Protocol of the Session on January 25, 2007

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen, der Haushalts- und Finanzausschuss hat in seiner 37. Sitzung am 18. Januar 2007 die Mittelfristige Finanzplanung beraten. Der Ausschuss empfahl in Richtung der Landesregierung in Drucksache 4/2573 einstimmig, den Mittelfristigen Finanzplan für die Jahre 2006 bis 2010 für den Freistaat Thüringen zur Kenntnis zu nehmen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön für die Berichterstattung. Für die Landesregierung hat jetzt das Wort Ministerin Diezel.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, da es eine Vorabüberweisung war, gestatten Sie mir, dass ich als Erstes für die Landesregierung das Wort ergreife.

Der von der Landesregierung Ende Dezember dem Hohen Haus vorgelegte Mittelfristige Finanzplan für die Jahre 2006 bis 2010 wurde unabhängig von einem Haushaltsplanentwurf vorgelegt. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass beim Finanzplan das Jährlichkeitsprinzip strikt zu beachten ist - Haushaltsgrundsätzegesetz § 50. Da wir gerade die erste Hälfte eines Doppelhaushalts hinter uns gebracht haben, entfielen die mit einer Vorlage der Mittelfristigen Finanzplanung üblichen Haushaltsberatungen. Die Mittelfristige Finanzplanung ist eine stichtagsbezogene Projektion der zukünftigen Entwicklung, wobei der am Stichtag geltende Rechtsstand zugrunde zu legen ist, also das geltende Haushaltsgesetz 2006 und 2007.

Der Finanzplan berücksichtigt auf der Einnahmenseite die Beschlüsse der EU zur neuen Förderperiode 2007 bis 2013 und er setzt die Ergebnisse der Föderalismusreform 1 um. Hinsichtlich der Entwicklung der Steuereinnahmen wurden zum einen die Ergebnisse der amtlichen Steuerschätzung im Mai 2006 unterstellt für die Jahre 2008 und folgende. Die damals bereits geplante Erhöhung des Regelsatzes der Umsatzsteuer war mit einbezogen. Da das Jahr 2006 konjunkturell günstiger verlief als noch im Mai erwartet, wurden die Steuereinnahmen aus der Steuerschätzung um einen Konjunkturzuschlag nach oben korrigiert für die Steuereinnahmen ab 2008. Es kann davon ausgegangen werden, dass mit der Steuerschätzung vom Mai 2007 diese Tendenz bei den Einnahmen bestätigt wird. Insofern hat die Landesregierung bei den Einnahmen eine recht zuverlässige Schätzbasis unterstellt, die eine entsprechende Planung der Ausgaben in den nächsten fünf Jahren erlaubt.

Bei den Ausgaben ist grundsätzlich der zum Stichtag aktuelle Rechtsstand anzunehmen. Eine besondere Situation ist für die Gestaltung der Finanzplanung auch das Urteil des Verfassungsgerichts. Bis 2008 muss eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs umgesetzt werden. Da die Eckpunkte hierzu im vorliegenden Finanzplan nicht berücksichtigt werden konnten, wurde hierfür das geltende FAG zugrunde gelegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die aktuelle finanzpolitische Diskussion dreht sich in der Hauptsache um den Zeitpunkt für das Erreichen der Nettoneuverschuldung gleich null. In dem Ihnen vorliegenden Mittelfristigen Finanzplan ist das Ziel 2012. Ich habe dazu eine klare Meinung:

Erstens, mein Herzblut hängt nicht an dieser Jahreszahl.

Zweitens, mir ist aber wichtig, dass die Nettoneuverschuldung null kommt.

Drittens, es ist wichtig, dass diese nachhaltig und dauerhaft ist.

Viertens, sie muss handwerklich sauber sein, ohne Tricks und sie muss so früh wie möglich kommen.

Bundesminister Peer Steinbrück sieht das genauso. Er hat das in einer Haushaltsdebatte sehr drastisch gesagt. „Ich müsste bescheuert sein“, so er, „eine Jahreszahl zu nennen“. Man hat zurzeit den Eindruck, es ginge eher um ein mediales Windhundrennen als Showeffekte, die inszeniert werden, als um nachhaltige Finanzpolitik. Es drängt sich der Verdacht auf, es ginge manchmal um einen Einmaleffekt. Wichtig sind mir tragfähige Strukturen. Noch einmal:

