Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD-Fraktion - wir haben das in der Begründung jetzt noch einmal gehört - wünscht ein Rauchverbot in der Landesverwaltung ab dem 1. Januar 2007, im Thüringer Landtag schon im Herbst und sie will das Thüringer Schulgesetz ändern und per Gesetz für alle das Rauchen in den Schulgebäuden und auf dem Schulgelände verbieten. Dazu möchte ich grundsätzlich feststellen, dass die Landesregierung das Anliegen,
Nichtraucher vor Rauchbelästigung zu schützen, teilt. Diese Problematik berührt Fragen des Gesundheitsschutzes und der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz.
Ich freue mich daher, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, dass Sie sich der am 31. Mai 2006 anlässlich des Weltnichtrauchertages öffentlich kund
Die Frage, die sich nach dieser gemeinsamen Ausgangslage erhebt, ist die, wie dieses Ziel am wirkungsvollsten zu erreichen ist und welche Maßnahmen ergriffen werden können, die den Persönlichkeitsrechten beider, der Raucher wie der Nichtraucher gleichermaßen, gerecht werden. Die Frage hat - Sie wissen das sicher - deutsche Gerichte schon mehrfach beschäftigt. So hat das Landesarbeitsgericht Hamburg 1997 geurteilt, dass ein Rauchverbot für alle Betriebsgebäude eines Betriebes dann rechtswirksam vereinbart werden kann, wenn den rauchenden Betriebsmitgliedern auf dem Betriebsgelände in zumutbarer Entfernung vom Arbeitsplatz ein wind- und regengeschützter Bereich zum Rauchen zur Verfügung gestellt wird. Die grundrechtlich geschützten Rechte auch der Raucher sind also bei der Verwirklichung des Nichtraucherschutzes zu berücksichtigen. Die innerdienstliche Regelungsbefugnis innerhalb der Landesverwaltung darf demnach die allgemeine Handlungsfreiheit und das Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit nicht außer Acht lassen. So hat auch das Bundesarbeitsgericht im Jahr 1999 entschieden, dass Rauchern zumindest im Freien die Möglichkeit geboten werden muss, zu rauchen, und dass ein generelles Rauchverbot im Freien in der Regel nicht mit dem Gesundheitsschutz der Nichtraucher begründet werden kann. Ebenso ist nach dem Urteil ein Rauchverbot mit dem Ziel, Arbeitnehmer von gesundheitsschädlichen Gewohnheiten abzubringen, eine Überschreitung der Regelungskompetenz der Betriebspartner. Die Umstände, unter denen das Rauchen ermöglicht wird, dürfen nicht unzumutbar oder schikanös erscheinen. Die Landesregierung ist daher der Auffassung, dass Rauchern auch innerhalb bestimmter Bereiche der Dienstgebäude unter Berücksichtigung des Nichtraucherschutzes das Rauchen ermöglicht werden sollte.
Meine Damen und Herren, derzeit wird von der Thüringer Landesregierung ein grundsätzliches Rauchverbot innerhalb der Thüringer Landesverwaltung erarbeitet und abgestimmt, das allerdings, davon gehe ich aus, schon vor der von Ihnen geforderten Frist in Kraft treten wird. Der Schutz der Nichtraucher ist der
Landesregierung ein überaus wichtiges Anliegen und die künftige Regelung wird dies als Grundlage fortschreiben. Wir werden uns dabei an der Rechtsprechung zu diesem Thema zu orientieren haben und die Freiheitsrechte, die das Grundgesetz für jeden durchzusetzen fordert, entsprechend beachten. Daher wird die angestrebte Regelung eines grundsätzlichen Rauchverbots in der Landesverwaltung den Forderungen der Rechtsprechung folgend auch Ausnahmen zulassen müssen. So ist geplant, in den Ministerien und der Staatskanzlei das Rauchen grundsätzlich zu untersagen und gleichzeitig den einzelnen Ressorts in eigener Zuständigkeit die Möglichkeiten zu Ausnahmen einzuräumen, die die Interessen der Raucher berücksichtigen, ohne dabei den Gesundheitsschutz der Nichtraucher zu beeinträchtigen. Die Regelung, wie gesagt, soll im Verlauf dieses Jahres in Kraft treten.
