Protocol of the Session on September 29, 2006

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

dann kann ich auch nur sagen: Gute Nacht, aber nicht für zukünftige Regierungszeiten, meine Damen und Herren, sondern für die jetzige, die hier im Gange ist.

Im Sommer sind all diese Debatten aufgekommen, insofern muss ich schon sagen, ein Sommernachtstraum ist es tatsächlich nicht, was uns hier ins Haus steht, das ist aus meiner Sicht eindeutig ein Albtraum. Wenn die Pläne des Landes realisiert werden, gibt es - und das muss man einfach noch mal deutlich sagen - die Philharmonie Gotha-Suhl ab 2009 gar nicht mehr und die Bühnen Nordhausen, Rudolstadt und Eisenach in ihrer bisherigen Form auch nicht mehr. Dann will ich noch einmal sagen, der Umstand, dass der Zuschuss für die drei Bühnen ungeachtet ihrer unterschiedlichen Ausgangslagen auf die jeweilige Förderung von 1,5 Mio. € reduziert wird, was soll denn das heißen, meine Damen und Herren? Das lässt doch nur den Schluss zu, dass für die Landesregierung diese Bühnen gleichrangig entbehrlich sind, meine Damen und Herren. Alles andere ist Augenauswischerei, die da betrieben wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es geht hier auch nicht um eine Umstrukturierung, es geht hier nicht um eine Weiterentwicklung. Wir haben gestern eine insofern optimistische Musik deutlich und laut vor dem Haus gehört. Aber zu Ihrer Politik gehört eigentlich wirklich mehr die Trauermusik, wo etwas zu Grabe getragen wird, Herr Goebel. Den Vorwurf kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht ersparen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist klar, dass die Streichliste, die vorgelegt worden ist, einen Sturm der Entrüstung hervorruft. Es gibt die Empörung logischerweise in den bedrohten Theatern und Orchesterstandorten. Es finden Protestdemonstrationen statt, ich hatte darauf verwiesen. Unzählige Unterschriften wurden gestern der Landtagspräsidentin und auch dem Kultusminister überbracht. Jedoch, offensichtlich will die Landesregierung die Angelegenheit aussitzen. Ich möchte - auch wenn er jetzt nicht anwesend ist - wirklich den Ministerpräsidenten auffordern, an dieser Stelle die berechtigten Proteste der Thüringer Menschen gegen die

Zerstörung unserer Kulturlandschaft zur Kenntnis und ernst zu nehmen und nicht einfach dieses Aussitzen weiter zu tolerieren. Denn ich muss sagen, wenn sich ein Kultusminister so weit vorwagen kann mit derartigen Vorschlägen, dann kann das ja nur mit Billigung der ganzen Regierung und offensichtlich auch des Ministerpräsidenten geschehen und deshalb ist er der erste Adressat, um ihm zu sagen, so kann die Richtung nicht weitergehen. Halten Sie das auf, Herr Althaus, wenn Sie im Interesse des Landes hier sprechen möchten!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich will an dem Punkt auch noch einmal sagen: Ich hatte die verschiedenen Proteste genannt und könnte noch mehr hinzufügen. Wir haben eine Situation - und das ist das, was mich immer wieder nachdenklich macht im Hinblick auf die politische Gesamtsituation, auf das Ansehen unserer Demokratie - wie im vergangenen Herbst bei den Debatten zur Familiengesetzgebung, zur Kindertagesstättengesetzgebung, zu den Fragen, wo es im Land allgemein eine kritische Haltung gegeben hat. Sie haben sich damals darüber hinweggesetzt; die Mehrheit in diesem Haus hat sich auch darüber hinweggesetzt; die ersten Ergebnisse liegen uns in erschreckender Weise vor. Führen Sie diese Politik nicht fort bei der Frage des Umgangs mit der Finanzierung der Theater- und Orchesterlandschaft in diesem Land! Besinnen Sie sich einer anderen Vorgehensweise! Das sage ich an den Ministerpräsidenten und die Landesregierung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluss noch einmal ein Zitat in Form von Auszügen eines Briefs von einem Vater an den Sohn, der in den letzten Tagen von Thüringer Medien veröffentlicht wurde. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin - es heißt in diesem Brief: „Mein lieber Sohn, verzeih uns, deinen Eltern, dass wir dich der Willkür arroganter Kulturbanausen ausgesetzt haben, für die Kultur nur einen kommerziellen Nützlichkeitswert hat, die die Macht besitzen, Kultur zu vernichten, Theater und Orchester zu zerstören, statt sie zu erhalten. Verzeih, dass wir diese Partei, aus der diese Politiker kommen, gewählt haben. Verzeih, dass wir dich keinen anständigen Beruf erlernen ließen, nur Musiker. Du wirst arbeitslos werden und irgendwelche Arbeiten übernehmen müssen, die deine künstlerischen Fähigkeiten und Ideale verkümmern lassen. Verzeih uns, wenn wir dir am Ende nur sagen können, es war alles umsonst. Dein Vater.“

