Protocol of the Session on October 20, 2006

dass er weiß, dass bei ihm auch ein Stückchen Verantwortung liegt, die Kollegen aus der Region, Herrn Bergemann und Herrn Grob, mit ins Boot zu bekommen - die sind ja bemerkenswert ruhig zu diesem Thema, aber das weiß er schon.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Kümmern Sie sich um sich.)

Da sind wir wieder bei den intellektuellen Fähigkeiten, die hier angesprochen worden sind. Es ist wirklich interessant, zu was für niveauvollem Widerspruch die eine oder andere Bemerkung von hier vorn führt.

Schade, dass das Abwinken, wenn man das Eisenacher Theater erwähnt, dann auch nicht im Protokoll vorkommt, aber ich kann damit umgehen. Irgendwann werden wir darüber abstimmen und wir Eisenacher - sage ich an der Stelle, da sind Christian Köckert und ich ganz optimistisch - werden uns hinter das eigene Theater stellen, und ich wünsche mir auch, dass wir uns hinter alle anderen Theater stellen, denn es muss uns einfach fremd sein, schlicht und einfach zu sagen: Ich bin hier im Thüringer Land nur für meine Region, bin ich natürlich, aber wenn wir über Kultur reden, ist hier jeder verantwortlich für die Kultur in ganz Thüringen.

(Beifall bei der SPD)

Eine Bemerkung will ich noch machen. Herr Krause, ich bin bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren, aber die Frage - wir führen ja keine arbeitsmarktpolitische Diskussion - möchte ich schon um eine kleine Facette erweitern, um schlicht und einfach mal zu fragen: Haben Sie an so was schon mal gedacht oder was passiert hier eigentlich? Wenn ich mir die geplanten Kürzungen für das Eisenacher Theater anschaue und das umlege auf die Arbeitsplätze, die wir dort verlieren werden, kommen wir auf so eine Förderung von ca. 20.000 € pro Arbeitsplatz.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Pea- nuts.)

Wissen wir nicht alle, dass über die Förderung im Wirtschaftsministerium für andere Arbeitsplätze ganz andere Summen ausgegeben werden?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Sind wir uns aber nicht alle einig, dass die Kultur auch ihre Bedeutung hat, darüber reden ja alle hier, egal in welche Richtung sie denken? Also muss doch dieser Ansatz auch mal erlaubt sein. Was soll denn das? Ist das überhaupt noch nachvollziehbar, „wegen 20.000 €“ einen Arbeitsplatz zu streichen und das Zehnfache dann über das Wirtschaftsministerium in andere Arbeitsplätze reinzustecken, wenn

das Zehnfache reicht? Ich wollte es an dieser Stelle einfach noch mal ein Stückchen bildlich machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich - das sage ich jetzt ganz bewusst als Eisenacher - über die Solidarität der Kollegen aus Meiningen, aus Suhl, aus Erfurt, aus Weimar, aus Nordhausen, überall da, wo es brennt. Sie können genauso gut mit meiner Solidarität werben und rechnen und damit rechnen, dass ich meinen Teil dazu tun werde, dass es zu diesem Kahlschlag in Thüringen nicht kommt. Ich hoffe, wir finden genügend Verbündete, um dies thüringenweit zu verhindern. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen... Doch, eine Wortmeldung von Herrn Kubitzki, Linkspartei.PDS, und dann der Abgeordnete Schwäblein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vielleicht mögen sich einige wundern, warum ich aus einem Kreis, wo es kein großes Haus gibt, kein großes Theater, mich trotzdem in diese Diskussion einmische. Aber zuvor eine Bemerkung an Herrn Dr. Krause. Wissen Sie, Herr Dr. Krause, wer sich hier bei dieser Debatte und zu diesem Thema im Grab umdrehen würde, das wären Goethe und Schiller. Die würden sich im Grab herumdrehen, wenn die das hören würden, was vonseiten Ihrer Fraktion hier passiert.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

(Heiterkeit bei der CDU)

