten Mal mit Forderungen der Linkspartei.PDS zu Kommunalrechtsänderungen. Ich erinnere an die Forderung vom November 2005 und an die Aktuelle Stunde im September 2006. Es ist für Sie ein sehr attraktives Thema, um hier richtig Krach zu machen; das kann ich einfach nur so sagen.
Ich möchte aber nochmals in aller Deutlichkeit den Standpunkt unserer Fraktion zum Ausdruck bringen, denn Sie haben es bis jetzt wahrscheinlich immer noch nicht so richtig begriffen. In Artikel 2 § 7 des Thüringer Kommunalabgabengesetzes soll laut Gesetzentwurf das Wort „sollen“ durch das Wort „können“ ersetzt werden, um es den betroffenen Gemeinden freizustellen, ob sie eine Satzung erlassen oder anwenden wollen. Dies würde zu einer nicht vertretbaren Ungleichbehandlung derjenigen Bürger führen, die bereits Straßenausbaubeiträge gezahlt haben und widerspricht dem