Herr Althaus, verehrte Mitglieder der Landesregierung, meine Damen und Herren der Mehrheitsfraktion, lassen wir es nicht zu, dass dieser Brief am Ende Wahrheit wird. Der Schaden für unser Land, wie an dem einen Beispiel gezeigt, wäre ein uner

messlicher. Wir brauchen den Reichtum unserer Kulturlandschaft als Markenzeichen dieses Landes und als Hoffnungszeichen für die Menschen in diesem Land. In diesem Sinne fordere ich Sie nochmals auf: Ändern Sie diese Vorhaben!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Döring, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Freunde des absurden Theaters hätten sicherlich ihr Vergnügen an dem Possenspiel, das eine Laienspielschar namens Landesregierung in diesen Monaten zur Zukunft

(Beifall bei der SPD)

der Thüringer Theater- und Orchesterlandschaft darbietet.

(Unruhe bei der CDU)

Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf für „Laienspielschar namens Landesregierung“.

(Beifall bei der CDU)

Ich nehme das zur Kenntnis.

Da gibt es zunächst einen tragischen Helden. Wir wollen

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

ihn einmal Kultusminister nennen, dessen ganzes theaterpolitisches Zukunftskonzept aus großen Worten und einem kleinen Zettel mit der Überschrift „Modellrechnung“ besteht. Mit beiden meint er unmissverständlich und für jedermann überzeugend darlegen zu können, dass, warum und wo künftig 10 Mio. € bei der Theater- und Orchesterfinanzierung eingespart werden müssen. Trotz aller Mühen gelingt ihm seine Überzeugungsarbeit nicht wirklich. Er verheddert sich in Widersprüche, ist einmal von Fusionitis geplagt, gründet ein anderes Mal imaginäre Holdings, um tags darauf alles wieder zurückzunehmen, und winkt am Ende nur noch trotzig mit seinem Modellrechnungszettelchen. Dann gibt es noch einige Mit- oder Gegenspieler, so genau weiß

man das zunächst nicht, die immer wieder kräftig „20 Mio. müssen eingespart werden, und das mindestens“ in das Zuschauerrund rufen. Anschließend steigern sie die Verwirrung noch dadurch, dass sie dem Kultusminister heftig widersprechen, als der händeringend darlegt, seine Mittelstreichungen dienen ja zumindest einer Art guten Zweck, nämlich der Aufbesserung des Kulturetats an anderer Stelle. Gleichzeitig raunt es aus dem Souffleurkasten: Die Theater und Orchester seien doch irgendwie selbst schuld an der ganzen Misere, denn schließlich spielten sie immer so neumodisches Zeugs, mit dem niemand etwas anzufangen wisse.

(Heiterkeit bei der SPD)

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Mitten in diesem heillosen Durcheinander tritt auf, gleichsam als deus ex machina, der Ministerpräsident. Beschwichtigend stellt er fest, dass alles gar nicht so schlimm sei, denn auch im größten Chaos seiner Regierung herrsche immer noch erkennbare Ordnung. Daher habe jeder der Akteure irgendwie Recht, der Kultusminister damit, dass bei den Theatern und Orchestern 10 Mio. € zu streichen seien, und die anderen damit, dass dieses Geld bedauerlicherweise einfach futsch sei. Da fällt zum Glück schon der Vorhang, das erspart dem konsternierten Zuschauer weitere Peinlichkeiten, lässt zugleich aber alle Fragen offen.

Meine Damen und Herren, man könnte über diese Farce lachen, wenn sie nicht in Thüringen traurige Realität wäre und wenn es darin nicht um den Erhalt unserer traditionsreichen Theater- und Orchesterlandschaft ginge. Noch im Juli vergangenen Jahres hat der Kultusminister öffentlich ein Papier vorgestellt, das den ambitionierten Titel „Kulturkonzept des Freistaats Thüringen“ trägt. Dort finden sich die Sätze, die wurden schon zitiert: „Thüringen ist ein Kulturland, das ist unser Kapital.“ Offenbar ist diese völlig nichtige Prämisse im Kultusministerium bereits wieder in Vergessenheit geraten, denn anders lassen sich die geplanten, ebenso massiven wie kulturvernichtenden Einschnitte in die Theater- und Orchesterfinanzierung nicht erklären. Ohne dass dies irgendwo auch nur annähernd erläutert oder begründet wäre, stellt Minister Goebels Modellrechnung lapidar fest, dass der Landeszuschuss für das Theater Nordhausen/Sondershausen ab 2009 um fast 70 Prozent zu reduzieren sei, beim Theater Eisenach beträgt das Minus mehr als 64 Prozent und beim Theater Rudolstadt-Saalfeld sollen es fast 52 Prozent weniger sein und für die Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl ist sogar eine völlige Streichung der Landesmittel vorgesehen. Darüber hinaus gibt es in den Rubriken DNT Weimar und Theater Erfurt eine zusammenfassende Klammer, in der für beide Stand

orte eine gemeinsame Fördersumme erscheint. Warum das alles so kommen soll, ist vom Kultusministerium bis heute nicht erklärt worden. Herr Minister hat bis heute nicht in Erfahrung bringen können, warum es die eben genannten unterschiedlichen prozentualen Mittelkürzungen gibt. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum Theater- und Orchesterstandorte, die über völlig verschiedene Traditionsstrukturen, Ensemblegrößen, Einspielergebnisse verfügen, wie das in Eisenach, Nordhausen, Sondershausen, Rudolstadt, Saalfeld nun einmal der Fall ist, ab 2009 allesamt mit der jeweils gleichen Summe, nämlich 1,5 Mio. €, vom Land zu fördern sind.

Mit keinem einzigen Wort ist bislang dargelegt worden, warum der Gothaer Philharmonie der Todesstoß versetzt werden soll. Genauso stochert man im Nebel, wenn man herauszufinden versucht, welche konkrete Strukturentscheidung sich hinter der ominösen Klammer zwischen den Theatern Weimar und Erfurt verbirgt. Wer sich die Mühe macht, vom Kultusminister Goebel zu all diesen offenen Fragen befriedigende Antworten zu erlangen - das ist in den vergangenen Monaten in vielen öffentlichen und nicht öffentlichen Gesprächs- und Diskussionsrunden versucht worden -, der erntet Lippenbekenntnisse, Widersprüche, Dementis, Luftblasen, ministerielles Stirnrunzeln oder beredtes Schweigen. Über die Motivation des Kultusministeriums in der Theater- und Orchesterfrage, über dessen konkrete Zielsetzung bei den derzeitigen Verhandlungen mit den Trägern oder gar über eine kulturpolitische Begründung des Kürzungsvorhabens im Ganzen und der jeweils geplanten Mittelstreichungen im Einzelnen erfährt man jedoch nichts.

Meine Damen und Herren, diese befremdliche Tatsache lässt sich aus meiner Sicht leicht erklären. Das hartnäckige Um-den-heißen-Brei-Herumreden des Kultusministers hängt einfach damit zusammen, dass er über keinerlei kulturpolitisch begründetes Konzept zum Umgang mit der Theater- und Orchesterproblematik nach dem Auslaufen der derzeit gültigen Finanzierungsverträge verfügt. Sie, Herr Minister Goebel, können Ihre substanzzerstörende Streichorgie überhaupt nicht kulturpolitisch begründen und das wissen Sie genau. Ihnen geht es offenbar lediglich darum, um jeden Preis ein bereits im Vorhinein definiertes Gesamteinsparziel von 10 Mio. € zu erreichen. Entsprechend wird dann auf Ihrem Modellrechnungszettelchen so lange mit den Zahlen jongliert, bis die gewünschte Endsumme erreicht ist. Dass durch derart wirklichkeitsfremde Rechenspielchen den Standorten Eisenach, Nordhausen, Sondershausen und Saalfeld-Rudolstadt sowie GothaSuhl die materielle Existenzgrundlage entzogen wird, scheint das Kultusministerium nicht weiter zu stören.

Geradezu entlarvend, meine Damen und Herren, erscheinen mir in diesem Zusammenhang die Antworten, die Kultusminister Goebel auf die Kleine Anfrage der Kollegin Dr. Klaubert gegeben hat. Unter Punkt 8 der Kleinen Anfrage hatte Frau Dr. Klaubert beispielsweise nach der Zukunft der Gothaer Philharmonie gefragt. Minister Goebels Antwort lautete darauf wie folgt: „Angesichts der erforderlichen Einsparung von ca. 10 Mio. € wird es für die Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl ab 2009 keine Landesförderung mehr geben können.“ Ganz deutlich wird hier also gesagt, dass sich dem vorab definierten Einsparungsziel alles andere unterzuordnen habe. Warum dieses Einsparungsziel kulturpolitisch erforderlich ist und warum es für Gotha aus kulturpolitischer Perspektive keine Landesförderung mehr geben kann, darüber verliert der Minister bezeichnenderweise kein einziges Wort. Gleichzeitig frage ich mich, was sich hinter einer derart lapidaren Antwort verbirgt. Ist es Kaltschnäuzigkeit oder Zynismus? Berührt es Sie überhaupt, Herr Minister, wenn Sie der Gothaer Philharmonie auf diese Art den Todesstoß versetzen?

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zu einem anderen Aspekt des Regierungsvorhabens kommen. Neben der kulturpolitischen Notwendigkeit der Mittelkürzungen vermag ich auch deren finanzpolitische Rationalität nicht erkennen. Die 10 Mio. €, die das Kultusministerium bei den Theatern und Orchestern einsparen will, machen - das wissen Sie, Herr Minister - gerade einmal 0,11 Prozent des Landeshaushalts aus. Das reale Einsparvolumen bewegt sich also im Promillebereich, während der Schaden, der durch den geplanten Kahlschlag dem Kulturland Thüringen zugefügt wird, immens ist. Es stehen nicht weniger als drei Theater und ein Orchesterstandort auf dem Spiel. Ihr vorprogrammiertes Ende würde zur kulturellen Entwertung ganzer Regionen führen. Ich denke hier vor allem an den Norden unseres Freistaats. Lassen sich Aufwand und Nutzen angesichts dieser Tatsache wirklich in eine schlüssige Relation bringen? Ich sage Nein. Eine deutliche Antwort auf diese Frage hat einmal, wenn auch in anderen Zusammenhängen, der Bundestagspräsident Norbert Lammert gegeben. Seine Sätze sind bereits im offenen Brief des Thüringer Orchesters zitiert worden und ich gebe sie hier gerne erneut wieder: „Zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte sind Kulturetats völlig ungeeignet. Dafür ist ihr Anteil an den Gesamtausgaben zu gering und ihre Bedeutung zu hoch.“ Dem, meine Damen und Herren, lässt sich weder aus kultur- noch aus finanzpolitischer Perspektive etwas hinzufügen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, nüchtern ist zu hinterfragen, ob sich mit der geplanten Einsparung denn tatsächlich auf absehbare Zeit Erleichterungen für