Herr Minister, wir hatten ja erst am Sonntag in Mühlhausen ein wunderbares Erlebnis. Herr Minister, Sie haben teilgenommen an der feierlichen Einweihung der neuen Spielstätte unseres Jugendtheaters, was wir in Mühlhausen haben, 3K. Es ist kein großes Haus, es ist ein, ich sage das jetzt bewusst, „Amateurtheater“, ein Theater, in dem Kinder an das Theaterspielen herangeführt werden und Jugendliche spielen, ein Theater, das Vorführungen für die Bevölkerung macht, für Schulklassen, für Kindergärten, ein gutes Ensemble. Dieses Theater, da sind wir dankbar als Mühlhäuser, Herr Minister, wurde auch vom Freistaat gefördert. Dieses Theater hat eine neue Spielstätte bekommen, auch mit Förderung des Freistaats, die Kilianikirche, diese wurde am Sonntag...

(Unruhe bei der CDU)

Ja, Herr Kretschmer, Sie auch, vielleicht kommen Sie heute auch noch hier vor.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Ach, ja!)

Die Zeitung zitiert Sie auch, Herr Minister, die Tagespresse: Die Festredner des Abends, der prominenteste unter Ihnen war Thüringens Kultusminister Jens Goebel, er lobte insbesondere die Kraft und die Mitwirkung von so vielen, die diesen Mühlhäuser Spieltraum haben wahr werden lassen, und nannte die Kilianikirche ein Beispiel guten Willens. Wissen Sie, dass dieses Theater noch lebt, ist einerseits der Förderung des Landes zu verdanken, ist aber andererseits auch der Förderung durch die Kommune zu verdanken, die nämlich dieses Theater leben lassen will, und ist der Kilianistiftung zu verdanken und die Kilianistiftung sind arrangierte Bürger, sind Wirtschaftsunternehmen, die wollen, dass in ihrer Stadt Kultur ist. Und da stellt sich die Fraktionsvorsitzende der CDU hin, Frau Lieberknecht, und geht davon aus, dass Kommunen oder Kreise eventuell kein Theater haben und sich an den Theatern im Nachbarkreis beteiligen sollen und dort Sperenzchen machen sollen, kann vielleicht möglich sein, aber Mühlhausen ist auch ein Beweis dafür, wie Menschen sich in einer Region, in einer Stadt für eine Kulturstätte einsetzen können. Da sollten wir wenigstens den Versuch unternehmen, dass wir neue Finanzierungsformen finden. Das Neueste allerdings, Herr Minister, war, das hat mir sehr gut gefallen,

(Unruhe bei der CDU)

Ihre Rede, die Sie wirklich in Reimen vorgetragen haben. Das war echt stark, Herr Minister, das war cool, das war richtig niedlich. Ich würde Ihnen aber empfehlen, Herr Minister, wenn Sie Ihre Grausamkeiten hier im Landtag verkünden, dass Sie das vielleicht in Reimen machen, das ist für uns dann nämlich erträglicher.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kretschmer?

Nein, am Schluss.

Herr Minister, ich will Ihnen auch ein paar Beispiele vielleicht für einen Reim geben, wenn Sie hier bestimmte Grausamkeiten verkünden wollen. Ein Beispiel wäre: „Die Hochschulen und Unis will ich als Unternehmen führen, deshalb erhebe ich Verwaltungsgebühren.“ Oder zum Thema heute: „Theater brauchen wir nicht, deshalb mache ich sie dicht.“ Und

ich komme jetzt wieder auf unsere Jugendtheater zu sprechen. Mir ist das aufgefallen, als die Kinder dort ihre Aufführungen gemacht haben, mit sehr viel Liebe, mit sehr viel Begeisterung, und dann überkam mich ein Gefühl, wo ich mir sagte, das ist eigentlich die Theatergeneration der Zukunft, die in 20 Jahren ein großes Theater besucht, die Kunst erleben will, weil sie jetzt schon als Kinder an diese Kunst herangeführt werden. Dann fiel mir eigentlich ein: Ja, wo sollen sie denn in 20 Jahren eventuell hinfahren? Mühlhausen hat die Möglichkeiten, nämlich ungefähr 35 Kilometer nach Norden können wir das Theater in Nordhausen besuchen und genau 35 Kilometer nach Südwesten können wir das Theater in Eisenach besuchen und das wird auch von Mühlhäuser Bürgern wahrgenommen. Schulklassen fahren dorthin, Privatpersonen, ganze Familien fahren dorthin. Zum Beispiel, Herr Minister, gibt es in unserer Stadt eine ältere Dame, über 80 Jahre ist sie, sie wird für ihre ehrenamtliche Tätigkeit demnächst auch auf der Wartburg ausgezeichnet mit der Thüringer Rose, die ist sehr couragiert, unter anderem seit 40 Jahren schafft es diese ältere Dame, einmal im Monat mit ihrem Theaterring, über 40 Personen, nach Nordhausen in das Theater zu fahren. Die kriegt jedes Mal den Bus voll, wenn die da hinfahren. Damit wird jetzt vielleicht ab 2009 nach Ihrem Willen, wenn es danach geht, Schluss sein. Das wäre auch für diese Menschen schlimm.

