Protocol of the Session on January 26, 2007

Entlastung der Thüringer Wirt- schaft von Bürokratiekosten Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/2615 -

Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung? Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann erstattet die Landesregierung einen Sofortbericht. Ich erteile für die Landesregierung Herrn Staatssekretär Hütte das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, nach der Tagesordnung und den Tagesordnungspunkten schlägt es zwar 13, aber ich glaube, nach dem vorangegangenen Tagesordnungspunkt und insbesondere dem Schicksal auch des Atlantischen Störs kann ich Ihnen eher nur Trockenkost bieten.

(Beifall bei der CDU)

Schon allein wegen der sperrigen Begrifflichkeiten, mit denen wir es zu tun haben, die relativ blut- und auch wasserarm sind. Es geht um die Gefilde der Bürokratie. Mit ihrem Antrag fordert die SPD-Fraktion die Entlastung der Thüringer Wirtschaft von Bürokratiekosten. Sowohl die Landesregierung als auch, denke ich, alle Fraktionen des Landtags dürften in

diesem Ziel übereinstimmen. Das Anliegen ist auch in der Arbeit des Hohen Hauses nicht neu. Zuletzt hat der Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten sich auf Antrag der CDU-Fraktion am 29. Juni letzten Jahres intensiv mit dem Sachstand und mit Lösungsansätzen zur Senkung von Bürokratiekosten in Thüringen befasst. Die Adressaten dieser Forderung sind Regierung, Verwaltung und auch der Gesetzgeber, der ja mit jedem weiteren Gesetz dazu beiträgt, die Regelungsdichte zu erhöhen. Erst gestern haben wir am Beispiel des Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion zum Thüringer Vergabegesetz gesehen, dass auch gut gemeinte Regelungen Risiken und Nebenwirkungen für die Wirtschaft durch mehr Bürokratie und Verfahrenspflichten haben können. Es gilt, das gern bemühte - und auch ich will es gern zitieren - Wort Montesquieus: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“ Die Landesregierung widmet daher dem Thema „Deregulierung, Entbürokratisierung und Kostenentlastung“ - das sind leider die sperrigen Begriffe, die ich eben schon einmal erwähnt habe - seit Jahren besondere Aufmerksamkeit. Ziel ist es, Bürokratie abzubauen und mit einer leistungsfähigen und auch leistungsstarken Verwaltung gute Rahmenbedingungen zu schaffen, denn es geht letztlich darum, den Wirtschaftsstandort Thüringen zu verbessern und auch dadurch Arbeitsplätze für unsere Bürger zu schaffen und zu erhalten.

Deregulierung, Entbürokratisierung und die Entlastung von Bürokratiekosten sind daher Richtschnur innerhalb eines ganzheitlich zu betrachtenden Reformansatzes. Dazu gehören die Behördenstrukturreform, Personalmanagement, EDV-Unterstützung, die Zuordnung und Wahrnehmung der Aufgaben auf den unterschiedlichen Verwaltungsebenen, die Befristung von Gesetzen, das Absenken belastender Standards, Verzicht auf überflüssige Vorschriften, eine umfassende Rechtsfolgenabschätzung und seit Neuestem eben auch - und das ist ja auch zentraler Gegenstand des Antrags, eine neue Methode - das Standardkostenmodell, auf das ich später noch eingehen werde.

Für all diese Aktivitäten gilt nach wie vor, was Ministerpräsident Althaus in seiner Regierungserklärung am 9. September 2004 hier vor dem Hohen Haus erklärt hat: „Wir wollen die öffentlichen Aufgaben überprüfen, den Regelungsbestand durchforsten, Wirtschaftlichkeitsaspekte noch stärker betonen, mehr Bürgernähe schaffen, Verwaltung verschlanken, Verwaltungsverfahren vereinfachen und neue Informationstechnologien besser nutzen.“ Und das geschieht auch. Die Landesregierung setzt in dieser Legislaturperiode fort, was bereits in der letzten mit großem Engagement begonnen wurde. Die Verwaltung wird umgebaut und in ihren Ressourcen

und Instrumenten fit gemacht für bürgernahes und auch wirtschaftsfreundliches, effizientes und kostengünstiges Handeln. Denn überflüssige Kosten und schwerfällige Verfahren sind letztlich auch Freiheitsbeschränkungen für den Einzelnen. Entbürokratisierung soll dazu beitragen, den Menschen und den Unternehmen wieder Spielräume zu schaffen, die sie für die Freisetzung innovativer Kräfte nutzen können.