Lassen Sie mich nun noch etwas detaillierter auf die Situation an unseren Schulen eingehen: Zurzeit regelt § 51 Abs. 6 Satz 1 des Thüringer Schulgesetzes: „Der Besitz, Handel und Genuss von Rauschmitteln und alkoholischen Getränken sowie das Rauchen ist den Schülern innerhalb der Schulanlage untersagt; Schülern über 16 Jahren erlaubt der Schulleiter auf Beschluss der Schulkonferenz an besonders dafür ausgewiesenen Bereichen das Rauchen auf dem Schulgelände.“ Diese Formulierung, die den Jugendschutz beachtet, sieht vor, dass in allen Räumen der Schule, die dem Unterricht dienen, sowie in den Pausenhallen, auf den Toiletten, auf den Fluren und in den Treppenhäusern sowie auf dem Schulhof nicht geraucht werden darf. Raucherecken können auf Beschluss der Schulkonferenz eingerichtet werden. Es ist der Schulkonferenz aber auch möglich, eine Raucherlaubnis im Gelände der Schule zu versagen.
Um das Rauchen von Kindern und Jugendlichen zu vermeiden, wurden in Umsetzung des Landtagsbeschlusses zur Weiterentwicklung der Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe in Thüringen in der Drucksache 3/3772 weitere das Rauchverbot in § 51 Thüringer Schulgesetz begleitende Maßnahmen ergriffen. Seitens des Thüringer Kultusministeriums ist die Aufforderung an die Schulkonferenzen der Schulen ergangen, die Präventionsbemühungen zu unterstützen und auf freiwilliger Basis den Beschluss zu einer rauchfreien Schule zu fassen. So haben sich von den 937 staatlichen Schulen inzwischen 406 - zwei berufsbildende, 25 Förderschulen, 273 Grundschulen, 16 Gymnasien, drei Jenaplan-Schulen und 87 Regelschulen - freiwillig als rauchfreie Schule im Schulgebäude und auf dem gesamten Schulgelände erklärt; das sind über 43 Prozent aller Schulen. Dazu kommen weitere 178 Schulen oder 19 Prozent aller Schulen, die sich innerhalb des Schulgebäudes für rauchfrei erklärt haben. Insgesamt sind also schon
Derzeit wird an 46 Regelschulen und Gymnasien von insgesamt 2.500 Schülern das Projekt „Stärkung von allgemeinen Lebenskompetenzen in den Eingangsklassen der Regelschulen und des Gymnasiums - IPSI“ durchgeführt. Im Sommer 2005 wurden Förderschulen ebenfalls in dieses Programm aufgenommen. Das Programm ist als Primärprävention gedacht und zielt darauf ab, jugendlichen Substanzmissbrauch zu verhindern, zu vermindern bzw. den Beginn hinauszuzögern. Eine erste Zwischenauswertung hatte positive Effekte hinsichtlich der inter- und intrapersonalen Kompetenz. Die Jugendlichen sind standfester gegenüber den Überredungen anderer Gleichaltriger. Das Klassenklima und die Bindung an die Schule, das heißt die Kommunikation in der Schule, wurden verbessert. Die Versuchsgruppe, die an IPSI in Klassenstufe 5 teilnahm, hat eine negative Einstellung zum Konsum von Alkohol und Zigaretten ausgebildet. Durch IPSI wurde die Distanz zum Rauchen positiv beeinflusst. Selbst Schüler, die schon vor Beginn des Programms geraucht haben, verringerten den Tabakkonsum oder gaben ihn ganz auf. Weitere positive Erfolge zeitigten sich beim Alkoholkonsum.
Des Weiteren wird, um die Nichtraucherförderung insbesondere bei Jugendlichen zu verstärken, an den Thüringer Schulen der Europäische Nichtraucherwettbewerb „Be smart - don’t start“ durchgeführt. Im aktuellen Schuljahr beteiligten sich 137 Schulklassen. Zudem unterstützt das Thüringer Kultusministerium die Kampagne „Rauchfrei“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Auch außerhalb der erwähnten Maßnahmen und Kampagnen werden im Rahmen der schulischen Gesundheitsförderung im Zusammenhang mit außerschulischen Partnern, wie z.B. gesetzlichen Krankenkassen, den Gesundheitsämtern und den Suchtpräventionsfachkräften, der Tabakkonsum und die damit verbundenen Gefahren thematisiert.
Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion widmet der rauchfreien Schule einen eigenständigen Paragraphen, der, ohne Ausnahmen zu ermöglichen, das Rauchen im Schulgebäude und auf dem Schulgelände sowie bei Schulveranstaltungen außerhalb der Schule untersagt, so in Absatz 1 des besagten Paragraphen. Das Rauchverbot soll alle an der Schule Beteiligten - Schüler, Lehrer, Eltern, Besucher und sonstige Mitarbeiter - betreffen. In den Absätzen 2 und 3 soll jeder Schule auferlegt werden, ein Präventionskonzept gegen Tabakkonsum unter Beteiligung der Eltern und mit Unterstützung des jeweiligen staatlichen Schulamts zu entwickeln und zu verwirklichen. Dies soll jährlich evaluiert und fortgeschrieben werden.
Meine Damen und Herren, in § 51 soll nach dem vorliegenden Entwurf das Rauchverbot an die Schüler formuliert bleiben. Allerdings entfällt dann konsequenterweise die Möglichkeit, für Schüler Rauchmöglichkeiten auf dem Schulgelände vorzusehen.
Ich möchte nochmals die schon eingangs thematisierte Frage aufwerfen, wie dem gemeinsamen Anliegen des Gesundheitsschutzes am besten gedient werden kann. Die Einführung eines generellen Rauchverbots an den Thüringer Schulen wurde wie in den anderen Ländern mit Schulpraktikern kontinuierlich erörtert, besonders auch vor dem Hintergrund des schon erwähnten Beschlusses des Thüringer Landtags.
Gegen ein generelles Rauchverbot spricht, dass eine Reduzierung des Tabakkonsums und die Durchsetzung des Nichtraucherschutzgedankens nachhaltig nur über Einstellungs- und Verhaltensänderungen der jeweiligen Person erfolgen können, da ein amtlich ausgesprochenes Rauchverbot in Schulen in der Praxis sonst nicht eingehalten wird. So belegt etwa eine entsprechende Studie der Universität Bielefeld aus dem Jahr 2001, dass die Etablierung strenger schulischer Regelungen zum Rauchen bei Schülerinnen und Schülern nicht zwangsläufig den Tabakkonsum verringert. Vielmehr wird mit einem generellen Rauchverbot, das neben Schülern auch Lehrkräfte, nicht pädagogisches Personal und schulfremde Personen einschließt, die Problematik nach außerhalb der Schulanlage verlagert. Ich zitiere einen kurzen Abschnitt aus dieser Studie, die im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO entstand und in Deutschland ca. 1.600 Schülerinnen und Schüler aus Nordrhein-Westfalen umfasste. Dort heißt es: „Die Optimierung der schulischen Rauchergesetzgebung sollte unbedingt im Rahmen eines partizipatorischen Konsensusprozesses an den einzelnen Schulen erfolgen. Weniger als ein Fünftel der Schüler befürworten strikte Rauchverbote für Schüler und bezeichnenderweise ein Drittel befürworten vollständige Rauchverbote für Lehrer. Ergebnisse der Politikfeldforschung zeigen, dass die Einführung einer neuen Politik gegen den Widerstand der Betroffenen bestenfalls ganz ohne Wirkung bleibt, im schlechtesten Fall allerdings zu unerwünschten Nebenwirkungen führt, zum Beispiel in Form steigenden Zigarettenkonsums als reaktante Rebellion - jetzt erst recht - gegen die politisch gesetzlichen Neuerungen.