Es ist wichtig, dass eine Nettoneuverschuldung von null erreicht wird, aber nachhaltig und dauerhaft. Dies alles geht nicht mit punktuellen Kürzungen und Verschiebung einzelner Maßnahmen in andere Haushaltsjahre oder mit einmaligen Effekten, Auflösung von Rücklagen, Sonderverkäufen. Wir brauchen dauerhafte Strukturen. Die beiden folgenden Haushaltsjahre sind für die Anpassung im Landeshaushalt entscheidend. Die Anpassung von Überkapazitäten hat dabei die zentrale Bedeutung. In seiner jetzigen Struktur ist unser Haushalt noch lange nicht so robust, um nicht eine konjunkturelle Schwankung, davon nicht nur einen Hustenanfall wie ein robuster Haushalt, sondern er bekommt gleich eine Lungenentzündung, denn gerade die Entwicklung der Konjunktur ist risikobehaftet weltwirtschaftlich - ich denke nur an die Iran-Irak-Krise, die russischen Öllieferungen, überhaupt die Energiepreise -, innenpolitisch - wie wird die Mehrwertsteuererhöhung verkraftet, wie wirkt die Unternehmenssteuerreform; aber auch solche Ereignisse wie Sturmschäden und Klimawandel haben ihren Einfluss. Wir haben deshalb im Finanzministerium mal eine Simulationsrechnung gemacht und nachgewiesen, dass in den letzten zehn Jahren die wirklichen Steuermehreinnahme null sind. So ist die Schwankung gewesen, wir hatten das tolle Jahr 2000, aber wir hatten auch die Einbrüche 2,5 Mrd. damals.

Ich werde nicht der Versuchung erliegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, Dinge zu verkünden, die ich hinterher nicht halten kann.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte an das Jahr 2000 erinnern, in dem wir richtig über üppige Steuereinnahmen verfügten. Dann kamen die Folgen der verkorksten Unternehmenssteuerreform, Steinbrück nannte sie den Rohrkrepierer. Es kam der 11. September mit all seinen Auswirkungen auch auf die Weltkonjunktur und die Haushalte hatten Mindereinnahmen zu verkraften, allein hier in Thüringen fast 2,5 Mrd. von den prognostizierten Steuereinnahmen. Deshalb sage ich, rechne nie mit Einnahmen, die du noch nicht in der Kasse hast. Die Einnahmenseite taugt nicht zur Steuerung des Haushalts, die Ausgabenseite hingegen schon. Dort müssen wir die eingeschlagenen Wege zur notwendigen Anpassung gehen. Wir müssen beachten, dass Bevölkerungsrückgang und Solidarpakt uns zu einschneidenden Maßnahmen zwingen.

Auch aus diesem Blickwinkel ist beispielsweise die Verwaltungsreform entwickelt worden und sie wird begleitet, Herr Kuschel, von einer Aufgabenkritik, wie sie kein anderes Land gemacht hat. Wir haben über 41.000 konkrete Aufgaben EDV-mäßig dargestellt. Die werden zurzeit ausgewertet in den Ministerien. Wir haben das Ziel, 10 Prozent dieser 41.000

Aufgaben wegfallen zu lassen. Wir müssen Überkapazitäten abbauen beim Landespersonal, aber auch bei Subventionstiteln und Zuschüssen.

Wir haben in der Mittelfristigen Finanzplanung dargelegt, dass aufgrund der aktuell günstigen Steuerentwicklung die Nettoneuverschuldung deutlich reduziert werden konnte. Wir haben aber auch erläutert, dass eine Nettoneuverschuldung null in mittlerer Frist nur über die Ausgabensenkung erreichbar ist. Nur das Schielen auf höhere Einnahmen wird die Nettoneuverschuldung auf Dauer nicht auf null bringen.

In diesem Zusammenhang möchte ich besonders auf das Jahr 2009 verweisen. Es wird ein Jahr der besonderen Belastung, denn spätestens dort wird die günstige Steuerentwicklung durch das Zurückgehen der Solidarpaktmittel überlagert. Hinzu kommen die Tarifanpassungen Ost-West-Angleichung bei der Besoldung.

(Unruhe bei der SPD)

Allein durch diese Mindereinnahmen und Mehrausgaben kommt es zu 250 Mio. € Einsparsumme, infolge der Abschmelzung der Solidarpaktmittel. Diese geht weiter voran und das in 100-Millionen-Schritten ab dem 2009; diese müssen kompensiert werden. Hinzu kommt, dass wir den demographischen Faktor auch bei den Steuereinnahmen berücksichtigen müssen; weniger Bevölkerung bedeutet weniger Steuereinnahmen auch in der Zerlegung.

All dies ist in der Mittelfristigen Finanzplanung zu berücksichtigen. All dies zwingt zu einer realistischen Gesamtschau. Angesichts dieser Tatsache wird deutlich, dass ganz sicher nach der Verabschiedung des Doppelhaushalts und der folgenden Mai-Steuerschätzung, die ja wieder über fünf Jahre geht, eine zielgenauere Prognose möglich ist. Wir werden dann auch in diesem Jahr noch einen neuen Mittelfristigen Finanzplan vorlegen. Das, was wir in unserem Bericht jetzt dargestellt haben, spiegelt den aktuellen Rechtsstand wider. Jede andere Änderung kann zur Ausgabensenkung führen. Von allein, sozusagen automatisch, wird die Nettoneuverschuldung nicht auf null zu führen sein. Das scheint mancher zu glauben und stellt fixe Ziele vor. Ich erhoffe mir Unterstützung bei der Reduzierung der Überkapazitäten. Es müssen Gesetze geändert werden; es muss gesagt werden, wo, welche Leistung gekürzt wird. Herr Matschie, ich habe es Ihnen bei der Debatte um den Seitz-Bericht gesagt, Sie müssen sagen, wenn Sie Ziele vorgeben, wo werden Sie das Recht ändern, wie viele Personen werden Sie entlassen oder wo werden Sie einen Sozialtarifvertrag machen, der 10 Prozent weniger bedeutet?

