Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Debatte um die künftige Finanzlage des Landes Thüringen und seiner Kommunen gewinnt an einer gewissen Dynamik. Die Stichworte hat Herr Pidde benannt: Demographieberichte, Seitz-Gutachten, das Papier der CDU-Finanzpolitiker „Thüringen 2020“, Statements des Rechnungshofs und des Bundes der Steuerzahler - die Liste ließe sich gewiss fortsetzen. Trotz unterschiedlicher politischer Bewertung, wie man möglicherweise mit einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen umgehen soll, müssten sich eigentlich alle im Hause einig sein, dass mit Blick auf das Jahr 2020 Thüringen in eine schwierige Haushaltslage zu geraten droht, wenn man nicht der Meinung ist, dass Thüringen jetzt schon in einer außerordentlich schwierigen Haushaltslage ist. Dann kann eigentlich, werte Kollegen, der Streit um die Maßnahmen beginnen.
Da hat mich schon gewundert, Frau Ministerin, wie ablehnend Sie in relativ kurzer Zeit das Seitz-Gutachten bewertet haben. Es wurde von Kollegen der CDU-Fraktion ausschließlich als Auftragsgutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung bewertet, als was es mir nicht erscheint. Nein, ich glaube, in dem Maßnahmebündel, welches Prof. Seitz vorschlägt, sind eine ganze Menge von Anregungen, die wir diskutieren sollten, und es sind natürlich auch eine ganze Menge Maßnahmen vorgeschlagen, die im politischen Streit zwischen den Fraktionen und den Parteien ausgehandelt werden müssen. Ich will ein Beispiel nennen, dem ich eher zustimmen kann - das betrifft den Verwaltungsbereich. Ich bin der Meinung, dass in der Thüringer Kernverwaltung tatsächlich gespart werden kann, und, Frau Lehmann, meine Fraktion hat dies auch in den letzten Haushaltsberatungen immer versucht auch an Beispielen nachzuweisen. Ich bin nicht der Meinung, dass wir im Bildungsbereich, so wie das Gutachten vorschlägt, sparen sollten und sparen können, weil meine Fraktion der Auffassung ist, dass es sich hier um einen originären Zukunftsbereich handelt.
Insofern, je nachdem, ob man das Glas als halb voll oder halb leer betrachtet, ich will an Ihr Papier er
innern, dort sind entsprechende Äußerungen zum Bildungsbereich getan worden. Das heißt, man hat aufgrund des Schülerrückgangs prognostizierte Einsparungen im Bildungsbereich, wo Seitz vorschlägt, letztlich all diese Mittel zur Konsolidierung des Haushalts einzusetzen. Die CDU-Fraktion sagt, die Hälfte möchten wir gern wieder im Bereich Bildung haben. Es ist nahe liegend, dass meine Fraktion sagt, dort müssen alle potenziellen Einsparungen für ein zukunftsfähiges und modernes Bildungssystem eingesetzt werden. Aber genau so ist die Lage. Wir müssen, glaube ich, die Vorschläge und die Gutachten, die jetzt im Raum stehen, miteinander debattieren und bessere Wege finden.
Aber, werte Kollegen, ein zentraler Punkt, an dem scheiden sich die Geister und ich bedauere das, weil ich annehme, das wird bis zum Ende dieser Legislatur so bleiben. Das wurde gestern auch wieder beim Gemeinde- und Städtebund sehr deutlich. Ihr zentrales Versagen in dieser Landesregierung ist, dass Sie sich bei dem Thema „Umfassende Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform“ nach wie vor keinen Zentimeter bewegen. Ich bin davon überzeugt, Herr Fiedler,
dass nur das Sinn macht, nicht nur, weil ich glaube, dass es die Chance gibt, die Menschen mitzunehmen. Sie signalisieren uns das ja täglich, dass Sie bereit sind, dass Sie darauf warten, dass Sie auf Orientierung warten. Ich bin auch davon überzeugt, dass am Ende dieser Legislatur Thüringen als einziges Land dastehen wird, was diesbezüglich seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, das einzige Land in Ostdeutschland, das seine Aufgaben bezüglich einer Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform nicht gemacht hat.