den Landeshaushalt ergeben. Wenn wir der Argumentation der Staatskanzlei folgen - ich zitiere hier den Staatskanzleisprecher Wilfried Rudolph in der OVZ: „Die 10 Mio. € braucht man als Finanzpolster für die Abfindungen.“ -, dann wird deutlich, dass wir auch in nächster Zeit überhaupt nicht sparen werden. Nun ist die Frage zu stellen, über wie viele Haushaltsjahre sich eine derartige Mittelbindung erstrecken wird. Das hat die Staatskanzlei dabei wohlweislich nicht gesagt. Viele der Anwesenden haben sicherlich noch im Hinterkopf, wie lange sich seinerzeit die haushaltstechnische Bewältigung der bei der Fusion der Orchester Gotha und Suhl gezahlten Abfindungen hingezogen hat. Sie können daran leicht ermessen, meine Damen und Herren, was auf den Landeshaushalt zukommen wird, wenn dank der Kürzungspläne ab 2009 mehr als 300 Stellen bei den Theatern und Orchestern abgebaut werden müssen. Diesen „Stellenüberhang“ hat zumindest der Deutsche Bühnenverein für den Fall einer Realisierung Ihrer Pläne, Herr Minister, errechnet - für mich sind diese Zahlen seriös.

Meine Damen und Herren, es gibt also weder eine kulturpolitische Begründung für die beabsichtigte drastische Mittelkürzung noch macht sie finanzpolitisch wirklich Sinn. Das haben nicht zuletzt die Thüringer Bürgerinnen und Bürger inzwischen erkannt. Gestern hat ja die Landtagspräsidentin fast 80.000 Protestunterschriften gegen den geplanten Kahlschlag entgegengenommen. In Gotha haben vor rund zwei Wochen 17.000 Menschen für den Erhalt ihres Orchesters demonstriert. Aus der Region Saalfeld-Rudolstadt liegen mehr als 100 Unterschriften von Unternehmen vor, die in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten vehement das Fortbestehen des Landestheaters Rudolstadt samt Schauspielensemble und Orchester einfordern. Und in Weimar hat es sich vor wenigen Tagen selbst Staatssekretär Illert nicht nehmen lassen, die vom Kultusminister angedachte Fusion mit dem Erfurter Theater als betriebswirtschaftlichen und künstlerischen Unsinn zu kritisieren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, um es mit einer TLZSchlagzeile auf den Punkt zu bringen: Die Bürger solidarisieren sich, und zwar über den jeweils betroffenen Theater- und Orchesterstandort hinaus und auch über Parteigrenzen hinweg. Sie haben, Herr Minister Goebel, mit Ihrem mehr als unglücklichen Vorgehen in der Theater- und Orchesterfrage eine Protestlawine losgetreten, wie es sie in der Kulturpolitik dieses Landes noch nicht gegeben hat.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Das sieht aber Dr. Schuchardt anders.)

Das hat nichts mit rasch wieder abebbenden Emotionen zu tun, wie Sie das gerne beschwichtigend behaupten. Den Bürgerinnen und Bürgern geht es um etwas ganz Grundsätzliches. Sie lassen sich nicht von der Landesregierung einfach die Kultur wegnehmen. Wenn Sie also gerne von dieser Protestlawine überrollt und verschüttet werden wollen, dann machen Sie ruhig weiter, Herr Minister!