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Wer regiert denn hier?)

Oder wollen Sie den Kommunen 200 Mio. € wegnehmen, wie in Ihrer Nachbarschaft oder in Mecklenburg-Vorpommern?

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: So wie Sie es gemacht haben?)

Wenn Sie das tun, erreichen Sie es vielleicht, aber Sie haben die Einnahmen nicht nur, um die Null zu erreichen. Sie müssen Ausgaben reduzieren. Davor drücken Sie sich nämlich, Herr Matschie. Sie müssen Ross und Reiter nennen, wenn Sie fixe Zahlen nennen.

(Unruhe bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das meiden Sie, wie der Teufel das Weihwasser, ganz genau. Auf der einen Seite Forderungen aufmachen, aber nicht sagen wo,

(Beifall bei der CDU)

nach dem einfachen Prinzip: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Wa- rum bekommen andere das hin und Sie nicht, Frau Diezel?)

Hören Sie doch einfach mal zu. Ich komme zu dem anderen schon, ja. Die bisher vorgeschlagenen Gesetzesinitiativen und Änderungsanträge der SPDFraktion - wenn ich das nur in dieser Legislaturperiode betrachte und dann eine Simulationsrechnung mache, also die Rechtsgrundlage sehe, dann enden wir bei Ihren Gesetzesänderungen bei frühestens 2020.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Sie machen die schlechteste Finanzpolitik aller neuen Bundesländer.)

Herr Matschie, ich empfehle Ihnen - eine Zeitung hat ja diese Oscar-Verleihung so lustig aufgenommen -, Sie können kandidieren bei „Häuptling Gespaltene Zunge“ als Nebenrolle.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt kommen wir zum Vergleich Sachsen-Anhalt. Zunächst einmal zeigt der aktuelle Abgleich, dass der Freistaat Thüringen seine Nettoneuverschuldung deutlicher zurückfahren kann als unser nördlicher Nachbar. Das wird bei uns 660 die Nettoneuverschuldung sein, in Sachsen-Anhalt 702, verkündet vom Kollegen Buller

jahn. Unsere Maßnahmen greifen also.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Der ist ehrgeiziger als Sie.)

Ja, ich sage mal den Ehrgeiz, dazu komme ich noch. So verwundert es auch nicht, warum in SachsenAnhalt immer wieder auf Maßnahmen Thüringens zurückgegriffen wird, sei es im Personalbereich oder bei der Verwaltungsreform, Herr Matschie. Das Zusammenlegen der Finanzämter wird bei uns zurzeit abgeschrieben.

(Unruhe bei der SPD)

Meine Mitarbeiter reiben sich immer verwundert die Augen, wenn Argumentationen und Programme in der Nachbarschaft bekannt werden, die hier in Thüringen durchgesetzt werden. So schlecht können unsere Programme gar nicht sein, denn sie werden als Blaupause für Herrn Bullerjahn benutzt. Dies gewinnt dann Bedeutung, wenn man weiß, wie eng Sie und Herr Bullerjahn zusammen sind, Herr Matschie. Das betrifft auch Ihre Argumentation. Wir können immer wieder Formulierungen, die ich hier genannt habe, bei Ihnen wiederfinden. Ich zitiere: „Wir müssen mehr in Köpfe als in Beton investieren“. Eine Formulierung, die ich nachweislich in der Beurteilung des Aufbau-Ost-Berichts gesagt habe. Herr Matschie, ich danke Ihnen für den Ideentransport. Vielleicht gelingt es mir, auch Sie zu überzeugen von der Unsinnigkeit Ihrer These zur Gebietsreform, dass diese Gebietsreform die finanzpolitischen Probleme Thüringens lösen könnte. Selbst Ihr Sachverständiger hat gesagt, 200 Mio. € langfristig.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Nur allein bei der Kreisreform, und zwar jähr- lich.)

Allein unsere Verwaltungsreform bringt mehr als 300 Mio. €, und das ganz konkret bis zum Abbau 2019 des Solidarpakts. Unser Konsolidierungsbedarf ist natürlich weitaus größer.

(Unruhe bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Matschie, Sie sagen immer, wir brauchen erst einmal verfassungsmäßige Haushalte - wieder eine Lüge.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schubert, SPD: Davon merkt man noch nichts.)

Wir haben seit Jahren verfassungsmäßige Haushalte. Die Verfassung sagt, die Verfassungsmäßigkeit bei der Haushaltsaufstellung, das ist verfassungsgemäß, selbst vom Finanzplanungsrat bestätigt, Herr Matschie.

(Unruhe bei der SPD)

Hier lügen Sie einfach.