Meine Damen und Herren, ein zweiter Punkt: Ich glaube, die Konsolidierung des Thüringer Landeshaushalts muss flankiert werden oder kann nur gelingen, wenn die Einnahmediskussion in Deutschland wieder anders geführt wird.
sonst wird es nicht gelingen, weil, allein was Sie tun, nur auf wirtschaftlichen Aufschwung setzen, das Rezept der letzten Jahre ist und das funktioniert nicht. Sie haben immer Ihre Steuermehreinnahmenprognosen an den wirtschaftlichen Aufschwung gekoppelt. Wenn der nicht kam, hatten Sie Hunderte Millionen
Euro Ausfälle in den Haushalten und mussten dann kürzen. Wo haben Sie gekürzt? Im Sozial-, Bildungs-, Kulturbereich, also in Bereichen, die für dieses Land enorm wichtig sind, und das ist der falsche Weg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber hinaus brauchen wir den Blick auf die Kooperation der mittelostdeutschen Länder, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Auch an dieser Einsicht werden Sie nicht vorbeikommen, umso eher, umso besser.
Werte Kollegen, wie angekündigt, darf ich Ihnen noch ankündigen, dass wir die Große Anfrage zum Kassensturz heute einreichen werden. Auch hier geht es darum, mehr Sicherheit, mehr Prognosesicherheit bezüglich der finanziellen Entwicklung der nächsten Jahre in Thüringen zu haben. Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, es wurde schon viel von der Seitz-Studie gesagt und Dr. Pidde hat das ja auch in seiner Rede schon dargestellt, dass Thüringen finanzpolitisch die „rote Laterne“ in den neuen Bundesländern besitzt. Begründet hat das Seitz unter anderem mit den fehlenden Konzepten für einen vernünftigen Konsolidierungskurs.
Ich habe mir mal die Mühe gemacht, nach Konzepten zu suchen, auf deren Basis Personal- und Behördenstrukturentscheidungen der letzten Jahre erfolgt sind, und musste mit Erschrecken feststellen, dass dem Landtag diesbezüglich keine Konzepte, die den Namen auch ausdrücklich wirklich verdienen, vorliegen. Dass andere Bundesländer an dieser Stelle viel verantwortlicher agieren, zeigt allein ein Vergleich der Stellenkonzepte. Ich kann Ihnen das mal zeigen, das ist das Personalkonzept von Mecklenburg-Vorpommern, das ist das Personalkonzept der Sächsischen Landesregierung und das ist das Personalkonzept der Thüringer Landesregierung.
Ich glaube, allein diese visuelle Aussage sagt alles. Die Proteste gegen die sogenannte Familienoffensive, gegen die Streichung bei Orchestern/Theatern, gegen die geplante Kommunalisierung der Horte zeigen, dass die Regierung es versäumt hat bzw. dass es ihr nicht gelungen ist, die Menschen für ihre Ideen zu begeistern und die Menschen mitzunehmen. Das beste Beispiel: Ich war gestern beim Gemeinde- und
Städtebund. Herr Ministerpräsident, hier sind die Versäumnisse ganz deutlich geworden. Ein ausbleibender Beifall, nicht einmal aus den eigenen Reihen, spricht, glaube ich, seine eigene Sprache.
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist doch einfach unverfroren, Sie waren doch dabei, es war doch...)
Nein. Ich war dabei und ich weiß genau, was dort gesagt wurde. Ja, ja. Ich lasse mich da nicht ablenken.