Die Erfahrungen der Bundesländer, die ein entsprechendes absolutes Rauchverbot in Schulgebäude und Schulgelände sowohl für den regulären Unterrichtsbetrieb als auch für schulische und außerschulische Veranstaltungen eingeführt haben, zeigen, dass sich das Rauchen, insbesondere in berufsbildenden Schulen und Gymnasien, auf das Gelände vor der Schule verlagert. Dabei wird eine verstärkte Verschmutzung der Gehwege im Schulumfeld beo
bachtet, was zu Beschwerden der Nachbarn führt. Es kann auch zu Störungen des fahrenden und fußläufigen Verkehrs kommen. Daher wird im Einzelfall von Schulträgern bereits geprüft, Flächenteile des Schulgrundstücks umzuwidmen, was jedoch auf eine Beibehaltung bisher zulässiger Raucherecken hinausliefe und der ursprünglichen Intention eines generellen Rauchverbots entgegenstünde.“ Das ist auch in Thüringen nicht anders. Beispielsweise hatte die berufsbildende Schule für Gesundheit und Soziales in Jena die Schulgebäude und das gesamte Gelände zu Beginn des Schuljahres 2005/2006 zur rauchfreien Schule erklärt. Nach einiger Zeit kam es zu den beschriebenen Begleiterscheinungen - Belästigung der Anwohner durch Kippen und Trauben von rauchenden Schülern in den anliegenden Seitenstraßen. Der Ortsteilsbürgermeister hat deshalb mehrfach interveniert und nach etlichen Diskussionen hat die Schule entschieden, dass mit Beginn des kommenden Schuljahres wieder eine Raucherinsel auf dem Schulgelände eingerichtet wird. Die Praxis hat die schöne Theorie überholt.
Die Aspekte des Persönlichkeitsrechts auch der Raucher und der einschlägigen Rechtsprechung dazu habe ich schon erläutert. Dies gilt natürlich auch für Lehrer und Schüler. Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass ein generelles Rauchverbot - wie im Entwurf der SPD-Fraktion vorgesehen - ohne zulässige Ausnahmen bzw. ohne die Beschränkung während des Schulbetriebs bei einer Doppelnutzung von Schulgebäuden, zum Beispiel für Sportvereine oder Volkshochschulen, problematisch wäre, da auch hier die Frage der Durchsetzung und Einhaltung völlig offensteht. Von der Struktur des Schulgesetzes her ist zu fragen, ob das Rauchverbot eines eigenen Paragraphen bedarf oder in einem umformulierten § 55 - Schulgesundheitspflege - in die Schulgesundheit einbezogen werden könnte. Möglicherweise wäre die Regelung in § 51 bezüglich der Schüler dann entbehrlich, aber dies kann man sicher gesetzestechnisch debattieren. Sollte sich das Hohe Haus für eine Schulgesetzänderung entscheiden, stellt sich die Frage nach Sanktionen im Falle von Verstößen gegen die gesetzliche Regelung. Darüber ist im Gesetzentwurf der SPD nichts ausgesagt. Neben den möglichen Regelungen in der Hausordnung, die gegenüber jedem Hausbenutzer greifen, kommen gegenüber den Schülern in der Regel pädagogische Maßnahmen in Betracht, z.B. Gespräch mit dem Schüler, Ermahnung, Gespräch mit den Eltern und nur in groben Fällen Ordnungsmaßnahmen, die am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen sind. Lehrer unterliegen dann den dienst- und arbeitsrechtlichen Vorschriften. Eltern können wohl nur an ihre Vorbildfunktion erinnert werden. Nach alledem wird ein partizipatorischer Ansatz, wie er mit der derzeit bestehenden Regelung in Verbindung mit einem eingangs aufgeführten Life-Skills-Programm gegeben
ist, seitens der Landesregierung wie bisher als nachhaltiger und damit wirksamer erachtet. Diese Sichtweise, die die Entscheidung der Beteiligten vor Ort mit einbezieht, entspricht auch den Intentionen der Stärkung der Eigenverantwortung von Schulen im Freistaat.
Schauen wir zum Schluss noch kurz darauf, wie es in anderen Bundesländern aussieht. Da können wir feststellen, dass sich die Länder der Bundesrepublik Deutschland der Problematik des Rauchens bzw. Nichtrauchens in unterschiedlicher Weise angenommen haben. Derzeit ist in sechs Bundesländern (Brandenburg, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersach- sen, Saarland) ein generelles Rauchverbot gesetzlich oder untergesetzlich verankert. In weiteren drei Bundesländern (Baden-Württemberg, Rheinland- Pfalz und Nordrhein-Westfalen) besteht ein Rauchverbot mit der Möglichkeit, durch Beschluss der Schulkonferenz oder des Schulleiters Ausnahmeregelungen zu treffen, also analog den Thüringer Regelungen. In Bayern existiert bislang ein Rauchverbot auf Rechtsverordnungsebene mit einer Öffnungsklausel für Schüler der Jahrgangsstufen 12 und 13. Auch Bremen beabsichtigt, ein generelles Rauchverbot festzulegen. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist dort in der Diskussion. In Schleswig-Holstein liegt ein Gesetzentwurf vor, der ein Rauchverbot mit der Möglichkeit vorsieht, durch Beschluss der Schulkonferenz und des Schulträgers Ausnahmeregelungen für schulische und nicht schulische Veranstaltungen zu treffen. Sie sehen, wir stehen mit der derzeit gültigen Regelung in unserem Schulgesetz im Vergleich der Länder durchaus auf der Höhe der Zeit und sind nicht allein. Es war schon immer Anliegen der Landesregierung und des Gesetzgebers, dem Gesundheitsschutz auch an den Schulen entsprechend Geltung zu verschaffen.
Meine Damen und Herren, eines muss jedoch auch einmal deutlich gesagt werden: Die Schule ist nicht Reparaturwerkstatt der Gesellschaft und schon gar nicht sollte man glauben, mit Verboten reparieren zu können.
Stetes Werben um Einsicht ist gefragt, und zwar um Einsicht in gesundheitsförderndes Verhalten wie um gegenseitige Achtung und Rücksichtnahme. Ich vertrete deshalb die Ansicht, dass das bereits bestehende Rauchverbot in § 51 Abs. 6 Satz 1 des Thüringer Schulgesetzes in Kombination mit entsprechenden Präventionsmaßnahmen zur Reduzierung des Tabakkonsums an Schulen als gesetzliche Regelung sinnvoll und ausreichend ist.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Änderung des Thüringer Schulgesetzes halten wir für längst überfällig.
Unsere Fraktion befürwortet diesen auch, weil er nicht beim einfachen Rauchverbot an Thüringer Schulen stehen bleibt, sondern auf präventive Maßnahmen setzt. Dennoch sagen wir auch ganz klar: Das Rauchverbot an Thüringer Schulen ist notwendig und könnte ein erster Schritt hin zu einem Gesamtkonzept für die Gesundheitserziehung an Thüringer Schulen sein. Weitere Schritte müssten folgen.
Ich bin nicht Ihrer Meinung, Herr Minister, dass es diese Nebenwirkungen gibt, dass mehr geraucht wird. Es wird nur eine kurzfristige Sache sein. Wir müssen hier natürlich auch, um das Verbot durchzusetzen, längerfristig am Rauchverbot dranbleiben.
Der Gesetzentwurf scheint einfach und klar. Ein generelles Rauchverbot in allen Thüringer Schulen, verbunden mit einem Präventionskonzept gemeinsam mit Schülern, Eltern und Lehrern, wird das Einstiegsalter von Jugendlichen beim Rauchen heraufsetzen, weniger Kinder und Jugendliche zur Zigarette greifen lassen und damit wahrscheinlich auch weniger Kinder und Jugendliche mit harten Drogen in Berührung bringen.
Was ist die jetzige Realität an den Thüringer Schulen? Schüler, die ihre Lehrer austricksen, der Glimmstängel, der noch einmal schnell zum Mund geführt wird oder von Hand zu Hand geht, bevor ein Lehrer auf der Hofpause erscheint, eingreifende oder wegschauende Lehrer, immer wieder Diskussionen auf dem Schulhof oder im Lehrerzimmer. Der Weg von der Schule zum Sport oder zurück wird bereits von Grundschülern zum „Probierrauchen“ genutzt. Wandertage und Klassenfahrten mit Schülern, die kurz mal hinter der nächsten Ecke verschwinden. Wenn man weiß, dass Programme wie IPSI von einem Tabakkonzern, nämlich Philipp Morris, bezahlt werden, dann halte ich das nur für eine Alibifunktion hier bei der Erziehung der Schüler.