Ich will an dieser Stelle auf eines besonders hinweisen, weil die Debatte über den richtigen Weg zur Erreichung des gemeinsamen Ziels „Entbürokratisierung“ bisweilen zu schlagwortartig geführt wird und weil man immer sehr schnell als Allheilmittel die Änderung oder Abschaffung von Gesetzen sieht: Ich meine, das greift zu kurz, denn oft genügt es bereits, die Verwaltungspraxis zu verändern. Und da sind die Chefs und auch jeder einzelne Mitarbeiter gefragt. Ohne großen Aufwand können hier unter dem Gesichtspunkt Bürger- und auch Wirtschaftsfreundlichkeit in kurzer Zeit erstaunliche Erfolge erzielt werden.

Insbesondere im kommunalen Bereich gibt es eine Vielzahl von Beispielen, wie mit Ideen und Kreativität eine bürger- und wirtschaftsfreundliche Verwaltung organisiert werden kann. Ich nenne nur die Schaffung von Serviceeinheiten in den Ämtern, eine übersichtliche und hilfreiche Homepage oder eine effektive, dienstleistungsorientierte Kommunikation mit Bürgern und Unternehmen. Es gibt also auch im Rahmen bestehender Gesetze und Vorschriften viel Spielraum, die Verwaltungswege kurz und ökonomisch zu gestalten und bürokratische Zuständigkeits- und Prüfungshürden zum Beispiel zu überwinden. Deswegen möchte ich an dieser Stelle auch sehr herzlich einmal all denjenigen Mitarbeitern in den öffentlichen Verwaltungen des Freistaats herzlich danken, die diese Spielräume bereits jetzt im Interesse der Bürger und auch der Unternehmen mit Kompetenz, Einfallsreichtum und auch aus innerer Überzeugung vielerorts nutzen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Bürokratieabbau und Deregulierung verlangen aber auch einen Mentalitätswandel, wie ich meine, in unserer Gesellschaft. Weniger Bürokratie bedeutet mehr Freiheit und Eigenverantwortung für den Einzelnen, und wo nicht mehr alles bis ins Letzte geregelt ist, müssen abseits von einem Schema F individuelle, sachgerechte Lösungen im Einzelfall gefunden werden. Mut zur Entscheidung und zur Eigenverantwortung, das ist ein schwieriger Prozess, an den sich mancher vielleicht erst noch gewöhnen muss. Das ist anstrengender, als sich mit großer Regelungsdichte auf die Illusion absoluter Gleichheit und Gerechtigkeit zu verlassen.

Man darf natürlich auch das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Wo zum Beispiel Leben und Gesundheit von Menschen gefährdet sind und geschützt werden müssen, wird niemand auf Sicherheitsstandards verzichten wollen. Die Forderung nach mehr Freiheit und weniger Bürokratiekosten, beispielsweise im Baurecht, ist leicht gestellt. Aber wenn etwas passiert, wie z.B. der Einsturz des Daches in der Eissporthalle in Bad Reichenhall im vergangenen Jahr, dann kommt sofort der Ruf nach neuen und vor allem mehr Regelungen. Das zeigt uns auch das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen: Eben einerseits möglichst wenig Vorschriften, andererseits aber so viele, wie zum Schutz der Menschen in einer komplexen Umwelt notwendig sind.

Bürokratieabbau, Deregulierung und Kostenentlastung sind darüber hinaus auf allen staatlichen Ebenen erforderlich. Es würde nichts nutzen, dies nur auf der Ebene der Länder zu betreiben, denn die meisten Standards und Regelungen werden, wir wissen das alle, durch Bundesrecht bzw. EU-Recht gesetzt. Auf der Bundesebene erleben wir jetzt durch den Nationalen Normenkontrollrat einen neuen Anlauf zur Eindämmung von Bürokratie und Bürokratiekosten. Die Erwartungen in diese neue Institution, die sich vor Kurzem konstituiert hat, sind zu Recht sehr groß. Dieser Nationale Normenkontrollrat hat die Aufgabe, ganz dezidiert die Bundesregierung dabei zu unterstützen, die durch Gesetze verursachten Bürokratiekosten durch Anwendung, Beobachtung und Fortentwicklung einer standardisierten Bürokratiekostenmessung auf der Grundlage des von mir bereits erwähnten Standardkostenmodells zu reduzieren. Am Mittwoch hat die Bundesregierung gerade das Zweite Gesetz zur Entlastung des Mittelstandes von Bürokratie beschlossen. Es ist das erste Gesetz, das dem Normenkontrollrat zur Prüfung vorgelegt worden ist. Es enthält 17 Regelungen zur Vereinfachung in den Bereichen Statistik, Buchführung, Sozialversicherungsgewerbe, Preis- und Straßenverkehrsrecht. Das zeigt bereits, in welche Richtung die Anstrengungen unter dem Thema „Kostenentlastung für die Wirtschaft und Bürokratieabbau“ gehen. Der Bund erwartet durch dieses Gesetz Entlastungen der Wirtschaft von Kosten in Höhe von etwa 58 Mio. €. Das zeigt auch die Dimensionen auf, um die es geht. Davon werden auch Thüringer Unternehmen profitieren. Die Länder tun gut daran, sich an der Arbeit des Normenkontrollrats zu orientieren und ihre eigenen Mechanismen daran auszurichten. Das wollen wir in Thüringen auch so machen und deswegen haben wir einen engen Kontakt zum Normenkontrollrat, der ja im Bundeskanzleramt angesiedelt ist, sichergestellt.

In Europa hingegen kommt der Bürokratieabbau, auch das will ich an dieser Stelle sagen, bisher nicht so recht voran. Wohlklingende Ankündigungen der

Kommission, Bürokratie abzubauen und das Regelungsgestrüpp zu entflechten, sind bislang nur unzureichend in die Tat umgesetzt worden und man wird sehen müssen, ob es unter deutscher Präsidentschaft gelingt, dies voranzubringen. Ein wichtiges Anliegen ist es jedenfalls auch für die deutsche Präsidentschaft im Hinblick auf die Vereinfachung der EU-Regelungen.

Lassen Sie mich nun zu den einzelnen Fragen des Antrags, so weit ich dazu noch nichts gesagt habe, kommen.

Zu Punkt 1 - „Wie hoch schätzt die Landesregierung den Umfang der Belastung der Thüringer Wirtschaft durch Bürokratiekosten aufgrund von Bundes- und Landesrecht ein?“ - muss man sagen, dass belastbares Zahlenmaterial der Landesregierung zu dieser Frage nicht vorliegt. Nach Informationen der Bertelsmann Stiftung, die verschiedene Pilotprojekte zum Standardkostenmodell auf Länderebene ausgewertet hat, liegt der Anteil der von den Ländern verursachten Kosten für die deutsche Wirtschaft bei nur ca. 1 Prozent. Die kostenträchtigen Regelungen stammen, wie gesagt, ganz überwiegend vom Bund bzw. von der EU und hier wird man hinsichtlich der Bundesgesetze zunächst einmal die Ergebnisse der Arbeit des Normenkontrollrats abwarten müssen. Es erscheint zudem nicht sinnvoll, hier mit Schätzungen zu arbeiten, die sich tatsächlich nicht belegen lassen. Das gilt im Übrigen auch für die Vorgaben für eine Kostenabsenkung von Bürokratiekosten. In den Niederlanden sollen nach Informationen der Bertelsmann Stiftung bekanntlich in den Jahren 2003 bis 2007 - also bis in dieses Jahr hinein - die Belastungen der Unternehmen um 25 Prozent gesenkt werden. Eine sehr beachtliche Zahl, aber man muss schauen, ob es sich hier um eine realistische Größenordnung handelt und schauen, ob man das tatsächlich als Vorgabe nehmen kann.

Zu Punkt 2 - „Wie soll der Umfang der Belastung der Thüringer Wirtschaft mit staatlich verursachten Bürokratiekosten verringert werden?“ Der Ansatz der Landesregierung war und ist es, in dieser Frage vor allen Dingen die Regelungsdichte zu verringern. In einem ersten Schritt wurden alle geltenden Verwaltungsvorschriften einer Inventur unterzogen, und zwar mit dem Erfolg, dass von rund 2.300 Verwaltungsvorschriften über 1.000 gestrichen wurden. Das heißt, auf nahezu die Hälfte der Vorschriften wird seitdem verzichtet. Ein Gültigkeitsverzeichnis sorgt im Übrigen für mehr Transparenz hinsichtlich der dann noch übrig gebliebenen bestehenden Verwaltungsvorschriften.

Neben dieser Generalbereinigung als einem ersten Schritt, der schon vor einigen Jahren abgeschlossen worden ist, wurden in den letzten Jahren zentrale

Koordinierungs- und Ansprechstellen in der Landesregierung zur Verringerung von Vorschriften, Bürokratieaufwand und Kosten eingerichtet und die stimmen ihre Tätigkeit untereinander ab. Es handelt sich hier um die drei Institutionen Steuerungskreis beim Finanzministerium, die Clearingstelle beim Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit und die Stabsstelle Deregulierung beim Justizministerium. Dem Finanzministerium obliegt die Federführung für die Verwaltungsreform und zuständig ist dort der von mir genannte Steuerungskreis. Diesem gehören Vertreter verschiedener Ressorts bis hin zum Thüringer Rechnungshof an. Der Steuerungskreis nimmt als ressortübergreifendes Instrument der Landesregierung eine koordinierende und unterstützende Funktion wahr. Einen umfassenden Überblick über Inhalt und Stand der Verwaltungsmodernisierung in Thüringen erhielt im letzten Jahr die Enquetekommission. Der Steuerungskreis knüpft an die Verwaltungsmodernisierungsarbeiten der letzten Legislaturperiode an. Er ist auch für Fragen der elektronischen Unterstützung und Erleichterung der Verwaltungstätigkeit zuständig, eine wesentliche Voraussetzung für bürgernahe und wirtschaftsfreundliche Verwaltung.

Die Clearingstelle beim Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit ist in erster Linie dafür da, Anregungen und Forderungen der Wirtschaft aufzunehmen und an die Ressorts weiterzuleiten. Sie fungiert als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Verwaltung und hat bereits ein Konzept für mehr Wirtschaftsfreundlichkeit erarbeitet. Sie hat im Übrigen auch mitgewirkt an der Erarbeitung von Vorschlägen für das zweite Mittelstandsentlastungsgesetz des Bundes. Aufgrund der Tatsache, dass der Schwerpunkt der Vorschriften im Bundes- und Europarecht liegt, hat sich die Clearingstelle in letzter Zeit verstärkt der Optimierung des Vollzugs von Vorschriften zugewandt. So wirkt sie mit an der Initiative der IHK Erfurt „Wirtschaftsfreundliche Verwaltung Mittelthüringen“. Diese Initiative hat zum Ziel, im Rahmen einer freiwilligen Zusammenarbeit, hier in diesem Falle der Kreise Weimarer Land und Sömmerda sowie der kreisfreien Städte Erfurt und Weimar, den Vollzug von Gesetzen zu verbessern und auf diese Weise Best-Practice-Beispiele zu erarbeiten, um diese auch anderen Kommunen zur Verfügung zu stellen. Hier hat der Landkreis Sömmerda - das muss man lobend erwähnen - eine gewisse Vorreiterrolle, wie man auch in der jüngsten Ausgabe des Thüringer Staatsanzeigers nachlesen kann. Er will sich unter anderem auch als mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung zertifizieren lassen.

Die dritte Institution, die sich mit dem Thema Bürokratieabbau und Deregulierung beschäftigt, ist die Stabsstelle in meinem eigenen Hause, im Justizministerium. Sie ist unter anderem dafür zuständig, alle