Es müssen eben neben einer ehrlichen Bestandsaufnahme und einer langfristigen Projektion der Entwicklung unter realistischen Annahmen endlich durchdachte, in sich schlüssige Konzepte auf den Tisch. Frau Diezel hat das in ihrer letzten Haushaltsrede unter dem Motto: „Wir müssen Thüringen neu denken“ sehr deutlich gesagt. Dem müssen aber eigentlich auch Taten folgen. Es fehlt der Regierung und der sie tragenden Fraktion der Mut, wirklich Thüringen neu zu denken. Vielleicht wäre der Mut sogar da, bei einigen aus Ihren Reihen klingt das ja manchmal durch. Aber niemand hatte bisher den Mut, auch dem Ministerpräsidenten das verhängte Denkverbot in Sachen Gebietsreform wirklich ernsthaft infrage zu stellen. Diese verbohrte und altbackene Meinung des Thüringer Ministerpräsidenten versteht in diesem Land kein Mensch mehr. Das haben wir gestern Abend ganz deutlich gemerkt, das ist einfach so, da können Sie noch so wettern, Herr Fiedler.
Auch der Vergleich zu den finanzstarken Ländern, der gestern ganz deutlich gemacht wurde zu Bayern und Hessen, ich glaube, der hinkt sehr mit den kleinen Strukturen. Die haben eine ganz andere Finanzkraft und die können sich das vielleicht noch leisten,
ich glaube, wir in Thüringen nicht mehr. Die Wirtschaft hat eine kommunale Gebietsreform gefordert, die Wissenschaftler Seitz, Sedlacek, Ragnitz, alle reden davon, der Rechnungshof redet davon, die Oppositionsparteien reden beide davon und sie fordern dies, Teile unserer haupt- und ehrenamtlichen Kommunalpolitiker aller politischen Couleur, die hoffen auf diese
Aussage der Landesregierung und sie warten darauf. Das hat sich gestern ganz deutlich gezeigt. Auch der Gemeinde- und Städtebund fordert dies inzwischen offen, um notwendige Schritte für solche Reformen in die Wege zu leiten.
Sie, meine Damen und Herren der Landesregierung, basteln mit Behördenstrukturen herum - ich habe das selbst erlebt, Landwirtschaftsamt hin, Landwirtschaftsamt her, in alte Gebäude, neue sind schon hergerichtet -, wo die Festlegung der langfristig tragfähigen kommunalen Gebietsstrukturen doch eigentlich die Voraussetzung für eine solche nachhaltige Straffung der Behördenstrukturen ist. Das ist eigentlich die Voraussetzung dafür. Ohne noch einmal näher auf die Seitz-Studie eingehen zu wollen bin ich jedoch froh, dass sie ihr Ziel erreicht hat, nämlich die Debatte zur Zukunftsfähigkeit von Thüringen intensiv zu führen. Die SPD-Fraktion …
Ja. Die SPD-Fraktion steht und stand an dieser Stelle immer für eine konstruktive Debatte zur Verfügung. Die meisten Vorschläge wurden jedoch von der regierungstragenden Fraktion abgelehnt. Es darf nicht in erster Linie um kurzsichtiges Sparen gehen, sondern Visionen und Konzepte für die Zukunft sind gefragt und diese Visionskraft ist zurzeit nicht zu erkennen. Es fehlt dieser Landesregierung an guten und konsequenten Vordenkern. Ich appelliere hier an den gesunden Menschenverstand, dies zu ändern.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ja, der Freistaat Thüringen hat Schulden. Thüringen hat 15 Mrd. € Schulden ge
macht. Es sind Schulden des Aufbaus nach der Wende, des Aufholens gegenüber den Westländern, es sind Schulden der Bestandswahrung in Zeiten großer Steuerausfälle. Es sind Schulden, die trotz aller Konsolidierungsbemühungen aufgenommen werden mussten.
Wir haben zu Beginn versucht, bestehende Betriebe, die notleidend geworden sind, zu stützen. Die größte Betriebsdichte Deutschlands, das zurzeit drittgrößte Wirtschaftswachstum in Deutschland sind die Folge dieser Politik, aber das hat auch Geld gekostet.
Thüringen hat im Gegensatz zu Sachsen keine Lehrer entlassen. Folge: deutschlandweit das beste Lehrer-Schüler-Verhältnis. Schulland Thüringen heißt das. Wir haben keine Polizisten entlassen wie andere Länder. Wir sind heute eines der sichersten Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland.