Mittlerweile gelten wir als eine Art Steuerparadies. Auch das entspricht den Tatsachen. Der Gewinnsteuerausfall in den Jahren 2001 bis 2003 beträgt fast 80 Mio. € aus den verschiedenen Summen.
Aber, meine Damen und Herren, ich möchte ob der fiskalischen Probleme auch noch auf andere Zusammenhänge an dieser Stelle aufmerksam machen. Nach Berechnungen der Betriebskrankenkassen (BKK) sank der Krankenstand in unserem Land zum Frühjahr 2005 auf einen extremen Tiefststand und war nur noch halb so hoch wie zu seinem Höchststand in der ersten Hälfte des Jahres 1990. Aus Angst - das ist nicht unsere Einschätzung -, den Arbeitsplatz zu verlieren, schleppen sich Kranke an die Arbeit und treiben so Raubbau mit ihrer Gesundheit. Neben den individuellen Wirkungen sind auch die volkswirtschaftlichen Schäden einer solchen Entwicklung aus unserer Sicht beträchtlich. Was diese Bundesrepublik auch aus diesem Grunde braucht, ist das Zusammengehen zwischen einer veränderten Steuerpolitik und einer anderen Finanzierungspolitik für die sozialen Sicherungssysteme. Dieser Entwicklung wird aber mit der jetzigen Reform, ich muss das noch einmal deutlich sagen, gerade eine entschiedene Abfuhr erteilt.
Aber sehen wir uns vielleicht etwas näher und ehrlicher an, warum denn das so ist. Es geht, meine Damen und Herren, um einen Markt, um einen Ver
sicherungsmarkt von mindestens 60 Mrd. €. Der Verband der privaten Krankenversicherung hat erst kürzlich auf seiner Veranstaltung in Dortmund der gesetzlichen Krankenversicherung klargemacht, wo es Sparpotenziale gibt. Sie liegen in der weiteren Leistungsausgrenzung. Hier sieht sie bei der GKV eine Gesamtentlastung von mehr als 46 Mrd. € und damit eine Beitragssenkung von durchschnittlich 14,1 auf 10 Prozentpunkte. Dieses Sparvolumen, das ist doch nun völlig offensichtlich, meine Damen und Herren, würde die private Krankenversicherung gern über die Eigenverantwortung als Kapitaldeckung sehen. Das, sage ich Ihnen, ist Ihre Politik, die auch gegenwärtig die große Koalition verfolgt. Deshalb, meine Damen und Herren, seit mehr als 20 Jahren, ich hatte das angedeutet, gibt es in der Bundesrepublik Deutschland Kostendämpfungssätze im Gesundheitswesen und die jetzt angestrebte Reform hat zum Ziel, dies sozusagen in die Richtung zu entwickeln, das sozialstaatliche System auszuhöhlen und abzubauen entgegen dem Artikel 20 unseres Grundgesetzes. Um nicht mehr, um nicht weniger geht es hier.
Die Fakten der jetzt angestrebten Reform entsprechen genau dieser Linie, meine Damen und Herren. Wie sehen die denn aus? Die paritätische und solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens wird de facto abgeschafft damit. Arbeitnehmer zahlen zukünftig mehr als Arbeitgeber an Beiträgen, die einen 8, die anderen zukünftig 6 Prozent. Die letztlichen Profiteure von anderer Leute Arbeit sollen auch zukünftig nicht in die Finanzierung einbezogen werden. Keine Rede mehr, meine Damen und Herren, vom Heranziehen von Mieteinnahmen oder Dividende - alles ad absurdum geführt. Die geplante Abgeltungssteuer auf Kapitalbeiträge wird im allgemeinen Haushalt verschwinden. Diese und weitere Fakten verdeutlichen, auch zukünftig, meine Damen und Herren - das ist das Konzept dieser Reform -, würde nur die Bruttolohnsumme, die im Übrigen im Sinken begriffen ist, zur Finanzierung des Gesundheitswesens herangezogen wird. Angesichts der aktuellen Probleme ein Skandal, behaupte ich an der Stelle.
Ich will hier aus Zeitgründen nicht auf weitere Fragen die Steuerpolitik betreffend eingehen. Ich hatte ja schon erwähnt, die Körperschaftssteuer soll erneut gesenkt werden. Die Wirkungen dürften klar sein. Herr Gumprecht hatte ja zum Modell des Gesundheitsfonds gesprochen. Darauf will ich auch gerne eingehen und mit aller Deutlichkeit sagen, das ist ein Fonds für soziale Ungerechtigkeit und die Einführung der Kopfpauschale durch die Hintertür, meine Damen und Herren. Warum ist denn das so? Das ist doch eigentlich offensichtlich, alle - das wurde ja schon erwähnt - Krankenkassenbeträge und der
vereinbarte Steuerzuschuss werden in den Fonds eingezahlt und dann in einen einheitlichen Beitrag - gegenwärtig ist von 170 € pro Patient die Rede - an die Kassen weitergegeben. Mal davon abgesehen, dass ich nun an Zurückzahlungen schon gar wenig glauben kann, aber die AOK Thüringen hat gegenwärtig Kosten von 235 € pro Versicherten. Wie ist es mit den 75 € Differenz, die da stehen? Nein, nein, ich denke, so wird eine Unterfinanzierung quasi vorprogrammiert, die dann über so genannte Sonderbeiträge der Versicherten ausgeglichen werden sollen. Ich denke allerdings, diese Art und Weise ist das, was unsere Landesregierung auch verfolgt, so habe ich Herrn Ministerpräsidenten in seinen Äußerungen der letzten Tage dazu jedenfalls verstehen müssen.
Aber was heißt denn das nun im Klartext? Die Kasse, die mit ihrem zugewiesenen Beitrag nicht auskommt - und warum, zum Beispiel, weil sie überdurchschnittlich ältere Menschen in ihrer Mitgliedschaft hat, weil sie chronisch Kranke verstärkt aufzuweisen hat, weil sie viele gering verdienende Menschen in ihrer Kasse als Mitglieder zählt -, wird von diesem System eindeutig benachteiligt. Die Möglichkeiten, die sie hat, sind, sie kann über festzusetzende Beiträge ihre Mitglieder zur Kasse bitten, was dann vor allem wieder die Geringverdienenden betrifft, meine Damen und Herren, oder sie kann einen prozentualen lohnabhängigen Beitrag von bis zu 1 Prozent im Rahmen der Bemessungsgrenze einführen. Das würde dann wiederum bedeuten, der Kreislauf schließt sich, dass vor allem junge und gesunde Mitglieder zu privaten Kassen wechseln würden und die Situation der GKV und damit deren Mitglieder sich wiederum verschlechtert. Deshalb, meine Damen und Herren, sagen wir, diese Reform ist sozial ungerecht und deshalb löst sie im Übrigen auch die ökonomischen und finanziellen Probleme nicht.
Im Übrigen will ich hier noch einmal anführen, die privaten Versicherungen konnten sich bei diesem Kompromiss offensichtlich weitgehend durchsetzen. Sie werden aus dem sozialen Ausgleich ausgenommen und sie können sich weiterhin und sogar noch im verstärkten Maße diejenigen Mitglieder aussuchen, die die „geringsten Risiken“ aufweisen, ich sagte es schon, die Jungen, die noch Gesunden und die Besserverdienenden.
Deshalb, meine Damen und Herren, sagen wir, diese Art der Reform taugt in keiner Weise, nicht für die Interessen der ganz großen Mehrzahl der Versicherten, der Kranken in diesem Lande, sie taugt nicht zur Lösung der fiskalischen Probleme der Krankenversicherungen und deshalb bleiben wir bei unserer Forderung nach einer Bürgerversicherung, die alle gemäß ihres Einkommens in die Verantwortung, und zwar in eine solidarische Verantwortung für unser
Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Präsidentin, es ist klar, der Antrag richtet sich gegen den in Berlin gefundenen Kompromiss. Es geht den Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei.PDS nicht wirklich darum, in diesem Landtag etwas für bessere Gesundheitspolitik zu bewegen, jedenfalls nicht mit diesem Antrag. Hier geht es um Stimmungsmache und das war deutlich zu vernehmen.
Gerade weil das so ist und weil sich die wesentlichen Teile dieses Antrags in der Zuständigkeit der Bundesregierung befinden, erlaube ich mir ein paar grundsätzliche Bemerkungen.
Erste Bemerkung: Herr Hausold, ich kann mich noch gut erinnern, nach der Bundestagswahl haben die Kollegen der Bundestagsfraktion der Linkspartei.PDS gesagt, sie möchten nicht regieren. Sie möchten mit uns nicht regieren, aber natürlich. Ich bitte Sie.
(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Na klar haben Sie das gesagt.)
Wir haben doch alle nach Koalitionen gesucht und Sie haben gesagt, Ihre Kollegen haben gesagt, wir koalieren nicht mit der SPD.
Ja gut, die Konsequenz daraus ist allerdings, das wissen Sie alle, auf der Suche nach verschiedenen anderen Koalitionen gab es die Koalition auf Bundesebene zwischen der CDU und der SPD. Die beiden mussten sich nun auch in dieser Thematik ei
Nein, Sie sind nicht daran schuld. Ich habe doch nicht gesagt, dass Sie daran schuld sind. Ich wollte nur korrekt darstellen, warum das, was Herr Hausold vorgeschlagen hat, nur eine so genannte populistische Scheinlösung ist.
Unser Ziel war es und bleibt es für die Zukunft, eine solidarische Bürgerversicherung - hören Sie doch zu - als ein tatsächlich nachhaltiges, zukunftssicheres Versicherungssystem in der Bundesrepublik in der Gesundheitspolitik einzuführen.
Wir bleiben bei unserem Ziel: Eine Bürgerversicherung, in die jeder nach seiner Leistungsfähigkeit Beiträge einzahlt, und zwar sowohl aus dem Erwerbs- als auch aus dem Kapitaleinkommen, und bei der die lohnbezogenen Beiträge paritätisch finanziert werden. Eine Bürgerversicherung, die alles medizinisch Notwendige versichert und dies vollständig und in bester Qualität anbietet. Eine Bürgerversicherung schließlich, die eine Zweiklassenmedizin ausschließt. Das wollte die SPD und das will sie auch heute noch und weiterhin. Es gehört aber eben zu dieser politischen Wahrheit dazu, dass für ein derartiges Ziel in einer Demokratie auch Mehrheiten vorhanden sein müssen, und aus besagten Gründen ist es momentan nicht so. Jeder weiß, dass man, wenn man Koalitionen eingeht, dann auch schauen muss, welche Prämissen man durchsetzt. Deswegen glaube ich schon, sind die Krokodilstränen und gespielte Empörung nicht wirklich hilfreich.
Das politische Ziel der SPD in einer großen Koalition konnte also nur sein, eine Bürgerversicherung für die Zukunft nicht zu verbauen, die von der CDU vorgesehenen Belastungen für Patienten und für Arbeitnehmer zu verhindern, das Versicherungssystem derart zu stabilisieren und nach Möglichkeit zu modernisieren, dass es zumindest in den nächsten Jahren für die Versicherten ohne Leistungseinbußen tragfähig bleibt. Genau dies, meine Damen und Herren, ist uns gelungen.
Ich sage aber und ich weiß, es hätte schlimmer kommen können. Wie schlimm es hätte kommen können, das wurde offensichtlich, als die Bundeskanzlerin von ihren Ministerpräsidenten quasi die Daumenschraube angelegt bekam. Schauen Sie sich das Interview unseres Ministerpräsidenten im „Spiegel“ an, das spricht Bände. Wenn da von Prämiensystemeinsparungen und Schutz der Privatversicherten die Rede ist, dann wissen wir doch, dass all dies Gerede von mehr Eigenverantwortung immer zulasten der Schwachen in der Gesellschaft geht. Wir haben das nicht vergessen, Herr Hauboldt. Wir haben das nicht vergessen.
Die Landesregierung praktiziert das doch geradezu vorbildlich, ich sage nur Blindengeld und Landespflegegeld. Wäre es also allein nach den CDU-Ministerpräsidenten gegangen, dann hätten Kopfpauschale, Zweiklassenmedizin und Leistungsabbau Einzug gehalten in die Gesundheitspolitik Deutschlands. Weil es aber auch nach ihnen und den sonstigen CDUHardlinern gegangen ist, deshalb war mehr als dieser Kompromiss nicht herauszuholen.
Meine Damen und Herren von der Fraktion Linkspartei.PDS, ich verstehe auch einzelne Anteile Ihres Antrags nicht. Wenn Sie z.B. die paritätische Finanzierung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen einfordern, dann rennen Sie doch bei uns offene Türen ein. Uns war es wichtig, dass bei der zukünftigen Finanzierung des Gesundheitswesens die Leistungsfähigkeit der Versicherten das wichtigste Merkmal in der solidarischen Finanzierung bleibt. Das konnten wir auch durchsetzen. An diesem Prinzip wird immer noch nicht gerüttelt. In den neuen Gesundheitsfonds zahlen alle gesetzlich Versicherten und ihre Arbeitgeber einen einkommensabhängigen Beitrag ein. Wir haben ein einseitiges Einfrieren - man muss es wirklich genau lesen - der Arbeitgeberbeiträge verhindert. Das genau wollte die CDU doch erreichen. Das war ihr Standpunkt. Auch die Arbeitgeber bleiben so an der Kostenentwicklung des Gesundheitswesens beteiligt und können das Risiko steigender Kosten nicht an die Versicherten abwälzen. Deshalb beschweren sich doch die Wirtschaftsverbände, das haben Sie doch alle lauthals vernommen. Die Verteilung der Beitragslast entspricht damit der heutigen Relation. Wir wissen, dass wir einen zusätzlichen Beitrag haben auf der Arbeitnehmerseite, die 0,9 Prozent, aber auf dem heutigen Level bleiben wir stehen.
Ich denke, das ist unserer Prinzipientreue zu verdanken. Das sind harte Verhandlungen gewesen. Ich denke, wer die beobachtet hat, der weiß, dass auf beiden Seiten jetzt Federn gelassen werden mussten. Ich will das ganz deutlich sagen: Ich persönlich schreibe das auch der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt zu. Doch, das kann ich tun.
Der SPD ist es im Übrigen auch gelungen, andere Leistungsbereiche auszugliedern, das muss man ganz deutlich mal sagen. Es ist einfach so. Wir können jetzt noch, wenn wir krank werden, unabhängig davon, wo wir uns die Erkrankung zugezogen haben, auf die Krankenversicherung bauen. So bleibt eben auch die Behandlung von privaten Unfällen weiterhin abgesichert. Es wäre doch Unsinn gewesen, wenn man sich zusätzlich hätte versichern müssen für Unfälle im privaten Bereich, weil die Unterscheidung, wann und wo das passiert ist, und deren Nachweisführung so kompliziert und aufwändig ist, dass erheblich höhere Kosten von den Versicherten hätten getragen werden müssen. Es wird weiter gefordert eine Gegenfinanzierung versicherungsfremder Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Wenn das gefordert wird, dann gehört das einfach zur politischen Klarheit dazu, zu sagen, wie denn diese Gegenfinanzierung aussehen soll. Diese muss jetzt passieren und nicht irgendwann, wenn man eventuell irgendetwas umgesetzt hat. Wenn Sie nicht regieren wollen im Bund, dann werden Sie das auch nie umsetzen können, was Sie heute gefordert haben. Sie werden dann ganz schnell beim Einsatz steuerfinanzierter Mittel sein und diese Steuern müssen eben aufgebracht werden. Man kann nicht einfach immer sagen: „Ja, da muss man bei der Bundeswehr streichen und dann ist das ganz einfach und dann kann man das gegenfinanzieren.“ Das ist aber keine ernsthafte Gegenfinanzierung. Die Bundeskanzlerin selbst hat vor nicht allzu langer Zeit eine verstärkte Steuerfinanzierung gefordert. Sie wissen, wie es ausgegangen ist.
Herr Koch, Herr Wulff und der bayerische „Problembärjäger“ haben es verhindert. Uns ist zumindest der Einstieg in eine teilweise Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben aus dem Bundeshaushalt gelungen. Es ist ein Anfang, es ist ein kleiner Anfang. Trotz alledem ist die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern ein Einstieg. Hier zukünftig mehr Klarheit und Gerechtigkeit zu erreichen, bleibt der politischen Gestaltung und den Machtverhältnissen kommender Legislaturperioden vorbehalten. Sie treten weiter für Kostentransparenz bei Arzneimittelpreisen und medizinisch-technischen Geräten ein. Ja, auch dies ist Bestandteil des gefundenen Kompromisses. Wir wissen, dass sowohl in der Arzneimittelversorgung als auch bei den Hilfsmitteln weiterhin viel Geld auch verschwendet wird. Deshalb soll eine Kosten-Nutzen-Bewertung dazu führen, dass teure Produkte ohne zusätzlichen Nutzen für den
Patienten eben nicht mit den Versichertenmitteln finanziert werden. Solche Regelungen kann man ja als Bürokratisierung beschimpfen. Meine Erfahrung sagt mir, dass es notwendige Regelungen sind, damit Missbrauch verhindert wird und Transparenz für die Patienten entsteht. Denn - das wissen auch Sie - der Mensch ist im Grunde seines Herzens immer auf den eigenen Vorteil bedacht. Es gibt also nicht - wie diesmal und irgendwann behauptet wurde - die Gutmenschen, die gibt es nicht, nur im Märchen. Deshalb wollen wir auch, dass die Kassen z.B. über Ausschreibungen ihren Einfluss verstärkt geltend machen können und auch geltend machen, um günstigere Preise zu erzielen. Wir waren es auch, die immer wieder für den Wettbewerb zwischen Leistungserbringern eingetreten sind, während sich die ansonsten als Wettbewerbshüter auftretenden Parteien, da zähle ich auch die FDP dazu, immer vor den Karren von wirtschaftlichen Monopolen und Kartellen haben spannen lassen. Wir werden es im parlamentarischen Verfahren schon noch erleben, dass die Lobbyisten kommen und für ihren Teil werben. Das ist auch in der Vergangenheit und in den Verhandlungen passiert, es wissen auch alle, die diesen Prozess verfolgt haben.
Meine Damen und Herren von der PDS, Sie beklagen auch das Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz und beschreiben ein Verordnungsverhalten der Ärzte, welches in etwa in 70 Prozent der Fälle zu Regresszahlungen führte, und Sie beklagen gleichzeitig die Kostensteigerungen und Gewinnsteigerungen der Pharmaindustrie. Aber was bitte wollen Sie? Man kann das auch auf einen Nenner bringen: So etwas hat mit so etwas zu tun. Wenn es in 70 Prozent der überprüften Fälle zu Regressforderungen kommt, dann scheint es eben nicht so zu sein, dass das kostengünstigste Präparat mit gleicher Wirkung in aller Regel verschrieben wird. Wer mit offenen Augen durch das Leben und die Praxen geht, der weiß es doch auch, wenn allein durch den jetzt möglichen Entfall der Zuzahlung von Patienten bei der Nutzung preiswerter Präparate schlagartig deren Preise sinken, dann wird doch ganz deutlich, dass da bisher im System etwas nicht stimmte. Der von Ihnen beklagte Werbeetat der Pharmaunternehmen - Frau Fuchs hat das beklagt - richtet sich doch nicht nur an die Patienten, sondern der richtet sich zum erheblichen Teil auch an Ärzte. Wer Veranstaltungen besucht hat von Transparency, der kann sich ein Bild davon machen. Offensichtlich zeigt der Werbeetat bei Patienten und Ärzten Wirkung. So ist es nun mal. So ist nun mal die Lebensrealität in der Markwirtschaft und das war im Übrigen auch davor nicht anders; in der Planwirtschaft gab es nur begrenzte Werbung. Deshalb sage ich, nein, wir brauchen keinen Wegfall dieses Gesetzes, sondern wir brauchen Regeln für das Verschreibungsverhalten. Das sind eben alle keine Menschen, die sich stets
und ständig vernünftig, sozial und uneigennützig verhalten. Dies gilt für Ärzte ebenso wie für Patienten.
Deshalb lassen Sie mich zum Schluss feststellen: Auch wir wollen die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen erhalten und haben sie im gefundenen Kompromiss auch erhalten, aber wir wissen, dass diese Institutionen kein Selbstzweck sein dürfen. Das gilt sowohl für die Parallelstrukturen in den Verbänden der Krankenkassen als auch für die Kassenärztlichen Vereinigungen. Wir haben deshalb dafür gesorgt, dass diese Institutionen professioneller und schneller arbeiten. Wenn Sie die Reaktionen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gehört haben, dann wissen Sie auch, dass diese sich positiv darüber geäußert haben, dass sie für Qualitätssicherung zukünftig zuständig sein sollen. Also wer sagt, dass die abgeschafft werden? Deshalb werden wichtige Koordinierungsaufgaben künftig von einem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung wahrgenommen. Im gemeinsamen Bundesausschuss bleibt es bei der Beteiligung der Patientenvertreter, wobei die Entscheidungsgremien zukünftig von Hauptamtlichen besetzt werden, die von Kassenärzten und Krankenhäusern vorgeschlagen werden können. Wir stehen zu einem Gesundheitssystem mit einer starken Selbstverwaltung, das sich allerdings nicht in Ritualen erschöpfen darf und Handlungsblockaden überwinden muss. Schauen Sie sich deshalb bitte an dieser Stelle das neue Gebührensystem für ärztliche Leistungen an. Anstelle des Punktesystems, das ja viel gescholten, im übrigen auch zu Recht gescholten wurde, soll es zukünftig ein berechenbares Vergütungssystem geben. Es wird gerechter für die Ärzte sein und Anreiz bieten, sich auch in unterversorgten Gebieten niederzulassen. Auch das, denke ich, ist ein Schritt, der momentan überhaupt nicht weiter bewertet wird, der aber große Auswirkungen hat, gerade für uns im Osten.
Lassen Sie mich noch ein Beispiel für Blockadehandlungen nennen. Die bereits mögliche integrierte Versorgung wurde bisher weder von den Kassen noch von den Kassenärztlichen Vereinigungen mit der notwendigen Intensität vorangetrieben. Ich weiß, dass das nicht einfach war, der Prozess. Trotz alledem gibt es nur punktuell auch in Thüringen Fortschritte. Wir haben jetzt dafür gesorgt, dass sie zukünftig noch besser finanziell abgesichert wird und neue Bereiche, wie z.B. Pflegeversicherung oder die Schnittstelle zwischen Akutversorgung, Rehabilitation und Pflege, erschlossen werden können. Wir haben weiterhin deutliche Leistungsverbesserungen für alte Menschen in der geriatrischen Rehabilitation und der Palliativversorgung für Sterbenskranke durchgesetzt. All das sind trotz der von einer überzogenen Erwartungshaltung geprägten öffentlichen Debatte eindeutig Fortschritte in die richtige Richtung.