Ändert sich das nun, nur weil man das Rauchverbot schnell in das Schulgesetz packt? Kritiker sagen, dass es nur eine Problemverschiebung gibt. Sie hatten es, Herr Minister, benannt; Schüler gehen nur um die Ecke und rauchen dort ihre Zigaretten. Dennoch denke ich, dass die Fakten sehr alarmierend sind. Für ein gesetzliches Rauchverbot sprechen Tatsachen eine klare Sprache und wurden teilweise bereits benannt. Das Einstiegsalter nenne ich hier. Wenn das Einstiegsalter zwischen 11 und 12 Jahren liegt, dann weiß man, dass auch schon unter 11-jährige Schüler rauchen. Es gibt ein 8-jähriges Einstiegsalter usw. Schauen Sie sich im Straßenbild um, dann kann man Kinder sehen, die noch keine 16 sind, die weit unter diesem Alter liegen und mit einer Zigarette quietschvergnügt durch die Gassen pfeifen.
Nach einer Studie des Mediziners Prof. Haustein - er hat bis zu seinem Lebensende für ein Rauchverbot an Thüringer Schulen gekämpft - über das Rauchen an Thüringer Schulen hat fast die Hälfte alle befragten Schüler Raucherfahrungen. Bei 9 Prozent der rauchenden Schüler findet man bereits Abhängigkeitssymptome vor. Das finde ich besonders erschreckend. Über 20 Prozent der Schüler rauchen im Ergebnis dieser Studie auch auf dem Schulhof. 80 Prozent der Schüler rauchen ihre erste Zigarette aus Neugier, 28 Prozent davon können nicht mehr aufhören. Ein Vergleich der ermittelten Raucherquoten zwischen den Befragungen aus den Jahren 1994, 1998 und 2002 zeigt bei den Jugendlichen in Deutschland einen moderat ansteigenden, aber ungebrochenen Trend hin zum Rauchen. In der überwiegenden Zahl der anderen Länder dagegen stagniert die Anzahl der regelmäßigen Raucher unter Jugendlichen oder nimmt sogar leicht ab.
Ein internationaler Vergleich der Raucherquoten unter 11- bis 15-jährigen Jugendlichen verdeutlicht ein eindeutiges Defizit in den deutschen Bemühungen um den Gesundheitsschutz und die nationalen Strategien der Rauchprävention. Wir liegen ganz klar am hinteren Ende, nur Grönland übertrifft uns noch bei den Rauchern im jugendlichen Alter.
Internationale Studien belegen auch, dass an Schulen mit einem strikten Rauchverbot weniger Schüler rauchen. Wir könnten die Reihe von Argumenten noch weiter fortsetzen. Rauchfreie Schule ist ein Thema von öffentlichem Interesse. 86 Prozent der deutschen Bevölkerung spricht sich für ein generelles Rauchverbot aus. Nach einer Umfrage der TA sind es in Thüringen sogar über 94 Prozent.
Immerhin zeichnet sich seit zwei Jahren ein Paradigmenwechsel bezüglich des Rauchverbots an Schulen in Deutschland ab. Die Anzahl der Bundesländer, die
bereits rauchfreie Schulen haben, nimmt zu. Frau Ehrlich-Strathausen hat das vorhin benannt. Thüringen hinkt dieser Entwicklung jedoch hinterher. Auch in 43 europäischen Ländern gibt es nur rauchfreie Schulen. Deutschland ist auch hier nicht im internationalen Trend.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, natürlich kann das Rauchverbot nur ein Schritt in die richtige Richtung sein. Es bedarf weiterer flankierender Maßnahmen. Öffentlich jedermann zugängliche Zigarettenautomaten machen schon Kindern den Erwerb von Zigaretten trotz Jugendschutzgesetz möglich. Die Chipkarte, die ab 01.01.2007 eingeführt werden soll, hilft da sicher auch nur wenig. Die Tabakwerbung zeigt vorwiegend junge, sportliche und gut aussehende Menschen. Oft meint man, einen Hauch von Abenteuer und Freiheit zu spüren, wenn man diese Werbungen anschaut. Welche Gefahren mit dem Rauchen einhergehen, spielt bei der Werbung keine Rolle.