neu zu erlassenden Verwaltungsvorschriften, Verordnungen und Gesetze unter Deregulierungs-, Zweckmäßigkeits- und Kostenaspekten zu prüfen. Das funktioniert dann so, dass die Ressorts bei Vorlage einer neuen oder veränderten Vorschrift Prüffragen beantworten müssen, die insbesondere auch sehr detailliert nach den Kosten für die Bürger bzw. Unternehmen fragen und die im Sinne einer Rechtsfolgenabschätzung der vorgeschlagenen Regelungen bearbeitet werden müssen. Darüber hinaus wacht die Stabsstelle darüber, dass grundsätzlich alle neu zu erlassenden Vorschriften befristet werden. Insgesamt wurden in den letzten zwei Jahren von der Stabsstelle Deregulierung 464 Prüfungen durchgeführt, 285 Verwaltungsvorschriften, 130 Verordnungen und 49 Gesetze kamen auf den Prüfstand. Das lässt sich alles nur schwer messen, abgesehen davon, dass es natürlich hier zu einer Vorschriftenreduzierung erst im Laufe der Zeit kommt. Aber als Erfolg der Tätigkeit der Stabsstelle kann sicherlich verbucht werden, dass in den Ressorts ein erhöhtes Problembewusstsein entstanden ist, insbesondere was die Fragen der Kosten anbelangt. Früher war es durchaus üblich, dass bei Gesetzentwürfen unter Kosten stand: „keine“, ohne weitere Begründung. Das ist spürbar besser geworden.

Die Berichtsersuchen zu den Ziffern 3 bis 5 des Antrags der SPD-Fraktion betreffen im Wesentlichen Fragen des Standardkostenmodells, so dass ich hierzu zusammenfassend berichten möchte. Bei der sogenannten Standardkostenmethode handelt es sich um eine in den Niederlanden entwickelte Methode zur Messung von Bürokratiekosten in Wirtschaftsunternehmen. Diese Methode ist bisher in acht europäischen Ländern eingeführt worden. Gemessen wird dabei der Verwaltungsaufwand für Informations- und Berichtspflichten, vor allen Dingen in Anträgen, Formularen und Statistiken. Das heißt, wie lange dauert es, ein Formular auszufüllen, wie häufig geschieht das, wie viele Unternehmen sind davon betroffen, und das wird kostenmäßig hochgerechnet. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vom November 2005 die Einführung dieser Standardkostenmethode zusammen mit der Einrichtung des Normenkontrollrates festgelegt. Mittlerweile hat der Normenkontrollrat mit recht großer Personalausstattung seine Arbeit aufgenommen, nur damit eine Vorstellung davon gegeben wird, wie komplex die Arbeiten sind. Der Normenkontrollrat wird unterstützt vom Statistischen Bundesamt. Bis zum Ende des letzten Jahres wurde zunächst mal eine Bestandserfassung des Bundesrechts vorgenommen. Dabei wurden 4.500 Gesetze und Rechtsverordnungen identifiziert, welche Informationspflichten gegenüber der Wirtschaft enthielten. Diese 4.500 Normen wiederum beinhalten 9.800 einzelne Informationspflichten. Die Bestandsaufnahme, die durchgeführt worden ist, war mit hohem zeitlichen und personellen

Aufwand verbunden. Allein das Statistische Bundesamt hat für diese Bestandsaufnahme 110 Mitarbeiter eingesetzt. Das zeigt, dass ein solches Unternehmen für kleinere Länder beispielsweise nicht so ohne Weiteres eins zu eins nachzuvollziehen ist. Aber das ist ja auch nicht erforderlich, weil der Schwerpunkt des Einsparpotenzials beim Bund liegt. Die eigentliche Messung der Bürokratiekosten hat in diesem Monat begonnen. Alle 9.800 Informationspflichten sollen von ihrem Aufwand her gemessen und mit Geld belegt werden. Die Arbeit soll Mitte des Jahres abgeschlossen sein. Das ist der Stand zur Anwendung des Standardkostenmodells durch den Normenkontrollrat.

Auch Thüringen hat sich unter Federführung der Stabsstelle im Justizministerium zur Durchführung eines Pilotprojekts zum Standardkostenmodell entschieden. Die Landesregierung hält diese Methode für ein geeignetes Instrument, um die Kostenbelastung der Wirtschaft zu messen und will sie nun zunächst einmal in diesem Projekt testen. Die Methode hat den Vorzug, dass sie international anerkannt ist und es bereits ein Methodenhandbuch des Statistischen Bundesamts gibt, wie man diese Methode anwendet, so dass wir das Rad nicht neu erfinden müssen.

Thüringen ist nicht das einzige Land, das die Standardkostenmethode erprobt. Einige Länder haben z.B. ihre Bauordnungen nach dieser Methode analysiert. Es liegen der Landesregierung noch keine Informationen vor, ob und inwieweit das Standardkostenmodell in den anderen Ländern allgemein eingeführt wird. Die Länder tauschen ihre Erfahrungen derzeit untereinander aus. Das ist auch durch die Einbindung der Bertelsmann Stiftung gewährleistet, die diese jeweiligen Länderprojekte begleitet und unterstützt.

Das nunmehr in Thüringen begonnene Projekt zur Erprobung der Standardkostenmethode verfolgt noch ein weitergehendes Ziel, es sollen nicht nur der Aufwand und die Kostenbelastung für die Wirtschaft gemessen werden, sondern auch die Kosten, die der Verwaltung durch Gesetze entstehen. Vom Verfahren her gehen wir auch einen anderen Weg als die übrigen Länder mit ihren Projekten. Wir führen dieses Projekt ohne externen Sachverstand, ohne externe Berater durch, sondern nutzen die Kompetenz der Thüringer Fachhochschulen. Es ist beabsichtigt, dass die unter Federführung der Stabsstelle im TJM eingerichtete Steuerungsgruppe mit den Thüringer Fachhochschulen das Projekt durchführt, und zwar am bestehenden Gaststättenrecht und dessen Novellierung, denn das Gaststättenrecht ist ja in die Länderkompetenz nach der Föderalismusreform übergegangen.

Bei diesem Projekt zur Erprobung des Standardkostenmodells werden folgende Prüfungsschwerpunkte verfolgt:

- Welche Informationspflichten enthält das geltende und das künftige Gaststättenrecht?

- Welche Verwaltungsaufgaben werden dadurch verursacht?

- Wie hoch sind die Kosten?

- Wie groß ist der zeitliche Aufwand durch Erfüllung von Informationspflichten?

- Wie hoch sind die Kosten für die Verwaltung? - Ergeben sich aus der beabsichtigten Novellierung dann Verringerungen der Belastungen für betroffene Bürger und Einsparungen in der Verwaltung?

Das ist das Erkenntnisinteresse, das mit diesem Projekt verfolgt wird.

An der Steuerungsgruppe, die ressortübergreifend für dieses Projekt gebildet wird, wirken auch die Bertelsmann Stiftung und die Industrie- und Handelskammer Erfurt mit. Beide haben bereits ihre Unterstützung zugesagt. Das ist auch, glaube ich, ganz wichtig. Ferner soll das Statistische Landesamt in das Projekt einbezogen werden, damit die dort vorhandenen Daten genutzt werden können.

Der Sachstand ist wie folgt: Wir haben inzwischen die Thüringer Fachhochschulen angeschrieben und gebeten, ihr Interesse an der Mitarbeit bei diesem Projekt zu bekunden. Noch im Februar soll die Auswahl erfolgen, im März soll das Projekt beginnen und noch im Laufe dieses Jahres auch abgeschlossen sein. Wenn sich das Vorhaben bewährt, ist unter Einbeziehung der Erfahrungen im Bund und in den Ländern zu entscheiden, in welcher Form die Standardkostenmethode über dieses Pilotprojekt hinaus allgemein zum Einsatz kommen kann.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen, dass auch die Landesregierung mit großer Spannung den ersten Ergebnissen, einerseits aus diesem Pilotprojekt und andererseits aus den gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Ländern, zur Reduzierung der Bürokratiekosten entgegensieht. Wir werden, das muss man so sagen, damit sicherlich keine Revolution auslösen und auch nicht mit einem Schlag den Dschungel der Bürokratie lichten, ich glaube, das darf man nicht erwarten. Die Entlastung, insbesondere der Wirtschaft, von Bürokratiekosten ist ein stilles und langfristiges Geschäft, das nachhaltig von allen betrieben werden muss, die an der Produktion und Anwendung von Rechtsvor

schriften beteiligt sind.

Die Reaktionen der Thüringer Wirtschaft und des Mittelstands, die bisher zu den Ideen und den Maßnahmen der Landesregierung vorliegen, zeigen, dass wir damit auf einem guten Weg sind. Die Landesregierung leistet mit dieser Vielfalt von Maßnahmen, die ich hier kurz angerissen und geschildert habe, einen wirksamen Beitrag zur Verringerung von Bürokratie und zur Entlastung der Bürger und der Wirtschaft von den damit verbundenen Kosten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage: Wer wünscht die Aussprache zum Sofortbericht? Die Fraktion der CDU. Damit eröffne ich die Aussprache auf Verlangen der Fraktion der CDU. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Gerstenberger, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, am 17. Januar dieses Jahres war in der „Thüringer Landeszeitung“ zu lesen: „Besonders schlecht schneidet Thüringen in Sachen Bürokratie ab. Der Freistaat sei mit Abstand Spitzenreiter im Hinblick auf ein Zuviel an Gesetzen und Verordnungen.“ So viel also zur Bewertung von außen. Der Antrag der SPD-Fraktion zur Entlastung der Thüringer Wirtschaft von Bürokratiekosten beschreibt ohne Zweifel ein heikles Thema, was auch den Thüringer Mittelstand massiv betrifft. Allerdings zielt der Antrag der SPD in erster Linie auf die Umsetzung des sogenannten Standardkostenmodells nach dem niederländischen Vorbild ab und damit haben wir so das eine oder andere Problem.

Um dieses Modell durchzusetzen - da bin ich beim ersten Beispiel - hat man einen Normenkontrollrat eingerichtet, der hat im September letzten Jahres seine Arbeit aufgenommen. Der soll nun die Bundesregierung beim Bürokratieabbau unterstützen. Die vom Bundespräsidenten ernannten Mitglieder des Normenkontrollrates sollen als unabhängiges Gremium alle Gesetzesinitiativen und bestehendes Recht überprüfen. Er besteht aus acht ehrenamtlichen Mitgliedern, welche von der Bundesregierung vorgeschlagen werden, nicht bei der öffentlichen Verwaltung arbeiten dürfen und nicht Abgeordnete sein dürfen. Allerdings, wer sich das einmal näher ansieht, die namentliche Aufstellung der Mitglieder dieses Normenkontrollrates legen die Vermutung nahe, dass es sich dabei um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Parteimitglieder und ehemalige Amtsträger

aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik handelt. Ob damit eine objektive, parteiunabhängige Einschätzung des Bürokratieaufkommens in diesem Land möglich ist, bleibt abzuwarten. Ich bezweifle es zumindest.

Meine Damen und Herren, die Bertelsmann Stiftung stellte fest, dass der zielgerichtete Abbau von Bürokratie die Unternehmen in Deutschland um 20 Mrd. € pro Jahr entlasten könnte. Zu dieser Erkenntnis gelangt die Bertelsmann Stiftung durch den Vergleich der Erfolge in den Niederlanden, indem die Ergebnisse des in den Niederlanden entwickelten und zum Einsatz gebrachten Standardkostenmodells zugrunde gelegt wurden. Die Notwendigkeit dieses Modells zur Schaffung von Transparenz sowie zur Erarbeitung und Festigung von Zielkriterien ist dabei unumstritten. Jedoch sind wir der Meinung - ich sagte es schon -, dass der Antrag der SPD-Fraktion am eigentlichen Thema vorbeigeht. Es ist verallgemeinert auf dieses Modell des Bundes fixiert und beschäftigt sich vorrangig damit, die Methodik des Modells zu hinterfragen und eventuelle Analogien auf Thüringen festzustellen. So hat ja Herr Staatssekretär geantwortet.

Bürokratieabbau erreicht man unseres Erachtens nicht allein dadurch, dass Methoden der Messung der Bürokratie im eigenen Land analysiert werden, es kommt vielmehr darauf an, die Handlungsspielräume aufzuzeigen, um anwendbar und umsetzbar Veränderungen zu erreichen. Nach einer Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung für das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit fühlen sich mehr als drei Viertel aller Unternehmen durch Aufgaben, die sie unentgeltlich für den Staat erbringen, sehr hoch oder hoch belastet. Besonders belastend werden dabei Regelungen im Bereich der Sozialversicherung und im Arbeitsrecht bzw. Arbeitsschutz empfunden, gefolgt von den Bereichen Steuern, Statistik und Umwelt. Insbesondere in der restriktiven Förderpolitik des Landes, welche sich in einem Übermaß an Förderrichtlinien und Durchführungsbestimmungen äußert, sehen zahlreiche Unternehmen eine wesentliche Belastung mit sogenannten Nebenaufgaben und Auflagen. Die Enquetekommission „Wirtschaftsförderung in Thüringen“ hat in ihrem Abschlussbericht 2001 bereits auf Defizite der Wirtschaftsförderung hingewiesen. Dazu gehörte auch die Kritik an der zu hohen Zahl von Förderrichtlinien. In 48 Punkten hat die Enquetekommission Empfehlungen zur Gestaltung zukünftiger Wirtschaftsförderpraxis im Freistaat fixiert. Darin enthalten war auch die Forderung nach einer höheren Transparenz und Übersichtlichkeit der Förderrichtlinien. Wie gesagt, das war im Jahr 2001. Wenn in dem Bericht der GEFRA, Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalyse GbR in Münster zur Evaluierung der Förderprogramme im Freistaat Thüringen die Aussage ge

troffen wird, dass sich die Anzahl der Förderprogramme im Freistaat nach Bereinigungen und Zusammenfassungen auf 267 beläuft, muss sich die Landesregierung schon die Frage gefallen lassen, wie die Empfehlungen der Enquetekommission fünf Jahre später beachtet wurden. Herr Staatssekretär Hütte, es geht gar nicht darum, dass wir jetzt die Revolution oder die Lösung mit einem großen Schlag hier realisieren, ein deutlicher Schritt vorwärts wäre schon ungeheuer viel Bewegung bei dem Stillstand, den wir dort zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben.

Meine Damen und Herren, die durch Bürokratie verursachten Kosten schlagen besonders in kleineren Unternehmen stark zu Buche. Ein durchschnittlicher Handwerksbetrieb wendet allein für die umfangreichen Melde- und Abrechnungsformalitäten in den Bereichen Sozialversicherung und Steuern ca. 324 Stunden im Jahr auf. Allein das macht deutlich, dass Bürokratieabbau ein Kriterium sein muss, um die Freiheit auch der Wirtschaft und damit auch ihrer Effizienz deutlich zu verbessern. Hier hat die Landesregierung starken, sehr starken Handlungsbedarf. Weitreichende Möglichkeiten zum Bürokratieabbau zur Entlastung der Thüringer Wirtschaft ergeben sich aus der Umsetzung des Zuwendungs- und Verwaltungsrechts. Dass der Fördermitteldschungel gänzlich unüberschaubar ist, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Viele Mittelständler, denen eigentlich die Förderung zugute kommen soll, schrecken vor der Antragstellung auf Fördermittel schon wegen der recht komplizierten Verfahren zurück. Dass Investitionen nicht oder nicht zeitgemäß getätigt wurden und so dem Freistaat in der vergangenen Förderperiode Fördermittel in Größenordnungen verloren gingen, hat auch Ursachen in dem Umstand, dass den kleinen und mittelständischen Unternehmen der personelle und finanzielle Aufwand zur Erstellung der Antragsunterlagen schlichtweg zu groß war und oftmals fachkundige Beratungen zu den Durchführungsbestimmungen und -richtlinien nicht ausreichten. Aufwendige Nachweisverfahren erschweren die Antragsberechtigung zusätzlich. Vergegenständlicht man sich die Tatsache, dass im Rahmen der ESF-Förderung die Verwendungsnachweisprüfung für ausgereichte Fördermittel mitunter erst fünf bis zehn Jahre nach Abschluss der Fördermaßnahme erfolgt, wird der zu bewältigende Aufwand für Zuwendungsempfänger deutlich sichtbar. Durch dieses recht aufwendige und vor allem langwierige Verfahren der Verwendungsnachweisprüfung gehen dem Land kostbare finanzielle Mittel verloren, weil Verjährungsfristen eintreten. Andererseits stellt sich für die Unternehmen eine gewisse Planungsunsicherheit ein, weil diese in den meisten Fällen nicht einschätzen können, ob und in welcher Größenordnung Fördermittelrückforderungen seitens des Zuwendungsgebers geltend gemacht werden. Also eröffnet sich auch hier ein weiteres Feld für Bürokra