Meine Damen und Herren, meiner Fraktion ist klar, dass wir es mit Kritik am Regierungsgebahren allein nicht bewenden lassen können. Anders als das Kultusministerium wollen wir den Thüringer Theatern und Orchestern eine langfristige Perspektive bieten. Dazu ist aus unserer Sicht vor allem ein generelles Umsteuern bei der Kulturfinanzierung notwendig. Thüringen ist nun einmal ein traditionelles Kulturland. Der Freistaat definiert sich ganz wesentlich über Kultur und wird von außen auch so wahrgenommen. Beispielsweise macht die Mehrzahl der Touristen, die Thüringen besuchen, Eintages- oder Kurzreisen, bei denen vor allem kulturelle Stätten besucht werden. Das heißt, mit diesem Pfund Kulturland Thüringen muss endlich gewuchert werden. Es darf in den nächsten Jahren keine Kürzungen von Landesmitteln im Kulturbereich geben. Gleichzeitig muss das touristische Potenzial der Thüringer Kultur weit besser als bisher erschlossen werden. Das reiche kulturelle Erbe des Freistaats darf nicht länger als Last, sondern muss endlich als Standortfaktor, als Alleinstellungsmerkmal von Thüringen begriffen werden.

Meine Damen und Herren, ganz ähnlich hat das ja auch das Kultusministerium in dem von mir eingangs zitierten Kultuspapier ausgedrückt. Trotzdem werden aus diesem Befund seitens der Landesregierung noch immer nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen und diese können nur lauten: keine Mittelstreichungen bei der Kultur, kein Absägen des Astes, auf dem wir alle sitzen.

Meine Damen und Herren, dabei ist meiner Fraktion natürlich auch bewusst, dass die Landesmittel im Kulturbereich angesichts der allgemeinen Haushaltssituation nicht beliebig zu erhöhen sind. Unser Ziel ist deshalb, das bisherige Niveau der Landesförderung insbesondere bei Theatern und Orchestern auch für die nächsten Jahre festzuschreiben. Klar ist aber auch, dass ein derartiges Fördermoratorium dem realen Finanzbedarf der Theater und Orchester nicht auf Dauer gerecht werden kann. Für die Träger unvermeidlich sind insbesondere Sachkostensteigerung durch Inflation und Personalkostensteigerung durch tarifvertragliche Anpassung. Es muss unbedingt zusätzlich Geld akquiriert werden.

Woher sollen diese Mittel kommen? Zu einem geringen Teil sicherlich aus verbesserten Einspielergebnissen und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung.

Ich denke, bei beiden Punkten lässt sich noch einiges machen. Der weit größere Teil muss aber nach unserer Auffassung aus dem nutznießenden Umland der Kulturstandorte kommen. Dabei orientieren wir uns am Nachbarland Sachsen mit seinem nunmehr 12 Jahre sehr gut funktionierenden Kulturrahmengesetz. Durch dieses Gesetz ist in Sachsen zum einen die Finanzierungspflicht für kommunale Kultureinrichtungen durch das nutznießende Umland festgeschrieben worden, zum anderen ist im sächsischen Kulturrahmengesetz aber auch eine korrespondierende Finanzierungspflicht durch das Land formuliert. Das geht hin bis zum gesetzlichen Festschreiben einer konkreten Gesamthöhe der kulturellen Landesförderung.

Meine Damen und Herren, mit einem solchen Kulturrahmengesetz könnte man auch hier in Thüringen zwei wichtige Zielsetzungen realisieren, einerseits eine Verteilung der finanziellen Lasten, die die kommunalen Kulturträger zu stemmen haben, auf weitere Schultern, andererseits wäre damit auch endlich sichergestellt, dass sich das Land nicht immer wieder aus seiner finanziellen Verantwortung für das reiche kulturelle Erbe des Freistaats davonstehlen kann. Beides käme nicht allein den Theatern und Orchestern zugute, sondern auch anderen seit Jahren sträflich unterfinanzierten Kultureinrichtungen wie beispielsweise Museen, Bibliotheken oder Musik- und Kunstschulen.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion fordert daher die Landesregierung auf, diesem Hause umgehend einen Entwurf für ein Thüringer Kulturrahmengesetz vorzulegen. Wenn das Kultusministerium zügig arbeitet, dann kann das bis Jahresende machbar sein.

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Was war das?)