Dann noch ein Zitat, wie Sie die Presse wiedergibt, als Sie bei uns in der Stadt waren. Jens Goebel, Thüringer Kultusminister, sagt also - das muss nicht aus der Rede gewesen sein, weil Sie die ja in Reimen vorgetragen haben, vielleicht hat das unser Redakteur nicht so rüberbringen können: „Wir brauchen die Breitenkultur in unserem Land. Sie ist ein wichtiger Bestandteil in unserer Kulturlandschaft. Ich bin mir sicher, dass es vom Freistaat Thüringen auch in den nächsten Jahren die finanzielle Unterstützung für Spielstätten wie die in Mühlhausen geben wird.“ Das ist gut, das finde ich gut. Aber wissen Sie, was trotzdem dahintersteckt? Sie machen das nach dem Prinzip „teile und herrsche“, ich spiele die mal alle so ein bisschen gegeneinander aus, also ich spiele erst mal die Breitenkultur gegen die professionelle Kultur aus. Wenn ich bei Theatern sparen muss, dann habe ich mehr Geld für die Breitenkultur und, liebe Künstler im Amateurbereich, ich kann euch nicht so viel Geld geben, denn die Theater brauchen so viel Geld. Es wird auch eine Ausspielung gemacht, z.B. kam das heute in mehreren Reden zum Ausdruck, wir spielen die Theater und die Museen aus. Deshalb brauchen wir ein gesamtes Kulturkonzept für dieses Land.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Stirbt Eisenach und Nordhausen, dann stirbt auch ein Stück Kultur in diesen - wie Sie sagten, Frau

Lieberknecht - Gebieten, wo es nichts gibt, die es ganz wenige in Thüringen gibt. Aber wir sind so ein Gebiet, auch dort stirbt dann Kultur. Deshalb bin ich auch gespannt, wie meine beiden Kollegen von der CDU, Frau Lehmann und Herr Kretschmer, sich verhalten werden.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Ich wollte Sie ja fragen.)

Es wird weitere Wege auch für diese Menschen geben, die in diesen Regionen wohnen.

Noch eine Bemerkung zu Herrn Dr. Krause. Das Theater um die Ecke - da habe ich meine Probleme, wie ich diesen Begriff verstehen soll, das Theater um die Ecke. Wenn Nordhausen ein Theater um die Ecke ist, dann empfehle ich Ihnen, Herr Dr. Krause, dann schauen Sie sich mal eine Inszenierung in Nordhausen an, das ist große Kunst, was dort geliefert wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Dann sagten Sie in Ihren Ausführungen, na ja, da müssen wir ein bisschen weitere Wege in Kauf nehmen; wer Kunst sehen will, der nimmt auch die weiteren Wege in Kauf. Da muss ich Ihnen sagen, Herr Dr. Krause, der Wille ist ja da, es muss aber auch was dahinterstecken. Wer Kunst sehen will und sich leisten kann, der kann dann auch die weiten Wege in Kauf nehmen. Es ist nämlich ein Unterschied, ob ich z.B. von Mühlhausen bis nach Weimar fahren muss oder ob ich bloß 35 km bis nach Eisenach oder ob ich nach Nordhausen fahre. Das ist ein himmelweiter Unterschied, und auch das kostet Geld. Wir haben in diesem Haus heute schon genug über Armut gesprochen. Ihre Aussage bedeutet, es wird auch wieder eine Zwei-Klassen-Kultur in diesem Land geben,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

nämlich die, die es sich leisten können, diese Kultur zu genießen, und die, die dann bei RTL sonntags und wochentags nachmittags versauern werden. Das ist die Kulturpolitik, die Sie hier machen wollen in diesem Land.

(Beifall bei der SPD)

Dann hatten Sie das letzte Mal - daran kann ich mich erinnern, Herr Minister - im Landtag auch geäußert: Ist ja alles nicht so schlimm, die Häuser werden ja eventuell bestehen bleiben. Nur wir wollen dann auch, dass das Ensemble von Weimar z.B. nach Nordhausen oder nach Eisenach fährt, und dann kann auch dort Theater gespielt werden. Das hatten wir schon mal in Deutschland gehabt, das war aber ganz

lange her. Also Mühlhausen hat da auch eine Tradition, nämlich aus dem Mittelalter. Sie degradieren wieder die Schauspielensemble, die es an unseren Häusern gibt oder die vielleicht dann übrig bleiben, zu fahrenden Komödianten, es werden wieder Gaukler und wir kehren wieder in das Mittelalter zurück.

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: Sie ha- ben ja keine Ahnung.)

Vielleicht wird dann Thüringer wieder ein Land der Mittelalterfeste, das kann schon möglich sein. Es wurde heute schon von meiner Kollegin, Frau Dr. Klaubert, auf den Zusammenhang zwischen Kultur und Wirtschaft hingewiesen, indem nämlich viele Wirtschaftsvertreter, die sich auch an Sie und an die Landesregierung gewandt haben, auch gesagt haben, die Theater in diesem Land sind ein Standortfaktor für unsere Wirtschaft. Gestern auf der Heimfahrt vom Plenum hörte ich MDR-Radio, das Kulturmagazin, und da wurde Herr von Witzleben genannt, Chef von Jenoptik, der sich zur Kulturpolitik geäußert hat, die Sie machen, und der sich vehement gegen Kürzungen im Kulturbereich ausgesprochen hat, der deutlich gemacht hat, dass Kultur für Thüringen ein Standortfaktor ist. Das sollten Sie begreifen. Und dann hat er noch eines gesagt: Die Wirtschaft ist bereit, auch für Kultur zu investieren und Sponsoring zu machen. Er machte deutlich, wenn z.B. dem Theater Weimar etwas passiert, dann wird sich Jenoptik aus dem Sponsoring von Kultur zurückziehen. Auch darüber sollten Sie mal nachdenken. Es würden dann nicht nur 10 Mio. € vielleicht für die Theater fehlen, es würde auch weiteres Geld fehlen für die Theater.

Und zum Abschluss, Herr Minister - er ist jetzt nicht da: Könnten Sie sich mal mit Ihrem Amtskollegen Minister Schliemann ins Einvernehmen bringen und sich mal berichten lassen, wie es ist - und das sind wieder meine Mühlhäuser Erfahrungen -, wenn die Bevölkerung einer Region auf die Straße geht und einer Landesregierung Druck macht, wenn Landeseinrichtungen in ihrer Region geschlossen werden sollen. Die Mühlhäuser haben gesiegt und ich hoffe, dass genug Menschen in Nordhausen, in Eisenach, in Rudolstadt, in Sondershausen auf die Straße gehen und gegen Ihre Politik Protest machen. Wir werden sie dabei unterstützen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Aber das brauchen wir wahrscheinlich nicht, denn an der Spitze der Bewegung wird ja die CDU stehen, wie uns heute gesagt wurde.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie jetzt die Nachfrage von Herrn Kretschmer?

Herr Kubitzki, da ich die Frage erst am Ende Ihrer Ausführungen stellen darf, will ich noch mal rekapitulieren: Sie haben die Kilianistiftung in Mühlhausen gelobt und Frau Fraktionsvorsitzende angegriffen.

Drei Fragen, wenn ich das darf: 1. Wann waren Sie das letzte Mal im Theater? 2. Wann waren Sie das letzte Mal in Nordhausen und Eisenach im Theater? 3. Würden Sie sich im Stadtrat von Mühlhausen dafür einsetzen - Kulturraumgesetz -, dass der Stadtrat in Mühlhausen beschließt, das Theater in Eisenach und Nordhausen auch finanziell zu unterstützen?